Die Transformation der russischen Wirtschaft und Gesellschaft nach 1991 war mit außerordentlich hohen Kosten verbunden. Bruttoinlandsprodukt und industrielle Produktion halbierten sich innerhalb weniger Jahre – ein in der neueren Wirtschaftsgeschichte einmaliges Phänomen (vgl. Tabelle 1). Der Lebensstandard großer Bevölkerungsgruppen sank als Folge von Inflation, Arbeitslosigkeit, Nichtauszahlung und Kürzung der Löhne dramatisch. Im Jahr 1992 lebten 50 Mio. Personen oder ein Drittel der Gesamtbevölkerung unterhalb des – nach einem Warenkorb statistisch definierten – Existenzminimums. Im Jahr 2004 waren es noch 25,5 Mio. oder 18 Prozent der Einwohner. Die mittlere Lebenserwartung reduzierte sich zwischen 1992 und 2003 bei Männern von 62,0 auf 58,8 und bei Frauen von 73,8 auf 72 Jahre. Derzeit haben Männer in Indien (63 Jahre), Brasilien (65 Jahre) und China (69 Jahre) eine deutlich höhere mittlere Lebenserwartung als in Russland. Die registrierte Bevölkerung Russlands verringerte sich durch Migration, hohe Sterbe- und geringe Geburtenziffern zwischen 1993 und 2005 von 148,6 auf 143,5 Millionen. Russland ist der einzige BRIC-Staat mit rückläufiger Einwohnerzahl. Die Infrastruktur besonders in den Bildungs-, Kultur- und Wissenschaftsbereichen, einst der Stolz der sowjetischen Gesellschaft, zeigt Zerfallstendenzen. Die Zahl der in Forschung und Entwicklung tätigen Wissenschaftler halbierte sich zwischen 1992 und 2003 von 804.000 auf 410.000. Lange Zeit unterblieben Investitionen in das industrielle Grundkapital – der Grad der Abnutzung der Grundfonds wurde 1992 auf 40,6 Prozent und 2004 auf 43,0 Prozent beziffert. Die regionalen Disparitäten zwischen der Hauptstadt und anderen Millionenstädten einerseits und der entlegenen Peripherie (im hohen Norden, in weiten Teilen Sibiriens oder im Nordkaukasus) andererseits vergrößerten sich. In den Jelzin’schen Krisenjahren nahm die Kapitalflucht in das sichere Ausland und in Steueroasen teilweise immense Ausmaße an.
Während der Finanzkrise 1998 hatte Russland die Grenze zur Zahlungsunfähigkeit überschritten, musste für seine Anleihen auf den internationalen Kapitalmärkten teilweise mehr als 30 bis 40 Prozent Zinsen zahlen und schien keinen Weg mehr aus der ökonomischen, sozialen und politischen Krise zu finden. Meinungsumfragen vom September 1998 ergaben, dass weniger als 3 Prozent der Bevölkerung Vertrauen zum Präsidenten hatten; im Hinblick auf die Regierung waren es 4 Prozent, die politischen Parteien ebenfalls 4 Prozent, die Gewerkschaften 11 Prozent, die regionalen Machtorgane 15 Prozent, die Staatssicherheit 17,5 Prozent, die Massenmedien 23,5 Prozent, die Armee 28 Prozent und schließlich die Kirche, die das höchste Vertrauen genoss, 32 Prozent (Steiner/Jadow 2001: 18).
Die vielfältigen, sich gegenseitig verstärkenden Ursachen der Krise wären im einzelnen zu untersuchen – etwa die Auflösung des einheitlichen sowjetischen Wirtschafts- und Währungsraums, die abrupte Beseitigung der wirtschaftlichen Planungs- und Leitungsorgane, Korruption und organisiertes Verbrechen, der brutale Krieg in Tschetschenien. Vorrangiges Ziel der politischen Zentralmacht und der mit ihr kooperierenden ausländischen Regierungen, internationalen Finanzorganisationen und einheimischen Oligarchen war nicht die Förderung von Wirtschaft, Kultur und sozialem Ausgleich, sondern die möglichst rasche, tiefgreifende und irreversible Privatisierung der wesentlichen Produktionsmittel. Dies ist ihr gelungen. Der Anteil der Beschäftigten in den privatisierten Sektoren stieg innerhalb weniger Jahre von unter 20 auf über 50 Prozent (vgl. Tabelle 2).
