Intellektuelle im Neoliberalismus

Perspektiven linker Hochschulpolitik

Juni 2007

Linke Hochschulpolitik in der Defensive

Der Kampf um offene Hochschulen und kritische Wissenschaften ist in den letzten Jahren nicht leichter geworden. Ganz im Gegenteil. Die zurückliegenden Entwicklungen scheinen vielmehr eine Abfolge von Niederlagen und Rückschlägen für die hochschulpolitische Linke zu sein: der Kampf gegen die Einführung von Studiengebühren ist weitgehend verloren, das BAföG nur noch Makulatur, demokratische Mitbestimmung kaum noch vorhanden und kritische, geschweige denn marxistische Wissenschaft so gut wie vollständig aus den Vorlesungsverzeichnissen heraus gedrängt. Die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master im Zuge des Bologna-Prozesses baut weitere Hürden im Studienverlauf auf und schränkt politische Freiräume durch hohe Präsenzzeiten und strikte Studienordnungen weiter ein. Während das gesellschaftliche Bild von Studium und Studierenden weiterhin mit Hochschulstreiks, Demonstrationen und ’68 verbunden wird, ist die Studierendenschaft als logische Folge dieser Umgestaltung in ihrer großen Mehrheit angepasst und vorrangig an der eigenen Berufsausbildung und Karriere interessiert. Es ist keine Seltenheit, dass ein Professor ErstemesterInnen in einem überfüllten Hörsaal ohne jeglichen Widerspruch mit den Worten begrüßt, dass sie sich gegen ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen durchsetzen müssten, um zu einem erfolgreichen Abschluss zu kommen, weil nur „die Besten der Besten“ weiter kommen könnten. All das zeigt, dass die „Hochschule in der Ökonomie“, vor der der Bund demokratischer WisssenschaftlerInnen (BdWi) in den 80er Jahren warnte, heute weitgehend zur Realität geworden ist. Linke Politik an den Hochschulen steht vor diesem Hintergrund vor großen Herausforderungen.

Zunehmende Konkurrenz versus
kollektive Interessenvertretung

Das bestimmende Steuerungsinstrument an den Hochschulen ist der Wettbewerb: Sowohl auf dem globalen Bildungsmarkt als auch innerhalb Deutschlands sollen die Hochschulen gegeneinander in Konkurrenz um die „besten Köpfe“ treten. Gleiches wiederholt sich innerhalb der Hochschulen, wo Fachbereiche und Lehrstühle im Kampf um Projektmittel gegeneinander in Stellung gebracht werden. Diese ständige Konkurrenz macht auch vor den Studierenden nicht Halt. Schon bei der Zulassung zum Studium wird ihnen über individualisierte Auswahlverfahren nahe gebracht, dass sie besser sein müssen als ihre Mitbewerberinnen und Mitbewerber, um einen Studienplatz zu erhalten. Auch während des Studiums wird immer wieder aussortiert und diese Auslese als Steuerungsmittel für vermeintliche Qualität eingesetzt. Unter anderem wird dies an den eingeführten Beschränkungen zum Masterstudium oder an Überlegungen zur Einführung so genannter Ranking-Noten deutlich. Mit Ranking-Noten wird nicht mehr die „Leistung“ des einzelnen Studenten oder der einzelnen Studentin abgebildet, sondern das Verhältnis dieser Leistung zu dem Gesamtergebnis des Kurses. In dieser Darstellungsweise ist angelegt, dass Studierenden aus Hilfe und Unterstützung für andere faktisch ein Nachteil entsteht. Die besten Resultate erzielen stattdessen diejenigen, die am besten nach unten treten und sich nach oben durchboxen können. Kein Wunder also, dass immer mehr Studierenden jegliches Verständnis von den Möglichkeiten einer gemeinsamen Interessenvertretung fehlt. Wenn einem Tag für Tag eingetrichtert wird, dass man nur Erfolg hat, wenn man sich gegen andere durchsetzt, dann mutet es natürlich als eine recht eigentümliche Vorstellung an, kollektiv für gemeinsame Interessen zu streiten.

