Aufstieg und Niedergang der Sklavenökonomie *
Mit dem Vertrag von Riswick, abgeschlossen zwischen Deutschland, Frankreich, Holland und Spanien im Jahre 1697, fiel der Westteil der spanischen Besitzung Hispañola (frz.: Saint-Domingue) offiziell an Frankreich. Die französische Besiedlung von Saint-Domingue wurde aber bereits seit 1625 von Staats wegen systematisch betrieben, mit finanziellen Anreizen für die Siedler und ihre Arbeiter.
Bis 1680 dominierte in Saint-Domingue der kleinbäuerliche Tabakanbau, daneben spielten Kakao und Indigo eine gewisse Rolle als Handelsgüter. In dieser Phase waren die Produzenten noch keine Sklaven aus Afrika, sondern Kontraktarbeiter aus Frankreich. Das änderte sich mit der Umstellung auf den Zuckerrohranbau. Bedingung dieser neuen Produktionsform war die Schaffung größerer Betriebseinheiten. Kleine Pflanzer wurden verdrängt, es fand eine Konzentration des Landbesitzes in erheblichem Umfang statt. Die standardisierte Produktion in großen Maßstab auf den so geschaffenen Plantagen erforderte eine Arbeitskraft in hoher Quantität und von geringer Qualität. Der Bedarf konnte in Europa nicht gedeckt, die Vereinbarungen der Arbeitskontrakte unter diesen Bedingungen nicht mehr eingelöst werden.
Mit der Umstellung der kolonialen Ökonomie von kleinbäuerlichem Anbau von Tabak, Kakao und Indigo auf die Plantagenwirtschaft erfolgte ein wirtschaftlicher Aufschwung ohne Beispiel. Die révolution de la canne setzte zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein, ihren Höhe- und gleichzeitigen Wendepunkt hatte sie zwischen 1770 und 1789, also am Vorabend der französischen Revolution. Zu dieser Zeit ermöglichten das hohe Bevölkerungswachstum in Europa, die zunehmende Bevölkerungskonzentration und die Industrialisierung die Entwicklung wachsender Absatzmärkte für koloniale Produkte. In Saint-Domingue wuchs die Zahl der Zuckermühlen im Laufe des 18. Jahrhunderts um das 20fache. Mit ihnen wuchs eine einfache Manufaktur heran. Gleichzeitig wuchs der Bedarf an einfacher manueller Arbeit auf den Plantagen: Für die Verrichtung der arbeitsintensiven Produktionsschritte (Rodung, Jäten, Ernte) wurden Hunderttausende von Bewohnern Afrikas nach Saint-Domingue verschleppt und versklavt. Der Anbau von Nahrungsmitteln (Kartoffeln, Maniok, Mais u.a.) für die rasch wachsende Bevölkerung spielte sowohl quantitativ als auch strukturell eine nachgeordnete Rolle. Funktional war er für die koloniale Wirtschaft allerdings insofern, als er in den sogenannten places à vivre[1] die Reproduktion und somit die fortgesetzte Ausbeutung der sklavischen Arbeitskraft gewährleistete.
Die koloniale Wirtschaft in Saint-Domingue florierte. Und der Handel mit den Produkten der Kolonie brachte den Handelsstädten des Mutterlandes wie Nantes, La Rochelle oder Bordeaux einen industriellen und kommerziellen Aufschwung. Dieser Aufschwung war die Folge einer ganzen Reihe wirtschaftspolitischer Maßnahmen:
- Das gewaltsame Verschwinden der ursprünglichen Bevölkerung erlaubte der französischen Regierung einen unbegrenzten Zugriff auf die fruchtbaren Ebenen der Kolonie;
- Konzessionen über große Flächen (üblicherweise von mehreren hundert Hektar) wurden an französische Unternehmer ausgegeben;
- Die Größe der Flächen ermöglichte eine hohe Fertigungstiefe der Plantagen, d.h. auf ihrem Gelände befanden sich häufig zugleich Transformationsanlagen;
- Um den reibungslosen Handel zwischen Kolonie und Mutterland zu gewährleisten, wurde ein auf die Exporthäfen ausgerichtetes Straßennetz geschaffen, gleichzeitig wurden die Ebenen, die über fruchtbare Böden verfügten, mit Bewässerungssystemen von bis heute nicht wieder erreichtem Ausmaß überzogen;
- Eine verarbeitende Industrie wurde aufgebaut;
- Eine Handelsflotte sicherte den effizienten Abtransport der landwirtschaftlichen Produkte aus der Kolonie und ihre Distribution auf dem europäischen Markt, wobei der gesamte Handel über Frankreich zu laufen hatte (système de l’exclusif).
Der entscheidende Faktor allerdings blieb die Ausbeutung kostenloser Arbeitskraft. Die Arbeit der Sklaven bildete den Pfeiler des neuen Produktionssystems, das wiederum zu einem Gutteil die ökonomische Entwicklung der Metropole ermöglichte. Diese abhängige Entwicklung brachte gewaltigen Reichtum hervor, aber auch die Widersprüche, die zu ihrem eigenen Untergang führten. Das Verhältnis von Mutterland und Kolonie beförderte die Industrialisierung des ersteren und verunmöglichte die der letzteren.
