Editorial

Dezember 2007

Das Heft widmet sich zu Beginn einem aktuellen Ereignis, der von der Krise der amerikanischen Hypotheken verursachten Unruhe an den internationalen Finanzmärkten. Jörg Huffschmid befasst sich dabei mit den Gründen für die wachsende Bedeutung der Finanzmärkte, die er in der Produktionssphäre verortet. Die neoliberale Politik der Umverteilung hat zu einem Überschuss der Gewinne geführt, die in der ‚realen’ Ökonomie keine Anlagemöglichkeiten mehr finden. Diese Überakkumulation führt zu einer Aufblähung der Finanzökonomie, welche krisenhaft auf die Produktionssphäre zurückschlägt. Daher reicht es nicht, Maßnahmen gegen krisenhafte Entwicklungen auf die Finanzmärkte zu beschränken, es muss an den Verteilungsverhältnissen in der Produktion angesetzt werden.

Fünf Beiträge dieses Hefts widmen sich dem Themenschwerpunkt Faschismus: Geschichte, Forschung Medien. Dass „die Zukunft gewinnt, wer die Erinnerung füllt, die Begriffe prägt und die Vergangenheit deutet“ – dieses Diktum des konservativen Historikers Michael Stürmer zum Auftakt des Historikerstreits 1986 – hat auch heute noch seine Gültigkeit und verdeutlicht den täglichen Deutungskampf, der mit der Darstellung und Wertung der Geschichte verbunden ist. Die mit den markanten historischen Jahrestagen und Daten, vom 90. Jahrestag der Oktoberrevolution, über den 9. November bis zum 75. Jahrestag der Machtübertragung an den deutschen Faschismus, einhergehenden Debatten veranschaulichen diesen Deutungskampf aufs Neue. Dabei steht aus deutscher Perspektive die Frage des Faschismus nach wie vor an zentraler Stelle, weshalb der Schwerpunkt des vorliegenden Heftes unterschiedliche Deutungsangebote der faschistischen Vergangenheit samt ihrer unmittelbaren Vorgeschichte behandelt.

Peter Scherer spannt am für Deutschland zentralen Datum des 9. November einen weiten Bogen von der 1848er Revolution über die Novemberrevolution 1918, den so genannten Hitler-Putsch 1923 bis zur Pogramnacht 1938 und dem Fall der Mauer 1989. Trotz der überwältigenden Erinnerung an den Terror von 1938 müsse die Linke im November 1918 das zentrale Datum eines eigenen, alternativen Entwicklungspfades erkennen. Faschismustheoretische Fragestellungen sind in Deutschland bis heute einem starken Ideologieverdacht ausgesetzt, gilt doch der Faschismusbegriff hier als politischer Versuch der Linken, den Kapitalismus zu diskreditieren. Guido Speckmann und Gerd Wiegel stellen in ihrem Beitrag eine ganze Reihe neuerer faschismustheoretischer Ansätze vor, die zumeist dem angloamerikanischen Raum entstammen. Die differenzierten Debatten der vergleichenden Faschismusforschung liefern den Autoren Hinweise, wie auch in Deutschland verschiedene Deutungsvarianten der NS-Herrschaft für eine moderne Faschismustheorie nutzbar gemacht werden könnten.

Vor allem der Fokus auf die ökonomischen Triebkräfte des Faschismus ist es, der die Faschismustheorie für seine Gegner so verdächtig macht. Das breit diskutierte Buch von Adam Tooze über die „Wirtschaft im Nationalsozialismus“ bestätigt viele Annahmen und Ergebnisse der Faschismusforschung, auch ohne dass der Autor sich als Vertreter dieses Ansatzes ausmachen lässt. Werner Röhr analysiert die umfassende Arbeit von Tooze und arbeitet detailliert ihre Stärken, aber auch ihre Leerstellen heraus. Das Bild der faschistischen Vergangenheit wird zu großen Teilen jedoch nicht von der Geschichtswissenschaft, sondern durch die mediale Inszenierung dieser Vergangenheit geprägt. Die Beiträge von Ulrich Schneider und Hannes Heer befassen sich mit Beispielen solcher medialer Vermittlungen. Während Schneider eine ganze Reihe solcher Darstellungen in den Blick nimmt, konzentriert sich Heer auf die Arbeiten des wohl erfolgreichsten Produzenten solcher Dokumentationen: Guido Knopp. Beiden Autoren geht es darum, die in diesen Beiträgen enthaltenen Geschichtsmythen zu identifizieren und zu verdeutlichen, welches massenmedial vermittelte Bild des Faschismus hier entworfen wird.

Im Themenschwerpunkt Medien: Hegemonie und Gegenhegemonie analysieren Dieter Dehm und Manfred Sohn – ausgehend von der Hegemonie-Theorie Antonio Gramscis – die Bedeutung des Mediensystems bei der Organisation und Stabilisierung politischer Macht. Gegenwärtig sei eine „Zergliederung der Medienindustrie“ zu beobachten, die nicht als ein Zeichen von Schwäche misszuverstehen sei. Eine auf die Herausbildung einer linken Gegenöffentlichkeit orientierte medien- und kulturpolitische Strategie müsse die Förderung und Organisation eigener Medien ebenso einschließen wie vielfältige Formen von Bündnispolitik mit Kulturschaffenden, „Stars“ und Wissenschaftlern.

Werner Biermann und Arno Klönne analysieren mit Bertelsmann einen der einflussreichsten Medienkonzerne der Welt. Dabei arbeiten sie heraus, wie insbesondere die Bertelsmann-Stiftung Einfluss auf verschiedene Politikfelder (von der Außen- bis zur Bildungspolitik) nimmt und nicht zuletzt als ein treibender Motor des Abbaus sozialer Rechte in der Bundesrepublik wirkt. Die Verbindung unternehmerischer Profitinteressen mit „gemeinnütziger“ zivilgesellschaftlicher und politischer Einflussnahme, wie sie Bertelsmann-Konzern und -Stiftung in der BRD betreiben, wäre in anderen Ländern (etwa den USA) ein Straftatbestand.

Weitere Beiträge in diesem Heft: Andrej N. Pjatakov untersucht, inwiefern die „Bolivarianische Alternative“ eine neue Perspektive für die Entwicklung Lateinamerikas bedeutet. Werner Seppmann erläutert die Aktualität einer kritischen Gesellschaftstheorie am Beispiel des theoretischen Werkes von Leo Kofler. Und Roman George zeigt in seiner Analyse des großen Telekom-Streiks die Ambivalenz von dessen Ergebnissen. Außerdem wieder zahlreiche Tagungsberichte und Buchbesprechungen.

Z 73 (März 2008) diskutiert die Aktualität der Marxschen Kapitalismuskritik mit Blick auf den Kapitalismus des 21. Jahrhunderts.