Nach dem Ende der sozialistischen Länder in Europa und der Auflösung des Warschauer Vertrages breitete sich in den kapitalistischen Ländern eine maßlose Euphorie aus. Der US-Apologet Francis Fukuyama verkündete das Ende der Geschichte. Bundeskanzler Helmut Kohl stellte fest, dass wir nur noch von Freunden umzingelt seien. Es dauerte dann nicht all zu lange, bis die Menschen fragten, wozu noch Bundeswehr und NATO nötig seien. Die politische und militärische Klasse der westlichen Demokratien geriet in eine unerwartete Legitimationskrise. Not macht erfinderisch. Der verstorbene Kalte Krieger Samuel Huntington zauberte die These vom „Kampf der Kulturen“ aus dem Hut. Damit waren nach dem vorläufigen Ende des Kalten Krieges der neue Feind und eine neue Legitimation für die freie Welt samt ihrer Kriegsmaschinerie und militärischen Strukturen gefunden. Das war auch die ideologische Blaupause für die Kriege der USA und der NATO seit 2001 gegen Irak und Afghanistan.
Da die NATO für einen Krieg gegen die sozialistischen Länder überdimensionierte Landstreitkräfte unterhielt, die für die künftigen weltweiten Kriege des expansiven Bündnisses nicht mehr gebraucht wurden, mussten die Armeen der westlichen Länder umstrukturiert werden: von der Massen- zur High-Tech-Armee. Tausende Soldaten und viele Offiziere wurden freigesetzt. Allein die USA reduzierten ihre Armee um ein Drittel auf 1,5 Millionen Mann. Diese Berufsmilitärs suchten sich im Rahmen der neuen Militärstruktur eine neue, sehr begehrte und lukrative Arbeit und schufen die privaten Söldnerfirmen.
Zum Thema der privatisierten Militär-Dienstleistungen liegen inzwischen eine Reihe von Publikationen vor. Der in Rom lebende Publizist Rolf Uesseler untersucht die Tätigkeitsfelder der privaten Söldnerfirmen, die von deren Managern als Körperschaften „des bürgerlichen Rechts“ deklariert werden. Sie bieten Kriegseinsätze fast ausschließlich im Auftrage von Regierungen sowie internationalen Konzernen auf allen Kriegsschauplätzen und in allen Krisenregionen der Welt an. Die Firmen sind inzwischen so mächtig und soweit mit der politischen und militärischen Klasse ihrer Länder verflochten, dass sie auf die Politik unmittelbar Einfluss nehmen. Schon der damalige US-Präsident Bill Clinton empfahl persönlich dem angolanischen Präsidenten Eduardo Dos Santos, US-Söldnerfirmen im Kampf gegen die angolanischen UNITA-Banditen von Jonas Savimbi zu engagieren. Dort haben sie den Konflikt eher verschärft als begrenzt. Private Söldnerfirmen intervenieren meistens da, wo etwas zu holen ist, wie in Angola mit seinen reichhaltigen Diamanten- und Erdölvorkommen oder im Irak. Die Clinton-Administration ebnete den Söldnerfirmen früh den Weg, zu einem Zeitpunkt, als von Bosnien oder vom Kosovo noch nicht die Rede war.
Inzwischen hat sich eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Politik, privaten Söldnerfirmen und privaten Wirtschaftsunternehmen etabliert; man kann hier von einer neuen Variante des Militär-Industrie-Komplexes sprechen.
Seit der Regierungsübernahme der NEOCONs in den USA um George W. Bush, Dick Cheney und Co. sowie deren Kriegen gegen Afghanistan und Irak werden die privaten Militärfirmen massiv eingesetzt. In Afghanistan unterhalten sie eigene Gefängnisse und stellen die Bodyguards des Kabuler Präsidenten Karsai. Im Irak waren es private Militär-Dienstleister die, wie z. B. die Söldner der Firma „Blackwater“, getarnt als „Übersetzer“ in Abu Ghraib als Folterknechte und Vergewaltiger eingesetzt wurden. In Kolumbien ist die private Söldnerfirma AirScan im Einsatz. Hauptoperationsfeld der Söldnerfirmen ist die „Dritte Welt“.