- Der Aufbau einer verarbeitenden Industrie in der Kolonie war verboten. Es entwickelte sich folglich keine integrierte Volkswirtschaft, die dafür notwendige Verbindung von Rohstoffgewinnung und Konsum- und Kapitalgüterherstellung konnte sich nicht herstellen. Die koloniale Wirtschaft blieb somit abhängig und instabil.
- Das système de l’exclusif behinderte die freie Entfaltung der ökonomischen Potenzen der Kolonie. Der Absatzmarkt für ihre Produkte blieb auf diese Weise künstlich begrenzt, umgekehrt war die koloniale Ökonomie dem Monopol französischer Importeure ausgesetzt. Die französischen Kaufleute waren die Profiteure, die Pflanzer von Saint-Domingue die Verlierer dieses Systems.
Die Sklavenwirtschaft ermöglichte einen bedeutenden quantitativen Fortschritt der Produktivkraftentwicklung, erwies sich aber als Hemmnis qualitativer Innovation.
- Mangels Kaufkraft konnte sich in den Kolonien kein Markt entwickeln und somit keine Kapitalrealisierung stattfinden.
- Unter den Bedingungen der Sklavenarbeit war der flexible, sich über die Erfordernisse der Produktivkraftentwicklung herstellende Einsatz von Arbeitskraft unmöglich. Einem Sklaven konnte im Gegensatz zum Lohnarbeiter weder gekündigt werden, noch konnte er selbst kündigen. Im Gegenteil: Um die massenhafte Flucht der Arbeiter aus dem Sklavensystem zu verhindern, musste ein hoher Aufwand an Repression betrieben werden.
Die Gesellschaft von Saint-Domingue hatte zum Zeitpunkt der französischen Revolution eine Vielzahl von Klassen- und „Rassen“widersprüchen herausgebildet.
- Die Handelsbourgeoisie und die Pflanzer der großen Zuckerplantagen, die als absentéistes[2] vom kolonialen Handelssystem profitierten, standen in Konflikt mit den sogenannten créoles: den kleinen, ortsansässigen Pflanzern, die ihre Unzufriedenheit mit dem kolonialen System oft in Widerspruch zum Mutterland brachte.
- Der Aufschwung des Kaffee-Exports brachte ab 1750 den Aufstieg der affranchis, freier Schwarzer und Mulatten. Sie bildeten eine wirtschaftlich potente, von der Machtteilhabe jedoch ausgeschlossene Schicht.
- In der doppelten Stratifizierung der Gesellschaft entlang von Klassen- und „Rassen“grenzen kam den petits blancs eine ambivalente Rolle zu: Als Weiße waren sie Mulatten und Schwarzen gegenüber generell privilegiert, selbst wenn diese Großgrundbesitzer waren. Als Proletarier oder Kleinbauern befanden sie sich jedoch in struktureller Abhängigkeit und ökonomischer Prekarität.
- Der offensichtlichste Widerspruch und gleichzeitig das sprengende Element dieser Gesellschaftsformation lag sicherlich in der Situation der Sklaven, deren unentgeltliche Arbeit erst den Reichtum hervorbrachte, um dessen Verteilung die anderen sozialen Schichten und Gruppen konkurrierten.
Die französische Revolution mit ihrem Anspruch, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu verwirklichen, stieß in Saint-Domingue auf vielfältige und widersprüchliche Resonanz. Sie war das Fanal, das die gesellschaftlichen Widersprüche der Sklavenhaltergesellschaft zu einem gewaltsamen Konflikt zuspitzte und so das Ancien Régime auch in der Kolonie Saint-Domingue beendete – mit der Unabhängigkeitserklärung von1804.
Haiti im Zeitalter des Imperialismus: US-Okkupation 1915 bis 1934
Gemeinhin werden mit dem Imperialismus Vorgänge in Verbindung gebracht wie die Aufteilung des afrikanischen Kontinents unter die europäischen Mächte, die Aufrüstung in Europa und schließlich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Aber auch die Karibik und Haiti waren Schauplatz der innerimperialistischen Konkurrenz.
- Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts setzte eine Konkurrenz deutscher, syrischer, französischer, britischer und amerikanischer Kaufleute um die Vormachtstellung in Haiti ein.
- Dabei wurden sie indirekt, oft auch direkt, von ihren jeweiligen Regierungen unterstützt.[3]
- Französische und amerikanische Finanzinstitute stritten um die Kontrolle über das haitianische Bankenwesen.
- Am Vorabend und zu Beginn des Ersten Weltkriegs spielte die Kontrolle über die Meerenge zwischen Haiti und Kuba eine bedeutende strategische Rolle.
