Berichte

Wasser, Elektrizität, Gesundheit, Wohnverhältnisse

Tagung zu lokalen Dienstleistungen in Südafrika, Kapstadt 28./29. März 2007

Juni 2007

In den letzten 13 Jahren der Demokratie in Südafrika hat die Regierung versucht, den Zugang zu Wasser, Strom, Telekommunikation, Unterkunft und Gesundheitsversorgung im Lande für die Masse der Bevölkerung zu verbessern. Neue Häuser wurden gebaut oder Leitungen verlegt. Aber zur gleichen Zeit haben immer noch Millionen keinen adäquaten Wohnraum. Viele Leitungen wurden von den Versorgungs-Konzernen wieder abgeklemmt, da die arme Bevölkerung die Dienstleistungen nicht bezahlen kann. Nicht nur dieser beiden Themen hat sich die Forschungsgruppe Municipal Services Project (MSP) angenommen, sondern auch weiterer Fragen um Gesundheit, HIV, Privatisierung usw. Ende März traf sich ein bunter Mix aus Akademikern, Studierenden, Gewerkschaftern, Aktivisten und Forschungsgruppen auf der von der MSP organisierten Konferenz Services for all: Theory, Practice, Struggle (Dienstleistungen für alle: Theorie, Praxis, Kampf) in Kapstadt/SA. Die Eröffnungsrede hielt John Saul (York University) aus Kanada, der viele Jahre die Anti-Apartheid Bewegung in Südafrika unterstützt hat, und Virgina Setshedi vom Freedom of Expression Institute. Saul erklärte, dass die Befreiung nur halb verwirklicht wurde, denn die ANC-Regierung habe den globalen Kapitalismus mit allen negativen Nebeneffekten für den Großteil der Bevölkerung akzeptiert. Die sozialen Bewegungen in Südafrika wachsen und nach Saul können sie etwas ‚großes’ werden und sowohl den Kapitalismus als auch den Staat herausfordern. Setshedi ging in ihrem Beitrag u.a. auf die Wasser-Problematik ein. Während auf dem Weltsozialforum in Nairobi Wasser als Menschenrecht angesehen wurde, vertrat die EU die Auffassung, dass man auf die WTO-Verträge bauen solle, in denen Wasser als Ware bezeichnet wird. Allerdings machte Setshedi deutlich, dass dies in anderen Ländern wie Bolivien und Tansania nicht funktioniert habe.

Die Auswahl der zwölf Workshops orientierte sich an Inhalten wie Privatisierung oder Wasser/Strom. Auch die Bedeutung von sozialen Bewegungen stand zur Debatte. Das erste Workshopthema war ‘Commodifying Lives: The Micropolitics of Neoliberalism’(Leben als Ware: Die Mikropolitik des Neoliberalismus). Unternehmen bekommen in Südafrika sehr günstig Strom, während vor allem die arme ländliche Bevölkerung aufgrund des geringen Verbrauchs und hoher Anschlusskosten deutlich mehr für Elektrizität zahlen müsse, so Patrick Bond vom Centre of Civil Society in Durban. Ahmed Veriava beschrieb in ihrem Vortrag, dass in Soweto nur 12,5 Prozent der Haushalte ihre Wasserrechnung zahlen. Die Regierung hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Bevölkerung zum Zahlen zu bewegen. Darunter fiel auch das Abklemmen von Leitungen oder auch die vor allem in den letzen Jahren forcierte Installation von Prepaid Wasser-/Strom-Anschlüssen. Veriava versteht und beschreibt diese Entwicklung als breitere Logik des Neoliberalismus. In dem letzten Vortrag des ersten Workshops stellte Melanie Sampson in ihrem Diskussionspapier die Frage, wie Privatisierung mit Klasse, Rasse und Geschlecht umgeht. Parallel zu diesem Workshop wurde über die Gesundheit und Sicherheit der ArbeiterInnen in Kapstadt gesprochen, u.a. mit Vertretern der South African Municipal Workers Union. In dem dritten Workshop wurde über die Rolle von NGOs gegenüber dem Staat diskutiert und darüber, wie sinnvoll eine Zusammenarbeit sein kann.