Studentische Proteste und die hochschulpolitische Linke

Nichts desto trotz hat es in den letzten Jahren mehrere größere studentische Proteste gegen Verschlechterungen an den Hochschulen gegeben. Sie entzündeten sich meist an Kürzungsplänen von Hochschulmitteln oder an der Einführung von Studiengebühren. Immer wieder ist es der hochschulpolitischen Linken dabei gelungen, den Charakter der Proteste zu prägen und Studierende auf diese Weise links zu politisieren. So erreichte sie unter anderem, dass mit den Protesten nicht für die Absicherung der eigenen Privilegien, sondern – ganz im Gegenteil – für offene Hochschulen gestritten wurde. Wer die Diskussionen im europäischen Studierendenverband ESIB verfolgt, der weiß, dass dies keineswegs selbstverständlich ist. Vor allem in den osteuropäischen Staaten fordern Studierendenvertretungen häufig schärfere Auswahlverfahren und eine Begrenzung des Hochschulzugangs. Begründet werden diese Forderungen damit, sich selbst möglichst gute Studienbedingungen sichern zu wollen.

Prägend war die hochschulpolitische Linke auch beim Thema Studiengebühren: Sie beschränkte sich in ihren Forderungen für eine gebührenfreie und bessere Bildung nicht auf das Bildungsideal der freien Selbstverwirklichung, sondern stellte daneben auch die gesellschaftspolitische Verantwortung der Hochschulen und der Studierenden in den Fokus der Proteste. Der Kampf gegen die Einführung von Studiengebühren wurde auf diese Weise mit dem Kampf gegen ein neoliberales Bildungsverständnis verknüpft. Zugleich konnte sie erreichen, dass das unsägliche Argument „Studiengebühren sind schlecht für den Standort Deutschland, weil das Land mit weniger Hochschulabsolventen im globalen Wettbewerb zurückfällt“, unter Studierenden erfreulicherweise kaum eine Rolle spielte. Mit den Protesten forderten die beteiligten Studierenden, dass ein Studium Absolventinnen und Absolventen in die Lage versetzen solle, eigenständig und verantwortungsvoll im Interesse der großen Mehrheit der Gesellschaft zu agieren und erworbene wissenschaftliche Qualifikation in diesem Sinne auch als Instrument für gesellschaftliche Veränderung einsetzen zu können. Das neoliberale Konstrukt der „employability“ – also der Beschäftigungsfähigkeit – als Ziel eines Studiums fokussiert dagegen auf die möglichst störungsfreie Eingliederung der Absolventinnen und Absolventen in den Arbeitsmarkt. Die „employability“ hat somit nicht die Interessen der großen Mehrheit der Gesellschaft im Blick, sondern orientiert auf die Verwertbarkeit der Qualifikation der Absolventinnen und Absolventen nach kapitalistischer Logik. Absolventinnen und Absolventen sollen die herrschenden Verhältnisse nicht hinterfragen, sondern sich möglichst rasch an sie anpassen.

Bündnispolitik

Diese inhaltliche Prägung des studentischen Widerstandes durch die hochschulpolitische Linke war die Voraussetzung, dass er immer wieder mit anderen gesellschaftlichen Protesten verbunden werden konnte. Es war leicht vermittelbar, dass Hochschulen, zu denen nur eine kleine Minderheit Zugang hat und an denen eine Wissenschaft praktiziert wird, die sich an der kapitalistischen Verwertbarkeit orientiert, den Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung entgegen steht. Aufbauend auf dieser Argumentation sind mit Gewerkschaften, aber auch weiteren sozialen Bewegungen immer wieder Bündnisse und Kooperationen zu hochschulpolitischen Themen entstanden. Seit 1998 bringt beispielsweise das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen im Kampf gegen Studiengebühren an einen Tisch. Das Aktionsbündnis wird maßgeblich vom bundesweiten Studierendendachverband – dem freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) – getragen, der sich als studentische Interessenvertretung auf Bundesebene ebenso immer wieder in gesellschaftliche Bündnisse eingebracht hat.

Die neue Linke an den Hochschulen

Trotz dieser Bemühungen blieben die hochschulpolitischen Kämpfe wie oben dargestellt vielfach erfolglos. Genau wie in zahlreichen anderen Bereichen ist es der Linken auch an den Hochschulen nicht gelungen, den immer tiefer gehenden marktförmigen Umbau abzuwehren, geschweige denn relevante Verbesserungen zu erstreiten. Die neoliberalen Verheißungen nach größerer Freiheit waren auch in der Hochschulpolitik lange Zeit nur schwer zu entlarven. Sofern Widersprüche auftraten, wurde die propagierte Alternativlosigkeit der herrschenden Politik in den meisten Fällen kaum hinterfragt.