- US-Amerikanische Konzerne hatten beträchtliche Kapitalien in die Ausbeutung von Zuckerrohr-, Bananen- und anderen Plantagen in Kuba, der Dominikanischen Republik und in Zentralamerika investiert. Ihre ökonomischen Interessen wurden von der US-Regierung politisch und militärisch abgesichert.[4]
Unter Ausnutzung einer schweren innenpolitischen Krise[5] intervenierte die US-Armee am 7.7.1915. Zwei juristische Akte lieferten den legalen Rahmen der Intervention nach: Im September 1915 wurde die Convention Haïtiano-Américaine durch beide Regierungen unterzeichnet. Der Vertrag sah vor, dass künftig sämtliche Gesetze, Regelungen und Haushaltsentwürfe durch einen vom amerikanischen Präsidenten zu ernennenden Haut Commissaire geprüft und zur Absegnung dem amerikanische Außenministerium vorgelegt werden mussten. 1918 verabschiedete das haitianische Parlament eine vom US-amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt ausgearbeitete neue Verfassung. Deren wesentliche Innovation bestand in der Abänderung des Artikel 5: Die ursprüngliche Bestimmung, wonach Ausländer keinen Landbesitz in Haiti erwerben durften,[6] wurde durch folgende Formulierung ersetzt: „Das Recht auf Immobilienbesitz wird Ausländern gemäß ihres Bedarfs zur Niederlassung sowie zu Unternehmungen in Landwirtschaft, Handel, Industrie und Bildung erteilt.“[7]
Ziel der Besatzung war es, in Haiti ein günstiges Investitionsklima für US-amerikanische Konzerne zu schaffen und so an diesbezügliche Erfolge in der Dominikanischen Republik und Kuba anzuknüpfen. Es galt also, Voraussetzungen zu schaffen für die Herausbildung größerer Produktionseinheiten, die Verbreitung des exportorientierten Anbaus, die Verbreitung von Lohnarbeit, technologischer Innovation und höherer Effizienz.
Die Dominanz des US-Kapitals musste gegen die Interessen anderer ausländischer Kapitale und gegen die Interessen der einheimischen Kleinproduzenten durchgesetzt werden. Auf der Ebene der Zirkulation stand dabei die Zurückdrängung des französischen und deutschen Einflusses im Vordergrund.[8] Folgende Maßnahmen zielten in diese Richtung: Die de-facto-Übernahme der Banque National durch die National City Bank, die amerikanische Hoheit über die Finanzpolitik und den Zoll sowie die Schaffung von Handelsmonopolen für amerikanische Investoren. In der Produktionssphäre richteten sich die Maßnahmen v.a. gegen die einheimische Konkurrenz. Dabei spielte die Vergabe von Landkonzessionen an amerikanische Unternehmen eine große Rolle. Bereits vor der Okkupation erfolgte sie in großem Umfang. Als Beispiel sei der Kontrakt mit der vom amerikanischen Geschäftsmann Mac Donald kontrollierten National Railroad genannt, der dieser nicht nur die Konzession zum Schienenbau von Port-au-Prince bis Cap-Haïtien und von Gros Morne bis Hinche, sondern auch uneingeschränkte Ausbeutungsrechte auf einer Breite von 20 km beiderseits der Trasse zusicherte. Die Haitian-American Sugar Company (HASCO) errichtete in den Ebenen von Cul-de-Sac und Léogane auf 10.000 ha Land Zuckerrohrplantagen und die Haitian-American Development Corporation (HADC) erhielt im Norden 8.000 ha für die Sisalplantage Plantation Dauphin.[9] Die Landkonzessionen gingen einher mit der Enteignung und Vertreibung der auf dem fraglichen Gelände ansässigen Kleinbauern. Die prekären Besitzverhältnisse erleichterten die Expropriation, da es sich zumeist um besetztes Staatsland handelte, die Bauern mithin über keinerlei Rechtstitel verfügten.
Die beschriebenen Umwälzungen konnten nicht ohne den Aufbau einer effizienten Verwaltung und den Einsatz staatlicher Repression erfolgen. Um die Macht der regionalen Oligarchien zu brechen, wurde das Land unter eine straffe zentrale Regentschaft gestellt. Der haitianischen Regierung, die formell weiterbestand, wurde ein amerikanisches de-facto-Kabinett zur Seite gestellt: Jedem Minister wurde ein amerikanischer Berater zugeordnet. Diese bildeten das Machtzentrum der Politik. Die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung drückte sich auch aus in der Schaffung neuer Institutionen. Am bedeutendsten war die Direction Générale des Travaux Publics, welche die Aufgabe hatte, infrastrukturelle Verbesserungen wie den Bau von Straßen, Brücken und Wasserleitungen zu organisieren.
Die Modernisierung der Infrastruktur war aber nicht nur ein administrativer Akt. Zu ihrer Durchsetzung wurde auch auf repressive Organe zurückgegriffen. Die im Land befindliche amerikanische Besatzungsmacht verfügte über eine Truppenstärke von 2.000 Mann. Daneben wurde eine haitianische Gendarmerie mit 3.000 Mann aufgebaut, deren Aufgabe es insbesondere war, die sogenannte corvée[10] zu organisieren und zu überwachen. Drittes Standbein der Repression waren die agents agricoles, welche dazu ausgebildet wurden, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der modernen Agronomie unter den Bauern zu verbreiten und zur Anwendung zu bringen. Dabei wurde nicht nur auf Überzeugungsarbeit gesetzt: Die agents agricoles trugen Uniformen, sie hatten das Recht, Strafmaßnahmen zu erlassen und sogar Verhaftungen vorzunehmen. Gegen den Willen der Betroffenen konnten sie direkt in die Wirtschaftsweise der Kleinbauern eingreifen.
