Der „Deutsche Freidenkerverband Hessen“ lud – anlässlich des 85. Geburtstages von Lorenz Knorr – zu einer Konferenz „Aufklärung – Frieden – Antifaschismus“ am 2. September 2006 in das Frankfurter Gewerkschaftshaus ein.
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Nicht ganz zufällig entsprach das gewählte Thema dem Titel eines von Lorenz Gösta Beutin herausgegebenen Buches mit ausgewählten Schriften und Reden des Jubilars1, das bei der Tagung vorgestellt wurde. Der Band führt entlang der drei leitenden Stichworte mit publizistischen Selbstzeugnissen auch in das politische Leben von Lorenz Knorr ein – im Spiegel der Zeitgeschichte werden so die politischen Wegstationen Lorenz Knorrs deutlich. Politisch in der Sozialistischen Jugend Böhmens und Mährens verwurzelt, verstand sich der am 18. Juli 1921 in Eger/Cheb geborenen Knorr schon als junger Mensch – in klarer Abgrenzung zu den an Hitler orientierten „Sudetendeutschen“ – als ‚deutscher Antifaschist in der CSR’. Im ersten Teil des Buches (von insgesamt fünf Abschnitten) wird dies eindrucksvoll berichtet („Gemeinsam wollten wir die CSR verteidigen“). Da diese Wegstrecke der politischen Biografie Knorrs – man kennt ihn als wissenschaftlich tätigen „Frontmann der Friedensbewegung“ und DFU-Direktoriumsmitglied – bisher nicht sehr bekannt ist, empfahl L. Gösta Beutin parallel dazu auch die Lektüre einer weiteren jüngst erschienenen Broschüre „Antifaschistischer Widerstand in West-Böhmen“.2 Knorrs Rolle im antifaschistischen Kampf fand bei der Tagung ihre besondere Würdigung durch zwei Widerstandskämpfer aus Prag (Ing. Sobotka und Ing. Liska).
Die „Impulsreferate“ näherten sich zeitkritisch den Hauptthemen der Konferenz. Ulrich Schneider (VVN) betonte, dass der Antifaschismus und die antifaschistische Strategie immer auch die Frage einer weitgehenden Bündnisarbeit sei. Dringend sei es, an einem Faschismus-Begriff zu arbeiten, der sich auf der Höhe der Zeit befände. Prof. Wolfgang Richter („Europäisches Friedensforum“, Berlin) sprach in seiner Analyse des heutigen Weltzustandes von einem „sukzessiv erklärten Weltkrieg“; Aufgabe der Friedensbewegung sei es, „die Kriegspartei in Dauerschach zu halten“.
Noch mehr als von Wolf-Dieter Gudopp vorgetragen werden konnte, wollte die Moderatorin der Konferenz – Prof. Ursula Schumm-Garling – über das Thema „Aufklärung“ vom Referenten hören. Abgeklärt-heiter wies Gudopp darauf hin, dass der „Vernunftgebrauch“ nicht selbstverständlich sei. Frei nach Freud wünscht er sich, dass „wo Natur war, Recht werden soll“. Die „Vernunft“ soll sich einen Weg bahnen, auch wenn er feststellt, dass „es die Vernunft und die Vernünftigen schwer haben“. Die natürliche Trägheit sei zu überwinden: „Habe Mut, den eigenen Verstand zu nutzen!“ Selbständiges Denken sei sich stets selbst zuzumuten; Vernunft gebietet „auf Einsicht aus zu sein“ An Kant erinnernd, sei „wirkliches Eingreifen in die Dinge Ziel der Aufklärung“. Dem fühlten sich auch die zahlreichen (und hier nicht alle zu nennenden) Diskutanten verpflichtet.
Für die PDS im Bundestag berichtete Wolfgang Gehrcke über seinen jüngsten Besuch im kriegszerstörten Libanon und bekräftigte das PDS-Nein zur Stationierung von Bundeswehrsoldaten in dieser Region. Wolfgang Uellenberg-van-Dawen vom „Archiv der Arbeiterjugendbewegung“ verwies auf die verdienstvolle politisch-pädagogische Arbeit von Lorenz Knorr für die „SJD- Die Falken“ der Bundesrepublik Deutschland nach 1945. Knorr habe als Falken-Bundessekretär in der Zeit der Restauration grundlegende Aufbauarbeit geleistet. Das „Archiv der Arbeiterjugendbewegung“ würdigte dies durch Herausgabe einer Knorrschen Erinnerungsschrift über die Auseinandersetzungen um den SPD-Kurs in den fünfziger Jahren3, ein Thema, das auch in „Aufklärung, Frieden, Antifaschismus“ behandelt wird, wenn L. Knorr z.B. über eine Zusammenkunft mit Herbert Wehner berichtet („90 harte Minuten. Gespräch mit Herbert Wehner“). Heiner Halberstadt forderte dazu auf, die häufig in tristen Verhältnissen lebenden jungen Menschen, die den Neonazis auf den Leim gehen, durch eine attraktive Jugendarbeit direkt anzusprechen. Die Linke könne es sich nicht leisten, diese jungen Leute rechts liegen zu lassen; es müsse auch durch linke (Jugend-)Verbandsarbeit gerade jungen Leuten Angebote für eine wirkliche „soziale Beheimatung“ geschaffen werden, die Emotionen wie Geist anspräche.
Nach Lorenz Knorrs Bekunden gaben ihm neben „historischem Optimismus“ auch die Verwurzelung in einer solidarischen Gemeinschaft „Kraft und Motivation“ für den Widerstand und seine Arbeit als friedensbewegter Forscher. Emotionale Bindung an die Ideenwelt des Sozialismus habe ihm über den realen Heimatverlust hinweggeholfen und Kraft gegeben, in widrigen Zeiten auf sich selbstgestellt Entscheidungen zu treffen und sich genau zu überlegen, was wann und wo zu tun sei. Gerade mit Blick auf seine Widerstandszeit in Böhmen habe er gelernt, unnötige Risiken zu vermeiden und alles Handeln mit Blick auf die Folgen und Weiterungen zu bedenken. Eigenkreativität, Eigeninitiative und Eigensinn bewegten ihn noch heute und verbänden sich mit der Losung von 1938 „Vorwärts – trotz alledem!“, der lebensprägenden Erfahrung aus der Auseinandersetzung um den „Anschluss“ Böhmens und Mährens an Hitlerdeutschland.
1 Lorenz Knorr, Aufklärung, Frieden, Antifaschismus – Ausgewählte Reden und Schriften. Herausgegeben von Lorenz Gösta Beutin, PapyRossa-Verlag, Köln 2006, 379 Seiten, 19,90 Euro.
2 Lorenz Knorr, Antifaschistischer Widerstand in West-Böhmen, Eigenverlag, Frankfurt/M. 2006, 34 Seiten, 2,- Euro (Bezug: Lorenz Knorr, 60316 Frankfurt a.M., Günthersburgallee 10).
3 Lorenz Knorr, Geistige Erneuerung der SPD. Ein Versuch in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Ein Zeitzeugenbericht, hrsg. v. Archiv d. Arbeiterjugendbewegung. Verlag Ingo Koch, Rostock 2005, 296 Seiten, 20,- Euro.