Ein Ende der seit Frühjahr 2007 wütenden globalen Finanzkrise ist weiterhin nicht in Sicht. Das Krisenpotenzial wird die Finanzmärkte und die Investoren noch die nächsten Jahre beherrschen. Was bis vor kurzem von den wirtschaftlich-politischen Eliten bestritten wurde, ist jetzt außer Zweifel: Die globale Finanzkrise wird begleitet von einer gravierenden, langwierigen Abschwächung der realen gesellschaftlichen Wertschöpfung der Weltwirtschaft.[1] Der Crash im Bereich der Hypothekenkredite enthüllte die scheinbare Prosperität, die sich in den zurückliegenden Jahrzehnten – den industriellen oder konjunkturellen Zyklus übergreifend – im Kontext der chronischen Überakkumulation ausgebildet hatte.[2]
Infolge der Verallgemeinerung der Krise reißen weitere Zahlungsketten. Die Geldkrise, bestimmt als besondere Phase jeder allgemeinen Produktions- und Handelskrise, ist wohl zu unterscheiden von jener speziellen Sorte der Krise, die man auch Geldkrise nennt, die aber selbständig auftreten kann, so dass sie auf Industrie und Handel nur rückschlagend wirkt. Es sind diese Krisen, deren Bewegungszentrum das Geldkapital ist, und daher sind Banken, Börsen und sonstige Finanzinstitute das eigentliche Terrain der Verwüstung.
Ursachen und Funktion der Finanzmarktkrise
Für den hinter der eigentlichen Finanzkrise liegenden, jetzt zusammengebrochenen Kreditboom gilt: „In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang des Reproduktionsprozesses auf dem Kredit beruht, wenn da der Kredit plötzlich aufhört und nur noch bare Zahlung gilt, muss augenscheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer Andrang nach Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick stellt sich daher die ganze Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise dar.“[3]
Ausgangspunkt war eine Kreditkrise, die eine durch den Kredit bewirkte Ausdehnung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses ausdrückt. Rückschlagend verstärkt die Diskontinuität den Krisenprozess. Es werden bloße Schwindelgeschäfte sichtbar, „ferner mit fremdem Kapital getriebene, aber verunglückte Spekulationen; endlich Warenkapitale, die entwertet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie mehr einkommen können. Das ganze künstliche System gewaltsamer Ausdehnung des Reproduktionsprozesses kann natürlich nicht dadurch kuriert werden, dass nun etwa eine Bank, z.B. die Bank von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende Kapital gibt und die sämtlichen entwerteten Waren zu ihren alten Nominalwerten kauft. Übrigens erscheint hier alles verdreht, da in dieser papiernen Welt nirgendswo der reale Preis und seine realen Momente erscheinen, sondern nur Barren, Hartgeld, Noten, Wechsel, Wertpapiere.“[4]
Das kapitalistische Weltsystem wird durch die schwersten Turbulenzen des Finanzsystems seit der Weltwirtschaftskrise 1929 erschüttert. Auslöser der globalen Krise war der Zusammenbruch einer Vermögensblase, die sich auf einigen Immobilienmärkten gebildet hatte; unzweifelhaft hatte die Fehlentwicklung des Hypothekenmarktes in den USA das größte Gewicht. Das Platzen dieser Blase löste den Zusammenbruch eines weit umfangreicheren Kreditbooms aus.[5] Die Wertpapierbörsen sind gegenüber den Höchstständen von Oktober 2007 um 40-50 Prozent abgewertet[6] und für viele der nicht an den Börsen gehandelten Papiere bestimmen Notverkäufe das Preisniveau.
Dazu der Vorsitzende der US-Notenbank, Bernanke, im Januar 2009: „Obgleich das Debakel auf dem Subprime-Markt die Krise auslöste, waren die Entwicklungen auf dem US-amerikanischen Markt für Hypothekenkredite nur ein Aspekt eines sehr viel größeren und sehr viel umfassenderen Kreditbooms. Elemente des umfassenderen Kredit-Booms waren die Erosion von Haftungsstandards … Investoren und Ratingagenturen haben die Übersicht verloren, wachsende Abhängigkeit von komplexen und undurchsichtigen Kreditinstrumenten.“[7]
Im Klartext: Das Finanzsystem hat sich seit längerem vom realen Verwertungsprozess des Kapitals entkoppelt. Wertpapiere kann man nicht essen. Alle diese Produkte haben einen harten Kern: Ihre Eigentümer haben einen Anspruch (in Form von Zinsen) auf die Ergebnisse der wirtschaftlichen Gesamtleistung. Die Formen des leistungslosen Einkommens hatten ein Mehrfaches der verteilbaren jährlichen Resultate der Realökonomie erreicht. Vor Beginn des Crashs im Frühsommer 2007 war der Finanzüberbau, dieses artifizielle Kunstwerk über der globalen Realökonomie, wertmäßig knapp viermal zu groß. Es war überfällig: Die Pyramide von Ansprüchen auf künftig zu produzierenden gesellschaftlichen Reichtum bricht vor unseren Augen zusammen.
