Peripherie und Imperialismus

Der Marx’sche Blick auf Afrika

Anmerkungen zu Marx’ fragmentarischer Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Kontinent

Juni 2005

Im Oktober 1882 erkrankt Marx an Rippenfell-, Lungenentzündung und Bronchitis. Linderung soll ihm ein Aufenthalt in Algier bringen, dessen Klima in den Winter- und Frühjahrsmonaten der Gesundheit der Atemwege besonders förderlich sein soll.[1] Am 20. Februar 1883 erreicht Marx Algier und betritt damit erstmals Afrika.

Marx’ Aufenthalt in Algier ändert nicht viel an der Tatsache, dass seine – und auch Engels – Beschäftigung mit Afrika sich im Verhältnis zu den Schriften über andere Weltregionen vergleichsweise bescheiden ausnimmt. Insgesamt sind es nach Amin (1975: 159) ungefähr 400 Seiten im Werk von Marx, die sich überhaupt mit außereuropäischen Gesellschaften befassen. Die meisten davon sind journalistische Arbeiten zu Indien, China und dem Osmanischen Reich, die zumeist auch noch unter dem Aspekt der englischen Innenpolitik geschrieben sind. Vesper (1995: 125) zählt mehr als 300 Arbeiten von Marx und Engels, in denen der afrikanische Kontinent erwähnt wird. Dies sind jedoch zumeist bloß Einsprengsel in den Texten – keineswegs ausführliche Erörterungen. Das Wissen über Afrika ist bei beiden „virtually non-existant.“ (Hobsbawm 1964: 26)

Absicht und Gewinn

Was gewinnt man aber aus einer Beschäftigung mit Marx’ kaum vorhandenen Äußerungen zum afrikanischen Kontinent? Seit dem sogenannten „afrikanischen Jahr“ 1960 war das Thema „Marx und Afrika“ in der DDR kein rein akademisches mehr. Im Zusammenhang mit dem voranschreitenden Dekolonisationsprozess stellte sich die vordringlich politisch-strategische Frage des weiteren Umgangs mit den formal unabhängigen Ländern Afrikas und den nationalen Befreiungsbewegungen des Kontinents (Oberlack 1994: 5ff.; für die 1980er Jahre s. Jegzentis/Wirth 1991). Aufgrund der vorherrschenden Neigung, politische Positionen mit Hilfe von Klassikerzitaten zu begründen, entspann sich eine lebhafte Auseinandersetzung über die Interpretation der entsprechenden Textstellen bei Marx, Lenin und anderen. Gerade die doch sehr mageren Klassikerbefunde ermöglichten es den Sozial- und Geschichtswissenschaftlern in der DDR, eine relativ eigenständige Debatte über die Geschichte und Perspektiven des afrikanischen Kontinents zu führen. Diese marxistisch inspirierte Literatur zu Afrika, wie auch die entsprechende Literatur marxistisch orientierter WissenschaftlerInnen im Westen und im Süden konzentrierte sich dabei im wesentlichen auf drei Punkte (vgl. Meisenhelder 1991): zum einen auf den widersprüchlichen Charakter der Durchdringung der Kolonien durch den Kapitalismus, zum zweiten auf die Einordnung afrikanischer Gesellschaften in den Kontext einer materialistischen Geschichtstheorie und drittens auf die Frage nach den Entwicklungsmöglichkeiten, der Dynamik und Statik dieser Gesellschaften.

Wir werden diese marxistische Debatte zu Afrika hier nicht im Einzelnen nachvollziehen. Unsere Intention ist es, in dogmenhistorischer Absicht die fragmentarischen Äußerungen von Marx zu Afrika aufzuarbeiten und in den breiteren Rahmen seiner Ausführungen zu den Themen Kolonialismus, globale Ausdehnung des Kapitals und der Eingliederung außereuropäischer Gesellschaften in das Netz bürgerlicher Produktionsbeziehungen zu stellen.

Um hierbei nicht oberflächlichen Vereinfachungen zu verfallen, sind einige Anmerkungen zum Umgang mit den fragmentarischen Marx’schen Äußerungen angebracht. Ihre Bewertung hängt nicht nur – wie wir unten zeigen werden – von ihrer zeitlichen Stellung im Werk von Marx ab (Menzel 2000; Kalmring/Nowak 2004), sondern es muss ebenfalls bedacht werden, dass die einzelnen Schriften von Marx einen unterschiedlichen „analytischen Stellenwert“ besitzen: Ein programmatischer und gleichzeitig propagandistischer Text wie das „Kommunistische Manifest“ muss anders gelesen und interpretiert werden als eine journalistische Arbeit über die Auswirkungen und Folgen des Kolonialismus in Indien oder China und diese wiederum anders als die theoretischen Analysen vorkapitalistischer Produktionsformen in den „Grundrissen“. Des weiteren sei auch bemerkt, dass Afrika bekanntermaßen kein einheitliches Gebiet in sozialer, historischer, ökonomischer und politischer Hinsicht ist. Insofern dürfen einzelne Marx’sche Textstellen, die sich auf bestimmte Perioden oder Regionen Afrikas beziehen, nicht unzulässig verallgemeinert werden – zumal Marx selber, wie noch zu zeigen sein wird, Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen Afrikas benennt.

