Ende 2008, die Weltwirtschaft war in die seit Dezennien schwerste Krise gestürzt, feierte Jean-Claude Trichet, damals Präsident der Europäischen Zentralbank, den zehnten Jahrestag der Euro-Einführung mit den Worten, es sei offensichtlich, „dass sich die einheitliche Währung während dieser Krise als Vertrauens- und Stabilitätsanker erwiesen hat“.[1] Dies sei „Ausdruck der institutionellen Stärke, Kohärenz und Einheit des Eurosystems – und damit der Beweis für seine Fähigkeit, im europäischen Geiste auf Basis hoher Standards sowie gemeinsamer Werte und Grundsätze zu agieren.“[2] Ein Jahr später war es mit der Euphorie vorbei. Das Wort von der Euro-Krise machte die Runde und inzwischen – nach weiteren vier Jahren – ist die Euro-Zone vom scheinbaren „Vertrauens- und Stabilitätsanker“ der Weltwirtschaft zu einem ihrer größten Unsicherheitsfaktoren geworden. Ihr Bestand ist offen in Frage gestellt. Selbst Regierungsmitglieder der Euro-Länder zweifeln nicht mehr daran, dass die Wirtschafts- und Währungsunion „grundlegende Konstruktionsfehler“ aufweist. „Die Krise hat längst auch eine politische Dimension. In vielen Teilen Europas sind Nationalismus und Populismus auf dem Vormarsch, während gleichzeitig Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl in Europa nachlassen.“[3]
1. Von der Eurosklerose zur „Europhorie“
Dass in der bisherigen Geschichte keine Währungsunion dauerhaft hielt, ohne dass die beteiligten Staaten ihre Souveränität aufgaben, hat wenig zu bedeuten, denn noch nie gab es im Kapitalismus eine ähnlich stark integrierte Staatengruppe wie die Europäische Union. Obwohl den wichtigsten Entscheidungsträgern von Anfang an klar war, dass man sich auf risikoreichem Terrain bewegte, glaubten sie sich angesichts dieses Integrationsstandes Optimismus leisten zu dürfen, zumal das politische und ökonomische Interesse der dominierenden Eliten an einer Währungsunion groß war. Gewisse Erfahrungen mit einer währungspolitischen Integration lagen freilich vor: Im Jahr 1993 zerbrach das Europäische Währungssystem, das Ende der siebziger Jahre die europäische „Währungsschlange“ (1972 bis 1979) ersetzt hatte, durch den Austritt Italiens und Großbritanniens. Trotz der Interventionsverpflichtung der nationalen Zentralbanken war es den beteiligten Staaten, vor allem auch Deutschland, zu teuer, die Wechselkurse der beteiligten Währungen innerhalb der vereinbarten Bandbreite zu halten. Dieser Misserfolg gab den skeptischen Stimmen zwar Auftrieb, man hielt jedoch am Fahrplan Richtung Währungsunion fest.
Kasten 1: Eckdaten der Euro-Geschichte I
1990: Die erste Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion EWWU „zu einer schrittweisen Konvergenz der Politiken und wirtschaftlichen Ergebnisse“ tritt in Kraft.
1993: Vertrag von Maastricht tritt in Kraft
1994: Zweite Stufe der EWWU; Gründung des Europäischen Währungsinstituts
1997: Vertrag von Amsterdam, Stabilitäts- und Wachstumspakt SWP
1998: Gründung der Europäischen Zentralbank EZB
1999: Dritte Stufe der EWWU; es gelten unwiderrufliche Umtauschkurse, Einführung des Euro als Buchgeld
2002: Einführung des Euro als Bargeld
2005: Nachdem Frankreich und Deutschland den SWP verletzt haben, wird er ausgesetzt
2009: Viele Euro-Mitgliedsländer verstoßen in der Krise gegen den SWP
2010: Griechenland droht zahlungsunfähig zu werden, Beginn der Diskussion über einen Austritt aus der Euro-Zone; Beginn der Reformüberlegungen zum SWP und der Schaffung von „Euro-Rettungsschirmen“
Mitgliedsländer: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien (alle 1999), Griechenland (2001), Slowenien (2007), Zypern, Malta (2008), Slowakei (2009), Estland (2011)
Bei manchen Entscheidungsträgern wird die Währungskrise von 1992/1993 die Entschlossenheit hinsichtlich der Währungsunion sogar bestärkt haben, zeigte sie doch, welche Verluste derartige Turbulenzen in einer exportorientierten Wirtschaft hervorrufen konnten. Hinzu kam, dass die Einführung der D-Mark in der DDR im Jahr 1990 für die damalige Kohl-Regierung und das Großkapital ein voller Erfolg war: Mit der D-Mark wurde ihr Herrschaftsgebiet fast automatisch um Ostdeutschland erweitert. Was Keynes, sich auf Lenin berufend, gesagt hatte, bewahrheitete sich auf frappierende Weise „Es gibt kein feineres und sichereres Mittel, die bestehenden Grundlagen der Gesellschaft umzustürzen, als die Vernichtung der Währung.“[4] Warum den Coup nicht wiederholen und eine deutsch dominierte europäische Währungszone schaffen?
Bundeskanzler Helmut Kohl warb für eine Europäische Währungsunion mit dem Argument, sie zwinge zum Frieden in Europa. Aber natürlich ging es nicht zuerst um den Erhalt des Friedens und noch nicht einmal um die politische Integration Westeuropas. Das Projekt Währungsunion sollte die Antwort des tonangebenden europäischen Kapitals auf die Herausforderungen der Globalisierung und den Wettbewerb in der Triade USA-Japan-Europa sein.
Zur Erinnerung: Nach dem Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton Woods und der Weltwirtschaftskrise 1974/75 setzte angesichts der voranschreitenden Globalisierung und der Verschiebung weltwirtschaftlicher Kräfteverhältnisse zugunsten des asiatisch-pazifischen Raums die Suche nach einer europäischen Antwort ein. Das Großkapital Frankreichs und Deutschlands – um die Hauptakteure des Euro-Prozesses in den Focus zu rücken – agierte zwar selbstbewusst auf der Weltbühne, hatte jedoch keine mit Japan oder den USA vergleichbare binnenwirtschaftliche Basis. Das US-amerikanische Bruttoinlandsprodukt betrug Mitte der 1980er Jahre 3 Billionen US-Dollar, das war ein Viertel der Weltproduktion, Japan lag bei 1,3 Billionen und legte ein stürmisches Wachstum vor. Chinas Wirtschaft begann sich zu regen; eine Bevölkerung von damals einer Milliarde Menschen begab sich mit zweistelligen Wachstumsraten in die Startlöcher für eine Aufholjagd. Deutschlands und Frankreichs Produktion betrug 0,9 und 0,7 Billionen Dollar und ihr Wachstum blieb deutlich hinter dem Tempo, das die USA und Japan, ganz zu schweigen von China, vorlegten, zurück. Allein die gewaltigen Unterschiede der Bevölkerungsgröße und deren Dynamik gaben keinen Anlass für Optimismus hinsichtlich des künftigen Platzes der einzelnen europäischen Länder und ihres Kapitals in der Weltwirtschaft. Das Wachstum in Westeuropa war zudem ins Stocken geraten und die Arbeitslosigkeit wuchs; man sprach von einer „Eurosklerose“. Trotz seiner damaligen Schwächung blieb der Dollar die wichtigste internationale Reserve- und Anlagewährung und dominierte den Welthandel. Die USA konnten sich international bequem in ihrer eigenen Währung verschulden und erzielten aufgrund des großen Dollarbedarfs beträchtliche Zentralbankgewinne; vor allem aber gaben sie der Welt den währungspolitischen Takt vor.
