Die vereinigten Linken in Europa stehen vor dem Aus. Vom Süden Europas her scheint damit ein Projekt zur Neige zu gehen, das linken Parteien zu Beginn des 21. die Malaise des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu überwinden versprach. Die Niederlage des italienischen Linksbündnisses bei den letzten Wahlen wiegt schwer. Nicht nur für die italienische Linke, auch für die Europäische Linke (EL) und deren Mitgliedsparteien.
Italien: Parlament ohne Linke
Am 14. April des Jahres stand fest: Zum ersten Mal nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird keine linke bzw. kommunistische Partei im italienischen Parlament vertreten sein. Gründe hierfür wurden zahlreiche benannt, vor allem die beiden kommunistischen Parteien Italiens aber, die Comunisti Italiani (PdCI) und Rifondazione Comunista (PRC), streiten über die Ursachen ihres (gemeinsamen) Scheiterns.
Verbreitet ist die Aussage, die Regierungsbeteiligung unter Romano Prodi hätte die Niederlage begründet; in den Worten kommunistischer Parteimitglieder oft mit der „Entfremdung der Partei von den Arbeitern des Landes“ umschrieben. Wie sich eine derart schnelle und tiefe „Entfremdung“ in nicht einmal zwei Jahren Mitte-Links-Bündnis eingestellt haben soll, wird indes nicht erklärt.
Auf der Folie der Auseinandersetzung innerhalb radikal-linker Parteien zwischen Befürwortern und Gegnern von Regierungsbeteiligung als Juniorpartner unter kapitalistischen Vorzeichen wird in Italien darüber gestritten, ob Linksbündnisse verschiedener Parteien und Gruppierungen eine Chance für die Zukunft erhalten. Sowohl Befürworter als auch Gegner künftiger Parteienfusionen oder -kooperationen auf der Linken geben sich alle Mühe, die Frage der Zusammenarbeit ausschließlich entlang der zusammengeschusterten und glücklosen Listenverbindung „La Sinistra – L’Arcobaleno“ zu diskutieren und zu analysieren. Ein Blick in das europäische Ausland könnte behilflich sein, den Blick zu weiten und so manch aufschlussreichen Gedanken zu Tage fördern.
Gewandelte Milieus linker Parteien
Obwohl nicht alle westeuropäischen linken Parteien treue Anhänger des staatssozialistischen Modells sowjetischer Prägung waren, so traf auch sie die Auflösung des sozialistischen Lagers in Osteuropa hart. Im Ergebnis begannen als erste die skandinavischen kommunistischen Parteien mit einem umfassenden Reformationsprozess. Neben den jeweiligen Namen und Strukturen wurde auch die Programmatik zu Beginn der 90er Jahre der neuen Zeit angepasst. Im Süden Europas ist dieser Prozess noch immer nicht abgeschlossen, in manchen Ländern nicht einmal begonnen worden.
Nach Jahren der Konzentration linker Parteien auf den nationalstaatlichen Rahmen entspann sich fast zeitgleich ein lockerer Diskussionsfaden in Europa und die Arena hierfür war das Forum der Neuen Europäischen Linken (NELF). Gemeinsame Formulierungen wurden hier nur zaghaft gefunden. Debatten dienten eher der Selbstversicherung der eigenen Position. Vor allem die wachsende Stärke der skandinavischen Linksparteien mittels Verknüpfung roter und grüner Inhalte galt schnell als Patentrezept zur erfolgreichen Restauration kommunistischer Parteien.
Mit der Aufnahme nachhaltiger, ökologischer Politikansätze gelang es der skandinavischen Linken, neue Milieus für sich zu gewinnen, die den KPs bisher ablehnend gegenüberstanden. Diese Milieus, die weit in das liberale Bürgertum hineinreichten, wogen angesichts sozialstruktureller Veränderungen und der zunehmenden Auflösung traditioneller Arbeitermilieus zumindest quantitativ den Verlust des Rückhalts kommunistischer Parteien im klassischen Proletariat auf, öffneten sogar neue Zugänge zur Gesellschaft. Die Intelligenz, die neuen sozialen Bewegungen wurden sichtbare Subjekte für die sich reformierenden Linksparteien in Europa.
