Die Energieversorgung ist seit jeher ein sensibler Wirtschaftszweig und damit ein Politikum. Seit einigen Jahren steht sie hoch auf der politischen Agenda der EU und gerät dabei zunehmend in die Kritik. Gründe hierfür sind neben den hohen Preisen vor allem die zu beobachtenden Konzentrationsprozesse und die größer werdende Macht der Energiekonzerne.
1. Entstehungsprozess und -bedingungen der (deutschen) Energiemultis
Mit der Genese der neuen europäischen Ökonomie traten Ende der 1980er Jahre öffentliche Dienstleistungen und mit ihnen die Energieversorgung stärker ins Zentrum der europäischen Wirtschaftspolitik. Die Bestrebungen der EU zu Wettbewerb und einem Binnenmarkt für Energie leiteten eine Welle von Fusionen und Übernahmen auf dem europäischen Energiesektor ein. Diese Welle hat – einhergehend mit weiterhin schwierigen Netzzugangsbedingungen vor allem in Deutschland und Frankreich sowie dem Austritt US-amerikanischer Unternehmen aus dem europäischen Markt – nahezu kontinuierlich zu einer Abnahme der Wettbewerbsintensität geführt (vgl. Haas et al. 2004: 71f). Privatisierung, Liberalisierung und De-/Re-Regulierung des Energiemarktes schufen die marktliberale Grundlage, auf der sich nationale und europäische „Champions“ und Global Player entwickeln konnten. Die europäischen Energie-Richtlinien haben im Zusammenspiel mit nationalen Politiken maßgeblich zu dieser massiven Konzentration und zur fortgesetzten Internationalisierung der Energiekonzerne beigetragen.
Waren zu Beginn des neuen Jahrtausends noch sieben europäische Konzerne bestimmend am europäischen Markt, so sind dies heute im Wesentlichen lediglich drei. EDF, RWE und E.ON beherrschen den europäischen Markt und lassen ihre Konkurrenten allenfalls eine national oder international relevante Rolle spielen. In Deutschland fanden die großen Verbundunternehmen bereits vor der Liberalisierung des deutschen Strommarktes 1998 privilegierte Bedingungen vor. Das Modell der konzessionierten Gebietsmonopole teilte den Markt unter den einzelnen Versorgungsunternehmen in Monopolgebiete auf.[1] Diese sind noch heute die Grundlage für die Machtstellung der großen deutschen Verbundunternehmen, sowohl am europäischen Markt als auch gegenüber den kommunalen Versorgern. Die seit der Liberalisierung noch gewachsene Oligopolstruktur des deutschen Energiemarktes steht paradigmatisch für die Entwicklung auf europäischer Ebene. Dabei wurde die starke Stellung der deutschen Global Player zudem durch enge Verflechtungen zwischen dem Wirtschaftsministerium und der Energiewirtschaft gefördert (vgl. Deckwirth 2007: 91). Die Entgelte für den Netzzugang wurden bis 2005 von den Unternehmen selbst – ohne den Einfluss einer Regulierungsbehörde – auf Vertragsbasis ausgehandelt. Diese europaweit einmalige Regelung führte zu einer Stärkung der bereits am Markt etablierten Konzerne und erschwerte den Eintritt von Wettbewerbern. Erst 2005 wurde der verhandelte Netzzugang durch den regulierten Netzzugang ersetzt.
An Stelle der zu Beginn der 1990er Jahre bestehenden neun Verbundunternehmen existieren in Deutschland heute lediglich vier. Neben RWE und E.ON, die einen Marktanteil von über 60 Prozent auf sich vereinigen, sind dies EnBW (zu 45 Prozent im Besitz von EDF) und Vattenfall Europe (Tochter des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall AB) (vgl. Brandt 2006: 5). Nach der Wiedervereinigung hatten die großen Energieunternehmen sämtliche ostdeutschen Energiekombinate unter ihre Kontrolle gebracht. Vor dem Hintergrund der in Brüssel seit Mitte der 1990er Jahre laufenden Liberalisierungsverhandlungen begannen die Verbundunternehmen, sich auf ihr Kerngeschäft, überwiegend im Elektrizitäts- und Gassektor, zu konzentrieren. Die entscheidende Phase der horizontalen Konzentration setzte dann nach dem Energiewirtschaftsgesetz von 1998 ein. Dieses sah im Gegensatz zum von der EU intendierten Stufenmodell eine sofortige und vollständige Öffnung des Energiemarktes vor. Von den nur noch vier Großversorgern sind vor allem RWE und E.ON im Besitz der strategisch wichtigen überregionalen und grenzüberschreitenden Übertragungsnetze (vgl. Dickhaus/Dietz 2004: 50). Das Energiewirtschaftsgesetz setzte außerdem eine Welle von Beteiligungen an Stadtwerken in Gang, nachdem diese zunächst zunehmend unter Preisdruck geraten waren. An fast allen Stadtwerken sind die Energiekonzerne mittlerweile beteiligt, so dass hier schleichende Privatisierungsprozesse zu verzeichnen sind.