Deshalb wurden ab Mitte der 1980er Jahre die seit den sechziger Jahren diskutierten Pläne[5] zur Schaffung eines europäischen Binnenmarktes mit freiem Güter- und Leistungsverkehr, freiem Kapitalverkehr und Freizügigkeit der Arbeitskräfte sowie einer einheitlichen Währung forciert. Damit sollte eine den überseeischen Konkurrenten ebenbürtige Marktdimension entstehen. Die Konkurrenz innerhalb Europas, die Konkurrenz der Staaten und Standorte um Kapitalinvestitionen und die Konkurrenz der Arbeitskräfte untereinander sollten angefacht und angeblich nationale „Verkrustungen“ des Arbeitsmarktes und des Sozialsystems „aufgebrochen“ werden. Was immer den Bürgern über die Vorteile einer gemeinsamen Währung vermittelt wurde, so diente dieses Projekt zuallererst der weiteren internationalen Expansion des Großkapitals. Die angestrebte Vollendung des Binnenmarktes wird erst mit einer einheitlichen Währung vollzogen; sie ist das Tüpfelchen auf dem i. Sie sollte nicht nur die mit den Kursschwankungen der einzelnen Währungen verbundenen außenwirtschaftlichen Risiken beseitigen und die mit Währungsumrechnung und -tausch entstehenden Kosten vermindern. Sie bot vor allem die Chance, der Vorherrschaft des Dollars und der damals erwarteten Stärkung der Rolle des japanischen Yen perspektivisch Paroli bieten zu können. Keine nationale Währung Europas, auch nicht die starke D-Mark, wäre dazu allein in der Lage gewesen. Die in Deutschland seit Beginn der 1980er Jahre verfolgte neoliberale Strategie der exportorientierten Modernisierung erfuhr mit der Schaffung des europäischen Binnenmarktes und einer europäischen Währung ihre logische Fortführung. Natürlich gab es – abgesehen von der offenen Gegnerschaft nationaler und konservativer Kreise und der linken Kritik – angesichts der Unsicherheiten, die mit einem solchen „Experiment von historischer Dimension“[6] (so Otmar Issing, einer der wichtigsten Konstrukteure des Euro) verbunden sind, auch Bedenken der wirtschaftlich-politischen Elite. Sie wurden in Deutschland aber auch zu dem Zweck kultiviert, möglichst die eigenen Vorstellungen über die Konstruktion der Währungsunion gegenüber Frankreich durchzusetzen, eine Strategie, die alles in allem erfolgreich war.
Der Rückhalt des Euro-Projektes beim Großkapital war die Basis dafür, dass es trotz aller Kritik und vielfältigen Widerstandes zustande kam. Das schließt Interessengegensätze und unterschiedliche Vorstellungen über seine Verwirklichung sowie Schwankungen in der Haltung bestimmter Interessengruppen nicht aus. Dies betrifft die Interessenunterschiede zwischen dem binnenwirtschaftlich und dem exportorientierten Kapital, verschiedene konzeptionelle Grundlagen der Geld- und Währungspolitik der beteiligten Staaten und ihrer Zentralbanken, die Vorstellungen der involvierten politischen Eliten und natürlich die jeweiligen nationalen Interessen. Die Wirtschaftswissenschafter zeigten sich tief gespalten.[7] Noch bevor der Euro verwirklicht wurde, hatte das Bundesverfassungsgericht zweimal – 1993 und 1998 – über Klagen gegen das Projekt zu entscheiden. Nicht selten wurden langfristig-strategische Ziele von kurzfristigen wirtschafts- und konjunkturpolitischen sowie macht- und wahltaktischen Überlegungen der Akteure beeinflusst oder überlagert. Das war beispielsweise 1997 der Fall, als die gerade ins Amt gelangte französische Linksregierung unter Lionel Jospin, der neben Sozialisten auch Grüne und FKP-Minister angehörten, ihre Zustimmung zum SWP von einer Reihe an Bedingungen (darunter die Aufnahme eines Kapitels über staatliche Beschäftigungspolitik in den Vertrag von Amsterdam) abhängig machte. Freilich blieb dieser Passus ohne jegliche praktische Bedeutung.
Das französische Interesse an einer schnellen, der politisch-ökonomischen Integration vorauseilenden Währungsunion mag größer als in Deutschland gewesen sein, weil die Deutsche Bundesbank in Europa die geldpolitische Richtung vorgab und sich das französische Kapital in einer rasch verwirklichten Union stärkeren Einfluss auf die Geld- und Währungspolitik versprach. Aber wie die damaligen Verlautbarungen der deutschen Unternehmerverbände und des Finanzkapitals zeigen, gab es – anders als in der Bevölkerung und bei den klein- und mittelständischen Unternehmen – auch hier eine überwältigende Zustimmung. Der FDP-Außenminister Hans-Dietrich Genscher startete im Frühjahr 1987 eine Kampagne für die Währungsunion. In einem Rückblick stellt er fest, dass „diese Idee eigentlich nur aus Deutschland kommen konnte …“[8], und er lässt seinen Stolz darüber erkennen, dass sein Vorstoß früher als die französische Initiative kam. Ihr starker Anklang in Bank- und Industriekreisen[9] war ausschlaggebend dafür, dass er im Februar 1988 ein Memorandum nachschob, das den Anstoß für die Schaffung einer Kommission unter Jacques Delors gab, die dann jenen Plan ausarbeitete, der dessen Namen erhielt. Später, 1996, konstatierte Der Spiegel in einem Artikel „Starke Lobby für den Euro“, dass „Banker und Industrielle … immer heftiger … auf einen schnellen Abschied von der Mark (drängen)“. Auf die Frage nach den Vorteilen, die sie bei der Währungsunion erwarteten, antworteten die durch Allensbach befragten Führungskräfte: Stärkung auf dem internationalen Kapitalmarkt (79 Prozent), stärkerer Binnenmarkt (72 Prozent), Behauptung im internationalen Konkurrenzkampf (70 Prozent), solidere Wirtschaftspolitik einzelner Mitgliedsländer (66 Prozent) und – die Frage ist verräterisch – moderatere Gewerkschaften (43 Prozent).[10] Als 1997/1998 im Vorfeld der Euro-Einführung auch angesichts dessen, dass die Beitritts-Kriterien von einer ganzen Reihe Länder, darunter auch Deutschland, kaum oder nur mit Tricks eingehalten wurden, skeptische Stimmen stärker wurden, veröffentlichten die Vorsitzenden der Wirtschaftsverbände BDI, BDA, DIHT, ZDH gemeinsam mit dem DGB (sic!) positive Stellungnahmen im Handelsblatt. BDA-Chef Hans-Olaf Henkel jubelte, „der Euro wird uns Beine machen“, und er meinte damit kapitalfreundliche Reformen am Steuer- und Sozialsystem sowie in der Beschäftigungspolitik.[11] Leon Brittan, damals EU-Außenhandelskommissar, verkündete: „Die EWU zwingt den europäischen Ländern eine Thatcheristische Politik auf.“[12]
