Mehr als 150 Teilnehmende aus Schulen, der antifaschistischen Geschichtsarbeit, Pädagogik und Wissenschaft sowie gesellschaftlicher Organisationen nahmen an der Tagung zur geschichtspolitischen Bilanz und über die Perspektiven der Vermittlung der Geschichte des Widerstands teil. Anlass war das 40jährige Jubiläum des Studienkreises. Auch 1967 begann es mit einer Schulbuch-Konferenz: Vertreter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung hatten Pädagogen, Wissenschaftler und Publizisten eingeladen, über den deutschen Widerstand 1933-1945 und seine Darstellung in Schulbüchern zu beraten. Die Einladenden zu dieser Konferenz waren u.a. Wolfgang Abendroth, Walter Fabian, Heinz-Joachim Heydorn, Arno Klönne, Oskar Müller, Martin Niemöller, Max Oppenheimer, Josef C. Rossaint, Robert Scholl, Günther Weisenborn und Edgar Weick.
Auch 40 Jahre später ist die Liste der Referenten nicht minder prominent, beginnend mit Hans Coppi, Henny Dreiduss, Ernst Grube, Hannes Heer, Arno Klönne, Dietfried Krause-Vilmar, Falk Pingel, Trude Simonsohn, Martin Stöhr und Jörg Wollenberg. Diese Liste verdeutlicht die inhaltliche und politische Bandbreite der Beschäftigung mit der Thematik. Es ging um die eine Bilanz der Aufarbeitung des antifaschistischen Widerstands und um Überlegungen über Perspektiven der Forschungen und Desiderate der Aufarbeitung.
Eine entscheidende – und nicht mehr zu korrigierende – Lücke reißt jedoch die Zeit selbst, das Fehlen der Zeitzeugen der Widerstandsgeneration. Und so war es symbolisch, dass diese Tagung in memoriam Peter Gingold stattfand. Peter Gingold hatte viele Jahre die Arbeit des Studienkreises aktiv begleitet und sollte ursprünglich die Tagung eröffnen. Sein Tod im Herbst 2006 unterstrich die Notwendigkeit, dass die Zeugen der Zeugen zukünftig die Aufgabe der Geschichtsvermittlung selbst übernehmen müssen.
Arno Klönne (sein Beitrag wurde vorgetragen) eröffnete die Tagung mit einer Erinnerung an die Erinnerungsarbeit und ihre politischen Bedingungen vor 40 Jahren. Er zeigte, welch große Leistung antifaschistische Geschichtsarbeit in diesen Jahrzehnten hervorgebracht hat. Heute stellen sich neue Fragen: Wie stellt man heute Aufmerksamkeit für Geschichte her? Welche Bedeutung hat der Widerstand, wenn Faschismus relativiert und „normalisiert“ wird? Mit Blick auf die Tagespolitik unterstrich er, dass das „Nein zum Krieg“ ein zentraler Punkt des Widerstands war. Jede Befürwortung eines Kriegs konterkariert daher das Vermächtnis des Widerstands.
Falk Pingel skizzierte den aktuellen Stand der Darstellung des Widerstands in Schulbüchern für die Sekundarstufe I. Heute gebe es eine deutlich bessere Grundlage, als noch in den 60er Jahren. Nicht nur die Thematik, auch die Perspektive habe sich erweitert, das Begriffstableau – Non-Konformität, Verweigerung, Protest, Widerstand – sei differenziert erkennbar. Einige Schulbücher versuchten auch bei diesem Thema an der Erfahrungs- und Lebenswelt der Jugendlichen anzuknüpfen. Schon nach diesem Beitrag fand eine lebhafte Diskussion statt, die erkennbar von Praktikern (Lehrkräften, Geschichtswerkstätten und antifaschistischen Historikern) getragen wurde, die ihre Perspektiven in die Debatte einbrachten. So wurde diese Konferenz auch ein Ort des lebhaften Austausches von Erfahrungen antifaschistischer Geschichtsarbeit.