Auch in den südlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, in denen die Auflösung des klassischen Proletariats dank milliardenschwerer (Zukunfts-)Investitionen der EU vorangetrieben wurde, stellten sich für die klassischen kommunistischen Parteien mit ihrer traditionellen Betonung des Arbeiterklassenbezugs neue Aufgaben. Bislang hatten sie sich nicht veranlasst gesehen, einen ähnlichen Weg wie die GenossInnen im Norden zu gehen. Nun jedoch war und ist der Wandel der Arbeitswelt und der Gesellschaft auch in Spanien, Portugal, Italien und Griechenland nicht mehr zu übersehen.
Spanien: Die Vereinigte Linke im Auflösungsprozess?
Für die Kommunistische Partei Spaniens (PCE) ging es in den 1990er Jahren ums Überleben. Parallel zu ihr hatten sich so genannte neue soziale Bewegungen, NGOs und neue linke Parteien herausgebildet, deren Kontakte zur PCE wenig ausgeprägt waren. Zwar wurde das linke Parteienbündnis Izquierda Unida (Vereinigte Linke) bereits Mitte der 80er Jahre installiert, entscheidend wurde es für die radikale Linke jedoch erst gegen Mitte der 90er Jahre. Nach Jahren der internen Auseinandersetzungen in der PCE konzentrierten sich viele ihrer Mitglieder, vor allem aber Grüne, Linksintellektuelle und Mitglieder kleinerer linker Parteien auf die Vereinigte Linke. In dieser fanden sich neben der PCE auch die katalanische Esquerra Unida i Alternativa, der trotzkistische Espacio Alternativo, das Colectivo de Unidad de los Trabajadores-Bloque Andaluz des Izquierdas und weitere kleinere trotzkistische Gruppen wieder. Dieses Gemisch aus unterschiedlichen Stimmen(-gewichtungen) ließ die Formation zunächst attraktiv als Wahlalternative für die neuen Milieus und Anhänger sozialer Bewegungen werden. Elf Prozent der Wählerstimmen katapultierten das Bündnis mit über 20 Abgeordneten in die spanische Nationalversammlung. Zum Vergleich: Zu diesem Zeitpunkt bewegten sich eine Reihe links-kommunistischer Parteien in Europa zwischen vier und acht Prozent, manchen waren sogar weit von einem Parlamentsmandat entfernt.
In der Folge konnte die IU ihr Ergebnis nicht halten und fiel auf ein wohl realistisches Maß an Wählerzustimmung zurück. 2000 kam die Partei auf fünfeinhalb, vier Jahre später auf fünf Prozent. Für eine Legislatur stützte die IU die Minderheitsregierung der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) unter Ministerpräsident Zapatero, um schließlich am 9. März 2008 lediglich vier Prozent bei den Parlamentswahlen und zwei Abgeordnetenmandate zu erringen. Mag es noch an dem schwierigen Wahlsystem in Spanien gelegen haben, dass die IU trotz ihrer vier Prozent nur ein Prozent der Sitze im Parlament bekommen hatte und damit erstmals nach dem Tode des Diktators Franco keine radikal-linke Partei mehr den Fraktionsstatus inne hatte, so kann man das Wahlsystem gleichwohl nicht für die sinkende Akzeptanz der Partei unter der Bevölkerung verantwortlich machen.
Die PCE konnte in der Vergangenheit nie davon ablassen, den Führungsanspruch innerhalb des Bündnisses zu erheben. Gleichzeitig kam die Tolerierung der Zapatero-Regierung für die IU zu früh. Nicht weil, wie es Oskar Lafontaine auf dem ersten Parteitag der LINKEN in Cottbus 2008 feststellte, die IU neben der PSOE keine eigenen Positionen hatte, sondern weil sie derer zu viele hatte. In diesem Bündnis, das nicht nur die Schwäche linker Parteien durch Konzentration und damit das ewige Trauma der linken Zersplitterung aufheben wollte, gab es zu viele divergierende Positionen, die ein klares Bild und schließlich Andockmöglichkeiten für Bürger(bewegte) vermissen ließen.