Der entscheidende Punkt der Euro-Konstruktion für das deutsche Kapital war, dass es einen großen einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum möglichst zum Nulltarif haben wollte. Der europäische Markt sollte brutal geöffnet werden. Man wollte neue Möglichkeiten schaffen, mittels des Standort-Arguments Druck auf Löhne, Sozialabgaben und Steuern sowie die Politik überhaupt auszuüben. Das Zentralbank-Statut und die so genannten Konvergenzkriterien der Euro-Zone dienten keineswegs einer ökonomischen oder womöglich politischen Konvergenz. Vielmehr sollte mit ihnen eine einheitliche, „neutrale“ Geld- und Währungspolitik einer Europäischen Zentralbank für eine stabile und „harte“ Währung überhaupt erst möglich werden. Deshalb wurden Forderungen nach relativ nahe beieinander liegenden und niedrigen Inflationsraten und Zinssätzen der beteiligten Länder erhoben. Lägen die Inflationsraten weit auseinander, hätte eine einheitliche Geldpolitik, die sich am Durchschnitt orientiert, für die Länder mit davon stark abweichenden Werten negative Folgen. Und es sollte ausgeschlossen sein, dass die Zentralbank oder die starken Länder der Eurozone in irgendeiner Weise zur Finanzierung der Länder mit Defiziten etwa durch Finanzausgleich oder Monetarisierung der Staatsschuld mittels der Europäischen Zentralbank herangezogen würden. Deshalb die so genannte „Unabhängigkeit“ der EZB von Regierung und Parlament, die Forderung eines „unpolitischen Euro“ (Ottmar Issing), das heißt einer von Regierungs- und Parlamentseinflüssen freien Geldpolitik, einer Defizit- und Schuldengrenze sowie die No-Bail-Out-Klausel. Auch die damalige französische Regierung, die eigentlich nichts von der deutschen Konstruktion einer „unabhängigen“ Zentralbank hielt, beugte sich dieser Forderung. Damit war – mit Ausnahme des von den schwächeren Euro-Ländern geforderten, völlig unterdimensionierten Kohäsionsfonds – festgeschrieben, dass die Konkurrenz der Staaten und Standorte durch keinerlei Finanzausgleichs- und Solidaritätsprinzipien relativiert werden konnte. Ein solches Regime einer „freien“ Marktwirtschaft ist immer ein Regime des Stärkeren. Es wird nicht zur Egalisierung, sondern zur Verstärkung von nationalen Niveauunterschieden führen, ein als Myrdal-Syndrom bezeichneter Effekt.[13] Das international orientierte deutsche und französische Kapital wollte die Märkte der schwächeren Mitglieder; keinesfalls wollte sie die Schwäche dieser Mitglieder mittels europäischer Instrumente aktiv überwinden. Wären die Kriterien einer real-ökonomischen Konvergenz zugrunde gelegt worden – in ihrem Mittelpunkt müssten neben Inflationsraten und Zinssätzen solche Kriterien wie Produktivität und Lohnstückkosten, Steuern und Sozialleistungen, Leistungsbilanzen und die Beschäftigung stehen – hätten einige der Euro-Länder gemäß der Theorie optimaler Währungsräume gar nicht an der Währungsunion teilnehmen können, zumindest nicht ohne entsprechende Faktormobilität und/oder einem adäquaten Finanzausgleich. Sie sollten aber wegen ihrer Märkte und einer fragwürdigen politischen Symbolik unbedingt dabei sein.
Gerne hätten sich die ökonomisch schwächeren Kandidaten der Währungsunion einen besser ausgestatteten Struktur- und Kohäsionsfonds zum Ausgleich der bestehen Konkurrenznachteile gewünscht. Sie konnten sich jedoch letztlich nicht durchsetzen. Deshalb auf die Teilnahme am Euro zu verzichten, kam für die dort herrschenden Eliten nicht in Frage: Zu verlockend waren der große europäische Binnenmarkt, der Zugriff auf eine der D-Mark vergleichbare starke Währung, der verbesserte Zugang zu den internationalen Finanzmärkten und die zu erwartenden niedrigeren Zinssätze. Dieser Elite war es angesichts ihrer ökonomischen Stellung auch völlig egal, dass ihre Länder gemäß der SWP-Bestimmungen im Falle von Defiziten zu Haushaltseinsparungen und Lohn- und Sozialdruck verpflichtet waren, die nicht mehr mögliche äußere Abwertung somit durch eine innere Abwertung zu Lasten vor allem der lohn- und sozialabhängigen Schichten zu ersetzen hätten.
Kasten 2: Die Einführung der D-Mark in der DDR als Fallbeispiel
„Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, gehn wir zu ihr“ wurde Anfang 1990 in der DDR skandiert. Damit wurde, was später als die deutsche Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in die Geschichte einging, quasi von „unten“ forciert und konnte sich auf die Legitimation durch die Straße, die durch Wahlergebnis vom 18. März 1990 auch formal bekräftigt wurde, berufen. Auch wenn das keine „Währungsunion“ war, sondern die Einführung der D-Mark und des mit ihr verbundenen Wirtschaftssystems in der DDR, lassen sich anhand dieses Vorgangs eine Reihe grundsätzlicher Fragen einer Währungsunion im Zeitraffer beobachten. Mit dem Umtausch der Mark der DDR in D-Mark wurde die in der DDR verwendete Währung am 1. Juli 1990 mit einem Schlag stark aufgewertet, was ihre Exportmärkte in Osteuropa zusammenbrechen ließ, zumal diese Handelspartner nur sehr eingeschränkt über westliche Valuta verfügten. Da auch auf dem Binnenmarkt die DDR-Güter von Waren aus der Bundesrepublik schlagartig verdrängt wurden und die jetzt in D-Mark anfallenden Arbeitskosten (Löhne und Gehälter wurden 1:1 umgerechnet) sich im Verhältnis zur Arbeitsproduktivität (hier betrug die Relation etwa. 1: 0,45) vervielfachten, die Lohnstückkosten somit unvermittelt explodierten, kollabierte die DDR-Wirtschaft im Sommer 1990. Der durchschnittliche Umtauschkurs lag zwar insgesamt wohl unter 1:1, aber trotzdem nicht annähernd bei der Produktivitätsrelation. Freilich: Ein anderer Umtauschkurs beim Bargeld als 1:1 hätte die Bevölkerung der DDR existenziell gefährdet. Der Fehler lag also nicht so sehr bei diesem Kurs, sondern darin, die Wirtschaft der DDR unter diesen Bedingungen unvermittelt und ungeschützt der Konkurrenz aus der damaligen Bundesrepublik auszusetzen und sie ihrer Exportmärkte zu berauben.
