Die Wandlungen der politischen Landschaft nach den vorgezogenen Bundestagswahlen am 18. September waren bemerkenswert. Die Parteienkonstellation im 16. Bundestag tendierte zeitweilig in Richtung Schwerregierbarkeit. Die Bemühungen von SPD und CDU/CSU, ihre Niederlagen als Siege auszugeben, gerieten zur Farce, die aber bierernst hingenommen wurde. Meinungsumfragen vermittelten zwar ein verwirrendes Bild vielschichtiger politischer Stimmungen, aber unzweideutig ist: Das Vertrauen gegenüber den Parteien und anderen politischen Institutionen ist auf einen Tiefpunkt.[1]
Die Rechtfertigung der neoliberalen Politik als alternativlos oder gar als Weg zu wirtschaftlicher Prosperität und zu mehr Arbeitsplätzen kommt dank entsprechender Medienkampagnen nach wie vor an, ist aber erkennbar schwieriger geworden. Auch unter den Bedingungen fortschreitender politischer Frustration haben die partei- und wahlpolitischen Mechanismen zur Sicherung von Massenloyalität für die Kapitalherrschaft sich zwar als überwiegend funktionstüchtig erwiesen – doch um welchen Preis und mit welchen Funktionsstörungen! Die Wahlbeteiligung ist weiter zurückgegangen. Das Schaukelspiel von CDU/CSU- und SPD-geführten Bundesregierungen funktioniert nicht mehr wie bisher. Die beiden großen „Volksparteien“ CDU/CSU und SPD haben zwar immer noch 69,5 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen können, aber das sind 7,5 Prozent weniger als 2002, 1998 und 1994.[2]
SPD und Grüne ließen sich nicht darauf ein, ihre eigene Politik des Einreißens des Sozialstaates offen zu verteidigen, sondern agierten als angebliche Kontrahenten des Neoliberalismus. Es gab in den Monaten vor der Wahl eine außerordentliche Instabilität des „Wählermarktes“. Die CDU/CSU verlor bei Meinungsumfragen nicht zuletzt mit ihrer Attitüde neoliberaler Ehrlichkeit von Juni bis September mehr als ein Viertel ihrer potenziellen Wähler.[3] Zugelegt hat die ebenfalls offen neoliberal agierende FDP. Aber das geschah nur deshalb, weil ihr Versprechen, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu verhindern, ankam und sie so mit einer geschickten Zweistimmenkampagne etwa 1,25 Mill. ehemaliger CDU/CSU-Wähler zu sich herüberziehen konnte.[4] Vor allem aber verlor der Bundestag seinen Charakter als exklusives Kartell neoliberaler Parlamentsfraktionen. Gut vier Millionen Wählerinnen und Wähler haben, etwa hälftig in West und Ost, der Linkspartei ihre Stimme gegeben: in Bezug auf 2002 etwa 960.000 ehemalige Wähler der SPD, 280.000 der CDU/CSU, 220.000 der Grünen und 390.000 Nichtwähler.[5] Nach Angaben der Forschungsgruppe Wahlen wählten 11,8 Prozent der Arbeiter, 11,8 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder und 25 Prozent der Arbeitslosen die Linkspartei, in Ostdeutschland sogar 29,0 bzw. 30,3 und 42,0 Prozent.[6]
Für die politische Unabhängigkeit der Lohnabhängigen und Arbeitslosen, generell für den politischen Kampf um eine sozial gerechte Gesellschaft wird die politische Profilierung der Linksparteifraktion in den parlamentarischen und außerparlamentarischen Auseinandersetzungen der nächsten Jahre enorm wichtig sein. Die erfolgreiche Wahrnehmung der mit ihr verbundenen Chance eines erstarkenden Widerstandes gegen die neoliberale Gegenreformation wird nicht zuletzt davon abhängen, inwieweit sie konsequent die Interessen derjenigen vertritt, die sie gewählt haben. Klarheit über die derzeit ablaufenden ökonomischen und politischen Prozesse, über Illusionen und Möglichkeiten gesellschaftlicher Verbesserungen ist dafür eine wichtige Voraussetzung.