Sie waren die ersten im Westen Europas, die den Schritt zu einer Vereinigten Linken erfolgreich gegangen sind und sie werden wohl auch die ersten sein, die diesen Schritt wieder zurücknehmen werden – viele meinen, spätestens auf ihrem bevorstehenden Parteitag im Herbst diesen Jahres. Zu tief sind die Gräben zwischen den verschiedenen Gruppierungen und Mitgliedsparteien, zu unterschiedlich die Analyse der Gesellschaft und die daraus resultierenden Handlungsanleitungen.
Eine vereinte europäische Linke ist gefragt
Diesen letzten Schritt möchte die Europäische Linkspartei (EL) freilich nicht vollziehen, dazu hat sie im Moment auch gar keinen Grund. Und doch: Die EL muss nun, will sie ihr Projekt einer vereinigten Linken fortführen können, Krisenherde innerhalb ihrer Mitgliedsparteien mittels eines europäischen Erfahrungsaustausches eindämmen und sich auf europäischer Ebene verstärkt dem Ziel einer vereinten Linken widmen.
Für die Etablierung der EL als gemeinsames Projekt linker Parteien in Europa war die Konzentration auf eine vereinigte Linke vollkommen richtig. Dieses Beispiel hat aber in den nationalen Parteien die Debatten über Vereinigungsprojekte in den jeweiligen Ländern verstärkt, ohne auch auf die Defizite vereinigter linker Parteien einzugehen. Zudem wird, im Besonderen bei der Heranziehung der EL als Beispiel, verkannt, dass den europäischen Parteien bislang eine gänzlich andere Rolle zugestanden wird, als den nationalen Parteien. Die EL kann weder gewählt werden noch zu Wahlen antreten. Sie kann versuchen, einen europäischen Konsens unter linken Parteien zu formulieren, jedoch ohne eine direkte Folge für die nationalen Mitgliedsparteien. Dieses Vorgehen reichte bislang aus, um linke Parteien in Europa wieder enger aneinander zu binden, vor allem weil keine Mitgliedspartei dadurch eigene Positionen preisgeben muss. Es reicht aber nicht, um mit diesem Konzept dauerhaft eine für die Gesellschaft handlungsfähige und erkennbare Linke zu formieren.
Die praktischen und theoretischen Vorarbeiten für eine das Konzept der vereinigten Linken weiterentwickelnde vereinte Linke sind in einigen Mitgliedsparteien bereits angelaufen. In Spanien beispielsweise haben Teile der IU erkannt, dass ein bloßes Vereinigen linker Parteien mit einigen neuen Mitgliedern, Inhalten und Impulsen zwar die für Jedermann offensichtliche und beklagte Zersplitterung linker Parteien beendet, aber dies nicht gleichbedeutend mit der Entwicklung einer neuen linken gesellschaftlichen Mehrheit ist. Letztlich hat nicht nur Zapatero nicht hinter einem wie auch immer gearteten Mitte-Links-Projekt gestanden, das darauf aus ist, nicht nur wahlarithmetisch eine Mehrheit zu gewinnen, sondern eine gesellschaftlich getragene Veränderung der bestehenden Verhältnisse herbei zu führen. Auch in der IU konnte dieser Klärungsprozess nie zum Abschluss gebracht werden.
Mit in zentralistischen Zirkeln orthodox-kommunistischer Parteien gefassten Positions- und Inhaltsbestimmungen lassen sich selbst in Griechenland und Portugal keine gesellschaftlichen Mehrheiten erreichen. Auch hier gereicht es zu maximal acht Prozent Zustimmung, mit sinkender Tendenz. Das hat der IU schließlich Niederlage auf Niederlage eingebracht.
Die EL, u.a. mit dem Ziel angetreten, auch auf europäischer Ebene mit einer starken linken Stimme für gesellschaftliche Mehrheiten zu werben, droht noch in den Geburtswehen abzusterben. Zwar war die Gründung der linken Europafraktion GUE/NGL Ende der 1990er Jahre ein beachtlicher Erfolg – zwischenzeitlich existierten im Europäischen Parlament mehrere linke Fraktionen bzw. Gruppen oder Einzelabgeordnete – aber bereits die Konstruktion als konföderale Fraktion konnte nur eine für eine Legislatur sein. Diesen Zeitrahmen hat die Fraktion längst überschritten und die Probleme in ihr wachsen. Die EL bietet ein anderes Modell, dessen Umsetzung nun in Gefahr geraten ist, da es nicht einmal ernsthaft in den eigenen Parteistrukturen weiterentwickelt und angewandt wird.