2. Marktkonstellation im EU-Maßstab
In den letzten Jahren beginnen sich regionale Strom- und Gasmärkte innerhalb der EU zu entwickeln. Dies wird von der Europäischen Kommission als wichtiger Zwischenschritt zu einem funktionierenden Binnenmarkt begrüßt. Einerseits hängt der grenzüberschreitende Verkehr jedoch mit der Internationalisierung der Unternehmen zusammen. Andererseits sollen die in den letzten Jahren eingerichteten Strom- und Gasbörsen den grenzüberschreitenden Energieverkehr fördern. Von diesen profitieren zunächst einige Großabnehmer, vor allem aber wieder die Stromkonzerne selbst. Die Durchdringung der verschiedenen regionalen Märkte durch die drei europäischen Energieriesen ist unterschiedlich. So sind die deutschen Konzerne auf den Märkten in Mittel- und Osteuropa führend, EDF konzentriert sich auf die großen nationalen Märkte in Großbritannien, Italien, Deutschland und Frankreich. Bei den Unternehmen, die überwiegend im Gasbereich tätig sind, stellt sich die Situation komplizierter dar, auch hier gibt es aber regionale Konzentrationen.
Umsätze der acht großen europäischen Energiekonzerne 2005/2006
Konzern
Umsatz 2006 in Mrd. € (jährl. Steigerung in %)
E.ON
67,8 (+21)
EDF
58,9 (+15)
RWE
44,3 (+12)
Electrabel* Distrigaz* GDF
12,2 (+7) 3,8 (+29) 27,6 (+21) = 43,6
ENEL*
34,1 (+10)
Endesa*
18,2 (+33)
Vattenfall
16,1 (+18)
Iberdrola
11,0 (- 5)
Quelle: Thomas 2007: 3, eigene Darstellung (Anmerkung: Konzerne mit dem Kennzeichen * zeigen die Zahlen für 2005 an.)
Dass die drei umsatzstärksten Unternehmen aus Deutschland und Frankreich kommen, ist kein Zufall. Während in Deutschland die oben erläuterten Gebietsmonopole die guten Ausgangsbedingungen für die Verbundunternehmen lieferten, sicherte in Frankreich die späte Auflösung des staatlichen Monopols die Position von EDF.[2] In Großbritannien hat die Marktdurchdringung durch deutsche und französische Konzerne ebenfalls Ursachen in der Art der Marktöffnung. Hier wurde der Strommarkt für die industrielle Versorgung bereits 1990 geöffnet. Seit der Markt 1998 zu 100 Prozent liberalisiert wurde, haben zahlreiche vertikale Übernahmen stattgefunden, die – verbunden mit einer Unternehmenskonzentration – dazu geführt haben, dass mittlerweile EDF, E.ON und RWE den britischen Markt dominieren (vgl. Drews 2007: 52 ff).
Die EU-Kommission hat zwar einige Anläufe unternommen, auf eine bessere Vernetzung der Regulierungsbehörden hinzuwirken. Insgesamt aber nehmen die EU und ihre Mitgliedsstaaten die Oligopolisierung billigend in Kauf, so weit sie den formulierten Zielen der Union nicht entgegensteht. Als Prioritäten werden neben dem Binnenmarkt die Schaffung transeuropäischer Netze und eine funktionierende Nachbarschaftspolitik mit den Rohstofflieferanten verfolgt, um – so heißt es – „Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Umweltschutz“ (KOM 1995: Abs. 66) zu vereinbaren. Die Schaffung transeuropäischer Netze fördert die EU-Kommission vor allem durch die Finanzierung von Machbarkeitsstudien. Besondere Bedeutung kommt hier den Strom- und Gasnetzen zu, die den Anschluss an Nachbarregionen bilden, also z.B. den Gaspipelines von Algerien nach Spanien, Italien und Frankreich und der besseren Vernetzung mit Russland und Ländern im östlichen Europa. Hierbei sucht die Kommission bewusst die Einbindung der Industrie.