„Sind wir noch zu retten?“ fragte ich damals in der „Sächsischen Zeitung“ in einer „40-Tage-Bilanz der Währungsunion“. Diese Frage stellte sich auch die letzte DDR-Regierung unter Lothar de Maiziere und beantwortete sie negativ. Am 5. August 1990 suchte er Helmut Kohl in dessen Urlaubsquartier am österreichischen Wolfgangsee auf, um auf einen rascheren Beitritt zur BRD als ursprünglich vorgesehen zu drängen. Alles in allem passte das in die politische Agenda der Bundesregierung und am 3. Oktober 1990 wurde der Beitritt, die politische Einheit, vollzogen. Der ökonomische Absturz Ostdeutschlands ging zwar weiter, endete aber infolge der Einbeziehung in das politisch-ökonomische Gesamtsystem der Bundesrepublik mit seinen sozialen, fiskalischen und föderalen Ausgleichs- und Transfersystemen, verbunden mit einer massiven Arbeitskräftewanderung von Ost nach West, nicht in einem bodenlosen Chaos mit einer womöglich politischen Destabilisierung. Freilich hängt der Osten in mancherlei Hinsicht der gesamtdeutschen Entwicklung wie ein Klotz am Bein, weil sich trotz der gewaltigen Transfers und der Existenz vieler Gewinner der Einheit kein völlig selbst tragendes Wirtschaftsgebiet entwickelt hat. Für nicht wenige Bürger Ostdeutschlands waren diese Vorgänge mit katastrophalen Folgen und Arbeitslosigkeit verbunden, aber man stelle sich vor, diese Transfers und die damit verbundene Politik- und Finanzkoordination wären der „Währungsunion“ nicht unmittelbar gefolgt!
Doch obwohl die politische Einheit Deutschlands entsprechend der Theorie des optimalen Währungsraums eigentlich die verlässliche Basis einer erfolgreichen Währungsunion abgibt, fällt ein objektives Urteil zwiespältig aus. So schrieb Hans-Werner Sinn 2003, „dass man die wirtschaftliche Vereinigung der beiden Landesteile als gescheitert ansehen kann.“[14] Der Angleichungsprozess von Ost und West kam zum Erliegen; im Osten haben sich dauerhaft abgehängte und arme Regionen herausgebildet und es ist offensichtlich, dass über den föderalen Finanzausgleich hinausgehende Transferleistungen noch lange Zeit erforderlich sein werden. Will man die deutsche mit der europäischen Währungsunion vergleichen, drängt sich deshalb die Frage auf, um wie viel problematischer letztere angesichts kultureller, sozial-ökonomischer und politischer Differenzen sowie fehlender Ausgleichsmechanismen sein muss, wenn schon die erstere mit weitgehendem Finanzausgleich und einheitlichen politischen Institutionen nur höchst unvollkommen funktionierte.[15]
Man könnte den Konstrukteuren der Währungsunion zugute halten, ihr Marktoptimismus sei einfach zu groß gewesen und sie hätten im Einklang mit dem Mainstream der ökonomischen Lehre geglaubt, der Markt sei der beste Ausgleichsmechanismus und würde in den schwächeren Ländern das Bemühen um einen wirtschaftlichen Aufholprozess verstärken. Man könnte ihnen auch zugute halten, dass es nur wenig Erfahrung mit einer Währungsunion unter solchen Bedingungen gab. Doch beide Argumente sind verfehlt.[16] Erstens gab es eine Theorie der Währungsräume, nach der es eine solche Union unter diesen Bedingungen nicht hätte geben dürfen.[17] Otmar Issing, der seinerzeit als Chef-Ökonom der EZB ihre geldpolitische Strategie bestimmt hatte, konstatierte, die Euro-Gruppe verkörpere „alles andere als einen optimalen Währungsraum“.[18] Und zweitens gab es – wie bereits erwähnt – praktische Erfahrungen; sie lagen zudem in Deutschland nicht nur unmittelbar vor der Tür, sondern sie lagen im eigenen Haus vor: die innerdeutsche „Währungsunion“ von 1990. Es war also keineswegs wissenschaftliche Ignoranz oder fehlende Erfahrung, sondern es waren die dominierenden Interessen, die zu genau dieser Konstruktion der Währungsunion führten.
2. Die linke Kritik an der Währungsunion
Breite Bevölkerungskreise der potenziellen Euro-Länder waren und blieben skeptisch. Volksabstimmungen fielen negativ aus oder wurden wegen dieses zu erwartenden Votums vermieden. Trotz des europäischen Einigungsprozesses, dessen Vorteile durchaus gewürdigt werden, ist die Bevölkerung zumeist nicht so „internationalistisch“ eingestellt wie das Groß- und Finanzkapital. Das hat nicht unbedingt etwas mit Nationalismus, den es natürlich gibt, zu tun, sondern damit, dass der gesamte Prozess der Internationalisierung und Globalisierung asymmetrisch verläuft: Die Entwicklung der politischen und demokratischen Institutionen hält nicht Schritt mit der Globalisierung der Wirtschaft. Hinzu kommt, dass die ethnisch-kulturellen, sozialen und rechtlichen Differenzen innerhalb Europas groß sind und dass die internationale Mobilität der Bevölkerung – ein wichtiges Moment notwendiger Ausgleichsbewegungen in einer Währungsunion – unvergleichlich geringer ausgeprägt ist als beim Kapital und den Vertretern des Kapitals. Ein Finanzausgleichssystem hätte angesichts des sozialökonomischen und Produktivitätsgefälles innerhalb Europas (das Pro-Kopf-Einkommen des ärmsten Landes beträgt etwa 66 Prozent des reichsten Landes) eine beträchtliche Dimension annehmen müssen. Es ist fraglich, ob eine ausreichende Mehrheit der Bevölkerung der reicheren Länder dies zu tragen bereit gewesen wäre. Und schließlich bestand und besteht der begründete Verdacht, dass mühsam behauptete demokratische Rechte auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene bei einer politisch ergänzten Währungsunion durch europäische Institutionen ausgehöhlt werden. Gerechterweise muss dazu festgestellt werden, dass auf die Frage, wie das Verhältnis demokratischer Institutionen in dieser Breite und Tiefe – von lokal bis international – praktisch und bürgernah zu gestalten wäre, auch die Linke noch keine tragfähige Antwort hat. Die Kluft zwischen der „realen Utopie“ eines vereinten Europa und des gegenwärtig möglichen und für eine erfolgreiche Währungsunion notwendigen europäischen Zusammenhalts ist nach wie vor groß.
