Zum Kongress von Attac, BUND und Greenpeace in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie waren vom 3. bis 5. Juni 1.200 TeilnehmerInnen und rund 300 ReferentInnen in die Universität Hamburg gekommen. Dieser McPlanet war der zweite seiner Art – bereits 2003 trafen sich weit über 1.000 Menschen unter dem Motto „Umwelt in der Globalisierungsfalle“ in Berlin.
„Konsum zwischen Freiheit und Verführung“
Die immer krasser werdenden Probleme durch die neoliberale Globalisierung sowie den erwarteten umweltpolitischen Rollback in Deutschland vor Augen diskutierten die Gäste aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft mit AktivistInnen der Bewegungen in einem sehr angeregten Klima. Dabei ging es in den sieben großen international besetzten Panels und rund 80 Foren, Workshops und Philosophischen Salons um alle Themen, die an der Schnittstelle zwischen Globalisierung und Ökologie relevant und spannend sind: um die WTO, um den globalen Kampf um begrenzte Ressourcen, um die Privatisierung gemeinsamer Güter wie Saatgut und Wasser, um Lebensstile und deren Konsequenzen für die Umwelt und um die zunehmende soziale und ökologische Ungleichheit.
Im Panel „Die Welt ist (k)eine Ware! Umweltschutz zwischen Markt und Mutter Erde“ wurde zum Beispiel der Frage nachgegangen, inwieweit man Geld als Steuerungsmechanismus nutzen sollte, um mit marktwirtschaftlichen Instrumenten wie Emissionshandel den Umweltschutz voranzubringen.
Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung forderte eine „Internalisierung externer Kosten“, die Preise müssten die wahren Kosten eines Produktes widerspiegeln. Der Kapitalismus wolle und müsse ständig expandieren und der Markt sei gegenüber der Irreversibilität von Artensterben blind. Darüber hinausgehend böten auch andere Steuerungsmechanismen wie Umweltabgaben und Nutzungsentgelte für öffentliche Güter wie Luft und Meere die Chance, umweltpolitisch umzusteuern. Die Chilenin Sara Larrain (Vorstandsmitglied des Weltsozialforums) sieht Steuern und Subventionen als geeignete Instrumente einer wirksamen Umweltpolitik. Chile habe mit Marktinstrumenten schlechte Erfahrungen gemacht: Zwar erhofft sich die chilenische Regierung durch die Clean Development Mechanism aus dem Kyotoabkommen einen Technologietransfer. Doch für die Bevölkerung habe der Emissionshandel negative Folgen: „Die Regierung ergreift Besitz von der Luft“, so Larrain, „sie beschränkt den Naturzugang der Bevölkerung. Die Ressourcen werden zur Ware.“
Für Christoph Görg vom Umweltforschungszentrum Leipzig ist die Wirksamkeit von Marktinstrumenten zur Steuerung eine Frage der Rahmenbedingungen. Man müsse ganz genau hinsehen, welchen Machtverhältnissen die jeweiligen Instrumente dienen. Denn gemäß der neoliberalen Ideologie werde ausschließlich der wirtschaftliche Nutzen gesehen, alles andere sei uninteressant.
„Lebt einfach, damit andere einfach leben können!“
Meena Raman, Malaysia, Vorsitzende von Friends of the Earth International, benannte Alternativen zu rein marktwirtschaftlichen Instrumenten und gewann damit die Herzen des Publikums: Die herrschende Wachstumsideologie sei für die Probleme verantwortlich. Ohne dieses Denken grundlegend zu verändern, werde man kein einziges Problem lösen können. Dies belegte sie u. a. mit der massiven Markteinführung von gentechnisch manipulierten Lebensmitteln durch die internationalen Agrarkonzerne. Genfood sei in Wirklichkeit keine Lösung sondern Ursache des Problems. Dazu komme die Frage der weltweiten Gerechtigkeit: „Wie können Entwicklungsländer Umweltschutz betreiben, wenn sie ständig durch Verschuldung und ungerechten Welthandel massiv benachteiligt werden?“ Ihr ginge es um einen grundsätzlich anderen Lebensstil: „Eine andere Welt ist möglich, doch dafür müssen wir handeln, nicht reden!“ Aus ihrer Sicht müsse die grüne Bewegung machtvoll aufstehen. Es gebe durchaus Handlungsmöglichkeiten, seien es Wahlen, ziviler Ungehorsam oder direct action.