Dass die Vergrößerung der Regionalmärkte und Netzverbünde im Zweifelsfall Vorrang vor der mit den Energierichtlinien begonnenen Trennung von Netz und Betrieb hat, wird am jüngsten Beispiel einer Fünf-Länder-Koordination zwischen den französischen, deutschen und Benelux-Elektrizitätsunternehmen deutlich. Diese veröffentlichten am 6. Juni gemeinsam mit den Wirtschaftsministerien und Regulierungsbehörden eine Absichtserklärung zur Schaffung einer gemeinsamen regionalen Netzplattform. Die Kommission und das EU-Parlament hatten im Vorfeld verstärkt auf eine eigentumsrechtliche Trennung der Netze von den Stromanbietern gedrängt. Diese wird im Moment von 10 Mitgliedsstaaten abgelehnt. Die Verbesserung des regionalen Marktes kann als Zugeständnis verstanden werden, das der Energiekommissar noch am gleichen Tag in einer Pressemitteilung begrüßte (EU-Pressemitteilung IP/07/770). Auch die von ihm eigentlich verfolgte eigentumsrechtliche Trennung würde jedoch am Wenigsten den Nutzern und der öffentlichen Kontrolle zu Gute kommen. Die Instandhaltung der Netze wird zunehmend aufwändig, so dass die Energiekonzerne spätestens im Fall einer tatsächlich effektiven Preiskontrolle bei den Durchleitungsentgelten ein Eigeninteresse am Verkauf entwickeln würden. Unter besonderen Druck würden hier abermals die Stadtwerke geraten, die in Deutschland die meisten Verteilernetze betreiben und mit der Durchleitung Geld einnehmen. Als mögliche Anteilskäufer von Netzen stehen bei niedriger werdenden langfristigen Gewinnaussichten hingegen vor allem kurzfristig operierende Fonds zur Debatte. Die öffentliche Übernahme der Netze ist schon aus Kostengründen unwahrscheinlich und würde abermals die Gewinne auf die Konzerne und die Kosten auf die Öffentlichkeit verteilen.
3. Expansionsstrategien der Energiekonzerne
Die seit den 1990er Jahren betriebenen Multi-Utility-Strategien der europäischen Energieunternehmen sowie ihre Expansionsbestrebungen im Rest der Welt stellten sich zumeist als teure Fehlschläge dar. Seit einigen Jahren konzentrieren sich die Unternehmen deshalb zum einen auf den europäischen/eurasischen Markt und zum anderen auf ihr Kerngeschäft (Strom, Gas und Wasser). Die Expansion in diesen Bereichen verfolgten und verfolgen sie dafür umso konsequenter, besonders aggressiv im Verlauf der EU-Osterweiterung.
So ist RWE in Ungarn im Strom-, Gas- und Wassergeschäft tätig. Über Mehrheitsbeteiligungen beliefert die RWE Energy die Hauptstadt Budapest, deren Umfeld sowie den Nordosten Ungarns mit Strom. Im Gasgeschäft sind drei RWE-Tochtergesellschaften aktiv. Durch Anteile an den Budapester Wasserwerken ist der Konzern zudem am Wassermarkt beteiligt. In Tschechien koordiniert RWE über die Beteiligung an Transgas (Gasdistribution) die Gasverteilung und ist über den Besitz acht regionaler Unternehmen am Transitgeschäft zwischen Russland und Westeuropa maßgeblich beteiligt. In Polen ist RWE in allen Sparten des Kerngeschäfts tätig. Im Elektrizitätsgeschäft ist RWE durch die Beteiligungsgesellschaft RWE STOEN vertreten, den größten Elektrizitätsanbieter im Raum Warschau. In der Slowakei hält RWE Beteiligungen am Stromversorger VSE.
Die bedeutendste Akquisition RWEs in Westeuropa seit der Jahrtausendwende war die Übernahme des britischen Energiekonzerns National Power im Mai 2002. Damit avancierte RWEnpower zum größten Elektrizitätsversorger in Großbritannien. Auf dem US-amerikanischen Wassermarkt ist RWE mit der Übernahme des Wasser- und Abwasserdienstleisters American Water Works zum Marktführer aufgestiegen. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten trennte sich RWE 2006 sowohl von seiner britischen Wassersparte (Thames Water) als auch von seiner Umweltsparte (Entsorgungsdienste). Der Fokus der Aktivitäten liegt nun auf der Energieversorgung, mit einer anhaltenden Orientierung auf Mittel- und Osteuropa.