„The West and the Rest“ und die drei Entwicklungstheorien des Karl Marx

Im Mittelpunkt der Arbeiten von Marx und Engels stehen Großbritannien, Frankreich und Deutschland als die zentralen Länder einer möglichen revolutionären Umgestaltung (Schröder 1968: 70). Im Allgemeinen werden die Entwicklungen der europäischen und außereuropäischen Peripherie unter der Perspektive ihrer Bedeutung für eine sozialistische Transformation der Länder des kapitalistischen Zentrums untersucht. Dieser Blickwinkel ist in den „früheren“ Schriften von Marx und Engels so weit ausgeprägt, dass man beiden einen gewissen Eurozentrismus vorwerfen kann (Schröder 1968: 70; Larraine 1991: 236 ff.).

Sieht man Marx und Engels als Adepten Hegels, dann erklärt sich ihr Unwissen über Afrika durch ein hegelianisch motiviertes Vorurteil in Bezug auf diesen Kontinent und seine Menschen.[2] Für Hegel – so Böhme (2001) – galt Afrika als Sackgasse des menschlichen Geistes. Symptomatisch formuliert Hegel in einer seiner „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“: „So verlassen wir hiermit Afrika, um späterhin seiner keine Erwähnung mehr zu tun. Denn es ist kein geschichtlicher Weltteil, er hat keine Bewegung und keine Entwicklung aufzuweisen […]“ (Hegel 1970: 163). Doch ist es unwahrscheinlich, dass ein von Hegel übernommenes Vorurteil der (ausschließliche) Grund für Marx’ relativ geringes Wissen über Afrika ist, wenn man seine journalistischen Arbeiten zu Indien und China bedenkt. Schließlich sprach Hegel deren „Despotien“ ebenfalls eine Entwicklungsblockade zu. Zum einen ist zu vermuten, dass sich je nach aktuellem Weltgeschehen auch Marx’ journalistisches und politisches Interesse für die verschiedenen Weltregionen wandelt. Zum andern ist zu bedenken, dass Marx in London wohl leichter Informationen über Indien und China erhalten konnte, als über andere außereuropäische Regionen – zumal Indien als das Kronjuwel des britischen Imperiums galt. Das Marx’sche „Schweigen“ über Afrika dürfte also auch durch den relativ größeren Aufwand zur Beschaffung detaillierter und gesicherter Informationen über die sozialökonomischen Strukturen der vorkolonialen afrikanischen Gesellschaften und über die Folgen des Kolonialismus in Afrika bedingt sein. Zu bedenken ist außerdem, dass sich die empirische Anthropologie erst gegen Ende des Marx’schen Lebens zu entwickeln begann (Krader 1976).

Bei Friedrich Engels ist der Blick auf viele periphere Nationen – wie die Tschechen, Südslawen, die Balkanvölker und Franko-Kanadier – mindestens bis in die 1860er Jahre durch die hegelianische Vorstellung von den sogenannten und angeblich „geschichtslosen Völkern“ geprägt (Rosdolsky 1979). Diese besitzen laut Engels keinerlei „geschichtliche Aktionskraft“ (MEW 6: 174). Analog hierzu steht er der territorialen Ausdehnung fortschrittlicher Länder in kapitalistisch schwach entwickelte Gebiete positiv gegenüber. So hält Engels die französische Eroberung Algeriens für „an important and fortunate fact for the progress of civilisation.“ (MEGA/I/6: 387). Ebenso wird die Annexion Kaliforniens durch die USA von ihm erst einmal als eine fortschrittliche Entwicklung ausgegeben: die „energischen Yankees“ seien einfach besser als die „faulen Mexikaner“ geeignet, um die Region schnell und nachhaltig zu entwickeln (MEW 6: 273f.).

In seinen frühen Schriften bewertet Marx die Ausbreitung der kapitalistischen Ökonomie durch den Freihandel und Kolonialismus in dem Sinne positiv, dass bisher nicht kapitalistische Regionen auf den Pfad einer den Sozialismus vorbereitenden Industrialisierung gezwungen werden (Avineri 1969). Er kritisiert zwar in seinen journalistischen Arbeiten über Indien und China einerseits die „Barbarei“ des Kolonialsystems (MEW 9: 225), doch zugleich begrüßt er die forcierte Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse im außereuropäischen Raum. „Die Frage ist, ob die Menschheit ihre Bestimmung erfüllen kann ohne radikale Revolutionierung der sozialen Verhältnisse in Asien.“ (MEW 9: 133) Diese „modernisierungstheoretische“ Argumentation findet sich auch noch vereinzelt in späteren Schriften, zum Beispiel wenn er im „Kapital“ an die deutsche Leserschaft gerichtet schreibt, dass das jeweils „entwickeltere Land […] dem minder entwickelten nur das Bild der eigenen Zukunft“ zeige (MEW 23: 12).