Eine Folge der Privatisierungswellen war die Herausbildung einer neuen Oberschicht. Sie besteht aus jüngeren, hoch qualifizierten, männlichen, vor allem in der Hauptstadt lebenden Personen, die, gestützt auf ein weit gespanntes Beziehungsnetz, sich im Tausch von politischer Macht und Information in Eigentum und Geld einen bedeutenden Teil des gesellschaftlichen Einkommens, Vermögens und Konsums sicherte. Im Jahr 2004 entfiel fast die Hälfte der Geldeinkommen auf das oberste Fünftel der Bevölkerung (vgl. Tabelle 3). Die mittleren Einkommen des obersten Zehntels der russischen Bevölkerung betrugen 1992 das achtfache und 2004 das 14,8fache des mittleren Einkommens des untersten Zehntels.
Der Gini-Koeffizient (der ebenfalls die soziale Ungleichheit zu messen versucht, wobei der Wert 0 vollständige Gleichheit und 1 vollständige Ungleichheit bedeutet) ist im Hinblick auf die Einkommen nach 1992 in die Höhe geschnellt (vgl. Tabelle 3). Hinsichtlich der Vermögensverteilung ist er für Russland noch nicht berechnet worden, doch hier dürfte er noch bedeutend höher liegen, da die unteren Gesellschaftsschichten kein nennenswertes Vermögen besitzen.
Der Weltentwicklungsbericht der Weltbank von 2005 setzt den Gini-Koeffizienten für die Einkommensverteilung in Russland im Jahr 2000 mit 0,456 höher an als die amtliche russische Statistik (vgl. Tabelle 3). Nach diesem Weltentwicklungsbericht lag 2000 der russische Wert über dem von Deutschland (0,283), Polen (0,316), Indien (0,325), den USA (0,408), China (0,447), aber unter den traditionell hohen Werten Argentiniens (0,522), Mexikos (0,546) und Brasiliens (0,591).
Massenproteste gegen die Privatisierung und die mit ihr einher gehende soziale Polarisierung hat es in Russland, wie auch in anderen osteuropäischen Transformationsländern, nur in sehr beschränktem Ausmaß – in den 1990er Jahren etwa in Form von Streiks gegen ausbleibende Lohnzahlungen – gegeben (vgl. Tabelle 4). Bei Teilen der älteren Generation ist der sowjetische Sozialismus noch positiv besetzt; jüngere, qualifizierte Einwohner der Großstädte hoffen hingegen auf Konsum- und Aufstiegsmöglichkeiten im Rahmen einer wieder wachsenden Wirtschaft und testen neue Freiräume aus; Fernsehen, Massenpresse und Werbung verfolgen andere Ziele als die einer politischen Aufklärung; weit verbreitete patriotische Ideologien binden das politische Denken und Handeln; Alltagsprobleme absorbieren viel Energie; die Orientierung auf Familie, Verwandtschaft und unmittelbaren Freundeskreis verengt das gesellschaftlich-politische Blickfeld. Die Integrationskraft der neuen Gesellschaft war auch in ökonomischen Krisenzeiten viel stärker, als von vielen Beobachtern erwartet. Zwar existiert eine Vielzahl von gesellschaftlichen Initiativen („Memorial“ und „Soldatenmütter“ sind auch im Ausland bekannt geworden), aber sie sind kaum vernetzt und nur selten in der Lage, in der politischen Öffentlichkeit nachhaltig Aufmerksamkeit zu erregen.