Die Formierung einer neuen linken Partei wurde in dieser Situation auch an den Hochschulen und allen voran in der hochschulpolitischen Linken interessiert beobachtet. Einige Studierende brachten sich von Anfang an selbst in das Projekt ein. Es wurde jedoch weder personell noch inhaltlich maßgeblich von ihnen geprägt. Erst im Januar dieses Jahres kam die neue Linke dann in größerem Rahmen an den Hochschulen an: In Frankfurt am Main organisierten Linkspartei.PDS, WASG, das bisherige Hochschulgruppennetzwerk der PDS mit Unterstützung der Linksfraktion im Bundestag einen linken Hochschulkongress, an dem mehr als fünfhundert Studierende, linke Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und weitere Interessierte teilnahmen.[1] Der Kongress war ein voller Erfolg. Lange hatte man keine vergleichbare Aufbruchstimmung der Linken an den Hochschulen gespürt. Im Rahmen des Kongresses wurde die Gründung eines neuen linken Hochschulverbandes angekündigt. Für die hochschulpolitische Linke ist dieses Vorhaben gleichermaßen Chance, wie auch Herausforderung.

Möglichkeiten eines starken, linken Hochschulverbandes

Vor dem Hintergrund der dargestellten Situation an den Hochschulen kann ein linker Hochschulverband wesentlich dazu beitragen, weiterhin eine kontinuierliche linke Arbeit an den Hochschulen sicherzustellen. Er kann Erfahrungen und Wissen über hochschulpolitische Entwicklungen und die Möglichkeiten studentischer Intervention weiter geben und linke Studierende und Hochschulgruppen darin unterstützen, erfolgreich für studentische Gremien zu kandidieren und darin und darüber hinaus linke Politik zu machen. Er kann und sollte sich in Bündnisse wie das ABS und vor allem auch den fzs einbringen und hier für linke Forderungen streiten. Sein Ziel muss es sein, für eine Vertiefung und Erweiterung der begonnenen Bündnispolitik einzutreten, indem er darauf hinarbeitet, dass Studierende auch im Rahmen der sozialen Kämpfe von Lohn- und Sozialabhängigen präsent sind, die sie – zumindest auf den ersten Blick – nicht unmittelbar betreffen: Etwa, wenn gegen den Abbau erkämpfter sozialer und politischer Rechte protestiert, die Verschlechterung von arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen abgewehrt oder gegen Krieg und Militarisierung auf die Straße gegangen wird. Nicht zuletzt kann er auch wesentliche Beiträge zur marxistischen Bildungs- und Theoriearbeit leisten, indem er für entsprechende Angebote und ihre Verankerung an den Hochschulen kämpft bzw. diese selbst aufbaut und anbietet. Wenn der Hochschulverband diese Herausforderungen annimmt, kann er entscheidend darauf hinwirken, dass die Hochschulen wieder politisiert und somit als entscheidendes Feld gesellschaftspolitischer Auseinandersetzung für die Linke – trotz aller Widrigkeiten – nicht verloren gehen. Je stärker der neue Hochschulverband wird, desto besser kann er diese Chancen und Möglichkeiten nutzen. Die hochschulpolitische Linke sollte den Aufbau des Verbandes deshalb nach Kräften unterstützen.

