Eberhard Dähne (1938 - 2010) zum Gedächtnis

Juni 2010

Am 21. April starb unser Freund, Genosse und wissenschaftlich-politischer Weggefährte Dr. Eberhard Dähne. Nur wenige, die ihn als Gewerkschafter, Kommunalpolitiker und Sozialwissenschaftler erlebt haben, wissen, dass er ursprünglich eine Ausbildung als Landwirtschaftsgehilfe (1957/1959) und als Diplom-Landwirt (1959/1962) absolviert hatte. Bundesweit bekannt wurde Eberhard 1961 als Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Er hatte versucht, die SPD vor dem intellektuellen Freitod zu bewahren.[1] Dies ist ihm nicht gelungen – 1962 hat ihn die Partei unter Berufung auf den Unvereinbarkeitsbeschluss von SDS bzw. Sozialistischer Fördergemeinschaft und SPD ausgeschlossen.

Neben der ihm immer wichtigen Basisarbeit in Jugendorganisationen, Gewerkschaften und Parteien – mit Schwerpunkt Kommunalpolitik, so u.a. als Stadtverordneter für die DKP in Marburg und auf der Liste der PDS in Frankfurt/M. – hat sich Eberhard vor allem als Sozialwissenschaftler einen Namen gemacht, als Assistent an der Philipps-Universität in Marburg (1963/66), als Leiter des Marburger Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung (1967/71) und von 1972 bis 1989 beim Frankfurter Institut für Marxistische Studien und Forschungen (IMSF) Seine Arbeitsfelder waren u.a Klassen- und Sozialstrukturanalyse (er bearbeitete zusammen mit Heinz Jung den 2., sozialstatistischen Band der IMSF-Studie von 1973) und die „Reproduktionsbedingungen der Arbeiterklasse“. Dieser Bereich war ihm in gewissem Sinne auf den Leib geschnitten: Soziale Bewegungen, das war ihm klar, speisen sich letzten Endes weniger aus großen Theorien als aus den Lebensverhältnissen der handelnden Individuen. Politische Prozesse können nur verstanden werden, wenn dieser Zusammenhang klar ist. Bei Verfolgung dieses methodischen Ansatzes erwies er sich als großer Kenner und souveräner Kritiker der amtlichen Sozialstatistik. Viel Zeit und Energie verwendete er z.B. auf eine Untersuchung zum Preisindex für Lebenshaltung[2], einem für soziale Auseinandersetzungen zentralen Indikator. In der noch heute lesenswerten Arbeit wird der Entstehung und Verwendung dieser Größe minutiös nachgegangen. Bei aller Liebe zum Detail bleibt er nüchtern und tritt simplen Fälschungsvorwürfen entgegen – die im Bericht belegte Unterbewertung von Preiserhöhungen des täglichen Bedarfs erklärt sich vielmehr aus dem spezifischen, interessengeleiteten Blickwinkel der amtlichen Statistik. Das von ihm 1985 unter dem Titel „Gemeindeleute“ herausgegebene „Handbuch für eine alternative kommunalpolitische Praxis“ rückte ebenfalls den Bereich „Gesellschaftliche Konsumtion und Reproduktion der Arbeitskraft“ in den Mittelpunkt.

Das sehr konkrete, am betrieblichen und kommunalen Leben orientierte Politikverständnis von Eberhard schloss auch einen großen Sinn für Regionalgeschichte ein. Er war ein glänzender Stadtführer. Seine wissenschaftliche Arbeitsweise wird auch auf diesem historischen Feld deutlich. Seine Darstellung der 1848er Revolution in Frankfurt[3] geht von den konkreten Lebensverhältnissen des „gemeynen Volks“ aus, ohne welches es eben die in offiziellen Feierstunden und Festreden gefeierte parlamentarisch-demokratische Revolution nicht gegeben hätte.

Eberhard blieb in Wissenschaft und Politik immer den Anliegen der ‚kleinen Leute’ verpflichtet. Die Bewegung für bessere Lebensverhältnisse und grundlegende gesellschaftliche Veränderungen hat einen unermüdlichen Arbeiter verloren.

Z-Redaktion

[1] Eberhard Dähne, SDS und neue Linke 1959 ff, in: Z 74, Juni 2008, S. 69-79.

[2] IMSF-Informationsbericht Nr.32, Die Preisindizes für die Lebenshaltung und die Entwicklung der Verbraucherpreise, Eberhard Dähne und Jörg Dieckhoff, Frankfurt/M. 1979

[3] Eberhard Dähne, Margret Steen, 1848 in Frankfurt, Frankfurt/M. 1999