Die Vorgänge in Haiti müssen als Teil der kapitalistischen Erschließung des karibischen Raums betrachtet werden. Zur selben Zeit war die Dominikanische Republik ebenfalls unter US-Verwaltung, Kuba war nominell unabhängig, stand aber unter starkem Einfluss des US-amerikanischen Kapitals. Haiti kam in dieser Konstellation die Aufgabe zu, primäre Produkte sowie „freie“ und gratis reproduzierte Arbeitskraft bereitzustellen. Ein großer Teil der durch neue Produktionsmethoden, Landenteignungen und Exportproduktion freigesetzten ländlichen Arbeitskraft wurde auf den Plantagen in Kuba und der Dominikanischen Republik eingesetzt. Zwischen 1915 und 1929 wanderten rund 200.000 Haitianer nach Kuba aus. Agenturen wurden dafür bezahlt, haitianische Arbeitskräfte zu rekrutieren und ihre Überstellung nach Kuba oder in die Dominikanische Republik zu organisieren.
Es gelang, bis zum Abzug der US-Armee 1934 die haitianische Ökonomie unter den Einfluss der amerikanischen zu stellen. Der europäische Einfluss wurde zurückgedrängt, US-Banken kontrollierten das Finanz- und Bankensystem, US-amerikanische Agrarunternehmen die Produktion und den Export von Zucker, Sisal und Bananen. 1943, neun Jahre nach Ende der Besatzung, kamen 93Prozent der haitianischen Importe aus den USA, 90Prozent des Exports ging dorthin. Auf den Plantagen der HASCO und der HADC hielten kapitalistische Produktionsverhältnisse Einzug: also der großflächige Anbau und die industrielle Verarbeitung unter dem Einsatz von Lohnarbeit sowie eine internationale Kommerzialisierung.
Der kapitalistische Sektor blieb aber begrenzt und isoliert. Die Modernisierung der Landwirtschaft unter verbesserten infrastrukturellen Bedingungen (künstliche Bewässerung, Transportnetze) fand nur auf den kapitalistischen Enklaven statt. Ein nennenswertes Engagement des US-amerikanischen Kapitals in Haiti blieb aus. 1930 waren lediglich HASCO und HADC noch im Land. Die Summe der bis dahin getätigten US-amerikanischen Investitionen betrug nicht mehr als 8 Millionen US$, eine geringe Summe im Vergleich zu den Beträgen, die in Kuba (919 Millionen US$) und der Dominikanischen Republik (69 Millionen US$) angelegt worden waren.
Die Programme von Weltbank und USAID in den 80er Jahren: Öffnung für den Weltmarkt
Mit der Ankunft einer zunehmenden Zahl von haitianischen Flüchtlingen in den USA in den 70er Jahren geriet Haiti wieder verstärkt ins Blickfeld der US-Regierung. Sie reagierte darauf mit einer doppelten Strategie: zum einen mit einer drastischen Verschärfung der Einwanderungsbestimmungen[11], zum anderen mit neuen Eingriffen in die innere ökonomische Verfasstheit Haitis.
Die US Agency for International Development (USAID) formulierte 1981 gemeinsam mit Weltbank, Internationalem Währungsfond (IWF) und Interamerikanischer Entwicklungsbank (BID) eine neue Wirtschaftsstrategie. Ziel der Strategie war ausdrücklich, die Integration der haitianischen Volkswirtschaft in den internationalen und insbesondere in den amerikanischen Markt zu verstärken. Das wiederum hieß, die Produktion für den Binnenmarkt auf den Export zu orientieren und im Gegenzug den Binnenmarkt für den Import zu öffnen. Unter Ausnutzung der vermeintlichen komparativen Kostenvorteile Haitis wurde eine Entwicklungsstrategie für Haiti um zwei wesentliche Elemente konzipiert: exportorientierte Landwirtschaft und Montageindustrie. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Definition des Begriffs der Ernährungssicherung, wie sie durch die USAID vorgenommen wurde:
„Nahrungssicherheit impliziert die ausreichende landwirtschaftliche Produktion und die Schaffung von Arbeitsplätzen und Gehältern, um es den Familien zu ermöglichen, die zu ihrer Erhaltung notwendigen Nahrungsmittel zu kaufen oder auf andere Weise Zugang zu ihnen zu bekommen. Im Fall von Haiti wird es nicht mehr im engen Sinne um die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln gehen, sondern um die Nahrungs- und Landwirtschaftsautonomie, das heißt um die Möglichkeit, den Bedarf der Bevölkerung an Nahrungsmitteln sowohl durch die Produktion von Subsistenzgütern zum örtlichen Verbrauch, als auch durch den Import von Nahrungsmitteln, finanziert durch Einkünfte aus dem Export, zu befriedigen. Um über eine ausreichende Kaufkraft zu verfügen, müsste ein ausgeglichenes Wachstum in der Landwirtschaft und der Industrie gewährleistet werden, basierend auf dem intensiven Einsatz der örtlichen Arbeitskraft, vor allem auf dem Gebiet der Fertigungsindustrie für den Reexport.“[12]
Im Vordergrund der Entwicklungsstrategie sollte also nicht mehr die Möglichkeit der Selbstversorgung stehen, sondern der über den Warentausch vermittelte Zugang zu lebensnotwendigen Gütern, d.h.: Warenproduktion statt Güterproduktion.