Die LINKE in Deutschland
Selbst die mittlerweile stärkste Mitgliedspartei der EL, die deutsche LINKE, läuft Gefahr, ein ähnliches Ende wie die IU in Spanien zu nehmen. Diese Aussage ist in Anbetracht der aktuellen und seit nunmehr einem Jahr konstanten Wahlumfragen mit über zehn Prozent für die Partei vermessen.
Und im Gegensatz zum spanischen Vorbild bilden DIE LINKE in Deutschland im Kern lediglich zwei Parteien. Eine von ihnen, die ehemalige PDS, hat sich in der Vergangenheit wesentlich mehr verändert als beispielsweise die PCE. Die zweite Partei, die WASG hingegen war eine sehr junge Formation, entstanden aus der Entfremdung sozialdemokratischer Politik von den sozialen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger. Hier haben wir es demnach nicht mit der Fusion vieler verschiedener Parteien wie in Spanien zu tun. Und auch wenn die Linke in Spanien einschließlich ihrer Geschichte wie auch gesellschaftlichen Verankerung mit der deutschen LINKEN nur in wenigen Punkten Gemeinsamkeiten aufweist, so darf nicht verkannt werden, dass die mit eingebrachten Strömungen beider fusionierten deutschen Parteien einen ähnlich stark ausgeprägten „Pluralismus“ darstellen, wie schließlich die Mitgliedsparteien der IU auch. Hinzu kommen verschiedene trotzkistische Strömungen, wie zum Beispiel Linksruck, die für sich die deutsche LINKE auserkoren haben und in dieser nun nicht unwesentlich aktiv werden.
In dieser organisationspolitisch nicht einfachen Situation aber arbeitet DIE LINKE lediglich mit so genannten programmatischen Eckpunkten und einer Bundestagsfraktion, die in Ermangelung eines politischen Programms der Partei nicht nur in der tagesaktuellen Politik Positionen der LINKEN zur Kenntlichkeit verhilft, sondern über diese hinaus seit über sechs Monaten öffentlich wie intern vor allem über strategische Fragen von Tolerierung, Koalition bis hin zur Negierung allein solcher Begriffe debattiert.
Auf der anderen Seite ist in Deutschland – wie auch in Spanien – der Ansturm aus den so genannten neuen sozialen Bewegungen auf die neue linke Partei ausgeblieben. Bislang bleibt die Partei somit ein Produkt zweier Parteien unterschiedlicher Tradition, kleiner trotzkistischer Strömungen und einiger neuer „glaubenden“ Mitglieder, die sich redlich bemühen, zwischen dem Traditionellen ihren Platz zu finden. Damit ist keine vereinte Linke zu basteln, eine vereinigte hingegen schon. So ähnlich hat es denn auch der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Gregor Gysi gesehen, als er auf dem Cottbuser Parteitag mahnte, dass DIE LINKE jetzt zwar ein Jahr vereinigt sei, jedoch noch keine gemeinsame Partei sei. Übersetzt: Was Neues ist das noch nicht.
Derweil jedoch wird in der Partei eine (starke) LINKE neben der Sozialdemokratie als europäische Normalität gepriesen. Recht haben diese Stimmen, wohl aber auch in einer bislang nicht gemeinten Richtung: Die reine Überwindung von Konkurrenz und Zersplitterung linker Parteien ist kein langfristiges und nachhaltiges Projekt zur Gewinnung gesellschaftlicher Mehrheiten. Denn Folge dieser bloßen Vereinigungspraxis ist auf lange Sicht die Aufgabe kenntlicher Positionen einer linken Partei nach außen wie nach innen.
Werden die sozialen Bewegungen überschätzt?