Noch bevor sich eine systematische linke Kritik am Euro-Projekt formierte, wurde es von national-konservativen und chauvinistischen Kreisen attackiert. Ihnen ging es nicht darum, eine Einheitswährung funktionsfähig zu machen, sondern um die Kritik an der Aufgabe der starken D-Mark, an nationaler politischer Souveränität und am erforderlichen finanziellen Ausgleich zwischen den Euroländern. Eine europäische Integration gehörte überhaupt nicht zu ihren Zielen. Die Unterscheidung zwischen ihnen und jenen Kritikern, die eine Einheitswährung angesichts der ökonomisch-politischen Kluft innerhalb Europas ablehnten, fällt manchmal gar nicht so leicht. Jörg Huffschmid, der angesichts des Scheiterns des EWS im Jahr 1993 dem Projekt einer Währungsunion anfangs „keine Realisierungschance“ einräumte[19], machte dieses Dilemma deutlich. Auf einer Tagung des IMSF arbeitete er die fatalen Folgen einer Währungsunion à la Maastricht heraus und konstatierte, dass dies allmählich auch in der öffentlichen Diskussion wahrgenommen würde, „dort allerdings nun so national-chauvinistisch umgedreht wird, dass man schon deshalb versucht ist, für den sofortigen Vollzug der Währungsunion zu sein – wenn man nicht befürchten müsste, dass die dann aufbrechenden Widersprüche und Konflikte zu noch ganz anderen Dimensionen von Chauvinismus führen können.“[20]
Linke Kritik am Euro-Projekt unterschied und unterscheidet sich fundamental von deren nationalistischer Ausprägung. Ihr geht es nicht darum, die europäische Integration abzulehnen oder zu verzögern. Sie bejaht vielmehr deren Notwendigkeit und Perspektive, um die oben erwähnte Asymmetrie zu überwinden. Sie lehnt jedoch das neoliberal orientierte, auf monetaristischen Grundlagen beruhende Euro-Projekt ab, weil es ihm an demokratischer Legitimation und an sozial-ökologischer und beschäftigungspolitischer Ausrichtung fehlt. Dabei gab es innerhalb der linken Kritik graduelle Unterschiede: Zum einen wurde die Einheitswährung als Projekt des Großkapitals prinzipiell abgelehnt, weil sie Europa zu spalten droht. Dies war die Argumentation vor allem von PDS und DKP. Zum anderen wurde der Euro unter der Bedingung bejaht, dass seine aus linker Sicht fehlerhafte und schädliche Konstruktion korrigiert wird, wobei durchaus Chancen einer Korrektur ausgemacht wurden. Weitere Nuancen ergaben sich unter anderem daraus, dass verschiedene Zeithorizonte zugrunde gelegt wurden, sowie aus der Einschätzung, ob und wann eine ausreichende Basis für eine Währungsunion zu schaffen wäre.
Zwei Phasen dieser Kritik lassen sich unterscheiden. In einer ersten Phase – sie reicht bis 1998, als der endgültige Beschluss über die Einführung des Euro getroffen wurde – wurde die einheitliche Währung entsprechend dem Maastricht-Zeitplan abgelehnt. Entweder wurde der Zeitplan zur Einführung des Euro für unrealistisch gehalten oder eine einheitliche Währung zumindest solange für verfrüht erachtet, wie nicht eine stärkere wirtschaftliche Konvergenz erreicht wird, die mit einem weit fortgeschrittenen politischen Einigungsprozess verbunden ist. Nach Einführung des Euro erhielt die Kritik in einer zweiten Phase einen anderen Tenor: Die einheitliche Währung wird als gegebene Tatsache hingenommen, das heißt es wird nicht etwa die Forderung nach Rückabwicklung gestellt. Es wird jedoch die Kritik am Euro-System und seinen Unzulänglichkeiten fortgesetzt, ohne – bis auf wenige Ausnahmen – sein Scheitern zu prognostizieren. Vielmehr werden die Bedingungen herausgearbeitet, die geschaffen werden müssten, um den bereits eingeführten Euro erfolgreich zu machen und das Projekt zu „heilen“.
Explizit ausgesprochen wurde dieser Perspektivenwandel von Elmar Altvater und der AG Alternative Wirtschaftspolitik (Memo-Gruppe). Nachdem 1998 der Euro beschlossene Sache war, schrieb Altvater: „Die EWWU ist zu weit vorangebracht, als dass sie ohne pathologische Rückfälle in nationalistische Positionen gestoppt oder gar vom Wege abgebracht werden könnte. Unmittelbar nach dem Vertrag von Maastricht war diese Option noch gegeben. Heute ist sie nur zu einem Preis zu realisieren, der zu hoch ist. Dies ist der Grund dafür, dass der Verfasser 1992/93 – heftige und böse Kritik provozierend – gegen den Maastricht-Vertrag und die EWWU argumentierte …, im Jahre 1998 aber die EWWU zu unterstützen … gezwungen ist … Politische Positionen haben ihre Zeit, und wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben.“[21] Dies war im Prinzip auch die Position von Bündnis 90/Die Grünen, denen Altvater damals noch angehörte und die den Verträgen im Bundestag zustimmten, dies allerdings auch 1992, als Altvater noch auf anderen Positionen stand.
Rudolf Hickel, der bekannteste Ökonom der Memo-Gruppe, geht schon 1995 davon aus, dass sich „die Frage, ob die Währungsunion vollendet werden soll, gar nicht mehr (stellt). Es kann nur noch um die Bedingungen gehen, die dabei konkret berücksichtigt werden sollen.“[22] Er schließt seine Analyse mit den Worten: „Es geht nicht um den Versuch, die D-Mark noch für einige Zeit zu retten. Unbedingt verhindert werden muss, dass das Gesamtprojekt scheitert, denn das würde zu einem politisch katastrophalen Rückschlag führen. Am Ende stünde ausschließlich die nationale DM-Hegemonie. Dazu gehört aber auch, die Chancen und Bedingungen einer einheitlichen Euro-Währung zu verbessern. Ein Labortest bzw. eine Strategie nach dem Prinzip ‚Versuch und Irrtum’ taugt nicht für diesen hochsensiblen Bereiche der Geldwirtschaft.“[23] Wenn diese Bedingungen nicht geschaffen werden könnten, sei eine Verschiebung der Währungsunion unvermeidbar.[24] Jörg Huffschmid lehnt die Währungsunion zu diesem Zeitpunkt – 1995 – noch ab und plädiert für die Rückkehr zum EWS, ergänzt um weitere wirtschaftspolitische und soziale Alternativen. Ab 1998, als der Euro beschlossene Sache ist, gibt auch Huffschmid diese Haltung auf. „Danke, Frankreich!“ titelt er einen Artikel, in dem er die Hoffnung zum Ausdruck bringt, dass es unter dem Einfluss der neuen französischen Linksregierung zu einer Revision der Verträge kommen möge, „die eine Weiterentwicklung der europäischen Integration zu einer tragfähigen europäischen Union erlaubt.“[25]
In den ersten Jahren nach Maastricht wurde von den meisten linken Kritikern betont, dass eine Währungsunion auf der Basis des dort geschlossenen Vertrags infolge seiner einseitigen Orientierung auf monetäre Stabilität keine realwirtschaftliche Konvergenz bewirke, dieser vielmehr entgegenwirke. Die Memo-Gruppe, die 1992 eine der ersten ausführlichen linken Analysen des Projekts vorlegte und es auch in den Folgejahren regelmäßig kritisch kommentierte, schrieb dazu: „Denn eine Wirtschaftspolitik, die für ganz unterschiedliche Bedingungen, wie sie in den Mitgliedsländern der EG vorliegen, unablässig den Vorrang der Antiinflationspolitik wiederholt und den differenzierten Einsatz verschiedener Politikinstrumente verhindert, trägt nicht zur Konvergenz, sondern zum weiteren Auseinanderdriften der realen wirtschaftlichen Strukturen und Entwicklungen bei.“[26] Eine Währungsunion wird nicht abgelehnt, da sie aber eine weitgehende Angleichung der Leistungsfähigkeit der Mitgliedsländer voraussetzt, wird ihr erst nach einer solchen Angleichung eine reale Chance eingeräumt. Nicht eine Währungsunion stehe auf der Tagesordnung, vielmehr solle das Europäische Währungssystem mit engen Bandbreiten reaktiviert und eine gesamteuropäische Integrationspolitik eingeleitet werden.[27] Am ausführlichsten setzt sich das Memorandum ’96 mit der Währungsunion auseinander und vergleicht es mit den historischen Erfahrungen und Vorschlägen. Der Tenor lautet: Es könne nicht nur um eine Verschiebung gehen, vielmehr sei „der entscheidende politische Eingriffspunkt das Modell selbst, dessen Ausgestaltung und Ziele, die auf steigende Beschäftigung, auf regionalen Ausgleich und soziale Integration gerichtet sein sollten.“[28] Hinsichtlich des europäischen Währungssystems stünden zunächst die wirtschaftliche Annäherung und erst dann eine Vergemeinschaftung des Geldes und der Geldpolitik an.