Ungefähr ab Mitte der 1860er Jahre verändert sich allerdings der Marx‘sche Blick auf die Peripherie. Die Entwicklungsmöglichkeiten der in den kapitalistischen Weltzusammenhang eingebundenen Länder beurteilt Marx nun weitaus skeptischer. Vor allem seine Studien der sogenannten irischen und polnischen Frage, aber auch seine späteren Analysen des Kolonialismus in Indien (zum Beispiel im „Kapital“), scheinen Marx zu der Erkenntnis zu bringen, dass die durch Kolonialismus und Freihandel erzeugte Zerstörung der alten Ordnung nicht unbedingt auch die materielle Grundlage einer neuen hervorrufen muss (Mohri 1979: 39). Da Marx nun eher externe als interne Ursachen einer Blockade der industriell-kapitalistischen Entwicklung in diesen Ländern identifiziert, – wie zum Beispiel eine für die Kolonialländer aufgenötigte nachteilige internationale Arbeitsteilung (MEW 23: 475), ungleichen Tausch (MEW 23: 583f.; MEW 25: 247ff.) und Reichtumstransfer aus den Peripherien im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus (MEW 23: 781) – lässt sich aus diesen Schriften eine Art „frühe(r) Dependenztheoretiker Marx“ (Menzel 2000: 10) herauslesen.[3]

Eine weitere Verschiebung der Ansichten von Marx findet man in den in den 1880er Jahren verfassten Briefen und Entwürfen an Vera Sassulitsch (MEW 19: 242-243, 384-406) – aber auch in einer über die Zeitschrift „Otetschest­wennyje Sapiski“ verlaufenden Auseinandersetzung mit Michajlovskij (MEW 19: 107-112) und in den ethnologischen Exzerpten (Marx 1976; Marx 1977). Im Unterschied zu den Auffassungen von Larrain und Schröder ist zu konstatieren, dass sich der späte Marx von der eurozentristischen Perspektive löst, der er unbestreitbar lange Zeit verhaftet war. Marx betont zum einen, dass Kategorien und Hypothesen, die in der Auseinandersetzung mit der westeuropäischen Realität gewonnen wurden, nicht einfach auf eine andere soziale Wirklichkeit übertragen werden dürfen: „Ereignisse von einer schlagenden Analogie, die sich aber in einem unterschiedlichen historischen Milieu abspielten, führten also zu ganz verschiedenen Ereignissen. Wenn man jede dieser Entwicklungen für sich studiert und sie dann miteinander vergleicht, wird man leicht den Schlüssel zu dieser Erscheinung finden, aber man wird niemals dahin gelangen mit dem Universalschlüssel einer allgemeinen geschichtsphilosophischen Theorie, deren größter Vorzug darin besteht, übergeschichtlich zu sein.“ (MEW 19: 112) Nach Dieter Boris (1997: 572) ist dieses Zitat mit der „methodische(n) Aufforderung verbunden, bestimmte Kategorien auf andere soziale Realitäten neu zu durchdenken, zu modifizieren und zu erweitern.“

Zudem behauptet Marx in scharfer Abgrenzung zu seinen früheren Positionen, dass ein peripheres Land wie Russland – allerdings unter der Bedingung einer sozialistischen Revolution im Westen – direkt, d.h. unter Umgehung einer kapitalistischen Phase der Entwicklung, zum Sozialismus gelangen könne, wenn es die spezifisch russische Dorfgemeinschaft Mir zum Ausgangspunkt seiner sozialistischen Transformation mache (MEW 19: 296, 384f.). Marx stellt hiermit die Möglichkeit eines eigenständigen Entwicklungspfades für ein peripheres Land heraus und fokussiert damit seine Analyse im Unterschied zu seinen früheren Positionen nicht auf einen Beitrag der Entwicklung im peripheren Raum für die Revolution im Westen. Die Revolution im Westen wird selber zu einer Bedingung innerhalb einer eigenständigen Bewertung der spezifischen Entwicklungspotenziale der russischen Gesellschaft (vgl. Kalmring/Nowak 2004).

Afrikanische Produktionsweisen, Kolonialismus und Gewalt

Die letztendlich positive Bewertung des Kolonialismus in Marx frühen journalistischen „modernisierungstheoretisch“ geprägten Arbeiten zu Indien und China ist eng verbunden mit seiner kritischen Einschätzung der sozioökonomischen Struktur asiatischer Gesellschaften. Die stagnative Struktur orientaler Gesellschaften könne aufgrund einer spezifischen Verquickung von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen allein von außen aufgebrochen werden. Die kapitalistische Entwicklung kann nach Marx in diesen Ländern nur extern induziert werden: „Das Urteil von Marx und Engels über die asiatischen Gesellschaften und über den orientalen Despotismus sind bekannt: eine Struktur gebildet aus isolierten oder verstreuten Gemeinden, beherrscht von einem zentralistischen despotischen Imperium und von einer ‚verhimmelten‘ Bürokratie, deren Macht in ihrem Monopol auf das Heilige verankert ist. Eine solche Struktur war nicht fähig, ihre Produktivkräfte autonom zu entwickeln und einen geschichtlichen Veränderungswillen zu verkörpern. Das Wesen dieser Struktur bestand lediglich darin, sich zu reproduzieren: ihre Kargheit, ihre Hierarchie, ihre Versklavung. Der Schlüssel zu den asiatischen Gesellschaften waren die Gemeinden und die Unkenntnis des Privateigentums, beides entstanden aus der Isolation, dem naturwüchsigen Charakter der Produktionsmittel, der patriarchalischen Struktur und dem magisch-religiösen Glauben.“ (Franco 1982: 67)