Der sozialen folgt die politische Polarisierung
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts hat es offensichtlich eine tiefe Zäsur in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Kapitalismus gegeben. Wir befinden uns inmitten einer dramatischen gesellschaftlichen Umbruchssituation. Die politischen Krisenerscheinungen sind Ausdruck einer Lage, in der sich entlang des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit eine immer deutlicher werdende soziale Polarisierung anbahnt. Über 120 Jahren hinweg – allerdings mit Unterbrechungen – sind bis Ende des 20. Jahrhunderts nach Angaben der Grundsatzabteilung des DGB die Einkommen um das Zehnfache gestiegen; die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit verringerte sich von 3.000 auf 1.600 Stunden.[7] Ein recht umfassendes System von Arbeitnehmerrechten und sozialen Absicherungen konnte durchgesetzt werden. Seit der Wende zum 21. Jahrhundert stagnieren bzw. sinken die Reallöhne, in den letzten zehn Jahren um 0,9 Prozent. Die Renten und die sozialen Leistungen werden abgebaut. Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten stieg nach einer Untersuchung des Instituts für Arbeit und Technik auf 1.756 Stunden,[8] einschließlich (oft unbezahlter) Überstunden und Arbeit an Wochenenden. Nicht zuletzt über die „Steuerreformen“ vollzieht sich eine beschleunigte Umverteilung von unten nach oben, aber auch eine Erosion des Steuerstaates mit einer anwachsenden Staatsverschuldung. Lag die Steuerlast im Jahre 1990 noch zu 20,4 Prozent bei den Unternehmen und zu 70 Prozent bei „Arbeit und Verbrauch“, so lag diese Relation im Jahre 2002 bei 12,2 zu 79,2 Prozent.[9] Zwar gab es nach der offiziellen Statistik sowohl 1991 wie auch 2004 38 Millionen Erwerbstätige, aber dahinter verbergen sich tiefgehende Veränderungen. Die „Normalarbeitsverhältnisse“ gingen zurück. Die Unterminierung des Tarifrechts, die Ausbreitung ungeschützter Arbeitsverhältnisse, von Mini- und Midijobs, die zunehmende Bedrohung durch Arbeitslosigkeit verstärkten die Unsicherheit der Existenz der Lohnabhängigen. Die Zahl der Geringverdienenden stieg von 3,8 Millionen im Jahre 1996 auf 5,9 Millionen im Jahre 2003; die der Erwerbstätigen in einem Teilzeit-Job von 1997 bis 2005 von 7,8 Millionen auf 11,3 Millionen.[10] 36,6 Prozent der Erwerbstätigen lebten im Jahre 2002 im Niedrigeinkommensbereich; im Jahre 2000 waren es 33,7 Prozent gewesen.[11] „Für immer mehr Menschen wird die Existenzsicherung unter Vorbehalt gestellt. Gibt es einen Folgeauftrag? Wird mein Vertrag verlängert? Wird das Weihnachtsgeld oder das Urlaubsgeld gestrichen? ... Lande ich bei Hartz IV?“[12] Gestiegen ist insgesamt die Zahl der Armen. Offiziell um die fünf Millionen und tatsächlich gut drei Millionen mehr der Erwerbspersonen sind arbeitslos.[13] Eine Unterschicht von arbeitenden Armen, armen Arbeitslosen und sozial Ausgegrenzten wächst an und verfestigt sich.
Eine Analyse dieser Entwicklungen hat zu beachten, dass hier zwei Prozesse ablaufen: ein gesellschaftlicher und ein politischer. Zum einen geht es um das Wirken der Gesetze der kapitalistischen Ökonomie, „dieser mit eherner Notwendigkeit wirkenden und sich durchsetzenden Tendenzen.“[14] Die kapitalistische Produktionsweise, das Mehrwertgesetz, die Konkurrenz zwingen die Kapitalisten und Kapitalgesellschaften dazu, Profit zu machen, diesen zur Verbesserung ihrer Kapitalverwertungsbedingungen zu investieren. Es findet ein fortschreitender Prozess der revolutionären Veränderung der Produktivkräfte statt. Jährlich wächst in der Bundesrepublik die Produktivität der Arbeit etwa um zwei Prozent. Die Akkumulation des Kapitals schreitet voran, damit seine Konzentration und Zentralisation, seine Vergesellschaftung im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise. All dies geht einher mit der Verschärfung des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit, mit wirtschaftlicher Labilität und Stagnation, mit der Intensivierung der Arbeit, mit der Freisetzung von Arbeitskräften, generell mit der Tendenz zur Zuspitzung der sozialen Konflikte, wie das alles Karl Marx im „Kapital“ analysiert und prognostiziert hat: „Hand in Hand mit dieser Zentralisation oder der Expropriation vieler Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die kooperative Form des Arbeitsprozesses auf stets wachsender Stufenleiter, die bewusste technische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßige Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam anwendbare Arbeitsmittel, die Ökonomisierung aller Produktionsmittel durch ihren Gebrauch als Produktionsmittel kombinierter, gesellschaftlicher Arbeit, die Verschlingung aller Völker in das Netz des Weltmarkts und damit der internationale Charakter des kapitalistischen Regimes.“[15] Je größer das funktionierende Kapital, sein Umfang, die Energie seines Wachstums, „desto größer die industrielle Reservearmee.“[16] Je höher „die Produktivität der Arbeit, desto größer der Druck der Arbeiter auf ihre Beschäftigungsmittel, desto prekärer ihre Existenzbedingung“.[17] Die Existenz einer mächtigen nationalen Finanzoligarchie, einflussreicher internationaler Finanzmärkte wie auch eine gewachsene Rolle des spekulativen Kapitals verstärken diese Tendenzen. Die bisher dem allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation entgegenwirkenden Faktoren – der internationale Druck des Realsozialismus, die Gegenwehr der Gewerkschaften – sind entfallen bzw. haben sich abgeschwächt. Der sozialstaatliche Klassenkompromiss wurde aufgekündigt. Wir sind wieder im normalen, in einem entfesselten Kapitalismus angekommen, in einem Kapitalismus, der „mehr Kapitalismus“ ist als zu Zeiten von Karl Marx, in einem kriselnden Kapitalismus, der im besonderen Maße „dem Hexenmeister gleicht, der die unterirdischen Gewalten, die er hervorbringt, nicht zu bändigen vermag.“[18]
Zum anderen, eng damit verbunden, geht es um einen politisch vermittelten Prozess. Der Tendenz zum entfesselten Kapitalismus entspricht die neoliberale Politik des Rückzugs des Staates aus der sozialen Verantwortung, der Privatisierung von Staatsunternehmen und Staatsaufgaben, des Marktradikalismus. Seit Anfang der achtziger Jahre werden die einst erkämpften Sozialleistungen und Arbeitnehmerrechte attackiert und schrittweise reduziert. Die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung hat diese Entwicklung deutlich beschleunigt. Sie wurde zum „Rammbock der neoliberalen Reformen“.[19] Die Regierenden organisieren einen Niedriglohnsektor, entlasten die Unternehmer von Abgaben und Steuern, verändern das Arbeitsrecht hinsichtlich des Kündigungsschutzes, der Bestimmungen über „zumutbare Arbeit“ usw. Im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts gibt es parallel dazu eine Offensive der Unternehmerverbände gegen die Gewerkschaften, gegen „zu hohe Löhne“, gegen den Flächentarifvertrag, für längere Arbeitszeiten und überhaupt für eine „Flexibilisierung“ der Arbeitsverträge.