Die aktuellen Korrekturen an den Börsen laufen auf eine Redimensionierung oder Vernichtung von Eigentumstiteln (= Ansprüchen auf Teile des gesellschaftlichen Reichtums) hinaus. Der Großteil der Finanzinstitute schreibt Verluste, weil sie verbriefte Kredite in ihre Bücher genommen haben, die notleidend geworden sind. Sie haben also Probleme, weil die Werte der Aktiva gesunken sind und noch weiter sinken. „Die Rückwirkungen der seit dem vierten Quartal 2008 eingesetzten Rezession auf den Finanzsektor werden dazu noch weiter beitragen. Ob die betroffenen Institute insolvent oder nur illiquide sind, ist nicht ohne weiteres zu erkennen.“[8] Die hier vertretene These soll verdeutlichen: Gegenwärtig versuchen die zentralen Notenbanken, die Einlagensicherungsfonds, die staatlichen Agenturen zur Verwaltung des öffentlichen Eigentums (respektive der öffentlichen Schulden), den umfassenden Entwertungsprozess durch frisches Kapital aufzuhalten. Durch diese Politik wird die Finanzkrise verlängert und zugleich der großen Mehrheit der Bevölkerung (als Steuerzahler) die Lasten der Krise aufgebrummt.
Der US-Ökonom Roubini sieht wenig Grund zur Entwarnung, denn das US-amerikanische Bankensystem sei im Grunde insolvent[9]. Im Verlauf der Finanzkrise seien allein in den USA bis Ende 2008 rund 3,6 Bio. Dollar Verluste angefallen. Die Hälfte davon, also 1,8 Bio. Dollar, müsse von den Banken und Brokern getragen werden. Deren Grundkapital, mit dem sie diese Verluste abdecken könnten, liegt aber nur bei 1,4 Bio. Dollar. Seine Schlussfolgerung: „Dies ist eine systemische Bankenkrise.“
Kern der Krise ist eine massive Immobilienblase in den USA. Dort existieren Kreditverträge über rund 12 Bio. US-Dollar. Da die Häuserpreise seit 2007 sinken, werden immer mehr Hypothekenkredite notleidend, d.h. sie können nicht mehr mit Zinsen und Tilgungsraten bedient werden. Ende Dezember 2008 wiesen 8,3 Mio. oder rund 20 Prozent aller Hypothekarverträge einen Schuldbetrag auf, der über dem Wert des Wohneigentums liegt. Bei weiteren 2,2 Mio. Verträgen seien die Schulden nur noch um höchstens 5 Prozent kleiner als der Wert des belehnten Objekts. Zudem ist festzuhalten, dass der Marktwert des Wohneigentums in Amerika innerhalb eines Jahres um 2,4 Bio. Dollar gefallen ist. Mittlerweile hat diese Krise alle Segmente des Hypothekensektors erfasst und neben den Konsumentenkrediten (Kreditkartenschulden, Automobil- und Ausbildungskredite) sind auch Teile der Unternehmenskredite notleidend.
Neoliberale Politik hat seit Jahrzehnten die Konsumenten zur Verschuldung ermutigt. Die bürgerliche Gesellschaft in den USA hat über ihre Verhältnisse gelebt. Das zeigt sich an dem aufgehäuften Schuldenberg der privaten Haushalte, der unter dem wachsenden Druck der Verteilungskonflikte nicht abgetragen werden kann. Dies zeigt sich weiter neben einer extrem hohen Verschuldung der kapitalistischen Unternehmen auch bei der öffentlichen Verschuldung (über 10 Bio. US-Dollar) und der extremen Abhängigkeit der USA vom Kapitalzufluss, um die vielfältigen Konsumansprüche aufrecht erhalten zu können.
Seit Mitte der 1970er Jahre treten mehr und mehr Phänomene einer chronischen Überakkumulation in Erscheinung. Das enorm gewachsene Gewicht der Eigentums- und Vermögensbestände bricht sich über die Bewegung des Geldkapitals Bahn. In den Verteilungsverhältnissen registrieren wir schrittweise die Hegemonie des leistungslosen Einkommens (Zinsen). Der Übergang zu weitgehend unregulierten Geld- und Kreditmärkten setzte eine beschleunigte Akkumulation des Finanzkapitals in Gang – allmählich bildete sich die finanzielle Globalisierung heraus. Diese Entwicklung unterstützte den Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik zum Neoliberalismus: Mit Deregulierung, Privatisierung und Umverteilungspolitik wurde die Dynamik des Finanzkapitals politisch gefördert. „Eine Weile kann durch diese Umverteilung die Leistungsfähigkeit der ‚realen Ökonomie’ zum Schuldendienst an den Finanzsektor aufrechterhalten werden, jedoch nicht auf Dauer, weil ihre Substanz unterminiert wird.[10] … Die Umverteilung der Einkommen zugunsten der Geldvermögensbesitzer löst nicht nur sozialen Widerstand aus, sondern hat auch eine Reduktion der Massennachfrage zur Folge, die für den reibungslosen Absatz von Waren oder auch zur ‚ordentlichen’ Bedienung von Hypothekenschulden fehlt.“[11]
Diese Politik der Nachfragebelebung durch Kredit wurde begleitet von einer radikalen Liberalisierung der Finanzmärkte. Wäre das enorme Kreditvolumen durch die Zentralbanken, die staatliche Bankenaufsicht und – dadurch veranlasst – von den Finanzunternehmen selbst umsichtig gemanagt worden, hätte das Risiko in Grenzen gehalten und auf das Grundgeschäft beschränkt bleiben können. Wäre es untersagt gewesen, die Hypothekendarlehen zu verbriefen, wären zwar auch Stützungsaktionen für Banken unvermeidlich geworden, aber der jetzt gegebene Systemcrash wäre uns erspart geblieben. Deregulierter Kapitalverkehr und Aufweichung der Haftungsregeln auf dem Finanzmarkt haben das Risiko erheblich vergrößert und weltweit verbreitet. Es ist deshalb auch von Grund auf falsch, die Analyse der Finanzkrise auf den US-Immobilien- und Hypothekenkreditmarkt zu verengen. Was jetzt auf der Tagesordnung steht, ist eine völlige Neuorganisation des internationalen Finanz- und Währungssystems. Dies ist umso notwendiger, weil die gegenwärtige Sanierung des Finanzmarktes das Kreditvolumen weiter massiv gesteigert hat, sowohl durch private als auch durch staatliche Verschuldung.