Doch wenn die Traditionen der eine neue Partei formierenden (Quell)Parteien die Bildung einer neuen vereinten Linken, ganz gleich welchen Typus, verhindern, woher kann dann die Initialzündung kommen? Mitglieder der deutschen LINKEN als auch der IU in Spanien haben auf diese Frage stets mit dem Verweis auf die neuen sozialen Bewegungen geantwortet. Neben individuellen neuen Mitgliedern setzten beide auf die in den 90er Jahren aus so genannten Ein-Punkt-Bewegungen hervorgegangenen sozialen Bewegungen und die „traditionellen“ Gewerkschaften. Wie jedoch sowohl in Spanien als auch Deutschland zu beobachten war, blieben die Reaktion in den neuen sozialen Bewegungen auf die jeweils neue Formation verhalten. War es die Skepsis gegenüber politischen Parteien generell? Oder war es nur die Skepsis, dass hier wirklich etwas Neues und Offenes den Kampf um die gesellschaftliche Mehrheit aufnehmen wollte? Oder wurde die Leistungsfähigkeit der neuen sozialen Bewegungen in beiden Ländern durch die neuen linken Parteien einfach überschätzt?
Mit Sicherheit wird es ein Dreiklang aus diesen Fragen gewesen sein. Neu ist allerdings die Vermutung, dass die neuen sozialen Bewegungen nicht über das Mobilisierungspotential verfügen könnten, das sie sich selbst gerne attestieren und das ihnen Dritte unterstellen. Viel eher deutet einiges in den letzten Jahren darauf hin, dass die Vereinigten Linken auf eine Gruppe von gesellschaftlich Aktiven gesetzt haben, die sich ebenfalls in einer strukturellen und/oder programmatischen Krise befinden. Diese Erfahrung musste schließlich im April 2008 schmerzlich Rifondazione Comunista machen.
Hier meinte die Führung um den langjährigen Vorsitzenden Fausto Bertinotti erkannt zu haben, was ihrer neuen Partei – nach dem Auseinanderbrechen der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) – zu einem erfolgreichen Neustart fehlte: Die Akzeptanz in den sich neu herausbildenden Milieus und linken politischen Aktionskreisen, den so genanten centri sociali. Fortan wurden diese von der PRC umworben. Weite Kreise der Eliten – ja auch diese gibt es in den neuen sozialen Bewegungen – wurden zuerst in die Politikerarbeitung und später in die entscheidenden Kreise der Partei eingebunden. Der enge Kontakt der Partei zu den neuen sozialen Bewegungen, die Einlassung von Parteimitgliedern auf deren Diskussions- und Aktionskreise verstellten zunehmend den Blick auf die aus den neuen sozialen Bewegungen selbst entstehenden politischen Aktionsradien und deren Akzeptanzen in der Bevölkerung.
Neben der Tatsache, dass mit dem programmatisch wie strategisch wenig profilierten Regenbogenbündnis Ende 2007 nicht nur der Gedanke der Wiedergründung der Kommunistischen Partei aufgegeben – durch Entfallen der traditionellen Symbolik – und somit die eigene Mitgliedschaft verwirrt zurückgelassen wurde, ist im Rückgriff auf das deutsche und vermittelt auch auf das spanische Parteienmodell ein Bündnis geschaffen worden, ohne die Idee einer eigenständigen Zukunft des Regenbogens zu haben. Und auch hier wieder: Die gründenden Parteien beharrten auf ihren Positionen, wollten gemeinsam gewählt werden, aber nicht gemeinsam kämpfen. Intrigen, unterschiedliche politische Aussagen und divergierende Auffassungen über Parteiorganisation ließen nicht mehr und nicht weniger als einen rot-grünen Wackelpudding entstehen.
Frankreich – Neue Bündnisse auf der Linken?
Ähnlich der Situation in Italien und Spanien befindet sich die traditionell aus der Gesellschaft und dem Parlament nicht wegzudenkende Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) in einer tiefen Krise und mit ihr die gesamte etablierte Linke, über die kommunistischen und sozialistischen Gewerkschaften bis hin zu der Sozialistischen Partei (PS) des François Hollande.