Die militärischen Dienstleister und ihre Mutterunternehmen wie Halliburton, wo Dick Cheney im Vorstand saß, scheffeln das große Geld: „In Afghanistan, Usbekistan, Guantánamo und praktisch überall dort, wo der Krieg gegen den Terrorismus geführt wird.“ Der wichtigste Auftraggeber dieser Söldnerfirmen ist das Pentagon. Knapp eine Million private Söldner dienen dem US-Verteidigungsministerium. Begründet wird dies mit ihrer enormen Flexibilität und mit Einsparungen für die US-Armee, was freilich nicht bewiesen ist. Der eigentliche Grund liegt jedoch darin, daß die Söldnerfirmen im völkerrechtsfreien Raum operieren und von niemandem zur Rechenschaft gezogen werden können.
Diese Mörderfirmen verfügen derzeit weltweit nach Angaben von Uesseler über 1,5 Millionen jederzeit einsatzbereiter Spezialisten und genauso viele Söldner. Sie operieren in insgesamt 160 Ländern, unter anderem gegen Drogenhändler, aber auch gegen Gewerkschafter. Sie sind mit modernsten Waffen wie dem B-2-Stealth-Bomber in Kriege verwickelt, wobei sie jährlich fast 200 Milliarden US-Dollar einnehmen.
Uesseler schlussfolgert, dass viele Regierungen die „Sicherheit – äußere wie innere – dem privatwirtschaftlichen Kalkül und Gewinnstreben privater Militärfirmen“ überlassen. Dies sei verfassungsrechtlich bedenklich. Darüber hinaus entgleiten diese Firmen längst der Kontrolle des Staates. Das wird von Uesseler als eindeutige Gefährdung der Demokratie eingestuft. Die deutsche Politik nimmt dies jedoch kaum zur Kenntnis, obwohl deutsche Konzerne im Ausland ebenfalls private Söldner engagieren und die Bundeswehr längst Teile ihrer Aufgaben privatisiert hat. Dutzende ausländische Militärfirmen sind auf deutschem Boden aktiv. Daher ist es längst an der Zeit, Verbote oder zumindest völkerrechtliche Restriktionen und Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit zu schaffen.
Das umfangreichste Buch zum Thema hat Peter W. Singer vorgelegt. Er ist detailverliebt und macht Exkurse auf Nebenschauplätze, die zum Umfang des Buches beitragen. Singer behandelt die Geschichte des Söldnertums von der Antike bis zur Gegenwart, was eigentlich nicht Neues bringt. Er weist auf das „große Reservoir an Fachkräften und preiswerten Kriegsgeräten aller Art“ hin, die nach dem Ende des Kalten Krieges den Söldnerfirmen zur Verfügung standen. „Mit 18 trat ich in die Armee, mit 24 schied ich aus, was hätte ich anderes machen können, als weiterhin Soldat zu sein? … welche Alternative hatte ich?“ Das war den Söldnerfirmen gerade willkommen. Denn die massive weltweite Zunahme von bewaffneten Konflikten war die Triebkraft für die Beschleunigung der Privatisierung der Kriege. Hierzu führt Singer eine Reihe von Belegen an.
Die neue Weltordnung, die mit dem Krieg gegen Irak 1993 von George Bush Senior eingeleitet wurde, brachte „Frieden im Westen, Krieg im Rest der Welt“. Die vom Westen geschürten „innerstaatlichen Konflikte oder Bürgerkriege“ nahmen dramatisch zu. Ihre Zahl verdoppelte sich ab Anfang der 90er Jahre und „stieg bis Mitte der 90er Jahre sogar auf das Fünffache dessen, was in der mittleren Phase des Kalten Krieges zu verzeichnen war.“ Das war ein El Dorado für die Söldnerfirmen. Es folgten lukrative Aufträge und wachsende Kundschaft. Zum Beispiel hat die Söldnerfirma Brown & Root mit Aufträgen der US-Armee auf dem Balkan Milliarden Dollar Umsatz gemacht. Eine von Singer als BDM bezeichnete Söldnerfirma verdiente allein 1996 über 1,5 Milliarden Dollar. Die BDM gehörte zeitweise der Carlyle Group, einer Investmentfirma, in deren Vorstand die ehemaligen US-Außenminister und Verteidigungsminister James Baker und Frank Carlucci sitzen.
