Demokratie, Staat, Linke

Über Staat und Demokratie, Kommunismus und Geschichte

Juni 2007

Domenico Losurdo ist Professor für Philosophie an der italienischen Universität Urbino und Präsident der Internationalen Gesellschaft Hegel-Marx für dialektisches Denken. Von seinen zahlreichen Werken zu Philosophie und Sozialgeschichte erschien eine Reihe auf Deutsch. Zu nennen sind hier vor allem: Hegel und das deutsche Erbe (1989), Hegel und die Freiheit der Modernen (2000)[1], Die Gemeinschaft, der Tod, das Abendland. Heidegger und die Kriegsideologie (1995), Der Marxismus Antonio Gramscis. Von der Utopie zum „kritischen Kommunismus“ (2000), Flucht aus der Geschichte? Die kommunistische Bewegung zwischen Selbstkritik und Selbsthass (2000), Die Linke, China und der Imperialismus (2000). Kampf um die Geschichte. Der historische Revisionismus und seine Mythen – Nolte, Furet und die anderen (2007). Zahlreiche Artikel von ihm wurden in Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, in den Marxistischen Blättern, in Unsere Zeit sowie in der Tageszeitung junge Welt veröffentlicht. Seit 1993 gibt Domenico Losurdo gemeinsam mit Hans Heinz Holz die Halbjahresschrift Topos. Internationale Beiträge zur dialektischen Philosophie heraus.[2]

Das Interview mit Domenico Losurdo (DL) für Z führten Sabine Kebir (SK) und Andreas Wehr (AW).

Was verdankt die Demokratie der Revolution?

SK: In Deutschland gab und gibt es Streit über das Buch von Luciano Canfora „Eine kurze Geschichte der Demokratie“. Von dem renommierten Beck-Verlag ist es aus ganz offensichtlich politischen Gründen nicht verlegt worden. Es erschien dann im PapyRossa Verlag, wo auch Ihr letztes deutsches Buch „Kampf um die Geschichte. Der historische Revisionismus und seine Mythen – Nolte, Furet und die anderen“ erschienen ist. Und in diesen Streit sind auch Sie als „Canforas Bruder im neostalinistischen Geist“ miteinbezogen worden. Was lässt sich zu der Aufnahme von Canforas Buch in Italien sagen?

DL: Die Debatte in Italien war nicht viel anders als die in Deutschland. Luciano Canfora gehört zu den wenigen Autoren, die bemüht sind, die herrschende Ideologie und ihre historische Bilanz infrage zu stellen. Bekanntlich war unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus die Parole ausgegeben worden, das Ende der Geschichte sei vorauszusehen. Aber jetzt sehen wir, dass die Kriege nicht etwa nur das Ergebnis des Widerspruchs zwischen Westen und Osten waren. Sie gehen auch nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus weiter. Womöglich ist die Gefahr von Kriegen heute sogar größer als je zuvor. Jeder denkende Mensch ist daher gezwungen, darüber nachzudenken, warum diese Gefahr gegenwärtig wächst. Wir sehen, dass die einzige Supermacht, die übrig geblieben ist, für sich das Recht in Anspruch nimmt, überall in der Welt jederzeit militärisch einzugreifen. Die USA verstehen sich eben als eine von Gott auserwählte Nation. Jeder denkende Mensch ist daher gezwungen, die Geschichte zu berücksichtigen, die mit der Oktoberrevolution begonnen hat, die Geschichte des Realsozialismus. Und zugleich ist er gezwungen, auch die Geschichte des Kapitalismus und des Liberalismus neu zu interpretieren. Nur in diesem Kontext können wir die Debatte führen. Es gibt aber natürlich viele Leute, die nicht daran interessiert sind, die herrschende Ideologie und ihre historische Bilanz zu revidieren.

SK: Der wesentliche Vorwurf, der Canfora gemacht wird, ist, dass er den Realsozialismus, darunter auch die Zeit des Stalinismus, zu positiv dargestellt hat. Wie haben wir zum historischen Erbe dieser Epoche zu stehen? Es ist wohl auch zu erwarten, dass Ihr neues Buch „Kampf um die Geschichte“ die diesbezügliche Polemik weiter schüren wird.

DL: Die These der herrschenden Ideologie, wonach das 20. Jahrhundert die Periode sei, in dem die Krise der Demokratie entstand, ist historisch unhaltbar. Wenn wir unter Demokratie zumindest das allgemeine Wahlrecht verstehen, dann müssen wir feststellen, dass dieses allgemeine Wahlrecht ja überhaupt erst im 20. Jahrhundert eingeführt worden ist. Vorher gab es die von mir so genannten drei großen Diskriminierungen, die die ganze Geschichte des Kapitalismus und auch des Liberalismus kennzeichnen. Da ist zunächst die Diskriminierung der Frauen, die für lange Zeit überhaupt keine politischen Rechte genossen. Das revolutionäre Russland – zwischen Februar und Oktober – war das erste Land, welches den Frauen sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht zubilligte. Es stimmt, diese Maßnahme wurde schon 1907 in Finnland getroffen, das damals aber kein unabhängiges Land war, sondern zum Zarenreich gehörte, und in diesem Fall lässt sich der Einfluss der Revolution von 1905 verspüren. Richtig ist auch, dass die Frauen 1893 in Neuseeland und 1902 in Australien das aktive Wahlrecht erhielten (sie durften wählen, aber nicht gewählt werden). Aber das revolutionäre Russland bleibt das erste Land, in dem die Frauen die politische Gleichberechtigung erreichten. In Deutschland haben sie erst nach der Novemberrevolution, also ein Jahr nach der Oktoberrevolution, diese politischen Rechte erhalten. Noch später kamen die Vereinigten Staaten dazu. Für Länder wie Italien und Frankreich gilt, dass dort das Wahlrecht für Frauen sogar erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt wurde, nach der Resistenza, nach dem Widerstandskampf gegen den Faschismus, also nach einem Kampf, in dem die Kommunisten natürlich eine wichtige Rolle gespielt hatten.

Auch die zweite große Diskriminierung (die Zensusdiskriminierung) war vor der russischen Revolution noch keineswegs verschwunden. Man denke nur an Länder wie England, Italien oder Deutschland, wo die Oberhäuser das Monopol der Aristokratie oder der Großbourgeoisie waren. Man war so weit entfernt vom gleichen Wahlrecht, dass noch im Jahre 1948 in England ca. 500.000 Männer zweimal wählen konnten.

Die dritte große Diskriminierung ist die rassistische, wozu auch die Diskriminierung ganzer Völker gehört. Auch sie war noch im 20. Jahrhundert präsent. Das gilt nicht nur für die Kolonien, die von den westlichen Kolonialmächten beherrscht wurden, das gilt auch für die Schwarzen in den USA. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten sie kein Wahlrecht und es gab noch die Segregation. Ich möchte hier auf einen Vorgang verweisen, der sehr bedeutungsvoll ist. 1952 wurde in den USA das oberste Verfassungsgericht angerufen, um darüber zu entscheiden, ob die Rassensegregation in den Schulen noch verfassungsgemäß sei. Es gab natürlich eine Debatte darüber und anschließend hat der amerikanische Justizminister dem Verfassungsgericht mitgeteilt, dass, wenn die Diskriminierung weiterhin als verfassungsgemäß angesehen werden würde, dies Wasser auf die Mühlen der Sowjetunion, der kommunistischen Länder und auch der revolutionären Bewegung in der Dritten Welt wäre. Wir sehen, dass selbst die Geschichte der Demokratie in den Vereinigten Staaten nicht von dem Einfluss zu trennen ist, den die Oktoberrevolution ausgeübt hat.