E.ON hat seit seiner Gründung im Jahr 2000 wohl die meisten Akquisitionen getätigt. Zentraleuropa stellt nach eigenen Angaben den wichtigsten Zielmarkt für das Strom- und Gasgeschäft des Konzerns dar. Neben dem Heimatmarkt ist der Konzern hier vor allem in der Schweiz, in Österreich und den Niederlanden vertreten. Seit 2002 ist E.ON durch die Übernahme von Powergen in Großbritannien aktiv. Hier ist der Konzern der zweitgrößte Stromerzeuger und ebenfalls unter den großen Gasanbietern. In Schweden ist E.ON seit der Übernahme der Aktienmehrheit von Sydkraft 2001 und der Beteiligung an Graninge der zweitgrößte Energieversorger nach Vattenfall. Auf dem osteuropäischen Markt gehörte E.ON zu einem der ersten Konzerne, die in Bulgarien aktiv wurden. Anfang 2005 übernahm das deutsche Unternehmen jeweils 67 Prozent der Elektrizitätsverteilungskonzerne Varna und Gorna Oryahovitsa, die über eine Million Kunden mit Strom versorgen. Auf dem ungarischen Markt ist E.ON nach eigenen Angaben marktführend im Elektrizitätssektor. In Tschechien ist E.ON über seinen Vorläufer Bayernwerk schon seit Mitte der 1990er Jahre aktiv gewesen. Durch Mehrheitsbeteiligungen ist der Konzern mittlerweile sowohl im Strom- als auch im Gassektor tätig und auf diesen Märkten nach eigenen Angaben zweitstärkstes Unternehmen (vgl. www.eon.com, „EON worldwide“). Der Einstieg in den rumänischen Markt erfolgte im Jahr 2005 mit den Mehrheitsbeteiligungen (51 Prozent) am rumänischen Elektrizitätsunternehmen Electrica Moldova und am Gasverteilungsunternehmen Distrigaz Nord, die jeweils über mehr als 1 Mio. Kunden verfügen.
Nach der gescheiterten Übernahme des spanischen Stromversorgers Endesa durch E.ON im April diesen Jahres steigt E.ON nun erstmals in den russischen Strommarkt ein: Ende Mai 2007 wurde mit dem Energieunternehmen STS ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet (E.ON-STS Energia). Schon seit einigen Jahren engagiert sich E.ON dort über die Beteiligung seiner Tochter E.ON Ruhrgas am Gasmonopolisten Gazprom. Auch der türkische Strommarkt wird nun in den Blick genommen (vorauss. Öffnung des Marktes für Privatinvestoren ab Ende 2007) (vgl. ebd.).
Der Übernahmewettlauf scheint sich fortzusetzen: Bis 2008 will E.ON weltweit circa 18,6 Mrd. Euro in Zukäufe investieren (vgl. Scheffels 2006, wdr.de). Dieses Geld ist Teil eines größeren Investitionsplanes, demzufolge der Konzern bis 2010 rund 60 Mrd. Euro in neue Kraftwerke (12 Mrd. Euro), das Gasgeschäft, erneuerbare Energien (nur 3 Mrd. Euro) und Zukäufe in Russland, der Türkei und in Südosteuropa (6 Mrd. Euro) fließen lassen will (FAZ-Online 2007).
