Z. 124

Dezember 2020

Editorial

Extremismus- und Totalitarismusparadigmen sind Leitplanken des bürgerlichen Verfassungsstaates, mit deren Hilfe der Raum des politisch Legitimen seit 1949 bis heute systematisch eingegrenzt wird. Wenn auch aktuell die extreme Rechte im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit steht, so war das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ von Beginn an gegen die politische Linke gerichtet und ist es in weiten Teilen bis heute. Sarah Schulz verdeutlicht das in ihrem einleitenden Beitrag des Schwerpunktes. Als Ausgangspunkt der „illiberalen Rechtstradition“ der Bundesrepublik konstatiert sie eine Fehlinterpretation der Machterlangung der Nazis. Mit der Behauptung, die zu liberale Weimarer Republik habe ihren „Feinden“ nicht entgegentreten können ...
Kommentare
Ulrich Brinkmann - Dieter Boris - Wolfgang Semmler - Fabian Korner

Kommentare

Ulrich Brinkmann: Endlich erledigt?; Dieter Boris: Bolivien. Zurück nach vorn; Wolfgang Semmler: Patrice Lumumba – Größe und Tragik; Fabian Korner: Hochschulen und Pandemie
Kritik der Extremismustheorie
Sarah Schulz

Traditionell illiberal und antikommunistisch: Die wehrhafte Demokratie

Die wehrhafte Demokratie ist die institutionelle Grundlage für das Extremismuskonzept. Sie gilt als ‚Lehre aus der Geschichte’ und soll die „Antwort auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten“ (Flümann 2015, 97) sein. Der „Niedergang Weimars“ ist das „politische Lehrstück“ (Gerlach 2012, 50) für die Etablierung dieses Demokratieschutzkonzeptes ...
Dominik Feldmann

Der „Antiextremismus"

Zu Kontinuitäten und Brüchen in der bundesdeutschen Sicherheitspolitik

Nach den rassistisch motivierten Anschlägen von Hanau im Februar 2020 erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), dass „vom Rechtsextremismus die größte Bedrohung“ (zit. nach Friess 2020) ausgehe. Wenngleich seine politischen Handlungen nicht in Einklang mit dieser Aussage stehen ...
Martina Renner/Sebastian Wehrhahn

Nach rechts offen: Staat und Sicherheitsbehörden als Teil des Problems

Nordkreuz, Franco Albrecht, NSU 2.0: Seit 2017 sind verschiedene rechtsterroristische Gruppierungen bekannt geworden, deren Mitglieder aus Polizei und Bundeswehr kommen. Die Fälle stehen einerseits in einer Tradition extrem rechter Ideologie und Praxis ...
Gerd Wiegel

„Zwei Abarten des totalitären Sozialismus"

Totalitarismustheorie und Geschichtspolitik einer modernisierten radikalen Rechten

Die Totalitarismustheorie kann mit Fug und Recht als ältere Schwester der Extremismustheorie bezeichnet werden. Wiewohl dieser Strang der vergleichenden Forschung zu unterschiedlichen politischen Regimen vor allem der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts selbst eine große Heterogenität aufweist ...
Stefan Bollinger

„Totalitarismus“ als Instrument im neuen Kalten Krieg

Russlands Kampf um die Deutung der Geschichte

Geschichte ist Instrument des heutigen Machtkampfes. So wundert es nicht, wenn die US-Botschafterin in Warschau twittert: „Lieber Präsident Putin, Hitler und Stalin verabredeten, den Zweiten Weltkrieg zu beginnen. Das ist eine Tatsache.“ ...
Corona-Krise und Kapitalismus
John Bellamy Foster/Intan Suwandi

Covid-19 und der Katastrophenkapitalismus (Teil II)

Internationale Warenketten und ökologisch-epidemiologisch-ökonomische Krisen

SARS-CoV-2 ist, so wie viele andere gefährliche Pathogene der letzten Jahre, eng verbunden mit einer komplexen Reihe von Faktoren. Diese beinhaltet: 1) Die Entwicklung der globalen Agrarindustrie mit ihren zunehmenden genetischen Monokulturen, die die Anfälligkeit für die Ansteckung mit Zoonosen von Wildtieren über Haustiere bis zum Menschen erhöhen ...
Jörg Goldberg/André Leisewitz/Jürgen Reusch