Wir können den Sieg der Demokratie im 20. Jahrhundert nicht verstehen, wenn wir von der Revolution absehen, die wahrhaft das Gesicht der ganzen Welt verändert hat. Alle diese drei großen Diskriminierungen sind erst durch den entscheidenden Beitrag der kommunistischen Bewegung abgeschafft worden. Natürlich verstehen wir heute unter Demokratie auch ein Minimum an Sozialstaat. Wir sprechen von materiellen, von wirtschaftlichen und sozialen Rechten und auch die Charta der Vereinten Nationen spricht davon. Und auch hier hat die kommunistische Bewegung eine wichtige Rolle gespielt. Um das zu verstehen, braucht man nur Friedrich August von Hayek[3] zitieren. Er sagt, dass die ökonomischen und sozialen Rechte abzuschaffen seien, weil sie nur eine ruinöse Erfindung der „russischen marxistischen Revolution“ sind. Auch Hayek erkennt damit an, dass die kommunistische Geschichte hier eine wichtige Rolle gespielt hat.

AW: Sie haben aber noch nicht auf die Stalinismus-Anschuldigung geantwortet.

DL: Die heute vorherrschende Ideologie scheint die Bilanz eines dramatischen Jahrhunderts in einer Fabel zusammenfassen zu wollen, die kurz folgendermaßen dargestellt werden kann: Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wird ein attraktives und tugendhaftes Mädchen (das Fräulein Demokratie) zuerst von einem Rohling (dem Herrn Kommunismus) angegriffen, und danach von einem anderen (dem Herrn Nazi-Faschismus); die Kontraste zwischen den beiden ausnutzend und über komplexe Geschehnisse hinweg gelingt es dem Mädchen schließlich, sich von der schrecklichen Bedrohung zu befreien. In bestimmten linken Kreisen erlebt die erbauliche Geschichte eine kleine Variante. Selbst wenn er sich als Herr Kommunismus ausgab, war der Rohling, der als erster das Fräulein Demokratie angriff in Wahrheit der Herr Stalinismus, ein vulgärer Betrüger. Leider ändert diese Variante nichts an der apologetischen Bedeutung der erbaulichen Geschichte; das mit der Oktoberrevolution begonnene Geschehen wird weiterhin insgesamt als ein Angriff auf die Demokratie verstanden und das Entstehen der Demokratie ist weiterhin ein Resultat, das allein innerhalb der Geschichte des bürgerlichen und liberalen Westens erreicht worden ist.

Mit dem Abhandenkommen der von der Oktoberevolution repräsentierten Herausforderung haben wir es in Wahrheit heute mit einer reaktionären Rückbildung auch in Bezug auf die Demokratie zu tun. In den internationalen Beziehungen wird die Demokratie explizit in Abrede gestellt. Man denke nur an den Mythos der amerikanischen Nation, die von der Vorsehung beauftragt wird, die profane Menschheit auf ewig zu führen. Sogar der Kolonialismus und der Neokolonialismus leben in der einen oder anderen Form wieder auf. Selbst wenn wir uns ausschließlich auf die Innenpolitik der einzelnen Staaten konzentrieren, sehen wir, dass der Sozialstaat abgebaut wird. Und das ist noch nicht alles. Schon vor ein paar Jahren hat ein liberaler amerikanischer Historiker, Schlesinger jr., gesagt, dass jetzt in den Vereinigten Staaten, aufgrund der Übermacht des Reichtums, praktisch die Zensusdiskriminierung wieder eingeführt worden ist.

Geschichtsphilosophie und Menschenrechte

AW: Ein Vorwurf, den einige deutsche Kritiker nun gegenüber Canfora erheben, besteht darin, er habe in seinem Werk einer Geschichtsphilosophie gehuldigt. Das bezieht sich natürlich auf das Werk Hegels, das wiederum – ganz und gar schematisch – als legitimierender Hintergrund für jene Praxis in den ehemals realsozialistischen Ländern gesehen wird, die sich mit dem Satz umschreiben lässt: Der Zweck heiligt die Mittel. Was ist da dran?

DL: Wenn Sie mein Buch Hegel und das deutsche Erbe lesen, werden Sie feststellen, dass ich in einem bestimmten Punkt das Hegel-Bild von Canfora kritisiere, weil er dem Staatsbegriff Hegels positiv den Staatsbegriff Wilhelm von Humboldts[4] entgegensetzt. Ich sage dort kritisch, dass dieses Hegel-Bild das der liberalen Tradition ist. Canfora hat diese Kritik zurückgewiesen, aber er kann jedenfalls nicht als „Hegelianer“ betrachtet werden.

Das ist meine erste Bemerkung. Die zweite Bemerkung ist womöglich wichtiger. Ich empfinde die Behauptung ziemlich oberflächlich, nach der Geschichtsphilosophie nur bei Hegel zu finden wäre. Die ganze liberale Tradition ist vielmehr von Geschichtsphilosophie geprägt. Nehmen wir etwa einen Linksliberalen wie John Stuart Mill[5]. Er schreibt, dass die Rassen, die als „minderjährige“ anzusehen sind, zum „absoluten Gehorsam“ verpflichtet sind: „der Despotismus ist eine legitime Regierungsform, wenn man es mit Barbaren zu tun hat“, denn nur auf diese Weise können Fortschritt und Freiheit etabliert werden. Dass die Zwecke die Mittel heiligen können, finden wir eben auch bei John Stuart Mill. Oder nehmen wir Alexis de Tocqueville[6]. Für ihn ist Amerika nur „die leere Wiege“ in Erwartung der „großen Nation“, die aus Europa durch den Ratschluss der „Vorsehung“ eintrifft. Die Deportation der eingeborenen Bevölkerung ist das Mittel, das das glänzende Ziel, die Entwicklung des von Gott auserwählten Volks, ermöglicht.

Diese Geschichtsphilosophie ist noch heute lebendig. Wenn es nach Bush geht, brauchen wir Krieg, um die Freiheit zu exportieren: die Verluste seien eben notwendig, um die höheren Ziele der Demokratie zu verwirklichen. Und die heutigen liberalen Philosophen argumentieren nicht viel anders als der jetzige Präsident der Vereinigten Staaten. Für Norberto Bobbio[7] (wie auch für Jürgen Habermas) war der Krieg gegen Jugoslawien, trotz aller Gräuel, das notwendige Mittel, um das höhere Ziel der Beendigung der ethnischen Säuberung auf dem Balkan zu erreichen und vor allem, um eine höhere kosmopolitische Rechtsordnung zu schaffen. Noch radikaler ist Karl Popper[8]. Nach ihm sei das Ziel des ewigen Friedens durchaus erreichbar. Um es zu realisieren, müssen wir aber einige Kriege gegen jene Staaten führen, die noch despotisch sind. Und er hat auf diese Weise nicht nur den Krieg gegen den Irak verteidigt, er hat sogar einen möglichen Krieg gegen China theoretisiert. Das ist die heutige Geschichtsphilosophie, die infrage gestellt werden muss, statt Hegel anzugreifen. Um zu verstehen, wie scholastisch das Hegelbild ist, sollte man folgendes bedenken: im Namen des geordneten Ablaufs der Kultur legitimiert Locke die Sklaverei der Schwarzen, jene Sklaverei, die von Hegel als „absolutes Verbrechen“ verurteilt wird. Wie die „Stalinismus“-Anklage erweist sich auch die „Hegelianismus“-Anklage als völlig subaltern gegenüber der herrschenden Ideologie.