EDF, Europas größter Stromversorger (2004 privatisiert), hat in Teilen immer noch den Charakter eines Staatskonzerns. Mehr als 60 Prozent seines Umsatzes macht EDF aktuell in Frankreich (vgl. EDF 2006: 10). Die Expansion außerhalb Europas wurde mittlerweile zur Konsolidierung der Marktpräsenz in den großen Strommärkten Deutschlands, Italiens und Großbritanniens zurück gestellt, während die Präsenz in Osteuropa eher marginal ist. In Nordeuropa ist EDF nicht vertreten (vgl. Thomas 2007: 5). Die 45prozentige Beteiligung an EnBW in Deutschland spielt für EDF hingegen eine entscheidende Rolle. So forciert EDF die Expansion der EnBW durch die bundesweite Strommarke Yellow. In Großbritannien ist es die 100prozentige EDF-Tochtergesellschaft EDF Energy, die eine wachsende Präsenz sichern soll, während diese Aufgabe in Italien der Mehrheitsbeteiligung (51 Prozent) am Großversorger Edison zukommt (vgl. EDF 2006: 20f). Deutliche Züge alter französischer Industriepolitik, nun allerdings europäisiert, trägt die Forcierung des Europäischen Druckwasserreaktors EPR durch EDF und die französische Regierung. Ein solcher Atomreaktor wird mittlerweile in Finnland gebaut. Der Bau in Flamanville, Frankreich, soll im Herbst beginnen. Federführend bei der Konstruktion und der Ausrüstung ist Areva, ein Joint-Venture von Siemens und der französischen Atomindustrie.[3] Ausdrücklich möchte EDF die Vernetzung mit EnBW besonders im Bereich Forschung und Entwicklung verbessern, auch mit Blick auf die von beiden Unternehmen betriebenen Atomkraftwerke (vgl. EDF 2006: 67). Es ist zu erkennen, dass EDF auf enge industrielle Verflechtungen und eine Konsolidierung auf den großen nationalen Elektrizitätsmärkten setzt. Dabei wird an die nach wie vor große Integration des eigenen Unternehmens angeknüpft (vgl. Fitoussi 2003: 118). Investitionen tätigt EDF in letzter Zeit vermehrt auch im Gasbereich. Dies betrifft vor allem den Aufbau eigener Speicherkapazitäten. Der Betrieb eigener Netze steht zunächst nicht auf der Agenda. Ob das langfristige Ziel, auch im Bereich der Gasversorgung zu den großen europäischen Akteuren zu gehören, erreicht werden kann, ist noch offen.
Für den anderen Teil des ehemaligen staatlichen Unternehmens EdF-GdF, Gaz de France, ist im vergangenen Herbst eine Fusion mit dem Multi-Utility-Konzern Suez vom französischen Parlament genehmigt worden. Diese würde den staatlichen Aktienanteil am Gesamtunternehmen auf dann 34 Prozent reduzieren (vgl. Beckmann 2007: 148). Die Fusion liegt wegen Verfassungsbedenken momentan noch auf Eis. Für den Fall, dass diese scheitern sollte, hat der neue französische Premierminister Fillon kürzlich eine Annäherung an das staatliche algerische Gasunternehmen Sonatrach ins Gespräch gebracht, das sich im Besitz erheblicher Gasreserven befindet (FAZ 24.5.07: 16). Jedoch bietet auch die Expansionspolitik von Suez gute Anknüpfungsmöglichkeiten, um einen bestehenden europäischen Riesen zu vergrößern. Suez, bis 2004 auch im Bereich der Telekommunikation tätig, konzentriert sich seitdem auf die Bereiche Energie/Energieanlagen, Wasser/Abwasser und Müllentsorgung/Recycling, ist mit Dienstleistungen und Anlagenbau weltweit tätig und erzielt vor allem in Europa steigende Gewinne (vgl. Suez 2006: 8). Durch die Mehrheitsbeteiligung an Electrabel kontrolliert Suez den Strommarkt in Belgien und hat eine hohe Präsenz in den Niederlanden und Luxemburg. In jüngster Zeit nehmen die Bestrebungen zu, im Bereich der Gasversorgung eine größere Rolle zu spielen, sowohl über die geplante Fusion mit GdF, als auch über eine erhöhte Beteiligung an der spanischen Gas Natural (FAZ 18.5.07: 20). In der Gassparte von Suez spielt die Belieferung mit flüssigem Gas eine wichtige Rolle. Hierbei ist Suez auf die Präsenz in anderen Teilen der Welt angewiesen. So wird Erdgas von Suez etwa in Trinidad und Tobago oder Nigeria verflüssigt, um es nach Europa und Nordamerika zu transportieren (vgl. Suez 2006: 15). Trotz der Konzentration am europäischen Markt und der Bestrebungen, sich in Westeuropa zu vergrößern, wird die Strategie von Suez also global orientiert bleiben, auch aufgrund der lukrativen Präsenz im Wasser- und Abwasserbereich sowie der Müllentsorgung etwa in Algerien, Indonesien, China und Nordamerika.