Nach dem Krisenjahr 1998 entwickelte sich die russische Wirtschaft, entgegen den Erwartungen zahlreicher westlicher Beobachter, mit hoher Dynamik. Die massive Abwertung des Rubels erschwerte ausländische Importe und unterstützte die heimische Produktion. Der internationale Ölpreis, in früheren Zeiten teilweise unter 10 - 15 Dollar pro Fass, stieg in den folgenden Jahren um ein Mehrfaches, ebenso der Exportpreis für Gas. Unter Putin festigte der Staat seine Kontroll- und Entscheidungspositionen im Energiesektor wie auch in anderen Rohstoffbereichen, was von westlichen Konzernen, die in Russland Fuß fassen wollen, nicht gerne gesehen wird. Die Produktion konnte wieder ausgeweitet werden: 1992 wurden 7,6 Mio. Fass Öl pro Tag gefördert, Mitte der 90er Jahre weniger als 6 Mio. und 2005 über 9 Mio. Von den anziehenden Weltmarktpreisen profitierten auch andere russische Exportbereiche (Erze, Metalle, Stahl, Kohle, Gold, Diamanten).
Auch der russische Waffenexport über das staatliche Unternehmen Rosoboronexport spülte Geld in die Kassen. Nach aktuellen Angaben des Jahrbuchs 2006 des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI waren „die fünf größten Waffenlieferanten im Zeitraum 2001 – 2005 Russland, USA, Frankreich, Deutschland, Großbritannien ... Auf Russland und die USA entfielen jeweils ca. 30 Prozent der weltweiten Lieferungen ... 43 Prozent der russischen Lieferungen gingen nach China und 25 Prozent nach Indien.“
Hingegen gelang es nicht, den Export zu diversifizieren. Produkte des russischen Maschinen- oder Fahrzeugbaus, der Chemie- oder Textilindustrie konnten kaum abgesetzt werden. Importiert wurden vor allem Maschinen, Ausrüstungen, Konsumgüter, Nahrungsmittel, deren Preise weit weniger anstiegen als die der russischen Exportprodukte.[1]
Von Beginn des Jahres 1999 an wuchs das russische BIP um etwa 6 Prozent jährlich. Pro Kopf macht es im Jahr 2006 über 5000 Euro aus – Ende der 90er Jahre war es weniger als die Hälfte. Die Inflationsrate reduzierte sich auf etwa 10 Prozent im Jahr 2006. Reallöhne und Einzelhandelsumsätze stiegen merklich. Die Zahl der Arbeitslosen verringerte sich von 7 Millionen (2000) auf immer noch hohe 5,8 Millionen (2004).
Außenhandels- und Leistungsbilanz sind seit Jahren positiv. Die gegenwärtigen Gold- und Devisenreserven Russlands werden mit 250 Milliarden Dollar beziffert. Auswärtige Schulden gegenüber dem Pariser Club werden vorfristig zurückgezahlt. Im Juli 2006 wurde der Rubel frei konvertierbar. Die Haushaltsüberschüsse ermöglichen die Anlage von Fonds zur Förderung der bisher stark vernachlässigten Bereiche Gesundheit, Bildung, Wohnungswesen und Landwirtschaft. Auch für den geplanten kräftigen Ausbau der Atomindustrie ist nun genügend Geld da – für die nächsten 25 Jahre sind, über die 31 bestehenden hinaus, 40 neue Meiler geplant.
Einige der großen russischen Energie-, Metall- und Rohstoffkonzerne sind zu Global Players auf den Weltmärkten herangewachsen. Gazprom ist mittlerweile in der Top 10 der weltweit größten Konzerne aufgestiegen. Die Ranglisten der reichsten Personen der Welt weisen nun auch zahlreiche russische Namen auf. Der derzeit reichste Russe, der 40jährige Roman Abramowitsch mit einem geschätzten Vermögen von 18,2 Milliarden Dollar, hat sich auf Rang 11 vorgearbeitet. Das Vermögen der 100 reichsten Russen wird von der Zeitschrift Forbes auf 140 Milliarden Dollar geschätzt. Das boomende Moskau wird zu den Metropolen mit der größten Millionärs- und Milliardärsdichte gezählt. Die neuen russischen Oberschichten spielen als Konsumenten auf den russischen und internationalen Luxusmärkten eine wachsende Rolle. In den großen Städten Russlands zeigen sich auch Ansätze einer konsumkräftigen Mittelklasse.