AW: Es ist es unter Linken wieder üblich geworden, den Hegelschen Fortschrittsbegriff als „metaphysisch“ abzutun. Er wird unserer Meinung nach aber unsachgemäß mit dem voluntaristischen Fortschrittsbegriff identifiziert, der in vulgären Varianten der Philosophie des Realsozialismus herumspukte, der wiederum aber eigentlich auf den mechanistisch-positivistischen Fortschrittsbegriff der Arbeiterbewegung des späten 19. Jahrhunderts zurückging. Diesen als metaphysisch zu bezeichnen, ist sicher richtig. In Ihrem Buch „Hegel und die Freiheit der Modernen“ sind Sie ausführlich darauf eingegangen, dass sich der Fortschrittsbegriff Hegels hingegen anhand konkreter historischer Entwicklungen herausbildete, die in engem Zusammenhang mit der französischen Revolution standen.

DL: Wir dürfen nicht vergessen, dass eine der stärksten Kritiken am Begriff des Fortschritts vom Nazismus stammt. Alfred Rosenberg, der Chefideologe des Dritten Reichs, spricht ironisch vom „Dogma einer angeblich ‚allgemeinen Entwicklung der Menschheit’“ und „eines angeblichen ‚Fortschritts’“; „‚Menschheit’“ sei nur ein neuer Name für den „alten Jahwe“. Bei genauerem Hinsehen ist bei Rosenberg die Liquidierung des Begriffs „Fortschritt“ die Liquidierung des Begriffs „Menschheit“: man kann nicht von „Fortschritt“ reden, weil es kein einheitliches Subjekt („die Menschheit“) dieses angeblichen Fortschritts gibt. Wo die Menschheit zwischen Übermenschen und Untermenschen, zwischen Herrenrasse und sklavischen Arbeitsinstrumenten im Dienste der Herrenrasse aufgeteilt wird, kann nicht vom Allgemeinbegriff Mensch (und auch nicht vom menschlichen „Fortschritt“) die Rede sein. Aber das bedeutet, dass schon die heute so verbreitete Rede vom „Menschen“ und von „Menschenrechten“ einen kolossalen Fortschritt ausdrückt. Lange Zeit wurden die Arbeiter in den Metropolen lediglich als bloße Arbeitsinstrumente abgestempelt und natürlich galt das noch mehr für die Kolonialvölker, die oft sogar nur als Tiere angesehen und behandelt wurden. Lang andauernde und harte Kämpfe waren notwendig, bis sowohl die einen als auch die anderen als Menschen anerkannt wurden.

Proklamiert die französische Revolution die Menschenrechte? Ein Theoretiker des liberalen Englands, Edmund Burke[9], lehnt den „abstrakten“ Allgemeinbegriff Mensch ab und spricht stattdessen von den Rechten des Engländers. Mit dieser theoretischen Plattform kann er über die aus der französischen Revolution hervorgegangenen Kämpfe gegen den Kolonialismus und die Sklaverei spotten. Noch drastischer ist in Frankreich die Stellungnahme des reaktionären Joseph Marie de Maistre[10]. Der grundlegende „theoretische Irrtum [ ...], der die Franzosen vom ersten Augenblick ihrer Revolution an auf den falschen Weg gebracht habe“, sei der Begriff Mensch: „Ich habe in meinem Leben Franzosen, Italiener, Russen usw. kennengelernt; dank Montesquieu weiß ich, dass man auch Perser sein kann; aber was den Menschen betrifft, erkläre ich, ihm nie in meinem Leben begegnet zu sein; sollte er existieren, so ohne mein Wissen.“ Nicht umsonst wird Maistre von manchen Interpreten als ein Vorläufer des Faschismus betrachtet! Für Hegel dagegen bedeutet gerade die Konstruktion des Begriffs Mensch einen entscheidenden Fortschritt in der Menschheitsgeschichte. Daher kann man verstehen, warum die Institution der Sklaverei und die Reduzierung von Menschen auf Dinge ein „absolutes Verbrechen“ für ihn sind. Der historische Prozess der Konstruktion des Allgemeinbegriffs Mensch ist irreversibel, weil sich die Menschen auf lange Sicht die erlangte menschliche und moralische Würde nicht mehr entreißen lassen: „Wäre die bloße Willkür des Fürsten Gesetz und wollte er die Sklaverei einführen, so hätten wir das Bewusstsein, dass dies nicht ginge. Jeder weiß, er kann kein Sklave sein.“ Die Freiheit des Menschen als solche „hat die Bedeutung eines Naturseins“, einer zweiten Natur erhalten. Die Behauptung der strategischen Vernünftigkeit des historischen Prozesses ist eng verbunden mit einer gewissermaßen demokratischen Geschichtsphilosophie: nach und nach wird die Menschheit als Ganzes zur Anerkennung ihres Menschseins und ihrer Freiheit gelangen und diese Anerkennung als etwas Unabänderliches betrachten; selbst die geniale Individualität ist eine solche nur dann, wenn sie die Bedürfnisse ihrer Zeit zum Ausdruck bringt, und sicher nicht, wenn sie den Anspruch erhebt, ex nihilo zu schaffen!

Wir können heute da etwas Vergleichbares über die Frauen im Westen sagen. Bis vor kurzem wurden sie als ganz minderwertig gegenüber dem Mann betrachtet. Aber wenn heute jemand versuchen wollte, sie wieder in diese Abhängigkeit zurückzuführen, würde er die Figur eines lächerlichen Don Quichotte abgeben, der vergeblich versucht, das Rad der Geschichte zurückzudrehen: letztendlich würde er nicht imstande sein, sein reaktionäres Projekt zu realisieren, eben weil jetzt die Frauen unabhängige, gleiche Wesen sind, ihre Freiheit eben ihre zweite Natur geworden ist. Und das gilt auch für andere Gebiete. So dürfte es heute unmöglich sein, ein Schauspiel wie zu Beginn des Ersten Weltkriegs aufzuführen, als nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich die Kriegserklärung als großes Fest aufgenommen wurde. Wir alle kennen die Bilder, auf denen die jungen Männer in den Krieg ziehen, als ob es eine erotische Verabredung wäre. Ich glaube nicht, dass dies wiederkommen kann. Natürlich dürfen wir nicht die Unterschiede außer Acht lassen, die auch innerhalb des Westens existieren. Während in Europa die imperialistische Ideologie praktisch diskreditiert ist, weil die Rede von auserwählten Völkern in Europa so schreckliche Kriege und so schreckliche Widersprüche zwischen den sogenannten auserwählten Völkern hervorgebracht hat, besitzt sie in den USA noch eine gewisse Glaubwürdigkeit.