Kapitalismus im Elektrizitätswesen war Thema einer weiteren Runde, wobei Lenny Gentle von ILRIG über die Entstehung des südafrikanischen Stromkonzern Eskom berichtete. David McDonald (Queens University) informierte über die Energie-Situation in Afrika. In zwei weiteren Workshops des ersten Tages wurde über die Rolle von HIV, Gesundheit und die Kommerzialisierung von kommunalen Leistungen informiert. U.a. berichtete Leslie London (University of Cape Town) über den kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung und darüber, dass hier Unterstützung von sozialen Bewegungen gebraucht werde, um das Recht auf Gesundheit einzuklagen. Die Schwierigkeit sieht er vor allem darin, dass Gesundheit ‚offiziell’ kein Menschenrecht sei. Ronald Wesso (International Labour Resource and Information Group) beschrieb die Möglichkeit der Teilnahme an kommunalen Entscheidungen, welche sich auf lokale Komitees beschränke, die keine (Entscheidungs-)Macht besitzen. Trevor Ngwane (Soweto Electricity Crisis Committee) sprach sowohl über „Between Social Movements and Political Parties“ (Zwischen sozialen Bewegungen und Parteien), als auch in der Abschlussrede über „Neoliberalism in South Africa: What it is and How to fight it” (Neoliberalismus in Südafrika: Was er ist und wie man ihn bekämpft). Er vertritt die Ansicht, dass eine neue Massenarbeiterpartei gebildet werden müsse, um die Politik von der Elite zurück zu den Arbeitern zu geben, damit die verschiedenen Probleme wie Zugang zu Wasser, Strom, Unterkunft etc. für immer beseitigt werden könnten. Eine andere Art von Gesellschaft sei nötig, um die Situation zu verbessern. Er nennt es Sozialismus, der aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und der über die Staatsgrenzen hinausgehen müsse. „There must be an alternative“ (Eine Alternative ist unabdingbar), aber eine Garantie, dass sie funktioniere, gäbe es nicht, so Ngwane.

Am zweiten Tag berichtete u.a. David Hemson (Human Science Research Council) über die Folgen der Cholera Epidemie 2000/2001 in Südafrika. Zugleich wurde auch über Wasser gesprochen, wobei es um die alltäglichen Dinge wie ‚Hände waschen’ und Zahlung von Wasser(rechnungen) ging. Ein anderer Workshop u.a. mit Jessica Wilson (EMG) und Mary Galvan (The Water Dialogues, South Africa) beschäftigte sich mit der Zustellung von Wasser. Jackie Dugard (University of Witwatersrand), Virginia Setshedi und Nomafrench Mbombo (University of Cape Town) diskutierten über sozioökonomische Rechte. Mbombo kritisierte, dass die Menschenrechte westlich geprägt seien und sie afrikanisiert werden müssten. ‚Ubuntu’, was so viel bedeutet wie „a person is a person because of other persons” (Ein Mensch ist ein Mensch wegen anderer Menschen), sollte als Prinzip in der Charta der Afrikanischen Union aufgenommen werden. Die südafrikanische Verfassung sichert einen ausreichenden Zugang zu Wasser. Bisher finanziert die Regierung aber nur 6.000 Liter pro Haushalt im Monat. Nach Dugard ist dies für einen Single-Haushalt mehr als ausreichend, aber bei Haushalten mit bis zu 20 Personen können die Grundbedürfnisse nicht gedeckt werden. Das gälte ebenso für die freien 50 KW Strom pro Monat. Dazu kommen weitere Probleme. So müssen die Bewohner in Johannesburg z.B. eine Bankkarte besitzen, um das ‚freie’ Wasser zu erhalten. Von den Armen besitzt jedoch kaum jemand eine solche Bankkarte. Setshedi berichtete, dass die Menschen kein Pre-Paid-System wollen und dass Haushalte nach Abstellen der Leitungen teilweise bis zu 8 Monate ohne Wasser blieben. Neben einem eigenen Workshop zu ‚Free Basic Services’ (Freie soziale Basisdienste) u.a. mit Greg Ruiters (Rhodes University) diskutierten Fred Hendricks (Rhodes University), Carina van Rooyen (University of Johannesburg) und Anthony Pizzino (Canadian Union of Public Employees) in einer anderen Runde über „New ‘Publics’ in service delivery: Exploring Alternatives to Privatization“ (Neue Öffentlichkeit im Dienstleitungsbereich: Alternative zur Privatisierung). Zeitgleich fand ein offenes Forum für soziale Bewegungen mit M. P. Giyosse (Jubilee, South Africa) und Prishani Naidoo (Anti-Privatization Forum) statt. Dort wurde vor allem über Probleme von und mit dem Staat, NGOs und die Erwartungen an das MSP debattiert. Abschließend sprachen Trevor Ngwane (s.o.) und Giovanni Arrighi (Johns Hopkins University). Während sich Ngwane sich vor allem auf die Situation in Südafrika bezog, sprach Arrighi über die neoliberale Gegenrevolution, die geprägt sei durch die Aussage von Thatcher ‚There is no alternative’. Der Washington Consensus war das ideologische Instrument der Gegenrevolution und spaltete die Entwicklungsländer. Allerdings brachte die Asienkrise von 1997 die neoliberale Gegenrevolution ins Wanken. Die USA wurde in seinem Vortrag in den Mittelpunkt gestellt, wegen ihrer Rolle als Supermacht, aber auch wegen ihres hohen Defizits und des Irakkrieges. Am Ende sprach Arrighi darüber, dass sich die Situation der Entwicklungsländer ändere. Denn der Süden hat mittlerweile, so Arrighi, das Geld und die Macht und braucht nichts mehr vom Norden.

Die Konferenz gab einen detaillierten Einblick in Diskussionen und Probleme rund um kommunale Dienstleistungen in Südafrika, sprach aber auch den globalen Kontext an. Sie gab einen Anreiz, sich weiter über die Themen zu informieren bzw. aktiv an einer Verbesserung der Situation teilzunehmen. Mehr Informationen unter http://www.queensu.ca/msp/.