Corona-Krise – zweite Welle: Ökonomische Perspektiven und soziale Belastungen

Der erneute Anstieg der Infektionen und auch der Hospitalisierungs- und Sterberaten im Herbst 2020 – in den meisten europäischen Ländern und den USA noch stärker als in Deutschland – macht deutlich, dass die Krise auch mittelfristig die Entwicklungsperspektiven des kapitalistischen Weltsystems verändern wird ...
Peter Behnen

Mit einem „Wumms" in die Inflation?

Die Bundesregierung hat in der Corona-Krise mit 1,2 Billionen Euro das größte Hilfsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik aufgelegt. Nachdem sie zuerst das Ziel verfolgte, Arbeitsplätze zu erhalten, den Fortbestand von Unternehmen zu sichern und krasse soziale Notlagen zu vermeiden ...
Gewerkschaften und Corona-Krise
Dirk Müller/Juri Kilroy

Streikmonitor: Arbeitskonflikte im ersten Halbjahr 2020

Mit 89 Konflikten ist das erste Halbjahr 2020 das konfliktärmste seit Erhebungsbeginn 2016 (erstes Halbjahr 2019: 142).1 Da in dem Zeitraum keine großen Tarifrunden stattfanden, ist auch von einem niedrigen Aufkommen an Ausfalltagen und beteiligten Beschäftigten auszugehen ...
Vorbereitungskreis für eine offensive Gewerkschaftspolitik

Für eine offensive Tarif- und Gewerkschaftspolitik 2021

Die im März 2020 geschlossenen Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie können zum 31.12.2020 gekündigt werden. Die Tarifrunde 2021 wird dann vor einem schwierigen Hintergrund unsere Gewerkschaft vor große Aufgaben stellen ...
Stephan Krull / Margareta Steinrücke

Arbeitszeitverkürzung – die soziale Seite einer ökologischen Transformation!

Die Geschichte der Arbeitszeit ist voll mit Kämpfen der Arbeiter*innenbewegung, mit Siegen und mit Rückschlägen. Nun steht die nächste Runde dieses Kampfes um die Zeit an, mit dem Bewusstsein der Menschen: Unsere Zeit ist unser Leben ...
Relektüre Lenin (1870-2020)
Wladislaw Hedeler/Volker Külow/Manfred Neuhaus

„Die Arbeit fängt gerade von vorne an"

Kritische Neuausgaben von drei Schlüsseltexten erlauben einen neuen Blick in Lenins Autorenwerkstatt

Während Hugo Ball und seine Freunde im Zürcher „Cabaret Voltaire“ im Februar 1916 den Dadaismus aus der Taufe hoben, formulierte ein russischer Emigrant im Nebenhaus eines seiner wirkungsmächtigsten Werke. In den ersten Monaten des dritten Kriegsjahres brachte W. I. Lenin ...
Alfred Kosing

Lenin und die Theorie des Sozialismus (Teil I)

Es ist unbestritten, dass Lenin die von Marx und Engels begründete Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus in bedeutender Weise weiterentwickelt, vertieft und konkretisiert hat. Doch wie sein Beitrag hierzu bewertet werden kann, ist umstritten und daher Gegenstand von Kontroversen ...
Georgios Kolias

Zu Lenins Hegel-Lektüre 1914-1915

W.I. Lenin wurde nicht nur ein Jahrhundert nach G.W.F. Hegel geboren, sondern er befasste sich auch mit dessen Wissenschaft der Logik ein Jahrhundert nachdem Hegel jene verfasst hatte. Zu diesem Zeitpunkt tobte schon der Erste Weltkrieg ...
Emiliano Alessandroni