In der Praxis sollte das so funktionieren:
- Die USAID wollte 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche umwidmen, d.h. die auf lokale Vermarktung ausgerichtete Landwirtschaft zurückdrängen und durch den Anbau von Baum- und Strauchkulturen wie Kakao oder Kaffee ersetzen.
- Weiterhin wurde die Entwicklung eines agroindustriellen Sektors angestrebt. In der Annahme, der haitianische Binnenmarkt sei zu klein, um die Produkte einer effizienten Agrarwirtschaft zu absorbieren, sollten die agroindustriellen Betriebe für den internationalen Markt produzieren.
- Die Montageindustrie sollte die nötigen Devisen für den Import von Nahrungsmitteln erwirtschaften und die Kaufkraft der Konsumenten sicherstellen, um so den warenförmigen Zugang zu lebensnotwendigen Gütern zu sichern. Der Aufbau von Montagebetrieben in Haiti wurde mit erheblichen Steuernachlässen gefördert. Er stand dabei in engem Zusammenhang mit der Entindustrialisierung der Vereinigten Staaten, d.h. mit der Auslagerung standardisierter Produktion an die Peripherie des nordamerikanischen Wirtschaftsraums. Dieser Prozess wurde auch in den USA staatlicherseits gefördert: z.B. mit Zollbestimmungen, die den Reimport von im Ausland montierten Waren nur noch nach dem durch die Montage hinzugefügten Wert und nicht mehr nach ihrem Gesamtwert taxierten.
- Die so ins Werk gesetzte Umorientierung der haitianischen Produktivkräfte auf den Weltmarkt würde zu einer Reduzierung der inländischen Nahrungsproduktion führen. Die Nachfrage sollte daher künftig verstärkt durch Importe gedeckt werden.
Was die praktische Umsetzung dieser Umstrukturierung betrifft, so wird den haitianischen Bauern v.a. ein Projekt in ewiger Erinnerung bleiben, das die kleinbäuerliche Produktion in ihren Grundfesten erschütterte: das Projekt zur Ausrottung der Schweinepest PEPPADEP.[13] Vor seinem Befall mit der Schweinepest 1978 betrug der Bestand an Schweinen rund eine Million. Zwischen Mai 1982 und Juni 1983 wurden sämtliche kreolischen Schweine, die der Pest nicht zum Opfer gefallen waren, geschlachtet, und dies ungeachtet dessen, dass das Sterben der Schweine zu diesem Zeitpunkt schon aufgehört hatte, dass noch kein Programm zur Wiederansiedlung einer Schweinepopulation existierte und dass keine oder nur unzureichende Entschädigungszahlungen an die betroffenen Bauern erfolgten.
Eine wesentliche Grundlage der kleinbäuerlichen Ökonomie war vernichtet worden. Damit wurde ein beträchtlicher Markt geschaffen für ein industrielles Angebot an Protein. Anstatt die wirtschaftliche Autonomie der kleinbäuerlichen Betriebe wiederherzustellen, vergab die Weltbank 1981 einen Kredit über drei Millionen US$ an ein internationales Konsortium unter Beteiligung von Kentucky Fried Chicken für die Ansiedlung einer industriellen Geflügelfarm.
Auch die Montageindustrie hatte in den 70er Jahren einen rasanten Aufschwung genommen. In der Montageindustrie sollte Haiti seinen komparativen Kostenvorteil, seine zahlreiche und preisgünstige Arbeitskraft, in Wert setzen. Ein Markt für importierte Waren sollte entstehen und die in der modernisierten Landwirtschaft freigesetzte Arbeitskraft absorbiert werden. Die Betriebe der Montageindustrie siedelten sich am Nordrand der Hauptstadt an.
Die Montageindustrie verfügte aufgrund ihrer hohen Abhängigkeit von einem begrenzten Markt, den USA, und aufgrund ihrer Beschränkung auf die Herstellung weniger Produkte lediglich über ein begrenztes Expansionspotenzial. Ihre Entwicklung stagnierte bereits in den 80er Jahren. Der Input der Montageindustrie kommt zum größten Teil aus den USA.[14] Dort erfolgt auch die Realisierung des Mehrwerts zu ihrem überwiegenden Teil.[15] Eine Integration in die haitianische Volkswirtschaft, eine Weitergabe von Entwicklungsimpulsen ist also unmöglich. Die Montageindustrie bleibt Enklave. Die Löhne, welche die Arbeiter in den Montagehallen von Port-au-Prince erhalten, entsprechen oft nicht einmal dem staatlich festgesetzten Mindestlohn. Sie fallen hinter die Einkommen in anderen städtischen Sektoren zurück.[16] Dies steht in offensichtlichem Widerspruch zu den schwierigen Bedingungen, unter denen die Montagearbeiter ausgebeutet werden: Die Arbeit ist monoton, oft gesundheitsschädigend und erfordert zugleich kontinuierliche Konzentration.
Zwei Faktoren haben nach dem Sturz des Präsidenten Duvalier 1986 zur Überhitzung und schließlich zum Zusammenbruch dieses Entwicklungsmodells beigetragen.