Beachtenswerte Ansätze von Massenwiderstand der vom Sozialabbau Betroffenen und der sich mit ihnen Solidarisierenden entwickelten sich im Jahre 2004. Am 3. April 2004 beteiligten sich gut 500.000 Personen an den maßgeblich von den Gewerkschaften organisierten Demonstrationen in Berlin, Köln und Stuttgart. Es gab ab August den über gut zwei Monate anhaltenden Protest von einigen hunderttausend Montagsdemonstranten vor allem in Ostdeutschland. In nicht wenigen Städten sind Montagsdemonstrationen für Tausende bis heute eine neue Form des permanenten organisierten Protestes geblieben. Rund 70.000 Menschen demonstrierten am 2. Oktober ohne Beteiligung der Gewerkschaften gegen Hartz IV. Im September/Oktober fanden eine Reihe vorwiegend spontaner Streikaktionen bei Karstadt, bei Siemens in Kirchheim/Teck und vor allem – über sieben Tage hinweg – bei Opel/Bochum statt. Allerdings ging auch im Jahre 2004 die Mitgliederzahl der Gewerkschaften zurück, um rund 350.000. Eine Reihe maßgebender Gewerkschaftsführer, die zunächst den Massenprotest gegen die Agenda 2010 und Hartz IV unterstützten, setzten alsbald auf eine Kooperation mit der SPD-geführten Bundesregierung. Zu den wichtigen politischen Ereignissen dieses Jahres gehört auch die geradezu katastrophale Wahlniederlage der SPD bei den Europawahlen am 13. Juni, als der SPD 75 Prozent ihrer Wähler von 2002 den Rücken kehrten und danach die SPD in Meinungsumfragen bei knapp über 20 Prozent dahin dümpelte.
Die überwiegend mit Niederlagen verbundenen und teilweise auch inkonsequenten Abwehrkämpfe des Jahres 2004 brachten dennoch die politischen Verhältnisse deutlich in Bewegung. Das in ihnen sichtbar werdende spontane Streben nach politischer Unabhängigkeit von hunderttausenden Lohnabhängigen und Erwerbslosen fand seinen Ausdruck in einer Veränderung der Parteienlandschaft. Die Linkspartei wurde zur „Adresse sozialen Protestes“.[20] Weitere Erfolge werden davon abhängen, ob die Ansätze spontaner Gegenwehr verstetigt werden können und gerade auch in der Linkspartei eine dauerhafte organisierte Form finden.
„Richtungswahlkampf“ als Wählermanipulierung
Die Bundestagswahlen 2005 waren in vieler Hinsicht Wahlen wie gehabt. Die Personalisierung der Wahlentscheidung stand im Mittelpunkt. Politische Reklame ersetzte eine ernsthafte Debatte um die gesellschaftlichen Probleme. Die Parteien und Medien erreichten nicht zuletzt dadurch politische Aufmerksamkeit, dass sie die Wahl als ein bis zuletzt spannendes Wettrennen inszenierten.