Interessenvertretung als Ausgangspunkt
für eine linke Hochschulpolitik

Ein linker Hochschulverband wird dann stark sein, wenn er sich zum Ziel setzt, um Mehrheiten in der Studierendenschaft und um ihre Unterstützung zu kämpfen. Sicherlich ist dies keine leichte Aufgabe. Viele Studierende sind kaum noch bereit, ihr Studium und die Entwicklung ihrer Hochschule kritisch zu hinterfragen. Wer heute studiert, hat in den meisten Fällen gelernt, sich anzupassen. Das Studium stellt für viele eine Investition für eine erfolgreiche berufliche Karriere dar. Mit linken Forderungen nach politischen Freiräumen und kritischer Wissenschaft kann die Mehrheit der heutigen StudienanfängerInnen kaum noch etwas anfangen. Nicht zuletzt trägt die Umgestaltung der Studiengänge auf die Bachelor- und Master-Abschlüsse weiter zur Entpolitisierung der Studierendenschaft bei: Mit ihnen geht einher, dass kaum noch Raum für eigenständiges Denken bleibt; zudem verkürzt sich für einen Großteil der Studierenden die Studienzeit drastisch. Wer heute ein Bachelorstudium aufnimmt, hat bei Studienbeginn meist schon den Studienabschluss im Blick. Vor einigen Jahren war dies kaum vorstellbar. Die Studienplanung in den ersten Semestern erstreckte sich damals meist nur bis zur Zwischenprüfung. Die Hochschule war auf diese Weise über mehrere Jahre hinweg Lebensmittelpunkt und somit auch politisches Handlungsfeld. Wer insgesamt nur drei Jahre studiert, begreift die Hochschule dagegen oft nur noch als Übergang in den Beruf und ist viel weniger bereit, sich einzumischen.

Politisierung und Mobilisierung von Studierenden

Die besten Möglichkeiten zur Intervention von links bieten sich in dieser Situation nach wie vor im Rahmen der immer wieder aufflackernden Proteste an den Hochschulen. Der neue linke Hochschulverband kann Studierende aber nur dann nachhaltig links politisieren, wenn er nicht nur in Zeiten der Proteste aktiv ist, sondern eine kontinuierliche Arbeit und linke Interessenvertretung an den Hochschulen sicherstellt. Entscheidend ist hierzu vor allem die kritische Mitarbeit in studentischen Gremien und den Gremien der Hochschule. In den letzten Jahren musste die hochschulpolitische Linke dabei einige Rückschläge hinnehmen. So waren bei den Wahlen zu den studentischen Gremien vielfach Stimmverluste für linke Listen zugunsten von vermeintlich unpolitischen und serviceorientierten Fachschafts- bzw. konservativen Listen zu beobachten. Selbst linke ASten mit langjähriger Tradition – etwa der AStA der TU Berlin – sind nicht davor sicher, vom RCDS oder Fachschaftslisten übernommen zu werden.

Diese Stimmverluste schränken nicht nur die Handlungsmöglichkeiten innerhalb der eigenen Hochschule ein, sondern bedeuten auch den Verlust von Interventionsmöglichkeiten auf weiteren Ebenen. So droht etwa das Zusammenbrechen der oben dargestellte Bündnispolitik zwischen Studierendenschaften auf der einen und Gewerkschaften und sozialen Bewegungen auf der anderen Seite. Auch der bundesweite Studierendendachverband fzs könnte im Rahmen dieser Entwicklung seine bisherige mittige bis linke Ausrichtung verlieren. Anstatt sich der Logik der herrschenden Bildungspolitik entgegen zu stellen, würden Studierende diese dann weitgehend legitimieren und bestärken. Die Möglichkeiten gesellschaftlichen Drucks für eine andere Bildung wären dann nicht mehr vorhanden. Umso entscheidender ist es, dass der linke Hochschulverband dafür streitet, eine relevante Rolle in den Gremien der Hochschule zu spielen. Nur dann wird er eine maßgebliche Rolle im Kampf für andere Hochschulen in einer anderen Gesellschaft spielen können.

Hochschulpolitik versus Gesellschaftspolitik?

Eine mit dieser Strategie einhergehende inhaltliche Orientierung auf Hochschulpolitik und die Interessen der Studierenden ist für einen starken linken Hochschulverband unerlässlich. Ebenfalls richtig ist allerdings die Forderung, dass ein linker Hochschulverband eine gesellschaftspolitische Orientierung haben muss und sich nicht nur auf Hochschulpolitik beschränken darf. Der neue linke Hochschulverband steht vor der Herausforderung, diesen vermeintlichen Widerspruch zwischen Hochschul- und Gesellschaftspolitik aufzulösen.