1. Das mit dem Code Commercial von 1987 eingeführte neue Handelsregime erschwerte die Bedingungen der haitianischen Landwirtschaft. Die Herabsetzung der Importzölle auf wichtige Produkte des täglichen Bedarfs sollte der Inflation entgegenwirken und die Lebenshaltungskosten senken. Sie muss als Bestandteil der auf Sicherung des Zugangs zu lebensnotwendigen Gütern ausgerichteten Entwicklungsstrategie verstanden werden. Tatsächlich wurde die Inflation vorübergehend gestoppt. Lag die Inflation 1985 noch bei über 11Prozent, so konnte sie 1986 auf unter 3Prozent gesenkt werden, 1987 schlug sie sogar in eine Deflation von knapp 11,5Prozent um. Langfristig verkehrte sich dieser Erfolg aber in sein Gegenteil. 1990 lag die Inflationsrate bei über 20Prozent und damit höher als vor der Handelsliberalisierung. Die Senkung der Importsteuern betraf v.a. Waren, die mit der einheimischen Produktion konkurrierten: Butter, Mehl und Reis, aber auch Produkte einfacher Manufaktur wie Plastik- oder Eisenrohre, Draht oder Blech. Nach der Wiedereröffnung der Provinzhäfen für den internationalen Handel 1986 blühte der Schmuggel und schuf eine zusätzliche Konkurrenz für die einheimischen Produkte. Unter der Bedingung eines stark monopolisierten Imports wurde der Markt zugunsten der importierten Waren bereinigt und die Preise steigen seither wieder.
Als Konsequenz des neuen Handelsregimes ging v.a. die Produktion zur lokalen Kommerzialisierung (Reis, Bohnen, Hirse) zurück, während die Subsistenzproduktion (Kochbananen, Mais, Maniok) ihre Rolle bei der Überlebenssicherung behielt. Dieser Rückgriff auf die unmittelbare Überlebenssicherung ist die Antwort der Kleinbauern auf den Zugriff des Weltmarktes und die damit verbundene Bedrohung ihrer Existenz. Die Orientierung auf eine Agrarproduktion für den Export ist damit gescheitert. Die Strategie, den Zugang zu lebenswichtigen Gütern über deren Verwandlung in Waren zu sichern, ist in ihr Gegenteil umgeschlagen: in eine Regression in die Subsistenzwirtschaft und die Vernichtung kommerzieller Strukturen und damit Senkung der Kaufkraft.
2. Politische Turbulenzen[17] erschütterten das ohnehin nicht allzu große Interesse ausländischer Investoren an Haiti. Noch 1986 schloss die HADC ihre Sisalplantage im Nordosten des Landes. Nach der Erfindung des Nylons in den 1940er Jahren war die Sisalproduktion zunehmend unter Druck geraten. Die HASCO und damit der letzte der US-amerikanischen Investoren aus der Epoche des Besatzung verließ 1995 das Land. Das UN-Handelsembargo von 1993/1994 gegen die Herrschaft der Militärjunta brachte den internationalen Handel, Grundbedingung der Montageindustrie, zum Erliegen. Mit der Schließung der Montagebetriebe gingen in Port-au-Prince 40.000 Arbeitsplätze verloren.
Haiti in Zeiten eines neuen Interventionismus
Nach der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Haiti durch die UN-Intervention 1994 und der Aufhebung des UN-Handelsembargos kam es 1995 zu einem kurzen Aufschwung, der aber schnell in die anhaltende Agonie umschlug, die heute der Hintergrund der haitianischen Krise ist. Während der Außenhandel und namentlich der Import das Niveau von 1990 schon 1995 wieder erreicht hatte, stagniert das Bruttoinlandsprodukt nur unwesentlich über dem Niveau der letzten Jahre der Militärjunta.
Die Montageindustrie kehrte nach Ende des Handelsembargos nach Haiti zurück. 1998 beschäftigte sie rund 21.000 Arbeiter in 85 Betrieben. In diesem Sektor arbeiteten damit 61Prozent sämtlicher Industriearbeiter der Hauptstadtregion. 1999 entfielen über 80 Prozent des Exportwertes auf die Produkte der Montageindustrie. Dabei spielt die Verarbeitung inländischer Rohmaterialien eine geringe Rolle. Fast 90 Prozent der exportierten Waren sind aus zuvor importierten Bestandteilen zusammengesetzt. Das bedeutet, dass der Montageindustrie auch im Bereich des Imports eine wichtige strukturelle Rolle zufällt.
Der Rückgang der Nahrungsmittelproduktion, seit Einführung des neuen Handelsregimes zu beobachten, hält an: Die Pro-Kopf-Produktion an Nahrungsmitteln betrug 1999 nur noch 82 Prozent des durchschnittlichen Wertes von 1989-1991. Insgesamt stagniert die landwirtschaftliche Produktion. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt sinkt stetig. Die sinkende landwirtschaftliche Pro-Kopf-Produktion und die Vernichtung lokaler Handelskreisläufe führen zu einer anhaltenden Krise der Kalorien- und Proteinversorgung der Bevölkerung. Der Import von Nahrungsmitteln kann der Ernährungsnotstand nicht lindern, im Gegenteil: Der Niedergang der einheimischen Produktion und des lokalen Handels hat auf der einen Seite eine sinkende Kaufkraft, auf der anderen eine anhaltende Hausse der Preise zur Folge. Auch der verarbeitende Sektor ist von der Krise betroffen. Die industrielle Produktion (ohne den Bausektor) erwirtschaftet heute nur noch sieben Prozent des BIP. 1990 waren es noch 15 gewesen. Das kleine Handwerk (Schneider, Tischler, Zimmerleute) leidet unter der ausländischen Konkurrenz und den gestiegenen Preisen seiner Rohmaterialien.