Offensichtlich eine besondere Rolle spielte die Aufwertung der Wahlentscheidung zwischen „Rot-Grün“ und „Schwarz-Gelb“ zu einer Richtungsentscheidung zwischen zwei angeblich grundverschiedenen Politikkonzepten. Nach sieben Jahren neoliberaler Umverteilungspolitik von unten nach oben versprach die SPD „Deutschland soll sozial bleiben“. Gerhard Schröder gab sich als unbeugsamer Kämpfer für die Arbeitnehmerinteressen, gegen das „Primat der Wirtschaft“. Müntefering machte die Kapitalismuskritik zu einem zentralen Thema. Was selbst Experten für politische Psychologie für kaum möglich gehalten hatten, gelang mittels selbstsicherer Unverfrorenheit. Gegenüber Meinungsumfragen vom Juni, als die SPD nach Allensbach noch bei 27,4 Prozent gelegen hatte (nach Forsa bei 26 Prozent),[21] erreichte sie am 18. September ein rund sieben Prozent höheres Wahlergebnis. Es war schon ein Lehrstück politischer Manipulierung, wie entgegen der politischen Wirklichkeit der vergangenen Jahre gekonnt „Rot-Grün“ als Alternative zum Neoliberalismus der CDU/CSU und FDP oder als „kleineres Übel“ verkauft wurde. Die führenden Politiker der SPD haben damit erneut ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, Protest unter Kontrolle zu halten. Politisch mitentscheidend dürfte gewesen sein, dass sie sich in der Auseinandersetzung um die Kirchhofschen Steuerpläne zum „Fürsprecher“ von annähernd 19 Mill. Beschäftigten mit Schicht-, Nacht- und Wochenenddienst machen konnte.[22] Die Wahlkampfführung der CDU/CSU hingegen hat die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen deutlich gemacht, neoliberale Politik in Wahlkämpfen mit offenem Visier zu vertreten. Eine Propaganda, die weitere harte soziale Einschnitte als Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität und Überwindung der Massenarbeitslosigkeit hinstellt, findet weniger, aber immer noch erstaunlich viel Zustimmung. Schließlich gibt es durchaus auch Gewinner des beschleunigten neoliberalen Kurses. Allerdings ist eine derartige Propaganda offenbar kaum geeignet, in einem größerem Umfang Wähler zu mobilisieren. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass dem Versprechen, „Wachstum und Arbeit“ werde es dann geben, wenn die Politik des Sozialabbaus und des Marktradikalismus fortgesetzt wird, angesichts des Ausbleibens der „Reformerfolge“ von einer Mehrheit entweder gar nicht oder doch „nicht so richtig“ geglaubt wird.
Meinungsumfragen belegen, dass auch unter den Bedingungen massiver sozialer Grausamkeiten und einer beschleunigten sozialen Polarisierung sehr widersprüchliche Tendenzen und Entwicklungen im Massenbewusstsein der Bundesbürger zu beachten sind, nicht zuletzt auch ein Auf und Ab widerständiger Stimmungen. Ganz offensichtlich gibt es im politischen Alltagsbewusstsein eine komplizierte Gemengelage von Erbitterung und Resignation, von Hoffnung und Misstrauen, von Aufbegehren und Wegducken, von Unbehagen gegenüber der neoliberalen Politik und ihrer Akzeptanz als „alternativlos“, von spontaner Gegenwehr und politischer Apathie. Zustimmung und Ablehnung gegenüber den neoliberalen Konterreformen halten sich seit geraumer Zeit in etwa die Waage.[23] Aber Wahlen ergeben eben ein anderes Bild. Hier wirken subtile Mechanismen der Transformation von Ablehnung in „Zustimmung“. 87,3 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen entfielen am 18. September auf die vier Parteien, die den neoliberalen Kurs vorantreiben wollen.
Wer vom Neoliberalismus spricht, darf vom Kapitalismus nicht schweigen
Zwei Ereignisse haben seit dem 22. Mai 2005, dem Tag der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, die politische Situation in der Bundesrepublik verändert. Zum einen die am Wahlabend verkündete Absicht von Gerhard Schröder, Neuwahlen herbeizuführen, und zum anderen der Wahlerfolg der kurz vorher als Partei vor allem von ehemaligen enttäuschten SPD-Mitgliedern und linken Gewerkschaftsaktivisten gegründeten „Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit“. Die WASG errang, ohne stabile Infrastruktur und fast ohne finanzielle Mittel, mit 2,2 Prozent oder 181.886 Wählerstimmen einen Achtungserfolg. Die ebenfalls kandidierende PDS kam lediglich auf 0,9 Prozent oder 72.982 Stimmen. Damit wurde deutlich: Es gibt in Westdeutschland bei Wahlen ein weit größeres Protestpotenzial von Wählern als es in Wählerstimmen für die PDS zum Ausdruck kommt.
Der danach anlaufende Wahlkampf für vorgezogene Neuwahlen zum Bundestag zwang WASG und PDS, sich zusammen zu tun, wollten sie nicht beide an der Fünfprozentsperre scheitern. Auf den Landeslisten der in Linkspartei umbenannten PDS erhielten, mit Ausnahme von Berlin, prominente Vertreter der WASG vordere Listenplätze. Auch Mitglieder der DKP, der SAV und anerkannte parteilose Linke kandidierten auf den Listen und als Direktkandidaten. Die Mitgliederzahl der WASG verdreifachte sich auf mehr als 10.000. Der ehemalige SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine, der im Juni der WASG beitrat, und Gregor Gysi repräsentierten als Doppelspitze einen parteipolitischen Neubeginn der Linken.
Stark und überzeugend waren die Spitzenpolitiker der Linkspartei überall dort, wo sie die neoliberale Politik der anderen Bundestagsparteien angriffen und die Notwendigkeit eines politischen Kurswechsels darlegten. Schwach waren sie, sobald die Rede auf die politischen Voraussetzungen eines solchen Kurswechsels, damit auf die Wege dahin und auf die Verstrickung der eigenen Partei in die neoliberale Politik kam. In ihrem mit der WASG abgestimmten Wahlprogramm stellte sich die Linkspartei als Sozialstaatspartei und Antikriegspartei vor. Sie plädierte „Für eine neue soziale Idee“. Sie verstand darunter eine „soziale und demokratische Alternative zur Politik der faktischen großen Koalition der vergangenen sieben Jahre“ und benannte konkrete Alternativen.