Ein Aspekt, der in den Debatten der Tagung zum Teil kontrovers angesprochen wurde, war der Umgang mit der Widerstandsforschung der DDR und die Nutzung ihrer Ergebnisse für die zukünftige Forschungs- und Vermittlungsarbeit. Dies wurde auch erkennbar in der Debatte um das Referat von Thomas Altmeyer, der einen kursorischen Überblick über die Geschichte der Forschung zum antifaschistischen Widerstand in der BRD und der DDR entwickelte und Ansätze für zukünftige Perspektiven formulierte.
Natürlich konnte er in seinem Referat nur exemplarisch Beispiele für Widerstandsforschung benennen, wobei für die 60er und 70er Jahre der akademische Raum ein deutlich höheres Gewicht bekam, als er es in der realen Forschungslandschaft besaß. Er würdigte Konzeption und Ergebnis des Projekts „Bayern in der NS-Zeit“, verwies auf Verengungen in der DDR-Forschung und belegte mit Verweis auf eine quantifizierende Untersuchung zur Widerstandspublizistik (Ruck, 2000) auf die Dominanz der Arbeiten zum Arbeiterwiderstand und über bürgerliche Kreise. Geschichtswerkstätten und nichtakademische Forscher leisteten wichtige Arbeit in der Aufarbeitung des lokalen Widerstands. Neue Themen seit den 80er Jahren waren Widerstand von Frauen und Anteil der Juden im Widerstand. Altmeyer plädierte dafür, den „vergessenen“ Widerstand, besonders den Rettungswiderstand stärker in den Blick zu nehmen. Dieser Beitrag führte zu lebhaften Diskussionen, waren doch unter den Teilnehmenden viele, die selbst ihren Anteil an der Forschung und Aufarbeitung der Geschichte des antifaschistischen Widerstands in verschiedenen Regionen bzw. von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen hatten.
Das zentrale Thema des Nachmittags waren die Zugänge zur Geschichtsvermittlung für die Zeit nach den Zeitzeugen. Hier ging es um den medialen Umgang mit der faschistischen Vergangenheit („Knoppisierung von Geschichte“), die Frage, ob Menschenrechtserziehung eine antifaschistische Perspektive sei, welche Zugänge zu einem Verständnis von Geschichte der Rettungswiderstand bieten könne und wie die Verortung von Geschichte („Spurensuche“) einen Zugang für Nachgeborene ermögliche.
Die Bandbreite der Erforschung und Vermittlung des antifaschistischen Widerstands wurde in den Arbeitsgruppen und auf der Podiumsdebatte mit Zeitzeugen am zweiten Tag sichtbar. Auch wenn die Diskussion unter der Überschrift stand: „Wenn wir weg sind, ist alles nur noch Geschichte“, machten die Zeitzeugen deutlich, wie viel von dem, was sie in Schulen, Jugendgruppen und antifaschistischen Verbänden an Aufklärungsarbeit geleistet haben, auch weiterhin für die geschichtliche Aufklärung wirken wird.
In der Zusammenfassung wurden Desiderate der Forschung angesprochen, denen zukünftig größere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte: Widerstand in den Konzentrationslagern und Widerstand der Zwangsarbeiter, der „vergessene“ Widerstand sozialistischer Kleingruppen und der Rettungswiderstand der verschiedenen Verfolgtengruppen. Und es geht um eine europäische Dimension des Widerstands, um den Widerstand von Partisanengruppen in vielen europäischen Ländern, um transnationalen Widerstand im Spanischen Bürgerkrieg, in der französischen Résistance oder beim slowakischen Nationalaufstand sowie die Bedeutung des europäischen Gedankens im Widerstand.
Lobend zu erwähnen ist, dass die Tagung dank der finanziellen Unterstützung von IG Metall, GEW, Martin Niemöller Stiftung und Rosa Luxemburg Stiftung stattfinden konnte. Eine Dokumentation ist geplant.