Außerhalb der Diskussionsforen und Debattenräume bot der Kongress jede Menge Gelegenheit zur Praxis: ein globalisierungskritischer Stadtrundgang thematisierte am konkreten Objekt die schmutzige Produktgeschichte, Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern und die Interessen des globalen Handels und Kapitals. Im Adbusting-Workshop konnte man Aussagen von Werbebotschaften kreativ verändern und damit ad absurdum führen. THE YES MAN faszinierte ein große Publikum mit seiner ernstgenommen Parodie auf das System WTO. Im go.stop.act!-Workshop wurden verschiedenste Formen der Kunst des kreativen Straßenprotests dargestellt. Ein vielfältiges kulturelles Rahmenprogramm, Filme, Theater, Ausstellungen, Kultur-Workshops sowie ein bunter Markt der Möglichkeiten und ein Aktivisteneck zur Vernetzung bereicherten die Veranstaltung zusätzlich.
„Ab Oktober wird die Natur zum Hartz-IV-Empfänger“
Im Abschlusspanel brachten die Vertreter der globalisierungskritischen und der Umweltbewegung die Diskussionen des Wochenendes auf den Punkt: die Bewegungen müssen jetzt gemeinsam agieren, um von den politischen Entwicklungen nicht überrollt zu werden. Sven Giegold (Attac) rief zu konkreten gemeinsamen Aktionen des zivilen Ungehorsams und geballten Massenprotests auf, da angesichts massiver Wirtschaftsinteressen die besseren Argumente immer weniger zählten: Sowohl der bundesweite „Gendreck-weg“-Tag am 31.7. als auch die anstehenden Castor-Transporte im November böten eine gute Gelegenheit für vernetztes Handeln und ein kraftvolles auf-den-Plan-treten derer, die ganz gleich aus welcher Bewegungsecke heraus nicht länger bereit sind, den Ausverkauf unserer Lebensgrundlagen schweigend mit anzusehen. Mehr Infos zu den Aktionen hier: www.ausgestrahlt.de und www.gendreck-weg.de.
Aktionen allein reichen jedoch nicht aus. Ein breites gesellschaftliches Bündnis, das alle VerliererInnen des neoliberalen Umbaus zusammenbringt, ist alternativlos: Neben den Globalisierungskritikern und Umweltverbänden werden auch Gewerkschaften, Entwicklungsorganisationen, Sozialverbände, kritische ChristInnen mehr als bisher an einem Strang ziehen müssen. Die Mobilisierung eines breiten außerparlamentarischen Widerstandes kann kein Teil der Bewegung allein vollbringen.
„Ein nüchterner Blick zurück zeigt: Die zweite rot-grüne Legislaturperiode hat keine entscheidenden ökologischen Fortschritte mehr gebracht. Die Abzocke bei Arbeitslosen, KleinrentnerInnen und Kranken bei gleichzeitigen Steuergeschenken für Konzerne, Vermögende und gut Verdienende hat ein Klima der sozialen Kälte und der wirtschaftlichen Angst geschaffen. Den Armen wurde geschadet; verunsichert wurde aber auch die Mittelklasse, deren progressive Teile man zur Durchsetzung progressiver Politik seit Jahrhunderten braucht. Diese Verunsicherung erleichterte es rechten Ideologen, die Ökologie wieder in die Kuschelecke der Reichen zu drängen – und, leider sehr erfolgreich, zum "Luxusproblem" zu degradieren. ... Die deutsche Umweltbewegung kennt die Begriffe Neoliberalismus und Kapitalismus kaum. Diese Zurückhaltung ist nicht mehr zeitgemäß. Neoliberalismus und Ökologie sind unvereinbar. Um angesichts des Neoliberalismus Erfolge zu erzielen, müssen die außerparlamentarischen Bewegungen sich ihres gemeinsamen Ziels bewusst sein: Regeln demokratisch festlegen und politisch durchsetzen. Dazu müssen sie heute gemeinsam gesellschaftspolitische Systemfragen stellen.“ (Sven Giegold und Daniel Mittler, „Im Zeichen des Feldhamsters“, taz vom 26.6.2005, angelehnt an die Rede auf dem McPlanet-Kongress)
„Mehr leben – weniger kaufen!“
Auf der gemeinsamen Abschlussaktion bildeten Hunderte Kongress-TeilnehmerInnen einen schwarz-weißen Strichcode auf der grünen Wiese und forderten damit, den Ausverkauf des Planeten zu stoppen. Die Politik muss den Welthandel von Grund auf ökologischer und sozialer gestalten, VerbraucherInnen müssen Politik mit dem Einkaufskorb betreiben und Konzerne müssen endlich globale Verantwortung übernehmen.