In allen OECD-Ländern sind aufgrund stagnierender Einkommen die Konsumausgaben der privaten Haushalte im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen kräftig gestiegen. In den USA fiel zudem die Sparquote der privaten Haushalte im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen von 1993 bis 2006 von rund sechs auf unter ein Prozent. Und in der Zeit von 1995 bis 2007 sind die Schulden im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen von 75 auf 140 Prozent gestiegen.
In der Krise werden die Marktpreise von Vermögens- und Eigentumstiteln schlagartig an die Realökonomie angepasst. In der faktischen Konstellation einer blitzartigen Insolvenz des Bankensystems und deren Rückwirkungen sucht die Mehrheit der politischen Klasse durch Staatsintervention einen Ausweg. Die Konsequenz in der Krise: Die staatlichen Mittel für Kapitaleinschüsse und Garantien zur Rettung der Finanzinstitute übertreffen das in den USA im September verabschiedete 700 Mrd. Dollar schwere Rettungspaket um mehr als das Zehnfache. Bei der Addition der Einzelposten (Zentralbank und Regierung) kommt man auf 9.500 Mrd. Dollar. Das ist mehr als die Hälfte des amerikanischen Inlandsprodukts. Im Prinzip sind die immer noch anwachsenden Kreditausfälle und Vermögensverluste durch staatliche Mittel nicht zu kompensieren.[12]
Wenn derzeit versucht wird, die Finanzkrise durch öffentliche Garantien und Kapitaleinschüsse einzuhegen, dann läuft dies faktisch auf eine Sozialisierung der Verluste hinaus.[13] Ohne Zweifel: Das Bankensystem durchläuft in den meisten kapitalistischen Metropolen eine systemische Krise. Mit staatlichen Einschüssen und Garantien ist der riesige Schuldenberg nicht vor einem umfassenden Abwertungsprozess zu bewahren. Aus Furcht vor den gefährlichen Rückwirkungen auf den gesellschaftlichen Gesamtreproduktionsprozess verpfändet die Mehrheit der politischen Klasse die öffentlichen Finanzen – d.h. auch die künftigen Steuereinnahmen – zur Rettung der wertlos werdenden Kredit- und Eigentumspapiere.
Die einzige Alternative: Nach einer umfassenden Verstaatlichung des gesamten Sektors könnte durch politische Entscheidungen ein Vernichtungsprozess von Schulden und Vermögenstiteln organisiert werden, der zum einen den gesamtgesellschaftlichen oder makro-ökonomischen Notwendigkeiten Rechnung trägt und zum anderen die Schuldtitel unter dem Gesichtspunkt von sozialer Gerechtigkeit entwertet. Es sollte immer bedacht werden, dass zu den Bestandteilen des riesigen Kreditbooms auch Ansprüche auf Altersrenten und sonstige Ersparnisse wie Rücklagen der breiten Bevölkerungsschichten gehören.
Unter dem Druck der Krise fordert nun selbst der Mainstream der Finanzwelt Reformen. Aber wie immer in solchen Situationen werden solche Reformen kontrovers debattiert. Alles wird davon abhängen, wessen Interessen die Reformen bestimmen. Wenn Banker nach Staatsinterventionen rufen, meinen sie die Sozialisierung der Verluste, während die Gewinne in privaten Händen bleiben sollen. Wenn Banker über Reformen reden, meinen sie bruchstückhafte (Re)-Regulierung und kurzfristiges Krisenmanagement – und damit letztlich den Versuch, die neoliberalen Grundregeln zu erhalten und sobald wie möglich zum „business-as-usual“ zurückzukehren.
Im Interesse der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger wird jedoch ein echter Paradigmenwechsel gebraucht: Die Finanzmärkte müssen zu sozialer Gerechtigkeit, ökonomischer Stabilität und nachhaltiger Entwicklung beitragen. Wir können nächstes Jahr nicht einfach zum Status quo ex-ante zurückkehren.
Alternativen zur Sozialisierung der Verluste
Das ganze Finanzsystem in seiner neoliberalen Form hat sich als ökonomisch instabil und ineffizient und als schädlich für soziale Gerechtigkeit, allgemeine Wohlfahrt und Demokratie erwiesen. Darum sind systemische Veränderungen notwendig. Entscheidend ist zunächst: Wer trägt die Entwertung der diversen Papiere und Eigentumstitel? Die Verstaatlichung der Finanzinstitute müsste darauf gerichtet sein, den Verteilungsprozess der Verluste zu steuern. Kapitalgedeckte Renten, Rücklagen für die Absicherung von Gesundheit, Pflege und Ausbildung sollten ausgenommen werden, während zinstragende Eigentumstitel abzuschreiben sind.