Peter Singer beschreibt, dass die Söldnerfirmen auf allen Kontinenten und in vielfältige Kriege verwickelt waren. Zum Beispiel in Europa auf dem Balkann, wo sie zur Zerstörung der Bundesrepublik Jugoslawien beitrugen und dabei horrende Gewinne erzielten. Sie kämpften auf der Seite der Kroaten und bildeten UÇK-Terroristen aus, wie den General Çeku. In Afrika waren in Angola zeitweilig mehr als 80 Firmen in Einsatz. Im Kongo, in der Elfenbeinküste, in Kenia, Uganda, Sudan, Nigeria usw. kämpften die Söldner auf beliebigen Seiten, manchmal auch auf beiden Seiten (so in Angola auf Seiten der Regierung, aber auch bei der UNITA). Irak und Afghanistan gehören immer noch zu den lukrativsten Einsatzgebieten der Söldnerfirmen. Ein Ende dieser Einsätze ist noch nicht in Sicht. Für die in Afghanistan festgenommenen Taleban- und Al Qaeda-Anhänger, die in Guantánamo festgehalten werden, kassierte die Söldnerfirma Brown & Root 45 Millionen Dollar.
Uesseler wie Singer weisen unabhängig voneinander auf die Gefährdung der demokratischen Ordnung durch die Söldnerfirmen hin. Die Verflechtung zwischen Politik und Söldnerfirmen und deren Einfluss auf die staatlichen Institutionen ist jedoch so intensiv, dass es eigentlich schon zu spät ist, die Demokratie vor den Söldnerfirmen in Schutz nehmen zu können.
Beide Bücher werden hervorragend ergänzt durch das von dem in Genf lebenden Journalisten Andreas Zumach vorgelegte Buch „Die kommenden Kriege“. Der Titel ist mit Bedacht gewählt. Es geht in der Tat nicht um „Neue Kriege“, wie der Stammtisch-Stratege Herfried Münkler von der Humboldt-Universität behauptet, sondern um „kommende Kriege“. Dafür haben die Neokonservativen um Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz, Richard Perle und George W. Bush ihre Strategie, bekannt als „Greater Middle East Initiative“ (GMEI), entwickelt. In ihrem Rahmen soll die gesamte Region von Nordafrika bis Bangladesch „demokratisiert“, genauer: unter die Kontrolle der USA gebracht werden. Um diese Kriege zu realisieren, wurde eine ideologische Propagandawelle eingeleitet, souveräne Staaten deklarierte man als zur „Achse des Bösen“ gehörig. Damit begann faktisch der Krieg gegen Irak und Iran schon im Januar 2002. Die Lügenpropaganda der Bush-Administration wird von Zumach eindrucksvoll auf zwölf Seiten dargelegt. Nach dem Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien waren die Kriege gegen Afghanistan (2001) und Irak (2003) eklatante Verletzungen der Charta der Vereinten Nationen, wie Zumach betont.
Die auf massiven Druck der USA am 12. September 2001 zustande gekommene Resolution Nr. 1368 des UN-Sicherheitsrates beinhaltet keine Anwendung militärischer Maßnahmen. Davon ließ sich jedoch die US-Administration nicht beeindrucken und leitete einen Krieg gegen Afghanistan ein, wobei sie auf die Erfahrungen des Missbrauches der Menschenrechte aus dem Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien zurückgriff.
Andreas Zumach stellt mögliche Szenarien für einen Krieg gegen Iran dar und behandelt den Atomstreit mit Nordkorea. Zum Schluss sagt er das Ende des Ölzeitalters voraus und geht auf die euro-atlantische Rivalität ein, wobei er die Emanzipation Europas von den USA durch die Militarisierung der Außenpolitik als Irrweg brandmarkt.
Literatur
Rolf Uesseler, Krieg als Dienstleistung. Private Militärfirmen zerstören die Demokratie, 2. A., Berlin [Ch. Links Verlag] 2006, 240 S., 14, 90 €.
Peter W. Singer, Die Kriegs-AGs. Über den Aufstieg der privaten Militärfirmen, Frankfurt/M. [Zweitausendeins] 2006, 502 S., 27,90 €.
Andreas Zumach, Die kommenden Kriege, 2. A., Köln [Kiepenheuer & Witsch] 2005, 223 S. 8,90 €.