4. Ausblick
Mit ihrer Expansionspolitik verfolgen die großen Energiekonzerne Ziele, die sich durchaus mit denen der EU decken. Im Sinne der Rohstoffsicherheit ist dies vor allem die Expansion in den europäischen Randregionen. Dem osteuropäischen Markt kommt eine Brückenfunktion zwischen Westeuropa und Russland zu, das südöstliche Europa ist für die Durchleitung von Gas und Öl von strategischer Bedeutung, ebenso der mediterrane Raum. Nicht nur in diesen Regionen, sondern vor allem auf den Heimatmärkten der Konzerne erlangen diese jedoch Machtpositionen, die die öffentliche Kontrolle bedrohen und in der jüngsten Vergangenheit zu steigenden Preisen geführt haben. Wenn in der EU-Kommission auf eine materielle Entflechtung der Energiekonzerne gedrängt wird, dann geschieht dies keinesfalls nur im Gegensatz zu den Interessen der Konzerne. Die Oligopolisierung gerät zwar in einigen Mitgliedsstaaten zunehmend in die Kritik. Bisher ist sie jedoch nicht nur hingenommen, sondern etwa mit dem Energiewirtschaftsgesetz auch bewusst gefördert worden. Der Rhetorik der vergangenen Monate („Koch droht mit Zerschlagung“[4]) stehen also politische Interessenverflechtungen entgegen. Nicht zuletzt fördert die Widersprüchlichkeit des europäischen Wettbewerbsparadigmas selbst die Marktkonzentration. Alle Versuche, den Energiesektor unter demokratischer Kontrolle ökologisch und sozial umzugestalten, sollten hierzu also dringend eine kritische Distanz wahren.
Literatur
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Brandt (2006): Liberalisation, privatisation and regulation in the German electricity sector. Project Privatisation of Public Services and the Impact on Quality, Employment and Productivity (PIQUE) http://www.boeckler.de/pdf/wsi_pj_piq_sekstrom.pdf
Deckwirth, Christina (2007): Der Erfolg der Global Player: Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Infrastrukturdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Bieling, Deckwirth et. al. (2007), S. 65-91
Dickhaus, Barbara; Dietz, Kristina (2004): Öffentliche Dienstleistungen unter Privatisierungsdruck, Folgen von Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen in Europa. Studie des Projekts „Privatisierung und öffentliche Güter im Globalisierungsprozess“ in Kooperation mit weed, der Rosa-Luxemburg Stiftung und dem wissenschaftlichen Beirat von Attac, Berlin
Drews, Kathrin (2007): Privatisierung und Liberalisierung der öffentlichen Infrastruktur in Großbritannien: „TINA“ oder Paradigma einer gescheiterten Reorganisation?, in: Bieling, Deckwirth et. al. (2007), S.35-64
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Europäische Kommission (2001): Grünbuch – Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften
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E.ON: www.eon.com
FAZ-Online (2007): „E.ON investiert Milliarden“ (www.faz.net, 31. Mai 2007)
Fitoussi, Jean-Paul (2003): EDF, le marché et l’Europe, Paris
Haas, Reinhard, Hans Auer, Nenad Keseric, Georgiana Stefanescu (2004): Zur Zukunft öffentlicher Dienstleistungen. Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen in der Europäischen Union und Österreich. Auswirkungen auf Preise, Qualität Versorgungssicherheit und Universaldienste in den Sektoren Energie und Post, Wien, http://www.arbeiterkammer.at/www-402-IP-12523.html
RWE: www.rwe.com
Scheffels, Bodo (2006): „Energiekonzerne auf Einkaufstour“; http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/energiekonzerne/index.html
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Thomas, Steve (2007): Corporate concentration in the EU energy sector. PSIRU Report (www.psiru.org)
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[1] In diesem Modell untersagten einerseits Demarkationsverträge einem Versorgungsunternehmen, Dienstleistungen außerhalb des eigenen Gebietsmonopols anzubieten, andererseits sicherten Konzessionsverträge zwischen Kommunen und Versorgungsunternehmen den Anbietern das exklusive Recht der Belieferung.
[2] Hier wird das Monopol für die Belieferung privater Haushalte zum Juli 2007 fallen.
[3] Den Bausatz für ein Papiermodell des EPR gibt es unter http://www.areva-np.com/scripts/info/publigen/content/templates/show.asp?P=1464&L=DE. Die Anti-Atom-Kampagne Stop EPR ist erreichbar unter www.stop-epr.org .
[4] Vgl. dazu auch www.titanic-magazin.de/newsticker.html (26.6.2007).