Die grundsätzliche Orientierung für eine spätere Umkehr muss darauf gerichtet sein, die Dominanz der Finanzmärkte über die Realökonomie zu brechen. Einige geeignete Instrumente für diesen Zweck sind:
· Die Besteuerung aller Arten von Finanztransaktionen (inklusive von Devisentransaktionen), um Spekulation zu reduzieren, die Geschwindigkeit der Finanzmärkte zu verlangsamen und die Kurzfristorientierung der Finanzmärkte zu reduzieren; wenn der Staat mit öffentlichen Geldern in den Wettbewerb eingreift, ist auch eine Preisregulierung für die Finanzinstitute gerechtfertigt.
· Die progressive Besteuerung von Kapitaleinkommen. Einer der wesentlichen Faktoren für das Anschwellen der Finanzmärkte ist die steigende Konzentration von Vermögen. Deshalb ist eine substantielle Umverteilung von Einkommen und Vermögen von oben nach unten ebenso notwendig wie die Reduzierung von Anreizen für exzessive Profite, um den Finanzmärkten Grenzen zu setzen und sie zu stabilisieren.
· Der Stopp bzw. die Rückgängigmachung der Privatisierung der Sozialsysteme und wichtiger öffentlicher Infrastrukturen – wie Energie oder die Bahn. Generell dürfen künftig existentielle Risiken nicht mehr über kapitalgedeckte Produkte abgesichert werden, was bedeutet, dass Altersrenten, Gesundheit und Bildung als öffentliche Güter ohne Zugangsbeschränkungen konstruiert sein müssen.
Auch wenn der Erwerb von Staatsschuldtiteln privaten Anlegern und Banken grundsätzlich weiter offen stehen kann, ist der Handel mit diesen Finanzaktiva möglichst zu unterbinden. Die Verbriefung von Krediten ist allgemein zu untersagen, weil sie das Risiko verbreitet, nicht aber mindert. Grundsätzlich sollte der Finanzierungsbedarf des Staates und der Unternehmen mit Darlehen gedeckt werden, nicht aber durch Wertpapiere. Der Handel mit existierenden Wertpapieren sollte mit Umsatzsteuern (Börsenumsatzsteuern wie der „Tobin-Tax“) eingedämmt werden. Außerdem sind Zielzonen für die Wechselkurse nötig. Das eigentliche Ziel müssen feste Wechselkurse sein.
In der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise ist, im Gegensatz zu den meisten früheren Finanzkrisen und Abschwüngen, das öffentliche Gut „Kreditwesen“ national und international so in Gefahr, dass ein Kollaps der Gesamtökonomie droht, wenn der Staat nicht eingreift. Da der bisherige institutionelle Rahmen für eine Sanierung des bundesdeutschen Bankensystems nicht ausreicht – daran wird auch das Gesetz zur HRE nichts ändern –, brauchen wir eine weitergehende Konzeption: Die Banken müssen weitgehend einer staatlichen Restrukturierungsbehörde unterstellt werden; die Behörde übernimmt mit der Kontrolle der Geschäftstätigkeit auch das Management der Vermögenswerte. Die Restrukturierung und Verwertung der Vermögenswerte muss die Möglichkeit eröffnen, die verschiedenen Anlageklassen an den Verlusten zu beteiligen. Dies ist für eine schnelle Bereinigung der Krise unverzichtbar.
Wir sind mit einem insolventen Finanz- und einem maroden Bankensystem konfrontiert, das rekapitalisiert werden muss. Bislang herrscht die Vorstellung vor, man könne durch öffentliche Gelder oder Garantien die wertlos gewordenen Eigentumstitel wieder mit ihren alten Marktpreisen ausstatten. Schon Marx verspottete diese Illusion zur Überwindung einer Finanzkrise: Das auf den umfassenden Einsatz des Kredits gestützte System einer umfassenden Ausdehnung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses könne natürlich nicht dadurch saniert werden, dass etwa eine Bank, z.B. die Bank von England, mit ihrem Zentralbankgeld allen Verlierern das fehlende Kapital gibt und die sämtlichen entwerteten Waren zu ihren alten Nominalwerten kauft. Das zuvor massiv aufgeblähte Finanzvolumen wird in der Krise reduziert. Deshalb ist die Verstaatlichung der Finanzinstitute an sich noch keine Lösung, sondern nur der entscheidende Schritt zur organisierten Verteilung der Wertverluste. Dazu gehören sowohl die Preiskorrekturen bei Wertpapieren aller Art als auch die anstehenden Abschreibungen auf Kredite, die nicht mehr bedient werden können. Die Vorstellung, man könne mit staatlichen Kapitaleinschüssen und staatlichen Garantien eine Sanierung bewerkstelligen, ist eine gravierende Fehleinschätzung und verlängert den krisenhaften Anpassungsprozess.