Kommunismus und Kampf um Demokratie

SK: Eines der zentralen Elemente Ihrer Kritik an der Politik der realsozialistischen Länder ist der Vorwurf, dass man dort in Befolgung eines „vulgären Marxismus“ die Errungenschaften der liberalen Tradition, des Schutzes des Bürger vor Eingriffen des Staates, als nur formelle Freiheit und damit als vernachlässigbar angesehen hat.

DL: Wenn Sozialisten oder Kommunisten die liberale Tradition kritisieren, gibt es zwei Möglichkeiten: wird sie kritisiert, weil sie der formellen Freiheit zuviel Wert beigemessen hat oder weil sie nicht imstande war (und ist), diese formelle Freiheit zu universalisieren? Ich glaube, diese Frage ist ganz wichtig. Und mein Standpunkt ist eben die zweite Position. Wir dürfen nicht das Selbstbild der liberalen Ideologie akzeptieren, denn dieses Selbstbild ist eine Selbstverklärung und entspricht nicht der realen Geschichte. Ich hatte schon dargelegt, dass in den Vereinigten Staaten, selbst nach der Abschaffung der Sklaverei, die Farbigen nicht die formelle Freiheit genießen konnten. Die Lynchjustiz gab es noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und diese Morde wurden gar als öffentliches Schauspiel inszeniert. Was die Indianer angeht, so wurde ihre totale Ausrottung gerade in den Jahrzehnten nach dem Sezessionskrieg zu Ende geführt.

Wenn also Sozialisten oder Kommunisten die Bedeutung der formellen Freiheit herabsetzen, so verkennen sie ihre eigene Geschichte, denn es war ja gerade die sozialistische und kommunistische Bewegung, die dazu beigetragen hat, die formelle Freiheit für die kolonialen Völker zu erlangen und die formelle Freiheit der Arbeiter in der Metropole auch innerhalb der Produktionssphäre zu verlangen. Nur nach der Kritik der Ausschlussklauseln, die die liberale Tradition auch hinsichtlich der formellen Freiheit kennzeichnen, wird es möglich und notwendig, den Begriff Freiheit auszuweiten, indem man das Recht zur wirklichen Teilnahme an den politischen Entscheidungen und zum Genuss menschenwürdiger materieller Bedingungen einführt.

AW: Sie umreißen eine Geschichte der Demokratie, die sich von der heute vorherrschenden stark unterscheidet.

DL: Die Geschichte des Westens führt uns ein Paradox vor Augen, das von der Geschichte seiner heutigen Führungsnation aus begriffen werden kann: Die Demokratie innerhalb der weißen Gemeinschaft hat sich gleichzeitig mit der Versklavung der Schwarzen und der Deportation der Indianer entwickelt. In 32 der ersten 36 Jahre der Vereinigten Staaten waren ihre Präsidenten Sklavenhalter und Sklavenhalter waren auch diejenigen, die die Unabhängigkeitserklärung und die Verfassung ausgearbeitet haben. Und ich muss hinzufügen, dass diese Sklaverei kein Residuum war. Hinsichtlich dieses Paradoxons, das die Geschichte ihres Landes kennzeichnet, haben maßgebliche amerikanische Forscher von der Herrenvolk democracy gesprochen. Die scharfe Grenzlinie zwischen Weißen einerseits und Schwarzen und Indianern andererseits begünstigt die Gleichheitstendenz innerhalb der weißen Gemeinschaft. Die Mitglieder einer Klassen- oder Hautfarbe-Aristokratie neigen dazu, sich selber als „Pairs“ einzuschätzen; die den Ausgeschlossenen auferlegte deutliche Ungleichheit ist die Kehrseite des Gleichheitsverhältnisses, das sich unter denen herausbildet, die die Macht haben, die „Niedrigeren“ auszuschließen.

Die Kategorie Herrenvolk democracy kann auch nützlich zur Erklärung der gesamten Geschichte des Westens herangezogen werden. Zwischen dem Ende des neunzehnten und dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts geht in Europa die Ausweitung des Wahlrechts Hand in Hand mit dem Kolonisationsprozess, der für die unterworfenen Völker den Zwang zu sklavischer oder halbsklavischer Arbeit mit sich bringt. Die Regierung des Gesetzes in der kapitalistischen Metropole steht in enger Verbindung mit der Gewalt und der bürokratischen und Polizeiwillkür, mit dem Belagerungszustand in den Kolonien. Letztendlich ist es das gleiche Phänomen, das in den Vereinigten Staaten auftritt, nur erscheint es im Fall Europas nicht so offensichtlich, weil die Kolonialbevölkerungen nicht in der kapitalistischen Metropole leben, sondern durch den Ozean von ihr getrennt sind.

Und hier stellt sich die Frage: Was ist der Kommunismus historisch gewesen? Es war der Kampf gegen den Herrenvolk-Charakter der westlichen Demokratie – und dieses Verdienst muss man anerkennen. Nehmen wir etwa ein so großes Land wie China. Man sollte wissen, dass noch am Ende des 19. Jahrhunderts an den Türen der exklusiven Clubs in Schanghai geschrieben stand, dass Hunden und Chinesen der Eintritt verboten sei. Welche historische Bewegung hat den Chinesen das Gefühl der menschlichen Würde zurückgegeben? Das ist der Kommunismus, die kommunistische Bewegung gewesen.

Bevorzugte Zielscheibe von Lenins Kampf ist gerade diese Herrenvolk democracy. Nachdrücklich besteht der revolutionäre Führer auf den ins Auge springenden Ausschlussklauseln der liberalen Freiheit zum Schaden der „Rot- und Schwarzhäute“ und der „aus rückständigeren Ländern“ kommenden Einwanderer. Wie in einem Spiegelbild wird der Westen, der sich der Rechtsstaatlichkeit rühmt, vor die Realität der Kolonien gestellt: „Die liberalsten und radikalsten Männer des freien Britanniens [...] werden in ihrer Rolle als Machthaber Indiens zu wahren Dschingis-Chans ...“

Absterben des Staates?

SK: In Ihrem Buch „Hegel und die Freiheit der Modernen“ stellen Sie heraus, dass Hegel die bürgerlich-demokratischen Freiheiten in seinem Staatskonzept verankert hat, das er selbst als sittliche Gemeinschaft bezeichnete. Hat uns Hegel in der Staatsfrage heute womöglich mehr zu sagen als Marx, Engels und Lenin? Des Weiteren zeigen Sie in dem Buch, dass er auch der geistige Begründer des modernen bürgerlichen Sozialstaates war. So habe er aufgezeigt, dass das Prinzip der mildtätigen Spende der Reichen für die Armen, auf dem ja alle bisherigen Klassengesellschaften beruhten, selektiv und blind ist. Hegel forderte, die Bedürfnisse aller Menschen nach Lebensmitteln, Wohnung, Bildung und Teilhabe am zivilisatorischen Fortschritt als legitim einzustufen und folgerte daraus, dass nur ein Eingriff in das bislang unbeschränkte Eigentumsrecht diese Bedürfnisse befriedigen kann.