So weit, so gut. Nur: Wer die Welt und die Gesellschaft verändern will, der muss sie zunächst einmal erklären. Zu beantworten ist von einer Linkspartei, die diesen Namen verdient, vor allem die Frage, auf welchem gesellschaftlichen Hintergrund die seit gut zwei Jahrzehnten betriebene Politik des Sozialabbaus und der erneuten Kriegsführungspolitik erfolgt und welche gesellschaftlichen Kräfte auf welche Weise diese Politik stoppen können. Offenbar aber, das zeigte ihr Wahlkampf, schreckt die Linkspartei davor zurück, jene hinter den „ideellen Triebkräften“ des Neoliberalismus verborgenen bewegenden Ursachen und neuen Gegebenheiten aufzuhellen, die in der Funktionsweise der kapitalistischen Produktionsweise und in den veränderten Klassenkräfteverhältnissen liegen. Während Sozialliberale wie Heribert Prantl oder Heiner Geißler die Aktualität von Karl Marx und einer entschiedenen Kapitalismuskritik entdeckten, verharrte die Linkspartei zumeist bei der Kritik des Neoliberalismus als unmoralisch und absurd. Linke Wahlkampfführung, Parlamentsarbeit und überhaupt linke Politik muss jedoch heute mehr denn je ein Stück Aufklärung im Sinne von Karl Marx sein, muss darauf abzielen, „den von der faktischen Macht ausgeschlossenen Mehrheitsgruppen des Volkes zur Einsicht in die reale Lage zu verhelfen“.[24] Sie muss die tatsächlichen Probleme und Zusammenhänge ansprechen, die in den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen liegenden Ursachen von Massenarbeitslosigkeit und sozialer Diskriminierung, auch die engen Grenzen „politischer Gestaltung von links“. Dass dies auf eine Weise geschehen muss, die für die von der neoliberalen Politik Betroffenen verständlich ist, versteht sich. Die soziale Polarisierung, die ökonomische und politische Krise zwingen die Linke mehr denn je dazu, politisch Klartext zu reden und sehr ernsthaft theoretisch über eine taugliche Handlungsorientierung nachzudenken. Wenn sich die maßgebenden Politiker der Linkspartei, wie geschehen, darauf einlassen, die politische Debatte vornehmlich um die Finanzierbarkeit eines sozialen Alternativprogramms zu führen, dann mag das noch mit der Spezifik des diesjährigen Wahlkampfes zu begründen sein. Wenn Gregor Gysi in seinen Wahlreden als Ursache für die neoliberale Politik immer wieder den „neoliberalen Zeitgeist“ anprangerte, dann erinnert das sehr an die Deutung von Armut als von der pauverté kommend. Wenn die Möglichkeit eines politischen Kurswechsels vornehmlich an die Änderung der SPD-Politik bis zum Jahre 2009 gebunden wird, dann ist für linke Politik „Gefahr im Verzuge“, kann doch eine derartige Position allzu leicht zu einem Brückenkopf für einen Kurswechsel in Richtung Anpassung werden. Die entscheidenden Zusammenhänge zwischen den Möglichkeiten linker Politik und dem Klassenkräfteverhältnis, generell zwischen Politik und Ökonomie, bleiben bei einem solchen Herangehen außerhalb der Betrachtung. Frei nach Max Horkheimer gilt: Wer über den Neoliberalismus spricht, darf vom Kapitalismus nicht schweigen.
Politik als Kräfteverhältnis und ihre „verborgne Grundlage“
Eine beachtliche Minderheit der Lohnabhängigen und Arbeitslosen hat am 18. September immerhin insofern entsprechend ihrem Interesse gehandelt, als sie sich wahlpolitisch aus dem Schlepptau des Kapitals befreit haben. Sie widerstanden dem arbeitsteiligen Verwirrspiel des neoliberalen Parteienkartells, eine möglichst einhellige Legitimation für die Fortsetzung der bisherigen Politik zu erreichen. Sie haben mit der Etablierung einer starken linken Bundestagsfraktion den Prozess der Selbstfindung und des praktisch-politischen Kampfes der Lohnabhängigenklasse ein Stück in Richtung politische Unabhängigkeit vorangebracht. Davon, ob dieser Prozess insgesamt vorankommt, wird alles Weitere abhängen.