Während in den USA versucht wird, die Banken zum Verkauf toxischer Papiere zu bewegen, hat sich Großbritannien nach einer ersten Runde von Rekapitalisierungen für eine Versicherungslösung entschieden; in Kontinentaleuropa hofft man darauf, dass sich das Problem irgendwie von alleine lösen wird. Das zeigt, dass es in diesem Kernpunkt der Krise keinen Konsens darüber gibt, welche Strategie den größten Erfolg verspricht. Hedge-Fonds sollen künftig – wie alle anderen als systemrelevant erachteten Finanzinstitutionen und Marktteilnehmer – stärker überwacht werden. Der US-Ökonom Krugman unterstreicht zurecht, dass der von US-Finanzminister vertretene Rettungsplan zum Bankensektor scheitern wird. Der Plan könne nicht funktionieren. Geithner habe sich offenbar der Vorgehensweise seines Vorgängers Paulson angenähert und biete nun Geld für Giftmüll an. Anstelle des Ankaufs von illiquiden Vermögenswerten sollte die Regierung Garantien für viele Bankverbindlichkeiten abgeben und die Kontrolle von praktisch insolventen Konzernen übernehmen. Ich teile die Position von Krugman, eine Bereinigung der Bankbilanzen kann nur in Anlehnung an das Restrukturierungsmodell bei schwedischen Banken in den 90er-Jahren durchgeführt werden. Anders als damals muss die Verstaatlichung mit einer weitgehenden Verlustbeteiligung der vermögenden Anleger verbunden werden.
Schritte zu einem neuen Finanz- und Wirtschaftssystem sind unverzichtbar. Die Krise hat gezeigt, dass Markt- und Kapitalsteuerung, ohne politische Regulierung und demokratische Kontrolle erneut eine gesellschaftliche Katastrophe verursacht hat. Daher sind demokratische Kontrolle und internationale Kooperation nötig, Die Finanzaufsicht auf nationaler Ebene und internationale Kooperation zwischen den Regulierungsinstitutionen und Aufsichtsbehörden, vor allem innerhalb der EU, müssen gestärkt und demokratisiert werden. Es müssen weltweit Grenzen für unregulierten Freihandel und uneingeschränkte Kapitalmobilität gesetzt werden. In einem neuen internationalen Abkommen, das die Schwächen des Nachkriegsregimes von Bretton Wood aufhebt, müssen Finanzstabilität, Steuergerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit Vorrang vor freiem Kapital-, Güter- und Dienstleitungsverkehr haben. Soziale Rechte und historische Errungenschaften der Lohnabhängigen müssen drastisch ausgeweitet werden.
Das Problem der Landesbanken in Deutschland[14]
Die EU-Kommission hat seit Ende der 1990er Jahre nicht nur auf eine Liberalisierung der grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen gedrängt, sondern – speziell für Deutschland – auf einen Umbau des Finanzsektors: Abschaffung der Landesbanken mit ihrem System der Gewährträgerhaftung und Privatisierung der Sparkassen. Gescheitert ist also jetzt nicht einfach eine politisch beförderte Ökonomie, die Vermögensblasen als unvermeidliche Phänomene in Kauf nahm, sondern gescheitert ist die neoliberale Gesellschaftskonzeption der zurückliegenden Jahrzehnte.
Das Problem: Über Jahrzehnte bestand das Geschäftsmodell der Landesbanken darin, Geld günstig an den Kapitalmärkten aufzunehmen und es in höhere Renditen versprechende Anlagen zu stecken. Die Kapitalaufnahme zu günstigeren Konditionen als für die Konkurrenz war den Landesbanken möglich, weil die öffentlichen Träger, Bundesländer und kommunale Sparkassen, für die Verbindlichkeiten automatisch bürgten. Diese Gewährträgerhaftung verschaffte den Landesbanken an den Kapitalmärkten eine Kreditwürdigkeit, die jener der Bundesländer entsprach (AAA). 2001 aber setzten die privaten Banken vor der EU-Kommission in Brüssel durch, dass dieser Wettbewerbsvorteil fällt. Allerdings handelte die Bundesregierung dafür eine lange Übergangsfrist aus.
Seit 1989 plädierten die Sparkassen für die Bildung einer einzigen Landesbank. Denn die Sparkassen brauchen als Liquiditätssammelstelle und zur Begleitung größerer Firmenkunden an die Börse oder ins Ausland keine – wie derzeit noch – sechs große Landesbank-Konzerne. Den möglichen Ausweg – die Zusammenlegung von Landesbanken – verhinderten die Bundesländer. Sie klebten an ihren Landesbankbeteiligungen. Fusionen scheiterten an fehlendem Einigungswillen darüber, in welcher Landeshauptstadt der Hauptsitz einer fusionierten Bank sein soll und wo wie viele tausend Arbeitsplätze abgebaut werden. Viel wichtiger als der Umbau der Landesbanken wäre freilich die Verhinderung von deren Beteiligung am internationalen Verbriefungsgeschäft gewesen. Die Landesbanken hatten überwiegend kein tragfähiges Geschäftsmodell, sondern nutzten den Deregulierungsdruck von der europäischen Ebene, um mit enormen Ressourcen in das Kreditersatzgeschäft einzusteigen.
Noch bis vier Jahre nach der Verständigung über das Ende der Gewährträgerhaftung – bis zum 17. Juni 2005 – durften die Landesbanken Anleihen mit Staatsgarantien begeben, die erst im Jahr 2015 fällig werden müssen. Von dieser Geldbeschaffung machten sie reichlich Gebrauch. Die Bayern LB, Nord LB, HSH Nordbank, LBBW, West LB und Helaba haben allein am Kapitalmarkt mehr als 300 Mrd. Euro Schulden, für die indirekt die SteuerzahlerInnen des jeweiligen Bundeslandes bürgen. Ein weiterer dreistelliger Milliardenbetrag, so wird vermutet, ist von den Landesbanken über privat platzierte Anleihen aufgenommen worden, für die ebenfalls die Gewährträgerhaftung gilt.