DL: Hier werden zwei Probleme angesprochen. Zunächst zur Staatsfrage in der marxistischen Theorie. Bei Marx und Engels kann man Unschlüssigkeiten und Schwankungen feststellen. Einerseits ist der Staat das Instrument der Klassenherrschaft. Andererseits ist der Staat – erklärt Die deutsche Ideologie – die „Form der Organisation“, mit der sich die Individuen der herrschenden Klasse die „gegenseitige Garantie ihres Eigentums und ihrer Interessen“ geben. Man versteht nicht, warum nach dem Verschwinden der Klassen und des Klassenkampfes die „Garantie“ oder die „Assekuranz“ überflüssig werden sollte, die den einzelnen Mitgliedern einer vereinigten Gemeinschaft geboten werden muss. Hinzuzufügen ist, dass man manchmal vom „Absterben des Staates“ überhaupt und ein andermal vom Absterben des „Staates im jetzigen politischen Sinn“ redet. Die beiden Formeln sind keineswegs äquivalent.

Was Lenin anbetrifft, so müssen wir unterscheiden. Der Lenin des Buches Staat und Revolution ist natürlich vom Gemetzel des Ersten Weltkriegs geprägt. Der Staat galt in diesen Jahren als der Organisator des Völkermordes, wie ihn Rosa Luxemburg so treffend kennzeichnete. In Staat und Revolution besteht daher Lenin darauf, dass dieser Staat dazu berufen ist, abzusterben. Aber der spätere Lenin, jener, der als Staatsmann die Sowjetunion führt, versteht ganz gut, dass es notwendig ist, einen neuen Staat aufzubauen, da man ansonsten den alten zaristischen Staat nicht abschaffen kann. Dieser Lenin fordert sogar, dass die Sowjetunion einige Wissenschaftler in den Westen entsenden müsse, um eben etwas vom Aufbau der demokratischen Staaten zu erfahren.

Im Ganzen können wir sagen, dass die Erwartung des Absterbens des Staates eine sehr negative Rolle in der Geschichte der Sowjetunion gespielt hat; die Auffassungen, wonach das Recht Opium für das Volk oder die Idee der Verfassung eine bürgerliche Idee sei, haben sicher nicht dazu beigetragen, den Staat zu demokratisieren, der aus der Oktoberrevolution entstanden war.

AW: Und was Hegel betrifft?

Nach Hegel können wir nicht zwischen dem Staat und dem Nicht-Staat wählen. Es kommt nicht darauf an, den Staat absterben zu lassen, sondern ihn so zu gestalten, dass er nicht nur die formelle Freiheit sondern auch die sozialen Rechte des Individuums realisiert. Schon vor Marx kommt Hegel das Verdienst zu, von unverzichtbaren „materiellen Rechten“ gesprochen und die Tatsache hervorgehoben zu haben, dass die Ungleichheit, wenn sie eine bestimmte Stufe erreicht hat, auch die formelle Freiheit leer werden lasse. Der Hunger und vor allem die Gefahr zu verhungern, bringe die „totale Rechtlosigkeit“ mit sich (Rechtsphilosophie § 127), d. h. eine Lage, die für den Sklaven typisch ist.

Dass Hegels Lehre eine wichtige Rolle bei der Herausbildung des Sozialstaats gespielt hat, wird von Hayek bestätigt. Er beschuldigt Thomas Hill Green[11], der für die staatliche Regelung der Arbeitszeit oder der Frauen- und Kinderarbeit in den Fabriken und gegen soziale Verhältnisse kämpft, die Menschen auf „Waren“ reduzieren, von Hegel die Kategorie „positive Freiheit“ entliehen zu haben. Und das stimmt. Aber der Lehrer geht noch weiter und erklärt: „Der Mensch, welcher verhungert, hat das absolute Recht das Eigentum eines Anderen zu verletzen“, hat das absolute Recht das Stück Brot zu stehlen, das es ihm ermöglicht, weiter zu leben.

Natürlich habe er damit das Privateigentum verletzt. Aber dieses Recht auf Privateigentum sei nicht so wichtig wie das Lebensrecht des Menschen, der riskiert, zu verhungern. Das ist nur ein Beispiel für Hegel, mit dem er zeigt, dass ein Staat, eine Gesellschaft so aufgebaut sein muss, dass dort kein Mensch Hunger leidet und kein Mensch riskiert, zu verhungern.

SK: Es ist interessant, dass bereits Hegel das Charity-Prinzip infrage stellt, was ja heute wieder angeblich das Allheilmittel sein soll gegen Armut und Verelendung, in dem die Reichen freiwillig was abgeben. Er fordert vielmehr eine gesetzliche Regelung.

DL: Ja, das ist ein wichtiger Punkt des Hegelschen Denkens. Schon in seiner Zeit gab es Liberale, die die Position vertraten, dass das Problem des Hungers von der Kirche und von der „christlichen Liebe“ zu lösen sei, so in Deutschland etwa Friedrich Schleichermacher[12]. In England war es Herbert Spencer[13], der die „Staatswohltätigkeit“ (die Gesetze zugunsten der Armen) und die „Einmischung des Staates in die Ausübung eines der wichtigsten Gebote des Evangeliums“, der Mildtätigkeit, scharf verurteilte. Hegel dagegen macht sich lustig über solche Vorstellungen: die Rechtsphilosophie (§ 242 A) vergleicht die Hoffnung auf die Lösung der Sozialfrage durch die Mildtätigkeit mit dem „Lampenbrennen bei Heiligenbildern“.

SK: Noch einmal zur These vom Absterben des Staates. Gramsci sah das Problem wohl anders. Welches Denken lag dem zugrunde?

DL: Für Gramsci ist bereits die Zivilgesellschaft eine Art Staat. Das Großartige am Denken Gramscis ist, dass er endgültig die Phänomenologie der Macht widerlegt, die von den Liberalen vertreten und von den Anarchisten übernommen wird. Für die Liberalen (und die Anarchisten) ist der Ort der Macht, der Unterdrückung, immer der Staat, und die Emanzipation besteht darin, sich von den Fesseln des Staates, der politischen Gewalt zu befreien. Aber diese Auffassung ist irreführend. Im Kommunistischen Manifest können wir lesen, dass sich der Despotismus der Bourgeoisie bereits in der kapitalistischen Fabrik (d. h. innerhalb der Zivilgesellschaft) zeigt. Und dann lesen wir im Kapital, dass, wenn selbst der bürgerliche Staat versucht, diesen Despotismus der Kapitalisten innerhalb der Fabrik einzuschränken, die kapitalistischen Besitzer skandalisiert das Gespenst des Jakobinismus und des jakobinischen Terrors an die Wand malen.