Der gegenwärtige Wirtschaftsboom bedeutet weder in Russland noch in anderen energieexportierenden Staaten, dass der Lebensstandard für alle Schichten gleichmäßig wächst. Auch unter Putin sichern sich die obersten Gesellschaftsgruppen einen weit überproportionalen Teil der Einkommen, der für sie weniger aus den Quellen der Arbeit als vielmehr aus denen des Eigentums und der günstigen terms of trade sprudelt. Große Bevölkerungsgruppen haben noch nicht viel von einem Aufschwung gespürt: Rentner, Dorfbewohner, Einwohner von Regionen mit starker Umweltbelastung, Arbeitslose, Behinderte und Kranke (die im zunehmend kommerzialisierten Gesundheitssystem schlechtere Heilungschancen haben), Inhaftierte, Unqualifizierte, Wanderarbeiter aus nichtrussischen Territorien, Kriegsinvaliden, Arbeiter(innen) der untersten Lohngruppen, Obdachlose (die beispielsweise vor dem G8-Gipfel in Petersburg von der Miliz aus der Stadt gebracht worden sind). Medien, Publizistik und Sozialwissenschaften werfen nur selten einen Blick auf diese Gruppen, an deren Schicksal der neue russische Kapitalismus wenig Interesse zeigt. Solange keine relevanten politisch-gesellschaftlichen Kräfte gegen die sozialen Spaltungen auftreten, wird sich die Lage der Unterklassen auch in Zeiten eines Aufschwungs nicht strukturell ändern.[2]
Russland ist durch seinen immensen Ressourcenreichtum und den weltweiten Energiehunger nicht nur der reichen Staaten, sondern auch der dynamischen Schwellenländer (China, Indien) in einer privilegierten Position. Aber die Öl- und Gasquellen sprudeln nicht von alleine. Exploration, Förderung und Transport in Sibirien, im hohen Norden, fernen Osten sowie in den Schelfregionen der angrenzenden Meere erfordern immense Investitionen. Ausländische Energiekonzerne werden zur Kooperation eingeladen (aktuelles Beispiel: die Förderung im Umfeld der Insel Sachalin), sollen aber keinen bestimmenden Einfluss übernehmen können. Auch der Bau neuer Pipelines und Gasverflüssigungsanlagen ist mit außerordentlich hohen Kosten verbunden. Mit Einnahmen kann der russische Staat durch den Öl- und Gastransport aus Mittelasien über sein Territorium rechnen, ferner auch durch den Warentransit von Ostasien nach Westeuropa sowie von Nordeuropa nach Mittelasien, wofür das Eisenbahnnetz modernisiert werden müsste. Ein breiteres und nachhaltigeres Wirtschaftswachstum verlangt die vermehrte Förderung von Bereichen jenseits des Energiesektors – etwa des Maschinenbaus, der Flugzeugindustrie und der Informationstechnologie.
Vorrangig muss die Energieeffizienz gesteigert werden, die auch in der alten Sowjetunion sehr gering war. Weil Russland Energieressourcen in so reichem Ausmaß birgt, hat man bisher wenig Anlass gesehen, sparsam mit ihnen umzugehen. Pro 1000 Dollar wirtschaftlicher Wertschöpfung verbraucht Russland rund zehn mal so viel Energie wie Japan, Norwegen, Großbritannien, Deutschland, Frankreich oder Schweden (NZZ, 14.7.2006). Die jährlichen Kohlendioxydemissionen pro Kopf sind in Russland, nach Angaben des Weltentwicklungsberichts der Weltbank von 2005, etwas höher als in Deutschland und Großbritannien, etwa vier mal so hoch wie in China, fünf mal so hoch wie in Brasilien, zehn mal so hoch wie in Indien sowie drei mal so hoch wie im Weltdurchschnitt.
Die bisherigen Förderungsmethoden waren nicht selten mit höchst schädlichen Umweltfolgen verbunden. Die auch in Russland spürbare Klimaerwärmung droht, die nordrussischen und sibirischen Permafrostböden aufzutauen, wobei in einem Massenumfang bisher gebundene Methangase freigesetzt würden, die ihrerseits weitere Temperaturerhöhungen zur Folge hätten. Siedlungen, Industrieanlagen, Straßen, Schienen und Pipelines würden durch das Tauen und Fließen des Bodens gefährdet.
