Rund 80 Personen nahmen an der diesjährigen INKRIT-Konferenz zur Arbeit am Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus (HKWM) teil. Zu Beginn der Konferenz wurden die letzten Argument-Projektredaktionen kritisch diskutiert und die Schwerpunkte der kommenden Heftnummern der Jahre 2008 und 2009 besprochen. Geplant sind folgende Hefte „Lateinamerika“ (276), „Kultur“ (277), „Kriminalroman“ (278), „Ökologie“ (279) (2008) 2009 folgen ein Doppelheft „Intellektuelle im High-Tech-Kapitalismus“ (280), ein Heft der Frauenredaktion zu „Sozialarbeit“ (281), „Gewerkschaftspolitik und internationale Arbeiterbewegung“ (282), „Nietzsche/Marx“ (283) und zu „Massenkultur“ (284). Im kommenden Jahr wird das Argument 50 Jahre alt, weshalb die INKRIT-Konferenz 2009 mit einer Jubiläumsveranstaltung zusammengelegt und in Berlin stattfinden wird.
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Entsprechend der üblichen Arbeitsweise auf der Konferenz stellten einige AutorInnen ihre sich in sehr unterschiedlichen Stadien der Bearbeitung befindenden HKWM-Artikel vor. Dabei handelte es sich um Stichworte für den Band 7/II (Kn –Kri), der 2009 erscheinen soll. Werkstattthemen waren Konkurrenz, Kräfteverhältnis, Kredit, Konterrevolution, Kopftuchstreit, Das Kapital lesen, Krieg/Frieden, Kriegsverbrechen, Kompromiss, Kontingenz, Kommandohöhen, Knechtschaft, Kohärenz und Kommunikation.
Jens Wissel referierte das von ihm verfasste Stichwort „Kräfteverhältnisse“. Wissel untersuchte die Verwendung und den Stellenwert des Begriffs bei Marx, Engels, Lenin, Gramsci, Poulantzas, aber auch Foucault. Die Kräfteverhältnisse beziehen diese hauptsächlich auf Klassenverhältnisse. Doch Marx habe den Terminus schon differenziert verwendet (z.B. in den politischen Schriften – Klassenkampf bleibt nicht auf zwei Klassen beschränkt), Lenin und Kautsky hätten ihn aber expliziter benannt. Gramsci habe Rosa Luxemburg dafür kritisiert, Kräfteverhältnisse auf ökonomische Verhältnisse zu reduzieren. Poulantzas bezog schließlich den Begriff der Kräfteverhältnisse auf die Verhältnisse in den Staatsapparaten. Auch betrachtete dieser Geschlechterverhältnisse als eigenständige, aber von Klassenverhältnissen durchdrungene Verhältnisse. Am Beispiel des Hitler-Stalin-Pakts kritisierte Wissel, dass der Begriff in der UdSSR in stalinistischer Dogmatik als Rechtfertigungsideologie verwendet worden sei. Wolfram Adolphi vermisste eine historisch-konkrete Analyse von Kräfteverhältnissen und einen Bezug auf die Revolutions-Erfahrungen des 20. Jh. Gerhard Zimmer bemerkte, dass es wichtig sei, die gegenwärtigen Kräfteverhältnisse zur Sprache zu bringen, z.B. solche in den Gewerkschaften und an den Hochschulen.
Zu „Kredit“ sprach Thomas Sablowski. Er kritisierte sowohl Positionen innerhalb der Linken, die die Kapitalismuskritik auf eine Kritik des Finanzkapitals verkürzen ebenso wie solche, die diese Kritik als unwesentlich abtun. Dagegen sei es gerade unter den Bedingungen globalisierter Finanzmärkte wichtig, den Stellenwert des Kredits zu begreifen. Grundsätzlich ist der Kredit das Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger. Das Kreditwesen entstand aufgrund der Ungleichzeitigkeit zwischen Investition und Ergebnis in der Landwirtschaft und führte zu einer finanziellen Umverteilung. Es wurde somit zu einem wichtigen Element kapitalistischer Entwicklung, das allerdings mit Widersprüchen behaftet sei. Denn es sei nicht nur ein entscheidender Hebel, um den Kapitalismus voranzutreiben, sondern wirke auch als enorm krisenverschärfendes Instrument, wenn z.B. eine Kreditverknappung eintritt. Eine Krisentheorie bleibe daher ohne eine Kredittheorie unvollständig.
Zum Stichwort „Krieg/Frieden“ sprach u.a. Normen Paech. Er problematisierte die offizielle, hegemoniale Verwendung bzw. Nicht-Verwendung der Bezeichnung Krieg mit Hinweis auf den Krieg in Jugoslawien, in Gaza/Palästina oder Libanon. Paech kritisierte vor allem die Position Herfried Münklers, der behauptet, dass Frieden erst mit der Entstehung der modernen Nationalstaaten möglich geworden sei. Davor habe es nach dessen Meinung eine ständige „Belligerenz“ (also eine permanente kriegerische Situation) gegeben. Dagegen stellt Paech, dass gerade Krieg Generator für Staatlichkeit gewesen und außerdem der „innere Friede“ im Staat immer schon Ausdruck innerer Gewaltstrukturen war. Gegenwärtig unterliege der Kriegsführung der großen Mächte ein gewandelter Sicherheitsbegriff. Nach diesem gehe es nicht mehr nur um die Verteidigung nationalstaatlicher Grenzen, sondern um die globale Sicherung materieller Interessen (Energie, Rohstoffe, Einfluss). Gleichzeitig würden die Kriege in die Metropolen verlagert, und diese Angriffe würden als Legitimation für eine neue Form abendländischer Kreuzzüge benutzt und gleichzeitig mit dem heuchlerischen Verweis auf Nationenbildung, Demokratie und Menschenrechte legitimiert. Neu an diesen „Neuen Kriegen“ (Münkler) sei aber nicht die Asymmetrie der Kombattanten, sondern die Tatsache, dass sie unter den Verhältnissen eines neuen globalen Kapitalismus stattfinden.
VerterterInnen des Hochschulgruppenverbandes DieLinke.SDS waren anwesend und warben für Unterstützung eines bundesweit geplanten Kapital-Lesen-Projektes. In diesem Rahmen stellte Richard Gebhard von der Marx-Lesegruppe Aachen seine Erfahrungen mit Marx-Lektüre-Kursen vor. Da Marx kaum noch an der Uni gelehrt wird, es aber gleichzeitig ein steigendes Bedürfnis von Studierenden gibt, sich mit Marx bzw. kritischer Wissenschaft zu beschäftigen, muss der Zugang zu kritischem Wissen erleichtert werden. Wie die Studierenden mitteilten, gäbe es bereit 25 Kapitallesegruppen und bundesweite Wochenendseminare, sowie Ausbildungen von „Kapital-TeamerInnen“.[1]
Leider gab es diesmal keine Plenarveranstaltungen zu nicht stichwortbezogenen aktuellen politischen Themen. Es wäre z.B. angebracht gewesen, über die Niederlagen der Linken in Frankreich und Italien zu[1] Vgl. den Bericht von W. Windisch zur „Kapital“-Lesebewegung in diesem Heft (Red.)