Im Memorandum ’98 muss dann konstatiert werden, dass man sich mit diesen Vorschlägen nicht habe durchsetzen können. Nun komme es darauf an, die Spielräume des Vertrages zu nutzen und „längerfristig auf eine Veränderung … in Richtung auf eine ausgewogenere wirtschaftspolitische Orientierung hinzuarbeiten.“[29] Die frühere Argumentation, die Einheitswährung würde zu solchen ökonomischen und sozialen Divergenzen führen, die unweigerlich das alte nationalistische Gedankengut wieder aufleben ließen, wird jetzt nicht mehr thematisiert. Dabei mag der von Jörg Huffschmid gezeigte verhaltene Optimismus hinsichtlich des französischen Linkseinflusses auf die weitere Gestaltung der Währungsunion eine Rolle gespielt haben. Andererseits mag diese Wende auch mit dem Selbstverständnis der Memo-Gruppe – nach möglichen Veränderungspotenzialen unter den historisch konkret gegebenen Bedingungen zu suchen und konkrete alternative Politikangebote auszuarbeiten – zu begründen sein.
Bei politischen Abstimmungen heißt es Hic Rhodus, hic salta: dagegen, dafür oder mit Enthaltung votieren. Von den im Bundestag vertretenen Parteien lehnte die PDS als einzige das Euro-Projekt ab. Sie argumentierte ähnlich wie die DKP, die es als ein „Projekt des europäischen Großkapitals“ bekämpfte, weil es ausschließlich den Interessen des Großkapitals diene.[30] Das Projekt führe zu mehr Arbeitslosigkeit und Armut, zu mehr Standortkonkurrenz mit Lohn-, Sozial- und Umweltdumping, zu mehr sozialer und regionaler Polarisierung, zu mehr Verkehr, zu weniger Demokratie, zu mehr Dominanz des deutschen Imperialismus und zu mehr Nationalismus und weniger Völkerverständigung. In einer umfassenden Analyse begründet Sylvia-Yvonne Kaufmann, damals noch PDS-Mitglied, die ablehnende Haltung ihrer Partei: „Dieser Euro spaltet Europa“ und „kann Nationalismus reproduzieren … Die Währungsunion kann … zum Totengräber der europäischen Integration und des gesamteuropäischen Zusammenschlusses werden, weil sie eine gigantische Neuverteilung von unten nach oben begünstigt, in fast allen Mitgliedsländern der Gemeinschaft neuartige ökonomische Konflikte ausbrechen lässt und soziale Krisen auslöst oder nachhaltig verschärft“.[31] In der Bundestagsdebatte über den Vertrag am 23. April 1998 argumentierte Gregor Gysi: „Man kann einen Kontinent nicht über das Geld einen. Das hat in der Geschichte noch niemals funktioniert und das wird auch hier nicht funktionieren. …Wir schaffen eine europäische Währung, haben aber keinen europäischen Gesetzgeber, keine europäische Verfassung, keine garantierten europäischen Rechte und verlagern die Funktionen vom Parlament auf die Exekutive in Brüssel. Das heißt, wir heben die Gewaltenteilung in der Gesellschaft schrittweise auf. … Ich behaupte, der Euro kann auch spalten. … Ob Frau Matthäus-Meier, ob die Sprecherin der Grünen, ob CDU/CSU oder FDP, alle würdigen am Euro, dass sich die Exportchancen Deutschlands erhöhen würden. Wenn das so ist, dann müssen doch die anderen Produktionsunternehmen in anderen Ländern darunter leiden. Das heißt, wir wollen den Export Deutschlands erhöhen und damit die Industrie in Portugal, Spanien und anderen Ländern schwächen. Die werden … diesem Export nicht standhalten können. Das ist eines der Probleme, das zu einer weiteren Spaltung innerhalb Europas führt. … Wer europäische Integration will, muss europäische Angleichungsprozesse einleiten. … Wenn sie statt dessen sagen, wir führen eine Einheitswährung ein, um die Angleichungsprozesse zu erzwingen, dann sagen Sie damit doch nichts anderes, als dass Sie ganz bewusst Lohnwettbewerb, also in Wirklichkeit Lohndumping und Kostendumping, organisieren wollen.“ [32]
Helmut Kohl, der von Anfang an überzeugt war, dass eine gemeinsame Währung einer politischen Union bedürfe, sprach diese Frage auf der selben Bundestagssitzung erneut an und gab der Hoffnung Ausdruck, die Währungsunion habe „eine Katalysatorfunktion in wichtigen Bereichen der Politik.“[33] Diese, von der damaligen PDS überhaupt nicht geteilte Hoffnung, haben später auch viele Linke. So schreibt Klaus Müller: „Wenn eine optimistische Prognose erlaubt ist, dann wird all dies einen nachholenden Prozess der Institutionenbildung freisetzen, wie er sich in den jüngsten Gesprächen über Steuerharmonisierung und -kooperation, einem europäischen Bündnis für Arbeit, Ansätzen für eine EU-weite Koordinierung der Tarifpolitik und Gewerkschaftsarbeit und in Rufen nach einem stärkeren Europäischen Parlament ankündigt.“[34]
Diese Entwicklung einzufordern und voranzutreiben war nun das Hauptfeld, auf dem sich linke Ökonomen im Zusammenhang mit der Währungsunion bewegten. Weder wurde ein Scheitern des Projekts thematisiert noch wurde der Diskussionsstrang weiterverfolgt, nach dem der Euro nicht Katalysator einer Harmonisierung als vielmehr einer Spaltung sein könnte. Diese Wende in der Argumentation wurde durch die Entwicklung der neuen Währung, die sich nach einer anfänglichen, kurzen Schwächephase zunächst als stabil erwies und sich zu einer internationalen Reservewährung mauserte, außerordentlich begünstigt. Obwohl zum Beispiel Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf in der Mitte des vorigen Jahrzehnt warnten, „eine einheitliche Geldpolitik in einem Währungsraum mit großen Unterschieden von Inflationsrate und Produktivität (berge) eine gehörige soziale Sprengkraft“[35], gehen sie von einer Tendenz zur Stärkung des Euro aus, der auf dem Weg zur „Weltwährung“ sei.[36]
3. Die Krise der Euro-Zone