Im Januar 1995 wurde in Paris zwischen der Regierung von Präsident Jean-Bertrand Aristide und internationalen Gebern ein Strukturanpassungsprogramm beschlossen, das folgende Eingriffe in die haitianische Volkswirtschaft vorsah: nochmalige Verringerung der Importzölle, Halbierung der öffentlichen Lohnsumme (durch 22.000 Entlassungen), Privatisierung öffentlicher Leistungen, Privatisierung der neun größten Staatsbetriebe. Die Strukturanpassungsmaßnahmen provozierten einen erheblichen Widerstand. Insbesondere der Stellenabbau im öffentlichen Dienst und die Privatisierung der Staatsbetriebe waren und sind Gegenstand heftiger gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Die Regierungspartei Lavalas zerbrach daran. Die politische Krise, welche aus diesen Auseinandersetzungen resultierte, übertrug sich auch auf das parlamentarische System.
Im Osten Haitis entlang der dominikanischen Grenze steht ein ehrgeiziges Projekt unter dem Titel Plan Hispañola am Beginn seiner Umsetzung: die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone entlang der haitianisch-dominikanischen Grenze. Grundlage für dieses Projekt ist ein Abkommen, das vermutlich am 16.1.2002 am Rande eines Staatsbesuchs des haitianischen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide in der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo unterzeichnet wurde. Dieses Abkommen, das nie im haitianischen Parlament diskutiert worden war, über das weder die Presse noch die Betroffenen im Vorfeld unterrichtet worden waren, trägt den Namen: „Trilateral Cooperation Agreement Between the Government of the Dominican Republic, the Government of Haiti and the Government of the United States of America“ und beinhaltet folgende Punkte:[18]
- Die haitianische und die dominikanische Regierung verpflichten sich, auf ihrem nationalen Territorium jeweils einen Landstrich von fünf km entlang der Grenze für eine internationale Freihandelszone bereitzustellen. Auf haitianischer Seite betrifft das eine Fläche von knapp 2.000 km². Gelände in privatem Besitz muss gegen Entschädigung enteignet werden.
- Das gesamte Gelände geht in Besitz einer zu gründenden Gesellschaft namens „Dominican-Haitian Investment Funds Bilateral Holding Cooperation“ (DHIFBHC) über. Die shareholder dieser Gesellschaft sind Haiti, die Dominikanische Republik und die USA, wobei letztere die Mehrheit hält.
- Insgesamt 800 Mill. US$ Schulden der Dominikanischen Republik bei den USA und 427 Mill. US$ Schulden Haitis bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) sollen in Kapital zur Errichtung von Industrieparks konvertiert werden.
Als Pilotprojekt des Plan Hispañola gilt die Errichtung eines Industrieparks auf dem Gebiet von Maribahoux, einem Tal nahe der Grenze. Am 8.4.2002 wurde dort im Beisein beider Präsidenten die Grundsteinlegung vollzogen. Dadurch wurde erstmals das Projekt öffentlich.
Auf der Grundlage eines weiteren Abkommens, das die haitianische Regierung Ende 2002 mit dem dominikanischen Investor Fernando Capellan geschlossen hatte, begannen am 18.3.2003 erste Planierarbeiten in Pitobert. Dabei wurden Gärten von insgesamt 55 ha zerstört. Von den 54 geschädigten Bauern erhielten 14, die sich als Besitzer ihrer Gärten ausweisen konnten, eine Entschädigung von je 7.500 gourdes (ca. 300 Euro). Die Pächter gingen leer aus.[19]
Die Initiatoren des Projektes versprechen auf kurze Sicht die Schaffung von 1.500, langfristig sogar von 500.000 Arbeitsplätzen in den Industrieparks der border zone und im Bereich der Zulieferung. Profiteur des Projektes, halten Kritiker wie das Comité de Défense de Pitobert dagegen, sei einzig die dominikanische Textilindustrie. So können dominikanische Textilhersteller, die für Marken wie GAP, Hugo Boss und Banana Republic produzieren, durch die auf haitianisches Territorium ausgelagerte Produktion die US-amerikanischen Länderquoten für Textilimporte umgehen.[20] Und sie sparen Lohnkosten: Das allgemeine Lohnniveau liegt in Haiti deutlich unter dem der Dominikanischen Republik. Und im Trilateralen Kooperationsabkommen sind Aussagen zu Arbeitsbedingungen oder Löhnen nicht enthalten, geschweige denn Festlegungen zu Kompensationen für lokale Produzenten, regionale Entwicklungspläne zur Bewältigung der zu erwartenden demografischen Umwälzungen oder auch nur Regelungen zur Entsorgung chemischer Abfälle.