In der neueren Debatte um die asiatische Produktionsweise wurde neben der Frage über den möglicherweise eurozentristischen Charakter des Konzepts (Said 1981) auch die Frage aufgeworfen, ob das Konzept der asiatischen Produktionsweise nicht nur wie bei Marx (oder später bei Wittfogel) ausschließlich zur Beschreibung der sozioökonomischen Struktur „asiatischer“ Gesellschaften Verwendung finden könne, sondern gerade auch für Gesellschaften des afrikanischen Kontinents. Die strukturelle Ähnlichkeit asiatischer und afrikanischer Gesellschaften ermögliche nicht nur die Ausdehnung des Konzepts auf die nichtkapitalistischen Ökonomien Afrikas, sondern es müsse – so zumindest einige AutorInnen – auch die Frage gestellt werden, ob die Überbleibsel der alten afrikanischen Gesellschaftsformation für das Ausbleiben weitgehender Modernisierungsprozesse nach dem Ende der Kolonialherrschaft verantwortlich gemacht werden könnten. So glaubt zum Beispiel Suret-Canale, dass man bestechende Parallelen zwischen den asiatischen und einigen afrikanischen nichtkapitalistischen Gesellschaften ausmachen könne: Die afrikanischen Chiefdoms seien gleichfalls despotisch organisiert, das Gemeineigentum an Grund und Boden herrsche in diesen Gemeinschaften vor und die Abschöpfung des Mehrprodukts erfolge in Form des Tributs bzw. über eine Besteuerung der Gemeinden: Es „[…] zeigt sich in Schwarzafrika die Existenz eines Gesellschaftstyps, dessen Grundlage die bäuerliche Gemeinde ist, die zahlreiche aus der Urgemeinschaft ererbte Züge, besonders das nicht Vorhandensein privaten Grundeigentums, konserviert hat. Über diese Grundlage haben sich Verhältnisse der Sklaverei, wie sie im Inneren der patriarchalischen Familie bestehen und Verhältnisse der Schutzherrschaft die zwischen der herrschenden Aristokratie und den Tributpflichtigen bestanden, und sogar der Leibeigenschaft, gelegt. Die Verhältnisse der Leibeigenschaft halten sich im allgemeinen im Rahmen der Dorfgemeinschaft und zeigen nur eine oberflächliche Gleichartigkeit mit Feudalverhältnissen. Die vorherrschende Produktionsweise der entwickeltsten Gebiete des vorkolonialen Schwarzafrika kann etwa derjenigen entsprechen, die von Marx als ‚asiatische Produktionsweise‘ bezeichnet wurde und als deren sprechendes Beispiel er Indien vor der englischen Eroberung ansah.“ (Suret-Canale 1966: 107f.)

Auch Maurice Godelier glaubt, dass die vorkapitalistischen afrikanischen Ökonomien mit dem Konzept der asiatischen Produktionsweise erfasst werden können, hält es dafür allerdings für notwendig, das Konzept breiter anzulegen. So unterscheidet er zwischen einer asiatischen Produktionsweise mit und einer ohne Großbauten und hebt hervor, dass den afrikanischen Gesellschaften eine gewisse Entwicklungsdynamik nicht abgesprochen werden könne und sie nicht unbedingt die Form des politischen Despotismus annehmen müssten (Godelier 1978).

Dem gegenüber behaupten Terray und Coquery-Vidrovitch, dass die Vorstellung einer asiatischen Produktionsweise in Afrika unangebracht sei. Stattdessen müsse das Konzept eines „lineage mode of production“ (Terray 1972) bzw. einer „afrikanischen Produktionsweise“ (Coquery-Vidrovitch 1978; 1997) entwickelt werden, da die Merkmale der asiatischen Produktionsweise nach Coquery-Vidrovitch nicht auf afrikanische Gesellschaften übertragen werden können: „Es ist klar, dass die asiatische Produktionsweise in dieser Maximalform in Schwarzafrika nicht zu finden ist. Selbst wenn man ihr vielleicht bestimmte Formen des afrikanischen Despotismus zuordnen könnte, fehlt immer noch ihr dynamisches Element, nämlich jene verallgemeinerte Sklaverei, die man nirgendwo findet […].“ (Coquery-Vidrovitch 1997: 70)

Nicht durch massive öffentliche Arbeiten, zu denen die Bewohner der Dörfer durch die despotische Regierung gezwungen werden, seien die afrikanischen Gesellschaften gekennzeichnet, sondern durch selbstgenügsame Dorfgemeinschaften sowie einen auf großer Stufenleiter durchgeführten Fernhandel.