Seit 2010 ist nicht mehr von einem starken und stabilen Euro, sondern von einer Euro-Krise die Rede. Aber ist es überhaupt richtig, von der „Euro-Krise“, also von einer Währungskrise zu sprechen? Peter Bofinger macht in seinem Euro-Buch ein Gedankenexperiment: Was würde ein neutraler Beobachter wahrnehmen, wenn er verschiedene Regionen der Welt unter diesem Aspekt analysierte? Das Ergebnis: Eine Währungskrise im Euro-Raum würde dieser Beobachter kaum konstatieren.[37] Keiner der Indikatoren, die üblicherweise mit einer solchen Krise verbunden sind (hohe Inflationsrate, Absturz des Außenwerts der Währung und Leistungsbilanzdefizit, hohe Verschuldung), weist für die Euro-Zone als Ganzes eine im globalen Vergleich überdurchschnittlich dramatische Entwicklung auf. Worin besteht also die Euro-Krise? Der offensichtlichste Tatbestand besteht darin, dass einzelne Mitgliedsländer ihre Staatsschulden nicht mehr refinanzieren können, weil die potenziellen Kreditgeber nicht mehr bereit ist, die Staatsanleihen zu Preisen zu kaufen, die für die jeweiligen Regierungen noch akzeptabel wären, ihre Haushalte also nicht über Gebühr mit dem Schuldendienst belasten. Die möglichen Kreditgeber erwarten nicht, dass sich ihre Anlage ausreichend verzinst. Sie haben kein Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit jener Länder, deren öffentliche Haushalte hoch verschuldet sind, die erhebliche Leistungsbilanzdefizite aufweisen und deren Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit weit hinter dem Durchschnitt der Euroländer hinterherhinken. Diese Länder können sich nicht mehr, wie das bei Existenz einer eigenen, nationalen Währung möglich wäre, über die Monetarisierung ihrer Schulden bei ihrer nationalen Zentralbank oder eine Abwertung zur Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und damit der Stärkung der Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte behelfen. Staatliche Finanzierungssalden und Leistungsbilanzsalden stehen im Wirtschaftskreislauf in einem engen Zusammenhang: Sind private Investitionen und privates Sparen gegeben, entspricht die Veränderung der Leistungsbilanz genau der Veränderung des Haushaltsaldos. Eine negative Leistungsbilanz kann also im Staatsdefizit genau so seine Ursache haben wie umgekehrt ein solches Defizit Folge einer negativen Leistungsbilanz sein kann.[38] Die Euro-Krise ist also eine Schuldenkrise und eine Zahlungsbilanzkrise einzelner Mitgliedsländer. Da die Regierungen dieser Länder versuchen, ihre Zahlungsfähigkeit über innere Abwertung und Sparpolitik wiederzugewinnen, ist diese Krise infolge sinkender Nachfrage mit einer schweren Rezession verbunden. Diese wird durch die aufoktroyierte Austeritätspolitik weiter verschärft. Diese Politik hat in einen Teufelskreis hineingeführt. Die Wirtschaft der betroffenen Länder zieht die Euro-Zone zu Boden und die von ihnen ausgehende Unsicherheit und sinkende Nachfrage wirkt über die internationalen Kredit- und Warenmärkte lähmend auch in die Weltwirtschaft hinein. Der Riss in der Euro-Zone verläuft vor allem zwischen den Ländern der Peripherie (insbesondere Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Irland, Zypern) und den Ländern der so genannten Kernzone mit Leistungsbilanzüberschüssen (Belgien, Deutschland, Niederlande, Österreich, Finnland, Luxemburg) und einer starken Gläubigerposition (mit Deutschland an der Spitze). Frankreich, das zur Kernzone gezählt wird, ist ebenfalls defizitär und steht deshalb oft auch an der Seite der peripheren Länder, mit denen es stärker als Deutschland vernetzt ist. Da zudem immer deutlicher wird, dass diese Krise auf der institutionellen und rechtlichen Konstruktion der Euro-Zone beruht, erweist sie sich auch als eine Krise der institutionell-rechtlichen Verfasstheit Europas.
Zur Schlussfolgerung, dass es sich um eine Krise des Euro handelt, muss man unabhängig davon kommen, ob man die Euro-Konstruktion als ursächlich für diese Krise betrachtet, oder aber meint, ohne die Weltwirtschaftskrise von 2007ff gebe es sie gar nicht. Aber angesichts der Größe und der Bedeutung dieses Währungsraums – es handelt sich um den weltweit zweitgrößten Währungsraum, der Euro ist die zweitwichtigste Weltwährung und fungiert für über 50 Länder als Ankerwährung[39] – kann die Weltwirtschaftskrise nicht als ein „externer Schock“ für die Euro-Zone betrachtet werden. Es geht nicht darum, dass diese schlecht auf eine Krise vorbereitet war. Vielmehr bilden ihre spezifische Konstruktion und die in ihrem Rahmen betriebene Politik wichtige Momente des historisch konkreten Verlaufs dieser Krise, deren Entstehung und Entfaltung einer bestimmten Zeit und Reife bedurften. Die Weltwirtschaftskrise hat die Konstruktionsfehler des Euro schonungslos offen gelegt, sie war aber nicht die Ursache der Euro-Krise, so wie umgekehrt ihre Entstehung infolge einer Überakkumulation von fungierendem, Geld- und fiktivem Kapital nicht des Euro bedurfte. Diese Krise ist eine Euro-Krise, weil die Euro-Konstruktion der Kern ihrer Probleme ist. Paul Krugman schreibt, „was die beteiligten Staaten nicht haben, ist eine eigene Währung. Und genau das war der Auslöser der Krise.“[40] Richtig muss es jedoch heißen: Der Kern des Problems ist, dass der Euro als „Währung ohne Staat“ das Konstrukt eines politischen Gebildes ist, das Ungleichgewichte zwischen seinen Teilgliedern nicht bis zu einem vertretbaren Niveau ausgleicht.
Richtig ist, dass der Euro seine erste Wirtschaftskrise zu Beginn dieses Jahrhunderts scheinbar recht gut überstanden hatte, was zu der erwähnten Euphorie beigetragen hatte. Im Langfrist-Vergleich schneidet die Euro-Zone jedoch schwach ab. Ihre Wachstumsrate war, verglichen mit den Nicht-Euro-Ländern der EU und verglichen zum Beispiel mit den USA über den gesamten Zeitraum 1999 bis 2011 am schwächsten, die Arbeitslosenquote am höchsten. Und ein genauerer Blick offenbarte schon lange vor der jüngsten Weltwirtschaftskrise ernste Erscheinungen einer Erosion. „Europäische Währungsunion im Treibsand“ titelten Michael Heine und Hansjörg Herr 2006 in der Phase des weltwirtschaftlichen Aufschwungs.[41] Sie konstatierten angesichts der divergierenden Entwicklung der Lohnstückkosten, der Leistungsbilanzen und der öffentlichen Haushalte innerhalb der Euro-Zone „eskalierende regionale Probleme“ und „Verwerfungen“.[42] Infolge des Fehlens von Institutionen, die eine Politik des ökonomischen Ausgleichs in Bezug auf Inflation, Löhne und Leistungsbilanz in Form eines Finanzausgleich innerhalb der Euro-Zone hätten betreiben können, wirken eine Einheitswährung und eine übernationale Geldpolitik bei stark divergierenden Ausgangsbedingungen eben nicht harmonisierend, sondern verstärken vorhandene und schaffen neue Divergenzen. Eine solche Ausgleichspolitik fehlte nicht einfach, ihr Fehlen war Teil des Konzepts.