Die neoliberale Periode der Reaktion ist keineswegs zu Ende. Sie wird unter der großen Koalition von CDU/CSU und SPD sich weiter ausprägen, eben weil „der Kapitalismus nach dem Umweg über allerlei Sozialkrempel jetzt, da die sozialistische Konkurrenz besiegt ist, weltweit zu sich selbst kommt und halt vollbringt wozu er gut ist: Ausbeuten, Verwüsten, Krieg führen, sich von Krisen durchschütteln lassen, das ganze Programm. Daß er nicht abgeschafft wird, liegt vor allem daran, dass er keine organisierten Gegner mehr hat, die der Rede wert wären“.[25] Es wird keinen anderen Weg geben, als diesen Zustand der Schwäche der Gegenkräfte schrittweise zu überwinden. Dabei muss die Verständigung darüber auch die Debatte über die vielfältigen Gefahren einschließen, dabei zu „straucheln“. Linke Politik findet ihren Maßstab in der Interessenvertretung der Lohnabhängigen, insbesondere auch der anwachsenden sozialen Großgruppe von arbeitenden Armen, armen Arbeitslosen und Ausgegrenzten. Sie hat zu beachten, dass mit der Aufkündigung des sozialstaatlichen Klassenkompromisses durch den Neoliberalismus die Klassenfronten und damit auch die Fronten in der Politik (als Verhältnis zwischen den Klassen in bezug auf Macht und Staat) wieder eindeutiger, wieder offen kontrovers geworden sind. „Kompromisse“ mit der Sozialabbau-Politik sind unter diesen Bedingungen immer auch selbst Sozialabbau. Ausgangspunkt für eine taugliche Handlungsorientierung linker Politik und linker Parlamentstätigkeit muss heute mehr denn je die Aufgabe sein, „ideologische und organisatorische Gegenmacht“ gegen die Regierenden aufzubauen.[26]
Linke Politik als Kampf um Gegenmacht bedarf starker Gewerkschaften. Sie bedarf im besonderen Maße der Revitalisierung von Klassenbewusstsein und Klassenhandeln von unten. Marxisten, unabhängig davon, in welchen Organisationszusammenhängen sie sich politisch engagieren, sollten sich den damit zusammenhängenden Debatten und praktisch-politischen Kämpfen stellen. Linke Politik muss nicht nur ihrem Charakter nach Kampf um die Verteidigung und Durchsetzung der Interessen der abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen sein. Eine linke Partei hat in diesen Interessen und im Kampf für diese Interessen auch ihre machtpolitische Grundlage. Sie verliert an Kraft und Vertrauen, wenn sie – wie in Berlin – an der neoliberalen Politik teilnimmt und sich dann noch selber dafür lobt, „unter schwierigen Bedingungen Politikfähigkeit bewiesen“ zu haben.[27]
Die Debatten über die Formen des politischen Kampfes der Linken werden verstärkt darum geführt werden müssen, welche Chancen für eine politische Richtungsänderung gegen Neoliberalismus und Militarisierung, für soziale und demokratische Reformen es unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen bzw. im Rahmen der bestehenden politischen Institutionen gibt und welche Rolle dabei dem außerparlamentarische Kampf zukommt.
Eine realistische Analyse der gegenwärtigen Situation des entfesselten Kapitalismus und der Schwäche der Gegenkräfte muss berücksichtigen, dass die Umbrüche am Ende des vergangenen Jahrhunderts „eine stabile hegemoniale Herrschaftskonstellation herbeigeführt“ haben, „in den Beziehungen der Klassen ebenso wie in der internationalen Politik“.[28] Die neoliberale Politik ist auch eine Reaktion auf die anhaltende Verwertungskrise des Kapitals, auf Überakkumulation, auf den tendenziellen Fall der Profitrate, auf die zunehmende Internationalisierung des Kapitals. Die neoliberale Politik ist insofern nicht schlechthin eine Variante bürgerlicher Politik. Sie ist als Ausdruck „grundlegende(r) Veränderung der hegemonialen Strukturen und Kräfteverhältnisse“[29] und veränderter globalisierter Reproduktionsbedingungen des Kapitals die Grundform bürgerlicher Politik in der Gegenwart und augenscheinlich für einen längeren Zeitraum. Verhängnisvoll wäre es, die derzeitigen politischen Krisenerscheinungen etwa als existentielle Krise des Neoliberalismus zu deuten und anzunehmen, dass diese Politik demnächst wieder ohne weiteres von einer sozialreformistischen Variante abgelöst werden kann. Neoliberale Politik ist gesellschaftliche Gegenreformation, Konsequenz einer weltweiten eklatanten Niederlage im Kampf um eine solidarische Gesellschaft. Das Hoffen etwa auf eine Nach-Schröder-SPD, die angesichts eines Mehr an gesellschaftlichem Druck zu einem sozialreformistischen Kurs zurückfindet, ist Illusion und Fehlorientierung zugleich. Die im Grundsatz richtige Aufgabenstellung für eine linke Politikalternative, das „Primat der Wirtschaft“ durch das „Primat der Politik“ zu ersetzen, darf weder simplifiziert werden noch gar als „Willensfrage“ missverstanden werden. Sicherlich besagen alle geschichtlichen Erfahrungen, dass es keine Allmacht des Kapitals und damit auch keine Ohnmacht der Lohnabhängigen und der linken Politik gibt. Aber diese Erfahrungen besagen auch, dass nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus als globales System eine grundsätzlich veränderte Situation mit beschleunigter Durchsetzung der Kapitalinteressen mittels des Staates entstanden ist.
Staatspolitik und Gesetzgebung in der kapitalistischen Gesellschaft sind Ausdruck des Klassenkräfteverhältnisses und Ergebnis der konkreten geschichtlichen Kämpfe. Aber sie sind nicht nur das. Sie sind Überbauerscheinungen. Sie wachsen aus den Produktionsverhältnissen hervor. „Es ist jedes Mal das unmittelbare Verhältnis der Eigentümer der Produktionsbedingungen zu den unmittelbaren Produzenten ..., worin wir das innerste Geheimnis, die verborgne Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion“ finden.[30] „Sowohl die politische wie die bürgerliche Gesetzgebung proklamieren, protokollieren nur das Wollen der ökonomischen Verhältnisses“[31], schrieb Karl Marx 1847. Marx und Engels haben zu Recht gegen die auch Mitte des 19. Jahrhunderts herrschende Auffassung polemisiert, Politik sei „eine selbständige Sphäre, die „ihre eigne selbständige Entwicklung hat“.[32] Sie haben die Politik als den „eigentliche(n) Beweger der Weltgeschichte entthront“.[33] Eine marxistische Theorie der Politik als wichtige Grundlage linker Politik muss Politik gerade auch in Relation zur kapitalistischen Produktionsweise und deren Veränderungen setzen, was die Analyse von Veränderungen eben dieser Produktionsweise einschließt.