Lenin in Italien

Tagungen, Bücher, Studien und Debatten

Um einen Überblick zu den Debatten, die sich in den letzten Jahren in Italien um die Figur Lenins entwickelt haben, zu erlangen, muss man zumindest bis 2017 zurückgehen, also zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution ...
Weitere Beiträge
Daniel Göcht - Arnold Schölzel - Richard Sorg - Hans Voß

„Ohne Hegel geht’s natürlich nicht“ (Engels)

Neuere Hegel-Literatur

Das Schreiben von Biographien, zumal solcher mit wissenschaftlichem Anspruch, steckt voller Tücken. Der Biograph darf nicht zu viele, nicht zu wenige Einzelheiten ausbreiten; er darf nicht ins Psychologisieren verfallen und die Gefühlwelt seines Gegenstandes ausbreiten, wo keine Quellen vorliegen ...
Jörg Zimmer

So viele Fragen

Zu Jürgen Habermas’ „Auch eine Geschichte der Philosophie”

Der Leser der zahlreichen Rezensionen, die nach dem Erscheinen des letzten großen Wurfs von Jürgen Habermas1 in der Presse erschienen sind, wundert sich nicht über die allseits bekundete Bewunderung über den Umfang des Werkes, die Arbeitskraft seines neunzigjährigen Autors und die komplexe Vielfalt der Aspekte ...
Georg Fülberth

Ein Pamphlet

Anmerkungen zu Werner Plumpe, „Das kalte Herz. Kapitalismus: die Geschichte einer andauernden Revolution“

Seit über hundert Jahren – spätestens beginnend mit Werner Sombarts Werk über den modernen Kapitalismus – sind schon so viele Darstellungen zur Geschichte dieser Gesellschaftsformation erschienen, dass darüber ihrerseits eine historische Darstellung verfasst werden könnte ...
Diskussion – Kritik – Zuschriften
Georg Quaas - Klaus Müller - Stefan Kühner - Maike Neunert

Diskussion/Kritik/Zuschriften

Georg Quaas: Produkte ohne Wert? Zu Klaus Müller, Z 123 (September 2020), S. 191-196; Klaus Müller: Kommentar; Stefan Kühner: Corona-Krise und Kapitalismus. Zu Goldberg/ Leisewitz/Reusch, Z 123 (September 2020), S. 28-43; Maike Neunert: Wenn Karl Marx, dann Rosa Luxemburg? Zu Alexander von Pechmann und Klaus Müller (Z 120, Dezember 2019, S ...
Zeitschriftenschau/Aktuelle Debatten
Michael Zander - Julian Flores - David Salomon - André Leisewitz - John Lütten

Zeitschriftenschau/Aktuelle Debatten

Michael Zander: Skandale und Mikroaggressionen; Julian Flores: US-Wahlen, Engels und Die Linke; David Salomon: Arbeiterwiderstand, Arbeiterbewegung, Arbeiterkultur; Disproportion von Produktion und Konsumtion; André Leisewitz: Disproportion von Produktion und Konsumtion; John Lütten: Probleme mit dem ...
Berichte
Jere Nollenberger

Wirtschaftspolitik in Krisenzeiten / Alle Berichte

Bielefeld, 7. bis 11. September 2020
Lothar Letsche

Tagung zum „Radikalenerlass"

Heidelberg, 28. bis 29. September 2020

Buchbesprechungen
Jens Grandt zu Ulrich Pagel

Transformation des aufklärerischen Diskurses im Vormärz / Alle Buchbesprechungen

Ulrich Pagel, Der Einzige und die Deutsche Ideologie, De Gruyter Marx-Forschung, Berlin 2020, 690 S., 99,95 Euro
Eckhard Müller zu Pilawski/Politt [Hrg.]

Geschichte der Familie von Rosa Luxemburg

Krysztof Pilawski/Holger Politt (Hrsg.), Rosa Luxemburg, Spurensuche. Dokumente und Zeugnisse einer jüdischen Familie, VSA Verlag Hamburg 2020, 152 Seiten, 19,80 Euro
Klaus Dräger zu Tariq Ali

Lenins Dilemmas

Tariq Ali, The Dilemmas of Lenin – Terrorism, War, Empire, Love, Revolution. Verso, London/New York 2017, 373 Seiten, 21,- Euro
Livia Schubert zu Helga Amesberger u.a.