Zwischen 2001 und 2005 haben die Landesbanken keineswegs schwerpunktmäßig die regionale Ökonomie gefördert. Die meisten haben bis heute wenige feste Kunden. Die HSH Nordbank zum Beispiel hat bei einer Bilanzsumme von 200 Mrd. Euro je 5 Mrd. Euro Kredite an Mittelständler in Schleswig-Holstein und in Hamburg ausgereicht. Dagegen hat sie 30 Mrd. Euro in Kreditderivate investiert. Selbst in der vermeintlich bodenständigen Landesbank Baden Württemberg (LBBW) beträgt das Kreditersatzgeschäft, wie die Landesbanker ihre waghalsigen Geschäfte euphemistisch nennen, 90 Mrd. Euro. Landespolitiker und Sparkassenfunktionäre stimmten im Aufsichtsrat dem Treiben lange zu.
Im Prinzip ziehen alle Landesbanken ihre öffentlichen Gewährträger immer tiefer in den Krisenprozess hinein. Es begann mit der Sachsen LB: Nachdem die Sparkassen-Gruppe die Bank gestützt hatte, wurde sie für 328 Millionen Euro an die Landesbank Baden-Württemberg verkauft, wobei der Freistaat Sachsen noch für 2,75 Milliarden Euro bürgt. Es folgten Schieflagen bei der HSH Nordbank, der Bayern LB und der West LB. Selbst die Landesbank Baden-Württemberg hat inzwischen Geld erhalten. Insgesamt haben die Länder Sachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hamburg und Schleswig-Holstein fast 15 Milliarden Euro an Kapitalhilfen gezahlt. Für mehr als 22 Milliarden Euro bürgen sie. Lange vor der Krise ausgesprochene Garantien sind in dieser Summe nicht enthalten. Sie haben einen Umfang von mehr als 300 Milliarden Euro.
Die Zustimmung zur Ausweitung von Kapitaleinschüssen und weiteren Garantien wird im Falle der Landesbanken mit dem Argument erzwungen, dass eine geordnete Schließung der Banken nicht möglich sei. Wir sehen hier die politische Fortführung der bekannten TINA-Formel des Neoliberalismus mitten in der Systemkrise des Finanzsystems: „Die Bank jetzt pleite gehen zu lassen hätte katastrophale Auswirkungen auf die Wirtschaft in der Region. Die Bank ist mit einer Marktdurchdringung von 50 Prozent der Marktführer im gehobenen mittelständischen Kundengeschäft in der Region. Sie ist Weltmarktführer bei den Schiffsfinanzierungen, wobei über die Hälfte der Kunden aus der heimischen Region kommen. Jedes zweite von der HSH finanzierte Flugzeug ist ein Airbus. (Die Liquidierung der Bank würde eine Konkurswelle auslösen) … Das wäre eine Folge, weil die Unternehmen ihren Kreditfinanzierer verlieren würden. Die zweite Folge wäre die Haftung der Länder. 65 Milliarden Euro beträgt die Gewährträgerhaftung, alleine 23 Milliarden davon trägt Hamburg. Die Gewährträgerhaftung ist ein besonderes Haushaltsrisiko für die Länder… Wenn Sie ankündigen, eine Bank abzuwickeln, würden sofort alle guten Kunden abspringen und die schlechten Risiken würden sich realisieren.“[15]
Es ist völlig unhaltbar, die Insolvenz einer Bank, zumal wenn sie von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eingeleitet wird, mit einer Bankpanik gleichzusetzen. Die Bankaufsicht BaFin entzieht die Banklizenz, ordnet ein Moratorium an, so dass alle hektischen Operationen unterbleiben und wickelt die Bank in einem längeren Zeitraum ab. Es ist zugestanden, dass das bisherige Instrumentarium und der entsprechende Rechtsrahmen nicht ausreichend vorhanden sind, im übrigen auch keine Erfahrung damit, mit welchen Prozessen wir rechnen müssen, wenn die BaFin ein Moratorium über eine angeschlagene Bank verhängt und eine kontrollierte Abwicklung eröffnet. Die Bundesregierung betreibt eine rechtliche Neuregelung zur Rettung angeschlagener Banken jenseits der Enteignung. Das Justiz- und das Wirtschaftsressort haben Mitte Februar vom Kabinett den Auftrag erhalten, Rettungsmodelle für Banken jenseits der Enteignung zu erarbeiten. Ausgelöst wurden die Überlegungen im Zuge der Beratungen über das so genannte Banken-Enteignungsgesetz, das sich am Falle der Hypo Real Estate orientiert.
Es geht im Kern darum, ein systemrelevantes und bedrohtes Finanzinstitut, das ohne Staatshilfen insolvent wäre, unter eine staatliche Restrukturierungsverwaltung zu stellen. Dabei können Aktionärsrechte zeitweise außer Kraft gesetzt werden. Ein Sanierungsberater könnte von der Finanzaufsichtsbehörde BaFin mit den Rechten eines Sonderbeauftragten ausgestattet werden. Er könnte damit die Geschäftspolitik konkret bestimmen und Maßnahmen ergreifen, die zur Umsetzung eines Sanierungsplanes nötig wären oder eine kontrolliert Abwicklung einleiten. Es geht weiter um Umwandlung von Forderungen in Gesellschaftsanteile.