Sowohl für die radikale Linke als auch für die Sozialistische Partei gerät der Wahlsieg Sarkozys organisationspolitisch zur innenpolitischen Katastrophe. Eine gewisse Ausnahme macht die derzeit knapp 4.000 Mitglieder starke Ligue Communiste Revolutionnaire (LCR) um Oliver Besancenot und Alain Krivine. Die LCR setzt angesichts der Schwäche der beiden anderen Parteien links der Mitte innerhalb der radikalen Linken eindeutige Signale, die – glaubt man den Presseveröffentlichungen und Wahlumfragen seit 2007 – in der Bevölkerung Anklang finden und die LCR als (linke) Alternative erscheinen lassen.
Auch in Frankreich wird nach 2007 erneut über eine vereinigte Linke, hier unter dem Label „Nouveau Parti Anticapitaliste“, diskutiert. Die Initiative hierfür geht nicht, wie landläufig vermutet, von Besancenot und der LCR aus, sondern ist Ergebnis der im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2007 gegründeten lokalen und regionalen Runden Tische. Auf diese verständigten sich seinerzeit Mitglieder der LCR, der PCF und der neben der LCR zweiten, aber kleineren trotzkistischen Partei, Lutte Ouvriere um Arlette Laguiller.
Im Zuge der Vorbereitungen des Präsidentschaftswahlkampfes wollten die Parteien, unter Einbindung des Bauernführers José Bové, eine „anti-neoliberale Einheitskandidatur“ gegen Segolène Royal und Nicolas Sarkozy ins Rennen schicken und die Kraft aus dem für die radikale Linke erfolgreichen Kampf gegen den EU-Verfassungsvertrag mitnehmen. Doch die Differenzen waren augenscheinlich unüberwindbar. Im Gegensatz zur italienischen Linken zerbrach das Bündnis weit vor den Wahlen und so traten alle Parteien der radikalen Linken getrennt mit ihren jeweiligen ProtagonistInnen an. Dies geriet vor allem für die PCF zur Katastrophe, deren Parteivorsitzende Marie-George Buffet nur 1,9 Prozent der Stimmen erreichte. Besancenot konnte sein Ergebnis aus dem Jahre 2002, als der damals völlig unbekannte Postbote zum ersten Mal als Präsidentschaftskandidat antrat, dagegen mit vier Prozent halten.
Die PCF, die seit Mitterand auf strategische Bündnisse mit der PS setzte, das Konzept der „Gauche unitaire“ in dessen Folge als strategisches Projekt entwickelte und sich gleichzeitig den neuen sozialen Bewegungen – in Frankreich auch als globalisierungskritische Bewegung oder Altermondialisten bekannt – empfehlen wollte, hat durch die dabei ausgelösten innerparteilichen Strömungsauseinandersetzungen seine nach 1990 entstandene Reformkraft verloren.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass gerade die undogmatische trotzkistische Partei LCR der großen, traditionsreichen PCF Angebote für ihr politisches Überleben macht. Diese anzunehmen oder nur zu debattieren fällt im Besonderen der orthodoxen Minderheitenströmung der PCF wie auch der Führung der Partei ungemein schwer. Denn die LCR ist Produkt der Revolten von 1968, in deren Folge sich der größte Teil des Jugendverbandes der PCF von der Mutterpartei lossagte und die LCR gründete. Hintergrund war bereits zum damaligen Zeitpunkt die Weigerung der „Grand Parti“, sich mit den revoltierenden Studierenden zu verbünden und diese zu unterstützen.
Die Parlamentswahlen 2007 zementierten denn auch mit gerade mal 15 Sitzen in der Nationalversammlung die Probleme der PCF. Der Fraktionsstatus konnte nach den Parlamentswahlen 2007 mit 15 Sitzen in der Nationalversammlung nur durch die Aufnahme der Grünen und einiger einzelner Abgeordneter zur Fraktion „Gauche démocrate et républicaine“ gewahrt werden.
Im Moment deutet nichts daraufhin, dass noch vor den Europawahlen 2009 ein neues Linksbündnis in Frankreich unter Einbindung der PCF entstehen kann. Die LCR hält an der Idee einer „Nouveau Parti Anitcapitaliste“ (NPA) jedoch fest. Für sie ist die Gründung einer solchen Organisation das erstrebenswerte Ergebnis der gescheiterten regionalen Runden Tische in Vorbereitung eines linken Präsidentschaftswahlkampfes und die logische Konsequenz aus der Niederlage der Linken bei den Parlamentswahlen 2007. Die Vereinung der verschiedenen Parteien der radikalen Linken und einiger „linker“ Mitglieder der PS soll sich dabei, so der Vorschlag, auf einer inhaltlichen Grundlage vollziehen.