Dazu ist es erstens erforderlich, seine hochschulpolitische Arbeit nicht zu vermeintlichem ExpertInnentum über ECTS, Diploma-Supplement und Akkreditierung verkommen zu lassen. Anstatt „konstruktiv“ mitzugestalten und die herrschende Hochschulpolitik damit zusätzlich zu legitimieren, muss sich ein linker Verband hochschulpolitisch einmischen, um die dahinter liegenden unsozialen Vorstellungen von Studium und Hochschule aufzeigen und unter Studierenden Widerstand dagegen mobilisieren zu können. Nur auf diese Weise kann die Interessenvertretung an den Hochschulen Ausgangspunkt für die Politisierung und Mobilisierung der Studierenden werden. Wenn es dem neuen linken Hochschulverband damit Schritt für Schritt gelingt, Studierende für den Kampf um bessere Hochschulen zu gewinnen, kann er sie auch für den Kampf um eine andere Gesellschaft erreichen.

Zweitens muss es sich der neue Hochschulverband zur Aufgabe machen, die gesamtgesellschaftlichen Implikationen der aktuellen hochschulpolitischen Entwicklungen aufzuzeigen. Was sind die gesellschaftspolitischen Auswirkungen eines selektiven Hochschulzugangs? Was ist das Ziel eines Studiums? Welche Rolle spielt Wissenschaft in der Gesellschaft? Wer entscheidet über Forschungsaufträge und wer profitiert von den Ergebnissen? Spätestens bei solchen Fragen wird deutlich, dass eine Trennung zwischen Hochschul- und Gesellschaftspolitik faktisch nicht existiert, sondern nur konstruiert wird. Hochschulpolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik – und gerade deshalb ist ein linker Hochschulverband so wichtig. Er muss – auch im Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Kräften – für Hochschulen streiten, die für eine soziale, friedliche und gerechte Entwicklung der Gesellschaft wirken. Mit solchen offenen und kritischen Hochschulen kann der Kampf der Linken für eine andere Gesellschaftsordnung bereichert und unterstützt werden. Die heutigen Hochschulen mit ihrem eingeschränkten Zugang und ihrer neoliberal geprägten Wissenschaft zementieren dagegen die herrschenden Verhältnisse.

Linker Hochschulverband und linke Partei

In welche Richtung sich der neue linke Hochschulverband entwickelt, hängt nicht nur von seiner eigenen inhaltlichen Orientierung, sondern auch mit davon ab, wie sich die neue linke Partei zukünftig positioniert und wie sich das Verhältnis zwischen den beiden gestaltet. Dabei muss man sich der Schwierigkeit bewusst sein, dass viele Menschen Parteien desinteressiert bis ablehnend gegenüber stehen. Während sich diese Vorbehalte für die Gesamtpartei vor allem damit erklären lassen, dass die meisten Menschen von Parteien kaum noch etwas erwarten, weil sie zu oft erlebt haben, dass ihnen vor den Wahlen zwar Versprechungen gemacht wurden, aber diese aufgrund vermeintlicher Sachzwänge dann schnell gebrochen wurden, sieht es an den Hochschulen anders aus: Hier existieren die Vorbehalte vor allem aus Angst, durch eine enge Anbindung an eine Partei Karrierismus innerhalb des eigenen Verbandes zu befördern. Spielräume für eine eigenständige Politik wären dann kaum noch vorhanden.

Diese Befürchtungen sind nicht von der Hand zu weisen und entsprechen auch vielfach den Erwartungen, die aus der Partei an den Hochschulverband in Gründung gerichtet werden. Von vielen Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern der Partei wird der neue Hochschulverband als gutes Instrument gesehen, um die Vorstellungen der Linkspartei an den Hochschulen zu propagieren und dort um Unterstützung zu werben. Darüber hinaus soll er durch die Bedienung studentischer Klischees und durch die personelle Einmischung einzelner „Vorzeige-Studierenden“ für ein etwas „hipperes“ und nicht zuletzt jüngeres Erscheinungsbild der Partei sorgen. Wenn der neue Hochschulverband eine relevante Rolle in der Linkspartei spielen will, muss er solche Erwartungen deutlich zurückweisen und stattdessen eine gleichberechtigte Zusammenarbeit einfordern.