Vor allem erklärt die liberale Phänomenologie der Macht nicht die Geschichte des führenden Landes des Westens: Wer hat denn die Enteignung, die Deportation, die Dezimierung und letzten Endes die Vernichtung der Indianer vorangetrieben? Das war in erster Linie die weiße Zivilgesellschaft. Der zentrale Staat hat sogar manches Mal schüchtern versucht, diese Politik einzuschränken, ist aber auf den Protest der weißen Zivilgesellschaft gestoßen, die indigniert die Einschränkung der „Freiheit“ der Siedler zurückwies. Auch die Versklavung der Schwarzen ist nicht selten eine „private“ Initiative der weißen Zivilgesellschaft gewesen und die schüchternen Versuche der Zentralgewalt, die Institution der Sklaverei zunächst zu kontrollieren und dann abzuschaffen, sind regelmäßig als eine unerträgliche Einmischung der Zentralgewalt in die Privatsphäre des Sklavenhalter verurteilt worden. Jetzt können wir Gramscis These besser verstehen, wonach die „Zivilgesellschaft [...] ebenfalls ‚Staat’, ja der Staat selbst ist.“

Konflikt der Freiheiten

AW: Zurück zur Frage der Demokratie. Obwohl Sie der Demokratie immer wieder, wie Sie an verschiedenen Stellen schreiben, einen „zweifellos universellen Wert“ zumessen, sagen Sie zugleich, dass „sich die Grenze zwischen Demokratie und Antidemokratie“ nicht ein für alle Mal und auf einheitliche Weise bestimmen lasse. Die Anerkennung der Universalität des Werts der Demokratie enthebe nicht von der mühsamen Aufgabe, die konkrete Situation konkret zu analysieren. Was heißt das nun etwa mit Blick auf den „Roten Oktober und den Ausnahmezustand“, wie es bei Ihnen in der Überschrift eines Artikels lautet? Neben dem Roten Oktober und diesem Ausnahmezustand gibt es bei Ihnen ja noch zwei weitere so genannte „Verschweigungen“, wenn es darum geht, eine konkrete Situation konkret zu analysieren. Genauer gesagt, der „Konflikt der Freiheiten in der Dritten Welt“ und „die liberale Tradition und die demokratischen Spielregeln“. Kommen wir zunächst zur Dritten Welt: Hier kritisieren Sie die Sicht vieler Linker als naiv und – mit Bezug auf Hegel – als Handeln „schöner Seelen“.

DL: Ich möchte hier Adam Smith[14] zitieren. Am Ende des 18. Jahrhunderts bemerkt Smith, mit Blick auf die englischen Kolonien in Amerika, wo es eine Art Selbstregierung der weißen Siedler (und Sklavenhalter) gibt, dass die Sklaverei leichter unter einer „despotischen Regierung“ als unter einer „freien Regierung“ abgeschafft werden könne. Und er fügt hinzu: „Die Freiheit des freien Mannes ist der Grund für die große Unterdrückung der Sklaven. Und da sie den größten Teil der Bevölkerung stellen, wird keine mit Menschlichkeit ausgestattete Person die Freiheit in einem Land wünschen, in dem diese Institution eingeführt worden ist.“ Das ist, glaube ich, ein lehrreiches Beispiel dafür, dass die Grenze zwischen Demokratie und Nichtdemokratie, zwischen Freiheit und Unfreiheit nicht immer klar zu ziehen ist. Wer war in dieser konkreten Situation der Vertreter der Freiheit? Waren es die Sklavenhalter, die ihre Selbstregierung unbedingt verteidigten? Oder war es Adam Smith, der für die Abschaffung der Sklaverei sogar eine despotische Regierung verlangte? Ich glaube, dass in dieser konkreten Situation der Vertreter der Freiheit Adam Smith war. Er sagt allerdings nicht, dass die Selbstregierung, das Self Government, eine unbedeutende, eine rein „formelle“ Freiheit sei. Er sagt vielmehr, dass die Selbstregierung, das Self Government, ein sehr wichtiges Recht, aber das Recht der Schwarzen auf die Freiheit ein noch wichtigeres Recht sei. Und in dieser konkreten Situation gab es einen Konflikt zwischen zwei Freiheiten, die beide wichtig waren und sind: man war gezwungen, zwischen ihnen zu wählen. Und die Haltung von Adam Smith bestand hier in der Forderung nach einer despotischen Regierung zur Abschaffung der Sklaverei und danach war natürlich die Wiedereinführung des Self Government, der Selbstregierung vorgesehen. Für ihn war keine Freiheit unbedeutend. Das ist ganz wichtig.

Wenn wir nämlich die Geschichte der Vereinigten Staaten analysieren, werden wir sehen, dass der Konflikt der Freiheiten eine wichtige Rolle spielt. Die Sklaverei ist erst durch die Militärdiktatur der Union abgeschafft worden. Und die Zeit zwischen 1865 und 1877, also unmittelbar nach dem Ende des Sezessionskrieges, ist die beste Periode für die Afroamerikaner. Sie gewinnen nicht nur die Bürgerrechte – sie sind keine Sklaven mehr – sondern auch die politischen Rechte. Sie sind in den örtlichen repräsentativen Körperschaften vertreten, manche üben sogar Regierungsfunktionen aus. Aber in dieser Zeit gab es eben keine Selbstregierung für die Südstaaten, denn, wenn sie wieder eingeführt worden wäre, hätten die Weißen die Freiheit der Schwarzen sofort wieder abgeschafft. Und tatsächlich kommt es 1877 zum Kompromiss zwischen den Weißen des Nordens und den Weißen des Südens. Die Weißen des Nordens bekommen freie Hand, um die protektionistische Politik voranzutreiben, die Weißen des Südens erhalten zugleich freie Hand, was die Schwarzen anbetrifft. Im Süden wird die Selbstregierung wieder eingeführt, und für die Schwarzen fängt das an, was manche heutige nordamerikanische Historiker als die schlimmste Periode in der Geschichte der Afroamerikaner bezeichnen: die schlimmste Periode, schlimmer sogar als die Sklaverei! Die Lynchjustiz wird zu einem Schauspiel, das in den Zeitungen angekündigt wird. Die Kinder bekommen schulfrei, um daran teilzunehmen. Die Schwarzen werden schrecklich gefoltert. Das Schauspiel dauert regelmäßig mehrere Stunden und zum Schluss werden sogar „Souvenirs“ von den Resten des Opfers verteilt.

Der Konflikt der Freiheiten, auf den Adam Smith hinweist, ist der Leitgedanke der Hegelschen Geschichtsphilosophie. In Frankreich ist die Leibeigenschaft nur durch die absolutistische Monarchie wenn nicht abgeschafft, so doch zumindest entscheidend abgeschwächt worden. Hegel schreibt, dass der Kardinal Richelieu[15] zwar ein Despot gewesen sei, aber ein Despot, der die Abhängigkeit der Bauern verringert hat. Hegel sagt nicht, dass dieser Despotismus an sich richtig war, weil auch ihm die formelle Freiheit ganz wichtig ist. Aber es können sich Situationen ergeben, wo eben Konflikte zwischen den Freiheiten entstehen.

AW: Kann man in diesem Zusammenhang sagen, dass die Geschichte der Sowjetunion in gewisser Weise als permanenter Ausnahmezustand zu interpretieren sei?

DL: Die Geschichte der Sowjetunion ist die Geschichte nicht alleine von Blockaden, es ist auch die Geschichte militärischer Interventionen. Zunächst interveniert die Entente der westlichen Mächte, dann erfolgt der Angriff des Dritten Reiches, und während des Kalten Krieges sehen wir nicht nur den Versuch, die Sowjetunion ökonomisch abzuwürgen, sondern es existiert sogar die Drohung, sie zu vernichten. Im Januar 1952 liebäugelt Truman, um den toten Punkt in den militärischen Operationen zu überwinden, mit einer radikalen Idee, die er auch seinem Tagebuch anvertraut: man könnte der UdSSR und der Volksrepublik China ein Ultimatum stellen und vorab deutlich machen, dass bei Nichtbeachtung „Moskau, St. Petersburg, Mukden, Wladiwostok, Peking, Schanghai, Port Arthur, Dairen, Odessa, Stalingrad und alle Industrieanlagen in China und der Sowjetunion eliminiert (eliminated) würden“.