Weder die eine noch die andere Position in der Debatte kann sich aufgrund der dünnen Quellenlage ohne weiteres auf Marx berufen. In Bezug auf das antike Ägypten scheint Marx die Anwendung des Konzepts der asiatischen Produktionsweise nahe zu legen (MEW Ergb. 1: 518; MEW 9: 129; MEW 23: 536), während – wie Meisenhelder herausgearbeitet hat – in den ethnologischen Exzerptheften eine hiervon unterschiedene Position in Bezug auf Afrika südlich der Sahara ausgemacht werden kann. Meisenhelder schreibt, dass bei Marx „the rest of Africa fit more readily into the dynamic model of social development central to historical materialism. In this model, African societies are ‚tribal‘ precapitalist social formations undergoing a process of social development driven by internal processes.“ (Meisenhelder 1995: 202)

Marx bezeichnet in Anlehnung an Henry Morgans „Ancient Society“ die afrikanischen Gesellschaften südlich der Sahara als historische Formationen zwischen „Wildheit“ und „Barbarei“ (Marx 1976: 126) und verweist damit, wenn auch in der problematischen Begrifflichkeit von Morgans Evolutionstheorie, auf eine interne Entwicklungsdynamik dieser Gesellschaften. Wildheit und Barbarei sind nach Morgan Formen der „Urgesellschaft“ und ihr Übergang zu der von ihm so genannten Entwicklungsstufe der „Zivilisiertheit“ findet statt, sobald die Möglichkeit der Anhäufung individuellen Eigentums besteht, wodurch sich die gemeinschaftlichen und verwandtschaftlichen Bindungen auflösen und einer antagonistischen Sozialstruktur Platz machen. In dem Vokabular Morgans vermittelt Marx somit das Bild, dass die vorkapitalistischen afrikanischen Gesellschaften im Gegensatz zu den „asiatischen“ ein internes Veränderungspotenzial besitzen.

Die Bedeutung Afrikas für die Entwicklung des Kapitalismus

Wie betrachtet Marx nun aber die Einbeziehung der vorkapitalistischen Gesellschaften Afrikas in den kapitalistischen Weltmarkt? Die weltweite Durchsetzung des Kapitalismus ist nach Marx bereits „im Begriff des Kapitals selbst gegeben. Jede Grenze erscheint als eine zu überwindende Schranke“ (MEW 42: 321). Der unbegrenzte Akkumulationstrieb des Kapitals erzeugt nach Marx eine in der bisherigen Geschichte unbekannte Expansionsdynamik, die dazu neigt, ein weltumspannendes System zu etablieren (Avineri 1969). So wie die Herstellung und Ausbreitung des kapitalistischen Weltmarktes von Marx unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet wird, so muss auch die Einbindung und Rolle Afrikas in bzw. für das kapitalistische Weltsystem unter mehreren Aspekten beleuchtet werden.

Zunächst erwähnt Marx die Rolle Afrikas innerhalb des Prozesses der ursprünglichen Akkumulation und der damit einhergehenden Etablierung des kapitalistischen Weltmarktes. Interessanterweise hebt er in diesem Zusammenhang zwar die Bedeutung des transatlantischen Sklavenhandels für die Herausbildung des Kapitalismus in Westeuropa hervor, verfolgt aber die Auswirkungen dieser gewaltsamen Entvölkerungen für Afrika nicht weiter: „Die Entdeckung der Gold- und Silberländer in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingeborenen Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Gehege zur Handelsjagd auf Schwarzhäute bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation. Auf dem Fuß folgt der Handelskrieg der europäischen Nation, mit dem Erdrund als Schauplatz.“ (MEW 23: 779)

Für die kapitalistischen Zentren spielt auch nach der Herausbildung des Kapitalismus in Westeuropa die räumliche Expansion des Kapitals eine wichtige Rolle. Marx benennt mehrere Mechanismen des Verhältnisses von Peripherie und Zentrum, die – ohne dass er die Rolle Afrikas für die Kapitale des Zentrums gesondert behandelt – gleichwohl auf Afrika bezogen werden können. Er erwähnt nicht nur die Möglichkeit für die Kapitale der Länder des kapitalistischen Zentrums über den ungleichen Tausch mit den Ländern der Peripherie Extraprofite zu erlangen (MEW 23: 583f; MEW 25: 247ff), sondern auch die Chance ihre Profitrate über eine Verbilligung der Elemente des konstanten und variablen Kapitals zu steigern (MEW 25: 247). Darüber hinaus ermöglicht die räumliche Ausdehnung des Kapitals nach Marx auch eine verbesserte Regulierung der industriellen Reservearmee, indem der Überschuss an Arbeitskräften in den kapitalistischen Zentren durch „Auswanderung und Kolonisation“ abgebaut werden kann (MEW 23: 475).