Selbstverständlich wäre die Schließung der Landesbanken durch die Bankaufsicht oder durch eine Verstaatlichung in der gegenwärtigen Krisenkonstellation eine ökonomisch-politische Herausforderung. Aber die als Argument geltend gemachte Beschleunigung des Krisenprozesses ist bloße Panikmache. Fakt ist: Die HSH Nordbank hat neben einem Portefeuille aus dem Kreditersatzgeschäft von 23 Mrd. Euro auch einen wachsenden Berg von sonstigen notleidenden Krediten. Die Erwartung, die Bank könne in Teilen ein so positives Ergebnis erwirtschaften, dass weitere Verluste aus eigenen Erträgen kompensiert werden können, ist völlig unrealistisch. Wegen Absatzproblemen und Zahlungsausfällen bei etlichen Unternehmen in einer sich noch verstärkenden Weltwirtschaftskrise, wegen zunehmender Arbeitslosigkeit und entsprechend geringerer oder ausfallender Arbeitseinkommen werden auch reichlich Kredite im Unternehmens- und Konsumentenbereich notleidend.
Dass die Bank auch in den Geschäftsjahren 2009/2010 weitere Verluste einfahren wird, ist unstrittig. Strittig ist die Höhe dieser Verluste und ob weiterer Kapitalzufuhr durch die öffentlichen Eigentümer dann unvermeidlich ist. DIE LINKE will diese Fehlentwicklung durch eine kontrollierte Abwicklung der Bank beenden. Auch die Sparkassen wollen als Eigentümer aussteigen und ihre Anteile verkaufen. Die Rolle des Finanzinvestor Flowers ist völlig ungeklärt. DIE LINKE will keinen Sanierungsprozess, bei dem – wie in jüngster Zeit schon geschehen – Investoren Ausschüttungen erhalten, während die öffentlichen Eigentümer die Verluste ausgleichen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg muss zur Finanzierung ihres Anteils weitere Kredite aufnehmen. Die LINKE lehnt diesen Weg der Sanierung ab. Es zeichnet sich ohnehin ab, dass die Landesbank aufgelöst oder fusioniert wird. Die Landesbanken sind ein Auslaufmodell. Die Finanzierung der regionalen Wirtschaft, inklusive Schiffsfinanzierungen, Transport (Flugzeug-Leasing) und alternative Energien kann von den Sparkassen und Volksbanken übernommen werden.
Die Bankaufsicht BaFin hätte wegen gesetzlicher Vorgaben die HSH Nordbank geschlossen, wenn der Grundsatzbeschluss der Sanierung durch Ländermittel nicht am 24.2.2009 erfolgt wäre.
Die Schließung einer Bank durch die BaFin bedeutet einen finanzpolitischen Abwicklungsprozess mit möglichst geringen Verlusten. Es ist – wie gezeigt – eine frei erfundene Behauptung, dass in diesem Fall Hamburg wegen ausstehender Bankeinlagen (Gewährträgerhaftung) für einen Verlust von über 20 Mrd. Euro gerade zustehen hätte.
Auch das Argument der Erhaltung von Arbeitsplätzen überzeugt nicht. Selbstverständlich bedeutet die Verlagerung von Teilen der HSH-Geschäftsfelder an die Sparkassen auch, dass dort entsprechende Arbeitsplätze gesichert werden. DIE LINKE fordert zudem nicht nur die Einrichtung einer Beschäftigungsgesellschaft von der HSH Nordbank, die Fraktion setzt sich zudem auch in Hamburg für eine aktive Arbeitsmarktpolitik ein.
In der Fachwelt ist die Verstaatlichung von Großbanken längst als billigste und wirksamste Methode anerkannt, den Geldfluss unter den Banken wieder in Gang zu bringen, eine günstige Refinanzierung zu sichern, die Kreditvergabe an Unternehmen zu gewährleisten und die in den Banken nach wie vor versteckten Risiken aus Fehlspekulationen aufzudecken. Wenn wir das öffentliche Gut eines funktionierenden Kreditwesens mit Steuergeldern am Leben erhalten wollen, müssen wir das Gift, das dieses öffentliche Gut zerstört, beseitigen. Entscheidend ist, dass der Staat Regeln aufstellt, die alle Banker, ob gut oder schlecht, dazu zwingt, sich wie Banker zu verhalten und nicht im Kreditersatzgeschäft mitzumischen. Außerdem müssen wir in der gegenwärtigen Situation die Sanierung, d.h. die unvermeidliche Verteilung der Verluste, so organisieren, dass nicht die Kleinsparer, Pensionäre oder die Steuerzahler in die Haftung für eine spekulative Fehlentwicklung genommen werden.