Natürlich darf man auch den abstrakten Utopismus und die allgemeine theoretische Schwäche nicht aus den Augen verlieren, die die kommunistische Bewegung schon zum Zeitpunkt der Machtübernahme kennzeichnen. Ich erwähnte bereits den fatalen Hang zur Herabsetzung der formellen Freiheit, die auch die chinesische Kulturrevolution prägte. Die Haltung der heutigen Führung der KP Chinas unterscheidet sich davon grundlegend. Sie erklären, einen sozialistischen, auf der Regierung des Gesetzes (rule of law) gründenden Staat aufbauen zu wollen. Aber sie möchten natürlich den Prozess dieses Aufbaus selber bestimmen. Fragen der nationalen Unabhängigkeit, der territorialen Integrität und natürlich der wirtschaftlichen und sozialen Rechte sind dabei mit zu berücksichtigen.

Und wenn wir die heutigen internationalen Beziehungen und auch Spannungen betrachten, so sehen wir einerseits die Vereinigten Staaten, die für die von Gott auserwählte Nation das souveräne Recht beanspruchen, die Demokratie mit den Waffen in die ganze Welt zu exportieren. Andererseits sehen wir die Volksrepublik China, die behauptet, das Prinzip der Gleichberechtigung unter den Nationen und der Demokratie in den internationalen Beziehungen realisieren zu wollen.

Die Frage der Demokratie ist eben nicht nur eine innerstaatliche Angelegenheit, sie wird auch von zwischenstaatlichen Verhältnissen bestimmt. Man denke zum Beispiel an die Situation in Palästina. Die freien Wahlen haben dort vom Standpunkt des Westens ein schlechtes Ergebnis gebracht, und was ist seine Antwort und vor allem die der Vereinigten Staaten darauf? Sie versuchen, das palästinensische Volk auszuhungern, weil es „falsch“ gewählt hat. Das ist nur ein Beispiel. Was ist in Nicaragua geschehen, als die Sandinisten die Macht verloren? Waren die Wahlen von 1990 wirklich frei? Nein, das Volk von Nicaragua wurde vielmehr vor die Wahl gestellt: entweder ihr wählt die Sandinisten ab, oder ihr seid weiter dem Embargo, dem Krieg und Terroranschlägen ausgesetzt. Es gibt heute kaum ein Volk, das frei von der Angst ist, vom Westen – unter Führung der USA – wirtschaftlich erwürgt oder angegriffen, bombardiert oder gar nuklear vernichtet zu werden. Deswegen sage ich, dass wir die Demokratie nicht nur als ein innenstaatliches Verhältnis, sondern auch als ein zwischenstaatliches Verhältnis sehen müssen.

Aufhebung der Nationalstaaten?

AW: Kommen wir noch einmal auf die Frage des Staates zu sprechen. In der deutschen Linken hat es sich eingebürgert, im Festhalten am Nationalstaat etwas Negatives, da per se Rückschrittliches zu sehen. In einem hellen Licht erscheinen hingegen alle möglichen Formen der Internationalisierung. Viele kritisieren etwa die Europäische Union allein deshalb, weil sie ihnen nicht weit genug geht. Sie hingegen kommen zu ganz anderen Schlussfolgerungen. Vehement kritisieren Sie etwa, ich zitiere, „die Missachtung der nationalen Frage, die eine so verheerende Rolle in der Geschichte der UdSSR und des sozialistischen Lagers gespielt hat und entscheidend zu deren Auflösung beigetragen hat“. Und den Kardinalfehler sehen Sie in der Behandlung Polens durch Moskau. An diesem schwächsten Glied sei dann schließlich auch die Kette gerissen. Was sagt uns das heute, etwa bei der Formulierung unserer Haltung gegenüber der Europäischen Union?

DL: Es ist eine Tatsache, dass die Kommunisten glaubten, der sozialistische Block wäre einheitlich, während die Widersprüche innerhalb des kapitalistischen Lagers eine sehr wichtige Rolle spielen würden. Leider ist das Gegenteil eingetreten. Es ist eine Tatsache, dass 1948 Jugoslawien nicht nur den sozialistischen Block verließ, sondern praktisch sogar ein Verbündeter des kapitalistischen Lagers wurde. Das gilt auch für die Volksrepublik China: 1972 hat sie in gewisser Weise ein Bündnis mit den USA gegen die Sowjetunion geschlossen. Man darf aber nicht die Besetzung Ungarns, dann der Tschechoslowakei und schließlich die Halbbesetzung Polens durch die Sowjetunion vergessen. Hierher gehört aber auch der Halbkrieg zwischen China und der Sowjetunion, der Krieg zwischen Vietnam und Kambodscha sowie der zwischen Vietnam und China. Diese ganzen Krisen haben etwas Gemeinsames, und das ist die Rolle der nationalen Frage. Ich will in diesem Kontext wieder auf Hegel verweisen. Er behauptet, dass Staaten Individuen seien. Und in dem Begriff vom Individuum ist gewissermaßen auch der Begriff des Konflikts enthalten. Individuen können sich vereinigen, können ein gutes oder eben auch ein konfliktreiches Verhältnis zueinander entwickeln. Der Sturz des Kapitalismus und des Imperialismus beseitigt die Schwierigkeiten, die die gegenseitige Anerkennung der Individuen verhindert, aber er löscht gewiss nicht die staatlichen und nationalen Individualitäten aus. Die Nation existiert auch nach der sozialistischen Umwälzung weiter. Man kann sogar sagen, dass die sozialistische Revolution oft erst dazu beigetragen hat, das nationale Bewusstsein herauszubilden oder weiter zu entwickeln. Viele Länder, in denen eine Revolution stattfand, sind nämlich zu Recht stolz darauf, die nationale Unterdrückung überwunden und eben damit ein neues Leben begonnen zu haben.

AW: Hier stellt sich die Frage, ob viele, die in der Europäischen Union die Überwindung der Nationalstaaten sehen, nicht jetzt die Fehler wiederholen, die im Realsozialismus gemacht wurden. Man sollte womöglich sehr vorsichtig mit der These vom Ende des Nationalstaats sein, etwa in der Debatte über die Globalisierung. Nationalstaaten werden wohl noch lange eine große Rolle spielen.