Überdies untersucht Marx die Auswirkungen der globalen Expansion des Kapitals auf einzelne außereuropäische Länder. Hierbei konzentriert er sich allerdings weniger auf den afrikanischen Kontinent als vielmehr auf Länder wie Indien und China und untersucht dabei die Ergebnisse und Folgen des Eindringens des Kapitalismus als etwas in seinen Augen widersprüchliches.[4] Einerseits betont er die „tiefe Heuchelei der bürgerlichen Zivilisation und die nicht von ihr zu trennende Barbarei“, die sich gerade in den Praktiken des Kolonialsystems in ihrer „ganzen Nacktheit“ zeige (MEW 9: 225), andererseits will er die mögliche Schaffung der subjektiven und objektiven Vorrausetzungen einer „assoziierten Gesellschaft“ (MEW 25: 456) durch die weltweite Ausbreitung des Kapitalismus sondieren. Eine eingehendere – wenn auch keine ausgearbeitete – Behandlung der Folgen kolonialer Expansion in Afrika findet sich bei Marx für den Fall Algerien.

Der Fall Algerien

In den gegen Ende seines Lebens angefertigten Exzerpten zu Kovalevskijs Buch „Der Gemeindelandbesitz, Ursachen, Verlauf und Folgen seines Zerfalls“ (Marx 1977) macht Marx auf Grundlage von Kovalevskijs Untersuchungen Ähnlichkeiten zwischen der sozioökonomischen Struktur Algeriens und der alten indischen Gesellschaft aus: „Algier hat nach Indien d. meisten Spuren d. archaischen Form d. Grundeigenthums. D. Geschlechts- u. untheilbare Familien-Eigenthum hier d. herrschenden Typen d. Grundeigenthums. Jahrhunderte arabischer, türkischer endlich französ. Herrschaft waren – except in d. allerletzten Zeit amtlich seit Gesetz v. 1873 – unvermögend d. Bluts-Organisation u. darauf gegründeten Principien der Untheilbarkeit und Unveräusserlichkeit d. Grundeigenthums zu zerschlagen.“ (Marx 1977: 94)

Bei den Kabylen genannten Berberstämmen im Norden des Landes herrscht laut Marx bis zum Zeitpunkt der französischen Invasion nach wie vor das Geschlechts- und Gemeineigentum vor. Sie „leben bis jetzt in untheilbaren Familien mit strenger Beobachtung der Unveräusserlichkeit des Familieneigenthums.“ (Marx 1977: 94) So wird das Recht auf Ackerland durch die Familie ausgeübt, d.h. Grund und Boden sind „Eigenthum der undivided family.“ (Marx 1977: 96) Auch die Arbeitsinstrumente werden von ihr zur Verfügung gestellt und jedes ihrer Mitglieder hat ihr seine Arbeit zu widmen (ebd.).

„Was das individuelle Eigenthum betrifft, so beschränkt – mit Bezug auf bewegliches – bei Männern nur auf d. Kleidung; bei Weibern nur auf das trjap’em […] u. Schmuck, die sie erhalten als Mitgift (rather Geschenk) am Heirathstag. […] Was unbewegliches Eigenthum betrifft, das ein Glied durch od. durch Schenkung erhalten, so gilt dies als sein individuelles Eigenthum, geht aber in den Besitz (vladenie) der ganzen Familie.“ (Marx 1977: 97)

Die Hauswirtschaft der Familie liegt nach Marx in den Händen der ältesten oder der tüchtigsten Frau, manchmal wechseln sich die verschiedenen Frauen der Familie in dieser Funktion ab (Marx 1977: 96). „Bei Sterben verordnen die Familienväter gewöhnlich ihren Kindern wie bisher in d. Untheilbarkeit zu verharren. Dennoch in Praxis nicht selten Ausscheidung u. Vertheilung […].“ (Marx 1977: 97) Nach dieser „lebt d. Familiengemeinde wie vorher undivided.“ (Ebd.) In diesem Sinne schließt Marx: „Wenn also d. Kabylen auch d. Privateigenthum bekannt, so nur als Ausnahme. Hier wie überall erscheint es bei ihnen als Product des allmählichen Processes der Auflösung des Geschlechts-, Gemeinde- u. Familieneigenthums.“ (Marx 1977: 98)