Nur die öffentliche Verantwortung stellt sicher, dass mit Schrottpapieren kein Handel mehr betrieben wird. Zurzeit werden in großem Umfang Verbriefungen bei den Banken in Anspruch genommen, Kreditversicherungen getätigt usw.. Diese Fehlentwicklung muss beseitigt werden. „Nur die Übernahme in öffentliche Verantwortung löst die Probleme, die mit der Bad Bank angesprochen worden sind. Es wäre ein Treppenwitz der Weltgeschichte, wenn wir eine öffentliche Bad Bank einrichteten und dann den Privaten weiterhin die Geschäfte und die zu erwartenden Gewinne überließen. Es kann so nicht weitergehen, dass auf der einen Seite alle Verluste und seien es Hunderte von Milliarden sozialisiert werden, während auf der anderen Seite eine Privatisierung der Gewinne stattfindet.“ (Oskar Lafontaine)
Durch die Beendigung der Politik der Sozialisierung der Verluste wird zudem sichergestellt, dass ausreichende gesellschaftliche Ressourcen für eine wirksame Antikrisenpolitik, die die Binnennachfrage stärkt, die soziale Spaltung bekämpft und einen gesellschaftlichen Strukturwandel in Richtung einer solidarischen Ökonomie einleitet, zur Verfügung stehen.
[1] Nach einer Studie der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) hat die Finanzkrise weltweit Vermögenswerte im Umfang von 50 Billionen Dollar – 39,4 Billionen Euro – vernichtet. Asien war nach den Berechnungen stärker betroffen als andere aufstrebende Regionen: Dort seien 9,6 Billionen Dollar vernichtet worden, etwas mehr als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines ganzen Jahres. Der ADB-Präsident Kuroda sprach von der schlimmsten Krise seit der großen Depression im vergangenen Jahrhundert.
Die Weltbank warnte vor einer globalen Rezession in diesem Jahr. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg dürfte das weltweite Wirtschaftswachstum zurückgehen, teilte die Organisation in Washington mit. Die globale Industrieproduktion könnte Mitte des Jahres um 15 Prozent unter dem Wert des Vorjahres liegen, hieß es. Der Welthandel werde den stärksten Rückgang seit 80 Jahren erleben.
[2] Vgl. Dazu Stephan Krüger, Allgemeine Theorie der Kapitalakkumulation, Hamburg 1986.
[3] Karl Marx, Das Kapital, 3. Band, in: MEW Bd. 25, S. 507.
[4] K. Marx, ebd.
[5] Zur Rolle des Kredits gilt generell: „Beschleunigung, durch den Kredit, der einzelnen Phasen der Zirkulation oder der Warenmetamorphose, weiter der Metamorphose des Kapitals und damit Beschleunigung des Reproduktionsprozesses überhaupt. (Andrerseits erlaubt der Kredit, die Akte des Kaufens und Verkaufens länger auseinanderzuhalten, und dient daher der Spekulation als Basis.) Kontraktion der Reservefonds, was doppelt betrachtet werden kann: einerseits als Verminderung des zirkulierenden Mediums, andrerseits als Beschränkung des Teils des Kapitals, der stets in Geldform existieren muss.“ K. Marx, a.a.O., S. 452.
[6] Am 9. Oktober erreichte der Dow-Jones-Index sein Allzeithoch von 14.164 Punkten; Anfang 2009 wurde ein Niveau von unter 7000 notiert.
[7] B. Bernanke, 2009 The Crisis and the Policy response, www.federalreserve.gov. Dies gilt nicht für alle kapitalistischen Metropolen, aber auch für das Bankensystem von Großbritannien, Spanien, Irland etc.
[8] M. Hellwig und B. Weder die Mauro, Ich bin systemrelevant. Holt mich hier raus, in: FAZ vom 18.3.2009.
[9] N. Roubini, Warning: More Doom ahead, in: Foreign Policy, January 2009.
[10] Weitergehend lässt sich sogar sagen, dass durch die vermögensgetriebene Akkumulation sogar ein Wirtschaftswachstum angeregt werden kann, bis die Diskrepanz zwischen Realökonomie und Kreditvolumen in eine Krise umschlägt.
[11] E. Altvater, Die kapitalistischen Plagen, in: Blätter für deutsche und Internationale Politik, 3/2009, S. 51.
[12] Bei der Teilverstaatlichung der beiden Großbanken in Großbritannien – RBS und Lloyds – sind neben den Kapitaleinschüssen Bürgschaften von 585 Mrd. Pfund (über 600 Mrd. Euro) für den Staat angefallen.
[13] „Sowie die Krise hereinbricht, handelt es sich nur noch um Zahlungsmittel. Da aber jeder vom andern abhängig ist für den Eingang dieser Zahlungsmittel und keiner weiß, ob der andre imstand sein wird, am Verfalltag zu zahlen, tritt ein vollständiges Kirchturmrennen ein um die im Markt befindlichen Zahlungsmittel, d.h. für Banknoten. Jeder schatzt davon auf, so viele er erhalten kann, und so verschwinden die Noten aus der Zirkulation am selben Tag, wo man sie am nötigsten braucht.“ (K. Marx, a.a.O, S. 543)
[14] Wir könnten hier auch exemplarisch die Hypo Real Estate (HRE) in den Mittepunkt rücken, bei der die Berliner Regierungskoalition jetzt mit einem zeitlich begrenzten Verstaatlichungsgesetz die Gruppe um den Finanzinvestor Flowers aus dem Sanierungsprozess ausschließen wird. Die Frage, wie mit den enormen Verlusten und wertlosen Schuldtiteln der Bank umgegangen werden soll, ist weiterhin ungeklärt. Wir halten uns im Folgenden an den nicht minder aufschlussreichen Fall der Landesbanken.
[15] Der Hamburger Finanzsenator Freytag in der „Welt“ vom 7.3. 2009.