Linke Politik hat nicht zuletzt vielfältige, bedeutsame Wechselwirkungen im „politischen Überbau“ zu beachten. Der Staat, dessen bürokratische Apparate, gerade auch Parteien, die Unternehmerverbände und alle „politischen Akteure“, auch Massenbewegungen, wirken aufeinander ein, stehen in Wechselwirkung mit ihrer sozialen Basis und der ökonomischen Basis. Die deutsche Parteiengeschichte ist nicht zuletzt eine Geschichte von linken Parteien wie der SPD und den Grünen, die als Interessenvertreterinnen der Gesellschaft von unten antraten, um sich alsbald an die Seite der Herrschenden zu stellen. Es gehört ganz offensichtlich zu den Begleiterscheinungen einer solchen Entwicklung, Debatten darüber auszuweichen oder ins Leere laufen zu lassen. Infolge ihres Zugangs zum Staat und zu den Regierungen, damit zu Ämtern, zur Ämterpatronage und zu den Steuergeldern, aber auch infolge der Funktionsweise des Parlamentsbetriebes erstarken in parlamentarisch wirksamen Parteien – und zwar geradezu proportional zu ihren Erfolgen – eigene materielle Interessen, die sich deutlich von denen ihrer sozialen und politischen Basis unterscheiden. Sie werden allmählich, wenn dem nicht durch ihre Basis Einhalt geboten wird, zu Organisationen vieler zum Vorteil weniger und dabei allmählich zu einem Teil des Herrschaftssystems. „Sie sind an der Aufrechterhaltung der Verhältnisse interessiert, die ihre eigene Verstaatlichung und feste Etablierung an der Macht ermöglichen. Dadurch koppeln sie sich – ganz gleich ob sie Massenparteien sind oder nicht – mit den Interessen derjenigen gesellschaftlichen Gruppen, denen es ebenso an der Konservation der gegebenen Strukturen gelegen ist.“[34] Der auch im Falle einer festen Etablierung an der Macht besonders in Wahlkämpfen erhobene Anspruch von SPD und Grünen, links zu sein, wird bloße Rhetorik, die mit dem politischen Handeln nichts mehr zu tun hat, was an den Wahlkampfauftritten von Schröder und Müntefering ebenso zu studieren war wie an den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl.
Die PDS hatte auf dem Wege dahin eine nicht geringe Wegstrecke zurückgelegt: so im Zuge ihrer Teilhabe an der neoliberalen Politik als Regierungspartei in zwei Bundesländern und als Bundestagsfraktion, die keine Konsequenzen daraus zog, dass ihr damaliger Vorsitzender Roland Claus sich bei Georg Bush für eine Protestaktion von drei Abgeordneten gegen dessen Kriege entschuldigte. Es gibt dann eine neue Chance, wenn sich in der Linksfraktion des 16. Bundestages jene durchsetzen, die ohne Wenn und Aber die Interessen derjenigen zur Geltung bringen, die sie gewählt haben und den Kampf im Parlament gerade auch als Mobilisierung für außerparlamentarische Gegenwehr verstehen. Aber ohne Druck von unten wird das nichts werden. Rosa Luxemburgs Warnung vor „der Ohnmacht der rein parlamentarischen Aktion“[35] ist hochaktuell. Der Erfolg der Linkspartei war ganz wesentlich selbst das Resultat einer gesellschaftlichen Bewegung. Auch insofern hat der 18. September die Bedeutung des außerparlamentarischen Kampfes deutlich gemacht. Entscheidend für politische Erfolge von links „gegen das Wollen der ökonomischen Verhältnisse“ wird sein, dass die gesellschaftliche Gegenwehr gegen den Neoliberalismus deutlich stärker wird.
[1] 60 Prozent der Befragten identifizierten sich nach Allensbach mit der Aussage „Man verliert allmählich jedes Vertrauen in die Politik“. Vgl. R. Köcher, Entscheidung voller Unbehagen, FAZ vom 17. 8. 05. Ganze zehn Prozent bekundeten noch „sehr viel/ziemlich viel Vertrauen“ in die Parteien, 90 Prozent „wenig/überhaupt kein Vertrauen“. 19 Prozent hatten im Juni 2005 „sehr viel/ziemlich viel Vertrauen“ in den Bundestag, 45 Prozent in die Gesetzgebung. 1991 waren es noch 51 Prozent bzw. 73 Prozent gewesen. „Angesichts dieser Entwicklung kann man von einer Krise des Vertrauens in das politische System sprechen.“ E. Noelle, Vertrauen ist besser, FAZ vom 20. 7. 05. In einer von der Konrad-Adenauer-Gesellschaft herausgegebenen Studie ist im Zusammenhang mit dem „rapiden Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger in Parteien und politische Akteure“ von einem „grundlegenden Erosionsprozess der Fundamente der Demokratie“ die Rede. U. Eith, Parteibindungen in Deutschland, Sankt Augustin, Juni 2005, S. 3.