Antifaschistischer Widerstand in Österreich

Helga Amesberger, Simon Clemens, Brigitte Halbmayr, Meine Mama war Widerstandskämpferin. Netzwerke des Widerstands und dessen Bedeutung für die nächste Generation, Picus Verlag, Wien 2019, 288 S., 26 Euro
Siegfried Prokop zu Heinz Niemann

Zur Geschichte der DDR

Heinz Niemann, Kleine Geschichte der SED. Ein Lesebuch. Verlag am Park, Berlin 2020, 773 S., 30,00 Euro
Stefan Bollinger zu Peter-Rudolf Zotl

Von der Macht in die Opposition

Peter-Rudolf Zotl, Das Ende und der Anfang. Das Wendejahr 1989/90 und die PDS in Berlin, Verlag am Park/Edition Ost, Berlin 2020, 332 S., br. 17,00 Euro
Dominik Feldmann zu M. Fuhrmann

Gegen die Hegemonie des „Antiextremismus“

Maximilian Fuhrmann, Antiextremismus und wehrhafte Demokratie. Kritik am politischen Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 2019, Nomos Verlag, 352 S., 69 Euro
Werner Ruf zu Michael Wengraf

Neoliberale Diktatur

Michael Wengraf, Die rechte Revolution. Veränderte ein Masterplan die Welt? Mangroven-Verlag, Kassel 2020, 236 S., 18,- Euro
Jörg Goldberg zu Felix Wemheuer

China als Profiteur der neoliberalen Weltordnung

Felix Wemheuer, Chinas große Umwälzung. Soziale Konflikte und Aufstieg im Weltsystem, PapyRossa Verlag, Köln 2019, 270 S., 16,90 Euro
Peter Wahl zu Werner Ruf

Die deutsche Sehnsucht nach Großmachtstatus

Werner Ruf, Vom Underdog zum Global Player, Deutschlands Rückkehr auf die Weltbühne, PapyRossa, Köln 2020, 127 Seiten, 12,90 Euro
Christan Stache zu Ian Angus

Das Anthropozän und die globale sozialökologische Krise

Ian Angus, Im Angesicht des Anthropozäns. Klima und Gesellschaft in der Krise, Unrast, Münster 2020, 264 S., 19,80 Euro
Klaus Müller zu Ulrich Busch

Geld-Theorie

Ulrich Busch, Geldkritik. Theorien – Motive – Irrtümer, Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften, Band 65, trafo- Wissenschaftsverlag Berlin 2020, 400 S., 39,80 Euro
Edgar Radewald zu Ulrike Herrmann

Zermalmte Mythen

Ulrike Herrmann, Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind. Westend Verlag, Frankfurt/M. 2019.,320 S., 24,00 Euro
Katharina Schramm zu Klaus Müller

Ökonomen auf Abwegen

Klaus Müller, Von der Kunst der Ökonomen, sich selbst zu täuschen, Papy-Rossa Verlag, Köln 2019, 335 S., 24,00 Euro
Frank Deppe zu Steffen Lehndorff

Roosevelts New Deal als Blaupause?

Steffen Lehndorff, New Deal heißt Mut zum Konflikt. Was wir von Roosevelts Reformpolitik der 1930er Jahre lernen können. Eine Flugschrift, 94 Seiten, VSA Verlag, Hamburg 2020, 10,- Euro
Harald Werner zu Hans-Henning Adler

Ökonomische Macht und Gewaltenteilung

Hans-Henning Adler, Kapital-Macht wirksam bändigen – Gedanken zu einem Sozialismus mit Durchsetzungschancen, VSA-Verlag, Hamburg 2020, 128 S., 10,- Euro
Bernd Hüttner zu Raul Zelik

Grüner Sozialismus

Raul Zelik, Wir Untoten des Kapitals. Über politische Monster und einen grünen Sozialismus, edition suhrkamp, Berlin 2020, 328 Seiten, 18 Euro