So ist eine weitere Steigerung der Öl- und Gasförderung zwar für die Einnahmen der Energiekonzerne und des russischen Staates günstig, hat aber weit reichende ökologische Folgen. Und höhere Energiepreise auf den Weltmärkten werden zwar in den reichen Ländern verkraftet, sie können hier auch zu wünschenswerten Änderungen der Produktionsverfahren, des Lebensstils und des Mobilitätsverhaltens beitragen – aber sie erschweren auch den Anschluss von zwei Milliarden Menschen in den ärmeren Ländern an moderne Energieversorgungssysteme und stabilisieren somit die globalen Ungleichheiten.
Literatur
Höhmann, H.-H. u.a. (2005): Nur ein Ölboom? Bestimmungsfaktoren und Perspektiven der russischen Wirtschaftsentwicklung, Münster.
Rossjia v cifrach 2005 (2005): Moskau.
Steiner, H./ Jadow, W.A. (2001): Russland – wohin? Russland aus der Sicht russischer Soziologen, 2. Aufl., Berlin.
[1] Russland nimmt weltweit den 1. Rang bei der Förderung, dem Export und auch den Reserven von Erdgas ein. Es deckt ein Viertel des europäischen und 40 Prozent des deutschen Bedarfs. Den 2. Rang hat es bei der Förderung von Öl und Braunkohle inne. Der deutsche Ölbedarf wird derzeit zu 34 Prozent von russischen Lieferungen gedeckt, Russland verfügt über etwa 6 Prozent der weltweiten Ölreserven. Das Land hält den 3. Rang bei der Produktion von Gusseisen sowie den 4. Rang bei Elektroenergie, Stahl, Mineraldünger, Holzprodukten, Baumwollstoffen. Rang 5 hat es bei Eisenerz und Rang 6 bei Steinkohle. In Russland lagern etwa 18 Prozent der weltweiten Steinkohlevorräte. Beim Bruttoinlandsprodukt nimmt es hinter Indien und Mexiko den 14. Rang ein. Beim Human Development Index (HDI) liegt Russland auf Rang 62 – vor Brasilien (Rang 63), China (Rang 85), Indien (Rang 127). Den 63. Rang nimmt es beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ein.
[2] Russland ist nicht das einzige Land mit wachsenden gesellschaftlichen Ungleichheiten. Unter der Überschrift „Soziale Gegensätze so groß wie nie“ heißt es in der Süddeutschen Zeitung vom 17. Juli 2006: „Die Einkommensunterschiede im vereinten Deutschland waren noch nie so groß wie heute. Das geht aus bisher unveröffentlichten Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. ... Dem DIW zufolge ist die Kluft zwischen armen und reichen Bundesbürgern von 1994 bis 2004 gewachsen. Lohnzuwächse für Niedrigverdiener lagen kaum über der Inflationsrate. Profitiert haben vor allem Spitzenverdiener. ... Zwischen 2001 und 2005 ist der Gini-Koeffizient von 0,27 auf 0,29 gestiegen. Damit hat die Ungleichheit das höchste Niveau seit Beginn der Datenerhebung 1984 erreicht. Die Experten erwarten, dass Arm und Reich noch weiter auseinanderdriften werden. Auch anziehendes Wirtschaftswachstum werde daran nichts ändern ... Die Misere am unteren Ende der Einkommensskala wird auch durch die Armutsrate verdeutlicht. Sie zeigt, wie viele Haushalte weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens verdienen und damit unterhalb der Armutsschwelle leben. 2005 betrug die Armutsrate in Deutschland 17,3 Prozent – ein Negativrekord. Besonders stark haben sich die Einkommensverhältnisse in den neuen Bundesländern verschoben, wo die Unterschiede zwischen Arm und Reich nach der Wiedervereinigung gering waren. 1992 betrug der Gini-Koefizient nur 0,2. Inzwischen ist er auf 0,25 geklettert. Mehr als jeder fünfte Ostdeutsche lebte unterhalb der Armutsschwelle ... Die soziale Ungleichheit nimmt in Deutschland eine Entwicklung, die aus anderen Industriestaaten bekannt ist. Vor allem in den USA haben sich die Einkommensunterschiede seit Ende der neunziger Jahre dramatisch vergrößert.“
Tabellen siehe Datei zum Download!