Ralf Krämer möchte mit seinen Anmerkungen, zentrale Argumente meines Beitrages im Juni-Heft der Z. (Z 55) widerlegen oder zumindest entkräften.
Zunächst einmal ist festzustellen, dass Krämer im ersten Abschnitt („Bestimmungsgründe der Akkumulations- und Krisenentwicklung“) äußerst schwammig argumentiert. Er gesteht der Zinspolitik zwar einen gewissen, nicht näher spezifizierten Einfluss zu; letztlich ist jedoch für ihn die im Aufschwung systematisch hinter den Investitionen zurückbleibende Endnachfrage die entscheidende Ursache für krisenhaften Einbrüche. Als Beleg soll offensichtlich das Schaubild auf der zweiten Seite seiner Replik dienen. Doch Krämer verstrickt sich bereits hier in einen Widerspruch: Wenn der Zins – wie Krämer in der einleitenden Passage selbst eingesteht – für Investitionenentscheidungen als Fremdfinanzierungs- oder als Opportunitätskostengröße relevant ist, dann hat die Zinspolitik der Zentralbank natürlich auch einen entscheidenden Einfluss auf das Investitions- und damit auf das Konjunkturgeschehen. Letzteres erklärt dann auch die Tatsache, dass konjunkturelle Krisen in der Bundesrepublik immer auch Hochzinsphasen waren. Auch die in Krämers Schaubild belegte Tatsache, dass die Investitionen im Konjunkturgeschehen stärker schwanken als das BIP, steht im Einklang mit postkeynesianischen Vorstellungen – und das dürfte auch Krämer klar sein.
Offensichtlich unzutreffend wird die Krämersche Argumentation in jenen Passagen, in denen er sich mit dem Zusammenhang von Lohnentwicklung, Inflation und Verteilung beschäftigt. Zunächst wäre es hier für die Leserin und den Leser interessant gewesen, welche Inflationstheorie Krämer eigentlich favorisiert – hierüber schweigt er sich jedoch aus. Dann behauptet Krämer, meine Datenreihen würden zeigen, dass zwischen der Höhe der Lohnsteigerung und der Verteilungsposition Korrelationen zumeist mittlerer, in Deutschland und einigen anderen Ländern auch hoher Stärke bestehen. Die von mir berechneten Korrelationskoeffizienten für den Zusammenhang Lohnstückkosten-Lohnquote sind in Tabelle 1 zu finden, tatsächlich besteht in 35% (absolut 6) der Fälle eine schwache Korrelation, in 47% (absolut 8) der Fälle eine mittlere und lediglich in 18% (absolut 3) der Fälle eine hohe Korrelation. Die Korrelationen für die Lohnstückkosten und die Lohnquote liegen also in der weit überwiegenden Zahl der Fälle im niedrigen oder im mittleren Bereich. An dieser Stelle muss ich leider zugestehen, dass in Tabelle 2 die Ergebnisse der Tabelle 1 in der Spalte „Lohnstückkosten-Lohnquote“ fehlerhaft zusammengefasst sind. Trotzdem bleibt der Tatbestand, dass hohe und sehr hohe Korrelationen nur für den Zusammenhang Lohnstückkosten-Inflationsrate bestehen. Außerdem gilt für alle Länder außer für Luxemburg, dass die Korrelationskoeffizienten für den Zusammenhang Lohnstückkosten-Inflationsrate deutlich höher ausfallen als für den Zusammenhang Lohnstückkosten-Lohnquote.
Krämer geht jedoch noch einen Schritt weiter, indem er die „richtige“ Interpretation der Datenreihen liefert: „Die bereinigte Lohnquote stieg oder sank im Wesentlichen in dem Maße, wie es den abhängig Beschäftigten gelang, Lohnsteigerungen durchzusetzen, die über der Summe aus Produktivitätszuwachs und Preissteigerung lagen ...“. Hätte Krämer Recht, müsste vor Tarifauseinandersetzungen bekannt sein, wie sich die Inflationsrate in der Folgeperiode entwickelt. Dies ist kaum denkbar, vielmehr bestimmen die Lohnverhandlungen im Kern die Inflationsrate der Folgeperiode – was auch die postkeynesianische Theorie behauptet und sich mit den von mir vorgelegten empirischen Befunden deckt.
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass Krämer in wesentlichen Punkten an der postkeynesianischen Theorie vorbei argumentiert. Wenn er tragfähige Einwände vorbringen wollte, müsste er entweder Datenreihen präsentieren, die der postkeynesianischen Theorie widersprechen, oder er müsste auf einer eher theoretischen Ebene einleuchtende Argumente, z.B. gegen ein Überwälzen von Lohnsteigerungen in Preise, anführen. Beides wird von Krämer nicht geleistet.