Die nur langsam stattfindende Auflösung des Familieneigentums wird nach Marx durch die türkischen Eroberungen des Landes gegen Ende des 16. Jahrhunderts beschleunigt (Marx 1977: 98ff.). Ein beträchtlicher Teil des ungenutzten, bisher im Eigentum der Familien befindlichen Bodens, werde in Dominaleigentum umgewandelt und in der Regel verpachtet. Ebenso befördere die Ansiedelung von Soldaten, die mit Landparzellen bedacht werden und die Enteignung aufständischer Familien die Zersetzung des Familieneigentums, nicht zuletzt weil der größere Teil des konfiszierten Landes auf dem öffentlichen Markt verkauft werde. Zusätzlich erwähnt Marx, dass die türkische Regierung die Konzentration von Grundeigentum in Händen religiöser und wohltätiger Anstalten fördere. Ungeachtet dieser Prozesse fällt Marx das Urteil, dass die „Blutsorganisation“ und die mit ihr verbundene Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Grundeigentums im Wesentlichen erhalten geblieben sei (Marx 1977: 94). Erst die französische Kolonialherrschaft brachte den Wandel: „Stiftung v. Privateigenthum (im Aug d. französ. bourgeois) nothwendige Bedingung jedes Fortschritts im polit. u. socialer Sphäre weitre Erhaltung des Gemeinde-Eigenthums ‚als einer Form die in d. Geistern communistische Tendenzen unterstützt‘ (Débats d. Assemblée nation 1873) gefährlich, sowohl für d. Colonie als für d. Metropole; d. Vertheilung d. Geschlechtsbesitzes wird gefördert, selbst vorgeschrieben, erstens als Mittel zur Schwächung der stets auf Sprung zur Revolte stehenden unterjochten tribes, zweitens als Weg zu weiterem Uebergang d. Grundeigenthums aus d. Händen der natives in die der Colonisten. […] Mittel wechseln manchmal; Ziel stets dasselbe: Vernichtung des einheimischen Collectiveigenthums in Gegenstand freien Kauf’s u. Verkaufs u. dadurch erleichternden finalen Übergang desselben in Hände der französischen Colonisten.“ (Marx 1977: 100 f.)

Marx schildert in seinen Exzerpten zu Kovalevskij eine ganze Reihe von Dekreten, Gesetzen und Aktionen der französischen Kolonialregierung, die alle dasselbe Ziel verfolgen, nämlich die „Errichtung des Privateigenthums bei d. Arabern“ (ebd.), die schließlich in der Gesetzgebung von 1873 gipfeln und damit den Prozess vollenden. Interessanterweise erscheint der Prozess der Auflösung des Geschlechtseigentums in Algerien in den Marx‘schen Kovalevskij Exzerpten als ein bewusst und absichtlich herbeigeführtes Ergebnis.

Damit unterscheidet sich diese Analyse der französischen Kolonialherrschaft in mehrerer Hinsicht von seinen früheren Untersuchungen zum Zersetzungsprozess der asiatischen Produktionsweise in Indien und China aus den 1850er Jahren. Während Marx in den Indienbriefen vorhersagt, dass die dem orientalen Dorfsystem zugrunde liegende Einheit von Handwerk und Agrikultur in erster Linie über die Einfuhr von billigem Maschinengarn aus England – und damit über den ökonomischen Mechanismus einer höheren Effizienz der bürgerlichen Produktion – aufgelöst werde (MEW 9: 130), betont Marx in einem etwas später verfassten Artikel über China die Notwendigkeit außerökonomischer Eingriffe (vgl. Kalmring/Nowak 2004): „Es ist diese gleiche Einheit von Landwirtschaft und handwerklicher Industrie, die lange Zeit dem Export britischer Waren nach Ostindien widerstand und ihn immer noch hemmt; aber dort beruhte diese Einheit auf den besonderen Grundbesitzverhältnissen, die den Briten in ihrer Machtstellung als oberste Grundherren des Landes unterminieren konnten und auf diese Weise einen Teil der sich selbst erhaltenden hindustanischen Gemeinschaften gewaltsam in bloße Farmen verwandeln, die im Austausch für britische Stoffe Opium, Baumwolle, Indigo, Hanf und andere Rohstoffe produzieren. In China haben die Engländer diese Macht noch nicht ausüben können, und es wird ihnen wahrscheinlich auch niemals gelingen.“ (MEW 13: 544)

Zum einen wird in diesem Zitat deutlich, dass Marx – wahrscheinlich unbewusst – die hohe ökonomische Effizienz der Produktionsstrukturen anerkennt, die auf einer Einheit von Handwerk und Agrikultur beruhen, zum anderen stellt er – wie in den späten Exzerptheften über Algerien – die Bedeutung außerökonomischer Mittel für den forcierten Auflösungsprozess der hergebrachten Produktionsverhältnisse heraus. Unangenehmerweise lässt Marx allerdings in dem Zitat über den Kolonialismus in China durchscheinen, dass er direkte Formen der Kolonialherrschaft durchaus für vorteilhaft hält, wenn sie durch außerökonomische Eingriffe die Durchsetzung bürgerlicher Verhältnisse wirksamer befördern als ein alleiniges Wirken ökonomischer Gesetzmäßigkeiten. Wie wir oben hervorgehoben haben ändert sich im Laufe der intellektuellen Entwicklung Marx’ sein Blick auf die Peripherie und damit auch seine Bewertung des Kolonialismus. Die in den Indien- und Chinabriefen noch begrüßte Aufhebung des Gemeineigentums am Grund und Boden wird beispielsweise in einem späten Briefentwurf an Vera Sassulitsch ganz anders beurteilt: „Was zum Beispiel Ostindien anbelangt, so ist es aller Welt, mit Ausnahme von Sir H. Maine und anderen Leuten gleichen Schlages, nicht unbekannt, daß dort die gewaltsame Aufhebung des Gemeineigentums an Grund und Boden nur ein Akt des englischen Vandalismus war, der die Eingeborenen nicht nach vorn, sondern nach rückwärts stieß!“ (MEW 19: 402)