Die aktuellen Auseinandersetzungen in Haiti haben also mannigfaltige soziale Hintergründe: Studenten kämpfen für bessere Studienbedingungen. Angestellte staatlicher Betriebe kämpfen um die Rettung ihrer durch Privatisierung bedrohten Arbeitsplätze. Bauern kämpfen gegen ihre Vertreibung aus der entstehenden Freihandelszone an der Dominikanischen Grenze und gegen die Planierung ihrer Gärten für dominikanische Textilkonzerne. Das Kleinbürgertum, das auch die Intelligenz des Landes umfasst, kämpft um die Rückeroberung ihres an das Aristide-Klientel verloren gegangenen Einflusses, und die Bourgeoisie kämpft um ihre Anteile an der Privatisierung der Staatsbetriebe und der ökonomischen Neustrukturierung. Den entscheidenden Einfluss auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Haitianer wird aber bis auf weiteres der Weltmarkt ausüben.
* Zweiter Teil des Beitrags von Alexander King. Der Erste Teil (Krisenjahr 2004) erschien in Z 58. (Anm. d. Red.)
[1] Den Sklaven für den Eigenanbau ihrer Subsistenzmittel überlassene Gärten, meist auf dem Grundstück ihrer jeweiligen Plantage.
[2] Abwesende, d.h. nicht in Haiti ansässige Plantagenbesitzer.
[3] 1914 kam es zur sprichwörtlichen „Kanonenbootpolitik“, als deutsche, französische und US-amerikanische Kriegsschiffe im Hafen von Port-au-Prince einliefen, um im Zusammenhang mit einem Putsch verhaftete Staatsbürger freizupressen. Ein britisches Kriegsschiff trieb im selben Jahr eine Entschädigungssumme für einen britischen Kaufmann ein.
[4] 1901 intervenierten die USA militärisch in Nikaragua, 1903 in Kolumbien. Panama wurde von Kolumbien losgelöst. 1905 besetzten amerikanische Militärs die Dominikanische Republik. Die USA unterstützten die kubanischen Unabhängigkeitskämpfer, um nach der Niederlage der spanischen Kolonialmacht selbst ihren Einfluss auf der Insel zu festigen.
[5] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Haiti durch zahlreiche Staatsstreiche und Revolten erschüttert, die oft von regionalen Oligarchen ausgingen.
[6] Wörtlich: „Kein Weißer, welcher Nationalität auch immer, soll seinen Fuß als Grundbesitzer auf dieses Land setzten oder in Zukunft hier Grundbesitz erwerben dürfen.“, (Kap. V der Verfassung bis 1918)
[7] Im Original französische Texte wurden vom Autor übersetzt.
[8] Vor der US-Okkupation entfiel auf Frankreich die Hälfte des haitianischen Außenhandels, die französische Banque Parisienne hatte ein Monopol auf die haitianische Staatsschuld. 80Prozent der Handelshäuser im Hafen von Port-au-Prince waren in deutscher Hand, ein Drittel des gesamten Kaffee-Exports lief über Hamburg.
[9] Vertrag veröffentlicht in : Le Moniteur. Journal Officiel de la République d’Haïti, 20.1.1927.
[10] Unentgoltener Zwangseinsatz von Bauern zum Straßenbau.
[11] 1981 erließ die Regierung Reagan das programme d’interdiction, welches der Küstenwache ermöglichte, auf offener See haitianische Bootsflüchtlinge aufzunehmen und, ohne daß sie US-amerikanischen Boden betreten hätten, nach Haiti zurückzuschicken.
[12] USAID 1982b: Food and Agriculture Sector Strategy for Haïti. Financial Report, S. 2.
[13] Projekt zur Ausrottung der afrikanischen Schweinepest und für die Entwicklung von Schweinezucht durchgeführt durch das Institut Interaméricain de Coopération Agricole IICA der OEA, auf Anfrage der haitianischen Regierung finanziert größtenteils durch die Regierung der USA.
[14] Nach einer Studie des Institut Haïtien de Statistique et d’Informatique beziehen die Montagebetriebe ihren Input zu 73 Prozent aus dem Ausland, d.h. aus den USA. Vgl. IHSI 2000, Enquête Industriel.
[15] Nach derselben Quelle: zu 80 Prozent.
[16] 1999 waren die Arbeiter der Montagehallen mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 12.800 gourdes (ca. 580 US$) deutlich schlechter bezahlt als andere Industriearbeiter (das durchschnittliche Jahreseinkommen lag bei 20.000 gourdes, vgl. IHSI 2000, Enquête Industriel).
[17] Sturz der Duvalier-Diktatur 1986, mehrere Putsche, demokratische Wahlen 1990 und erneuter Putsch 1991 gegen den gewählten Präsidenten Aristide, Militärjunta 1991-1994 und schließlich Militärintervention 1994 und Rückkehr von Aristide aus dem Exil.
[18] Passagen des Vertrags wurden am 10.7.2002 in der haitianischen Wochenzeitung Haïti Progrès abgedruckt.
[19] Eintrag vom 28.3.2003 auf www.garrhaiti.org/actu, der Homepage der Groupe d’Appui aux Rapatriés et Réfugiés,einer Nicht-Regierungsorganisation, die sich im haitianisch-dominikanischen Grenzgebiet um die Erfassung von Menschenrechtsverletzungen v.a. im Zusammenhang mit illegalen Grenzübertritten kümmert.
[20] Grassroots International, www.grassrootsonline.org/gol_0802_zone.html