Dies bedeutet, dass der neue Hochschulverband nicht nur in den programmatischen Debatten in der Partei Stellung bezieht und auf diese Weise sicherstellt, dass die linke Partei beispielsweise bei ihrer klaren Ablehnung von Studiengebühren jeglicher Form bleibt oder neoliberalen Vorstellungen einer nachfrageorientierten Hochschulfinanzierung eine Absage erteilt. Noch wichtiger ist es, dass er die konkrete politische Arbeit der Partei mitprägt. Um Gesellschaft zu verändern, muss gesellschaftlicher Widerstand in den unterschiedlichsten Bereichen mobilisiert werden. Dazu gehören auch die Hochschulen. Um dieser Herausforderung erfolgreich zu begegnen, ist die oben dargestellte Verankerung des Hochschulverbandes in der Studierendenschaft unerlässlich. Schnelle Neugründungen von linken Hochschulgruppen, die logischerweise kaum Verankerung an der Hochschule haben, wirken diesem Ziel entgegen. Erforderlich ist es stattdessen, die bestehenden Gruppen und Zusammenhänge mitzunehmen, sich dort einzubringen und auf diese Weise mehr Wirkungsmöglichkeiten zu haben. Nur dann ist der linke Hochschulverband mehr als ein Parteianhängsel, sondern verfolgt ernsthaft den Anspruch, die Hochschulen für die Linke wieder zurück zu gewinnen.

Auch seine theoretische Arbeit sollte die Entwicklung der Partei beeinflussen: Wenn ihm an den Hochschulen und darüber hinaus eine kontinuierliche marxistische Bildungs- und Theoriearbeit gelingt, kann er damit wesentlich zu einem starken und klaren Fundament der neuen Partei beitragen.

Produktiv kann die Zusammenarbeit zwischen Partei und Hochschulverband ferner dann sein, wenn es gelingt mit gemeinsamen Schwerpunkten und Forderungen in die gesellschaftlichen Diskussionen zu wirken. Ein Ansatzpunkt ist hier die zunehmende Prekarisierung von Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind genau wie Erwerbslose und eben auch Studierende damit konfrontiert, dass persönliche Lebensentwürfe zunehmend weniger planbar werden und die Angst vor Ausgrenzung und Unsicherheit ständiger Begleiter ist. Wenn die vorrangig studentisch geprägte Kritik an dem zunehmenden Missbrauch von Praktika vor diesem Hintergrund mit dem Kampf der Linkspartei für sichere, qualitativ gute und vor allem auch gut bezahlte Arbeit verbunden wird, dann können Hochschulverband und Partei erfolgreich gemeinsam agieren und verschiedene gesellschaftliche Gruppen zu Widerstand gegen die herrschende Politik mobilisieren.

Antikapitalistischer Kurs

Solche Vorhaben gelingen natürlich nur dann, wenn die Parteistrategie der neuen Linken nicht den opportunistischen Kurs vieler FunktionsträgerInnen der früheren PDS fortsetzt. Dies würde bedeuten, weniger auf Widerstand und gesellschaftliche Mobilisierung zu setzen, als vielmehr auf das Streben nach vermeintlicher Macht in weiteren Regierungsbeteiligung in den ostdeutschen Ländern oder sogar im Bund. Wie zurzeit in Berlin beobachtbar würden dafür immer wieder die eigenen Grundsätze aufs Spiel gesetzt und Glaubwürdigkeit verloren gehen. Für einen Hochschulverband, der sich zum Ziel setzt, an den Hochschulen zu Widerstand gegen die herrschende Politik zu mobilisieren, gäbe es dann kaum Anknüpfungspunkte.

Der bisherige Parteibildungsprozess rechtfertigt allerdings einen optimistischeren Ausblick: Unter anderem durch die Politik der Bundestagsfraktion, die einen klaren Oppositionskurs verfolgt, gelingt es immer besser, die Partei in Richtung eines konsequenten antikapitalistischen Kurses zu lenken, auf gesellschaftliche Mobilisierung zu orientieren und in diesem Rahmen die Perspektive einer grundlegend anderen Gesellschaftsordnung als ernstzunehmende Alternative in die öffentliche Diskussion zu bringen. Im Zuge dieser Strategie besteht kein Interesse an einem angepassten Hochschulverband, der keinen eigenen inhaltlichen Beitrag und keine neuen Wirkungsmöglichkeiten in die Partei einbringt. Stattdessen wird in einem eigenständigen und kritischen Hochschulverband eine große Bereicherung gesehen. Die Zusammenarbeit auf dieser Grundlage wird sicherlich nicht reibungslos verlaufen, aber dafür in jedem Fall produktiv sein.

[1] Vgl. den Bericht in Z 69, März 2007, S. 172 ff.