[2] Setzt man die Stimmabgabe für die CDU/CSU und SPD in Relation zu allen Wahlberechtigten, dann wird der Verlust der beiden großen Parteien noch viel deutlicher. 1972 betrug ihr Anteil noch 82 Prozent, 2005 nur noch 53,2 Prozent. Vgl. „Der Spiegel“ vom 26. 9. 2005.
[3] Sie lag nach Forsa im Juni noch bei 49 Prozent (Allensbach: 46,9 Prozent) und erhielt dann am 18. 9. 35,2 Prozent. Vgl. V. Neu, Analyse der Bundestagswahl vom 18. September 2005, Onlinepublikation, herausgegeben von der Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin, September 2005, Tabelle „Sonntagsfrage Bundestagswahl Gesamtdeutschland“.
[4] Vgl. Wohin wanderten die Wähler, „Focus“ vom 20. September 2005, Wahlspezial, S. 22.
[5] Vgl. ebenda.
[6] Vgl. die beiden Tabellen „Wahlverhalten nach Bildung, Beruf, Konfession und Gewerkschaftsmitgliedschaft 2005 im Vergleich zu 2002“ bei V. Neu, a.a. O.
[7] Vgl. H. Nick, ND vom 14. 11. 03.
[8] Vgl. junge Welt vom 13. 9. 2005.
[9] Vgl. Arbeiterstimme, Winter 2004, S. 3.
[10] Vgl. Arbeiterstimme, Winter 2003, S. 25 und ND vom 2. 9. 2005.
[11] Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 2004, Bonn 2004, S. 630.
[12] D. Hauer, Anmerkungen zur Prekarität, Referat auf der attac-Konferenz „Arbeit und Globalisierung“ am 19. 2. 2005 in Bochum Langendreer, www.attac.at.
[13] Mitte 2004 waren nach Angaben der „Wirtschaftswoche“ vom 8. 7. 2004 real 8.360.000 oder 18,8 Prozent der Erwerbspersonen arbeitslos.
[14] K. Marx, Das Kapital, Erster Band, MEW, Band 23, Berlin 1972, S. 11.
[15] Ebenda, S. 790.
[16] Ebenda, S. 673.
[17] Vgl. ebenda S. 674.
[18] K. Marx, F. Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW, Band 4, Berlin 1977, S. 467.
[19] A. Müller, Die Reformlüge, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 9/2004, S. 1070.
[20] V. Neu, a. a. O., S. 4.
[21] Vgl. V. Neu a. a. O., Tabelle Sonntagsfrage.
[22] Vgl. „Der Spiegel“, 39/2005, S. 60 ff.
[23] Nach einem Bericht der Forschungsgruppe Wahlen vom September 2004 waren damals 48 Prozent der Befragten „für die Reformen“ und 45 Prozent „grundsätzlich nicht einverstanden“. Zweifel daran sind angebracht, zumal Mehrheiten über 80 Prozent sich bei anderen Meinungsumfragen für wirkliche Reformen wie eine soziale Grundsicherung und eine Umverteilung von oben nach unten aussprachen und eine „überwältigende Mehrheit“ nach Allensbach als Nutznießer der „Reformen“ in erster Linie die Reichen und die Unternehmer, als „Reformopfer“ hingegen die Armen (70 Prozent) sowie die Geringverdienenden und die Arbeitslosen (69 bzw. 58 Prozent) sah. Vgl. R. Köcher, Die Zerreißprobe, FAZ vom 16. 6. 2004. Vgl. auch E. Lieberam, Folgt der sozialen die politische Polarisierung?, in: Marxistische Blätter, 1-05, S. 28 f.
[24] W. Abendroth, Wahlalternative1969?, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4/1968, S. 342.
[25] D. Dath, Redigat oder Müll, der dritte Band des „Kapitals“ von Marx in neuer Edition, FAZ vom 31. 1. 05.
[26] W. Abendroth, Arbeiterklasse, Staat und Verfassung. Materialien zur Verfassungsgeschichte und Verfassungstheorie der Bundesrepublik, hrsg. und eingeleitet von Joachim Perels, Frankfurt/Main 1975, S. 234.
[27] Partei des Demokratischen Sozialismus, Programm, Berlin 2003, S. 52.
[28] F. Deppe, Widerstand, soziale Bewegungen und Gewerkschaften im Kapitalismus der Gegenwart, in: Z 61, März 2005, S. 10.
[29] Ebenda, S. 11.
[30] K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, Berlin 1976, S. 799f.
[31] K. Marx, Das Elend der Philosophie, MEW, Band 4, Berlin 1977, S. 109.
[32] K. Marx, F. Engels, Deutsche Ideologie, MEW, Band 3, Berlin 1978, S. 456.
[33] U.-J. Heuer, Marxismus und Politik, Hamburg 2004, S. 33.
[34] Johannes Agnoli, Thesen zur Transformation der Demokratie, in: Konturen. Zeitschrift für Berliner Studenten, Nr. 31/1968.
[35] R. Luxemburg, Schlag auf Schlag, Gesammelte Werke, B. 3, Berlin 1973, S. 170.