DL: Wir können von Demokratie nur dann sprechen, wenn eine Öffentlichkeit, ein öffentlicher Raum zur Verfügung steht. Die Individuen müssen frei diskutieren können. Die Probleme der Sprachverständigung spielen daher eine wichtige Rolle. Ein demokratischer Weltstaat ist ein Widerspruch in sich, da es in ihm eben keine Möglichkeit der Verständigung gibt. Nur einer gewissen Elite, die die Herrschaft ausübt, könnte es gelingen, diese Probleme zu überwinden. Aber eine Demokratie ließe sich auf diese Weise nicht verwirklichen. Ich glaube daher, dass die Nationalstaaten weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Ich würde sogar sagen, dass sie heute womöglich noch bedeutender geworden sind. Am Beginn des 20. Jahrhunderts beriefen sich so gut wie alle der wenigen damals unabhängigen Staaten auf eine gemeinsame Kultur und Zivilisation; mit Ausnahme von Japan waren sie alle „christlich“. Heute hingegen vertreten die wichtigen Staaten der Erde zugleich auch verschiedene Zivilisationen, nicht alleine nur was Sprache, sondern auch was Religion und die religiöse und kulturelle Tradition betrifft. In diesem Sinne kommt die nationale Identität noch klarer zum Vorschein. Das bedeutet natürlich nicht, dass sich die Staaten nicht untereinander verständigen können. Aber das ist nicht mit der Aufhebung des Nationalstaats zu verwechseln. Das Wort Nation kommt vom lateinischen natio, hat etwas mit Geburt und Herkunft zu tun. Nationen können daher geboren werden oder sterben, verschwinden, bzw. sie können in einer größeren nationalen Einheit aufgehen. Was die Frage nach einer möglichen europäischen Nation angeht, so muss man zunächst feststellen, dass die Europäische Union starke Differenzen zwischen ihren Mitgliedstaaten aufweist. In ihr gibt es etwa Länder, die ganz proamerikanisch sind und andere, die eine davon unterschiedene Orientierung haben. Die Linke sollte sich vor zwei Gefahren hüten: zum einen vor der Tendenz des europäischen Nihilismus, denn die Vereinigung Europas kann auch eine gewisse positive Rolle spielen. Andererseits darf man Europa nicht schon als eine Einheit auffassen. Gegenwärtig ist die Europäische Union zunächst ein gemeinsamer Markt, lediglich mit einer Tendenz zur politischen Vereinigung. Wir werden sehen, ob diese Tendenz anhalten wird.

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AW: Während wir auf die Reaktionen auf ihr letztes deutsches Buch („Kampf um die Geschichte“) warten, zum Schluss noch eine Frage zur Rezeption ihrer Schriften in Deutschland. Im „Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus“ werden Sie in der Tradition des italienischen Hegelianismus eines Benedetto Croces und eines Antonio Gramscis theoriegeschichtlich einer „historisch-szientistischen Version des Hegelianismus“ zugerechnet. Was bitte sollen wir darunter verstehen?

DL: Diese Ausdrucksweise verstehe auch ich nicht. Vielleicht sollten Sie besser den Autor des Stichwortes selbst fragen. Nur stelle ich fest, dass ich gleichzeitig des Hegelianismus und des Stalinismus bezichtigt werde. Und das finde ich schon widersprüchlich, da Stalin, zumindest der späte Stalin, die Auffassung vertrat, wonach Hegel der theoretische Ausdruck der preußischen und deutschen Reaktion gegenüber der französischen Revolution gewesen sei. Einen nicht unbeträchtlichen Teil meines intellektuellen Lebens habe ich der Aufgabe gewidmet, diese Auffassung zu widerlegen. Diejenigen, die Stalin verteufeln, haben nun wiederum dieses Hegelbild kritiklos übernommen. Komischerweise ist die Ansicht Stalins identisch mit dem Hegelbild Poppers, denn auch er ist der Meinung, dass Hegel die Reaktion gegen die französische Revolution darstellt. Und wenn jemand, der dieses Bild ablehnt als Hegelianer bezeichnet wird, dann kann ich mit Fassung diesen Vorwurf akzeptieren. Aber dann muss auch gesagt werden, dass ich damit nicht allein unter den Marxisten dastehe. So bestand etwa Engels darauf, dass das Proletariat die Erbschaft der deutschen klassischen Philosophie und damit hauptsächlich die Hegels antreten müsse. Lenin verwies darauf, dass man ohne Hegel nicht das Kapital von Marx verstehen könne. Antonio Gramsci hat immer positiv von Hegel gesprochen. Und in diesem Zusammenhang könnte ich auch Mao Tse-Tung zitieren, der scharf gegen das Hegelbild Stalins polemisierte. Was die andere Kritik anbetrifft, so bin ich gegen die Liquidierung der ganzen Geschichte der kommunistischen Bewegung, die nur zu oft unter dem Vorwurf des Stalinismus vorangetrieben wird.

[1] Siehe hierzu auch die Besprechung dieses Buches von Sabine Kebir in diesem Heft.

[2] Vgl. auch Andreas Wehr, Über Domenico Losurdos Beitrag zur Wiedergewinnung des Selbstbewusstseins der Linken,in: Z 49, März 2002 (Teil I), S. 115 ff. und Z 52, Dezember 2002 (Teil II), S. 133 ff.

[3] Friedrich August von Hayek (1899-1992), österreichischer Nationalökonom und Schüler Ludwig von Mises’. Hayek war Zeit seines Lebens ein Verfechter eines völlig freien Marktes und ein strikter Gegner eines jeglichen Sozialstaats. In den siebziger und achtziger Jahren war er wichtiger Ratgeber für neoliberale Politiker wie etwa Margaret Thatcher.

[4] Wilhelm von Humboldt (1767-1835), deutscher Gelehrter, Staatsmann und Mitbegründer der Universität Berlin (heute Humboldt-Universität).

[5] John Stuart Mill (1806-1873), englischer Philosoph und Ökonom und einflussreicher liberaler Denker. Zu den wichtigsten Werken zählt sein 1848 veröffentlichtes Werk „Principles of Political Economy“.

[6] Alexis de Tocqueville (1805-1859), französischer Adliger, Philosoph und Rechtswissenschaftler. Aus seinen Amerikareisen resultiert sein Hauptwerk „De la démocratique en Amerique“ (Paris, 1835/40), in der die amerikanische Demokratie im Kontext der Zivilgesellschaft beschrieben wird.

[7] Norberto Bobbio (1909-2004), italienischer Rechtsphilosoph und Jurist. Bobbio sah sich als Anhänger eines liberalen Sozialismus.

[8] Karl Raimund Popper (1902-1994) österreichisch-britischer Philosoph, Soziologe und Wissenschaftstheoretiker, Begründer des Kritischen Rationalismus.

[9] Edmund Burke, (1729-1797) englischer Schriftsteller, Staatsphilosoph und Politiker. Burke setzt sich früh mit der französischen Revolution auseinander und kritisiert sie in seinem 1790 erschienenen Werk „Reflections on the Revolution in France“ von einem dezidiert konservativen Standpunkt aus. Seine Sicht auf die französische Revolution prägt bis heute auch den deutschen Konservatismus.

[10] Joseph Marie de Maistre (1753-1821), Staatsmann und Schriftsteller aus Savoyen (heute Italien). De Maistre stellt dem Rationalismus der französischen Revolution den Glauben an eine organische Realität und an ungeschriebene Gesetze entgegen.

[11] Thomas Hill Green (1836-1882), Professor für Moralphilosophie in Oxford.

[12] Friedrich Schleiermacher (1768-1834), Theologe, Philosoph und Pädagoge, ab 1810 ordentlicher Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin.

[13] Herbert Spencer (1820-1903), englischer Philosoph und Soziologe. Spencer wendet die Evolutionstheorie auf gesellschaftliche Verhältnisse an und gilt daher auch als Vorläufer des Sozialdarwinismus.

[14] Adam Smith (1723-1790), schottischer Moralphilosoph und Begründer der klassischen Volkswirtschaftslehre.

[15] Armand-Jean du Plessis, duc de Richelieu (1585-1642), kirchlicher Würdenträger und maßgeblicher Berater und Minister Ludwigs XIII. Richelieu setzte sich für die Umgestaltung Frankreichs in einen absolutistischen Staat ein und verfolgte das Ziel, die Vormachtstellung Habsburgs in Europa zu brechen.