Im Unterschied zu Deutschland, Spanien und Italien soll dieser Schritt nicht nur aus einer strategischen Schwäche der Linken insgesamt und aus deren Zersplitterung heraus erfolgen. So fanden bislang vereinzelt Tagungen so genannter „Initiativkomitees für eine Neue Antikapitalistische Partei“ statt.
Insbesondere nach den für die LCR sehr erfolgreichen Rathauswahlen im März 2008, als die Partei dort wo sie antrat über vier Prozent, in einigen mittleren Städten sogar weit über zehn Prozent erhielt, ist es für die PCF und auch für die radikale Linke innerhalb der Partei schwerer geworden, sich auf das Projekt NPA einzulassen. Wohl aufgrund strategischer Hilflosigkeit bezieht sich nun die Parteilinke in der PCF nach den für die deutsche LINKE erfolgreichen Landtagswahlen im Westen der Republik auf die Parteifusion der östlichen Nachbarn. So könne man sich vorstellen, nach dem deutschen Vorbild ein ähnliches Bündnis unter Einbeziehung der PCF, LCR, linker Aktivisten der PS und Mitglieder der neuen sozialen Bewegungen zu etablieren.
Doch nicht nur in diesem Herangehen ist das Scheitern des Projektes vorprogrammiert. Auch im Hinblick auf die Konzentration der PCF und der LCR auf die neuen sozialen Bewegungen scheinen tiefe Probleme für dieses rein machttaktisch motivierte Fusionsprojekt verborgen zu liegen. Nicht nur die regionalen Runden Tische im Vorfeld des Präsidentschaftswahlkampfes 2007 und die Mobilisierung gegen die EU-Verfassung in Frankreich haben deutlich gemacht, dass weite Teile der Altermondialisten entweder eh Militanten der LCR oder PCF sind oder sich generell nicht auf ein solches Fusionsprojekt einlassen wollen. Die Angst vor einer Dominanz einer vereinigten Linken und ihrer neuen Mitglieder durch die beiden Linksparteien ist groß.
Fazit
Die italienische PdCI hat ihren „Klärungsprozess“ mit ihrem Parteitag Mitte Juli bereits begonnen, Rifondazione wird diesen Ende Juli starten. Die PdCI hat sich zur vereinigten Linken in Italien bekannt, wenn auch nicht mit überwältigender Mehrheit. Derzeit konkurrieren vor allem zwei Strömungen um die Mehrheit der Partei. Beide setzen auf eine vereinigte Linke in Italien, die einen jedoch als neue kommunistische Partei und die anderen als bewegungsoffene Vereinigung, gleich dem Regenbogenbündnis.
Die Debatte in der PRC dürfte noch mehr Zerwürfnisse und Gegensätze zu Tage fördern. Tiefe Debatten über Linksbündnisse, neue kommunistische Parteien, Vereinigte Linke oder Vereinte Linke sind aber in den kommenden Monaten weder in Italien noch in Spanien zu erwarten. In Deutschland bleibt diese Frage bis auf weiteres unbeantwortet, sowohl in der vereinigten LINKEN, als auch in den neuen sozialen Bewegungen. Und in Frankreich wird die LCR auf absehbare Zeit keinen Partner für ihre inhaltlichen Auseinandersetzungen links der PS finden, während die PCF ihre Stärke der vergangenen Jahrzehnte weiterhin betonen und sich ausschließlich innerparteilichen Machtspielen hingeben wird. Denkbar wäre jedoch auch, dass aus der Not heraus in den kommenden Jahren doch ein Linksbündnis in Frankreich entsteht, Altermondialisten eingeschlossen. Wie breit und wie instrumentell dieses sein wird hängt nicht zuletzt auch von den gemachten Erfahrungen europäischer linker Parteien im Ausland ab.