Obwohl Marx in seinen Exzerptheften zu Kovalevskij in Bezug auf Algerien ähnlich wie in den Chinabriefen die Relevanz außerökonomischer Mittel zur Auflösung der ursprünglichen Eigentumsverhältnisse hervorhebt, ist offenbar seine Bewertung der Ereignisse in Algerien eine deutlich andere. Die Exzerpte legen vielmehr eine kritische Distanz Marx’ zu dem Treiben der französischen Kolonialregierung nahe, wie spöttische Einsprengsel und polemische Einschübe in die Darstellung belegen. So wird die französische Regierung beispielsweise als schamlos tituliert (Marx 1977: 102), die Assemblée Nationale als „Schandversammlung“ bezeichnet (Marx 1977: 106) und das Gesetzgebungsprojekt von 1873 als „Spitzbuberei“ (ebd.).

Abschied von Algier

Die Marx’schen Äußerungen zu Afrika sind äußerst bruchstück- und lückenhaft. Eine Bewertung dieser fragmentarischen Ausführungen ist dennoch mittels ihrer Verortung in den größeren Kreis seiner entwicklungstheoretisch interessanten Überlegungen möglich.

Beachtet man, dass sich die entwicklungstheoretischen Positionen Marx’ im Laufe seines intellektuellen Werdegangs verschieben, so lässt sich anhand des Falls Algerien neben seiner Einschätzung zu dessen vorkapitalistischer sozioökonomischer Struktur ebenso eine veränderte Bewertung der Kolonialpolitik und ihres Einflusses auf die Zersetzung vorkapitalistischer Strukturen erkennen. Während Marx in seinen Indienbriefen aus den 1850er Jahren noch die Rolle des ökonomischen Mechanismus für die Zersetzung der alten asiatischen Ordnung hervorhebt, verschiebt sich das Schwergewicht seiner Argumentation sowohl in seinen Artikeln über China als auch in den Exzerpten über den französischen Kolonialismus in Algerien in eine Richtung, die den Nachdruck auf außerökonomische Mittel zur Durchsetzung kapitalistischer Produktionsbeziehungen legt.

Differenzierter kann nun auch die Einbeziehung der Gesellschaften Afrikas in den kapitalistischen Weltmarkt betrachtet werden. Marx hebt die Rolle des transatlantischen Sklavenhandels zwischen Afrika, den Amerikas und Europa im Prozess der ursprünglichen Akkumulation hervor und betont – allerdings ohne explizit Afrika zu erwähnen – die Bedeutung der globalen Expansion für die kapitalistischen Zentren, indem er zum Beispiel auf die Möglichkeit des ungleichen Tauschs mit den Ländern der Peripherie verweist, als er auch deren Auswirkungen auf außereuropäische Länder für den Fall Algerien untersucht.

Am Abend des 2. Mai 1882 verlässt Marx Algier – nach über zwei Monaten Aufenthalt – auf dem Dampfschiff „Peluse“. Er stirbt knapp ein Jahr nach seiner Ankunft in Algerien – an Bronchitis und Kehlkopfentzündung erkrankt – am 14. März 1883 in London.

Literatur

Amin, Samir (1975): Die ungleiche Entwicklung. Essay über die Gesellschaftsformationen des peripheren Kapitalismus. Hamburg

Avinieri, Shlomo (1969): Karl Marx on Colonialism and Modernisation. New York

Böhme, Hartmut (2001): Das Fetischismus-Konzept von Marx und sein Kontext. In: Gerhardt, Volker (Hg.): Marxismus. Versuch einer Bilanz. Magdeburg 2001, S. 289-319

Boris, Dieter (1997): Entwicklungsländer, in: Haug, Wolfgang Fritz (Hg.): Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus. Band 3. Hamburg u. Berlin. S. 567-582

Coquery-Vidrovitch (1978): Research on an African Mode of Production, in: Seddon, D. (Hg.): Relations of Production, Frank Cass., London, S. 255-274

Coquery-Vidrovitch (1997): Afrikanische Produktionsweise in: Haug, Wolfgang Fritz (Hg.): Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus. Band 1. Hamburg u. Berlin, S. 70-75

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[1] Vgl. Vesper (1995) und Engels (MEW 19: 341 f).

[2] Ähnlich zum Fall Lateinamerika vgl. Larrain (1991: 235 f.).

[3] Auch Engels relativiert einige seiner früheren Aussagen. So tritt er etwa schon im Jahre 1857 als ein Kritiker der französischen Algerienpolitik in Erscheinung (MEW 14: 95ff).

[4] Zu der Auseinandersetzung Marx’ mit Indien und China vgl. z.B. Sofri (1972).