Eine Währung ist die konkrete, staatlich vorgeschriebene Form des Geldes als Ausdruck komplexer gesellschaftlicher Verhältnisse. Alle ökonomisch entscheidenden Prozesse, das Handeln der ökonomischen Akteure und ihre Verhältnisse zueinander realisieren sich heute über das Geld. Es ist kein trügerischer Schein, dass dem Geld die geheimnisvolle Kraft eines Fetischs innewohnt, es hat sie tatsächlich. Wer über Geld verfügt, verfügt über diese Kraft. Und wer über die politische und ökonomische Möglichkeit verfügt, selbst Geld – Kreditgeld und Zentralbank- oder „Fiatgeld“ – zu schaffen, verfügt über diese Kraft in potenzierter Weise. Der Geldfetisch als ein realer Schein äußert sich auch darin, dass die Währung eines Landes Identität stiftend ist, also einen über die reine Geldsymbolfunktion hinausgehenden, sozialen Inhalt hat, der – wie die Ideen, sobald sie die Massen ergreifen – reale politische Kraft entfalten kann. Wer erinnert sich nicht der euphorischen Tumulte anlässlich des Währungsumtausches in der DDR? Es war wohl auch die Erfahrung dieser emotional-politischen Wucht, die mit dem Geldsymbol verbunden war, die zur Entscheidung der Bundesregierung beigetragen hat, die europäische Währungsunion voranzutreiben. Aber die Hoffnung, der Katalysator Geld reiche, um ein abgestimmtes Verhalten der beteiligten Länder herbeizuführen, erwies sich als trügerisch. Das Konkurrenzverhalten, die Suche nach dem eigenen Vorteil im Rahmen des Eurosystems, und dies unter Umständen auch zu Lasten anderer Euro-Länder, waren stärker. Zu integrativen Schritten kommt es nur unter äußerstem Zwang und quasi als letzte Rettung. Geld ist eben nicht bloß ein Instrument monetaristischer Politik, sondern Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse im Reproduktionsprozess als einer komplexen, widerspruchsvollen Einheit seiner Phasen und Sphären insgesamt.
Die grundsätzlichen Entscheidungen bei Schaffung der Währungsunion betrafen den europarechtlichen und institutionellen Rahmen, die Konstruktion der EZB, ihre Zielstellung und ihre Instrumente sowie ihre geld- und währungspolitischen Prioritäten hinsichtlich der Umtauschkurse, der Geldmengenpolitik, der Zinspolitik und der Währungspolitik gegenüber anderen Währungen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Eine umfassende Analyse und Kritik aller Facetten dieser polit-ökonomischen Entscheidungen und Entwicklungen kann hier nicht geboten werden, vielmehr erfolgt eine Konzentration auf diejenigen Aspekte, die für die gegenwärtige Krise des Euro als entscheidend betrachtet werden können.
Eine Grundlage der Erosion wurde mit dem Startschuss des Euro in Form der Umtauschkurse geschaffen. Die Bedeutung dieser Frage kann nicht hoch genug veranschlagt werden, weil damit über die außenwirtschaftliche Einbettung und Konkurrenzfähigkeit der beteiligten Staaten von Anfang an mit entschieden wurde. Als die D-Mark in der DDR eingeführt wurde, bedeutete das die plötzliche Aufwertung der dort verwendeten Währung, so dass die Außenwirtschaft dieses Landes faktisch über Nacht zusammen brach. Bei der Einführung des Euro in den beteiligten Ländern wurde bei der Entscheidung über die Umtauschkurse im Jahr 1998 auf den ECU, die im Europäischen Währungssystem von 1979 geschaffene Kunstwährung, zurückgegriffen. Zugrunde gelegt wurden bilaterale Leitkurse der beteiligten Währungen und das ökonomische Gewicht der beteiligten Länder. Über beide Größen wurde politisch vom ECOFIN, dem Rat der Wirtschafts- und Finanzminister unter Beteiligung der Notenbankchefs, entschieden. Dem gesamten Verfahren wohnte nicht nur eine gehörige Portion Willkür inne, auch die real beobachteten Wechselkurse, die bei diesen Entscheidungen eine Rolle spielten, sind nie frei von spekulativen Momenten. Sie spiegeln nicht unbedingt die Relationen der unterschiedlichen nationalen Niveaus von Produktivität und Preis wider. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die festgesetzten Umtauschkurse für die einen Länder Auf- und für andere Abwertungen der verwendeten Währungen einschlossen und damit ihre Außenwirtschaft schwächten oder stärkten.[43] Für die „Schwachwährungsländer“ der europäischen Peripherie beinhaltete die Euro-Einführung jedenfalls eine Aufwertung. Sobald die einheitliche Währung eingeführt war, galt und gilt bei Veränderungen des Außenwertes des Euro, dass die beteiligten Länder sehr unterschiedlich davon betroffen sind. Die mit dem Jahr 1999 verstärkt beginnende Ausdifferenzierung der Leistungsbilanzen der Euro-Länder legt den Schluss nahe, dass der Umtauschkurs und die weitere Entwicklung des Eurokurses für die schwächeren Länder des Mittelmeerraums wie eine Aufwertung und für die zentral- und nordeuropäischen Länder eher wie eine Abwertung wirkten. Dieser Effekt wurde dadurch verstärkt, dass Länder wie Deutschland eine starke Lohnstückkostensenkung realisierten, also eine innere Abwertung durchsetzten, während die zuerst genannten Länder eine Lohnstückkostenerhöhung, also eine innere Aufwertung, erfuhren. Es ist sehr einseitig, für diese Divergenzen allein das exportorientierte Deutschland verantwortlich zu machen. Selbstverständlich haben das Kapital und die herrschenden Eliten jener Länder ihren Anteil an dieser Fehlentwicklung. Sie erkauften sich mit ihrer Politik angesichts außenwirtschaftlicher Schwäche bei zunehmender äußerer Verschuldung eine wachsende Nachfrage, banden die ihnen nahe stehenden Schichten mit ökonomischen Zugeständnissen an sich und stellten die Bevölkerung sozial ruhig. Ziel war die Stärkung ihrer eigenen ökonomischen Position. Dabei schlug sich diese Politik zunächst noch nicht einmal so sehr in der öffentlichen, sondern in der privaten äußeren Verschuldung nieder. Sie wurde zu einer Krise der Staatsverschuldung, als im Gefolge der Weltwirtschaftskrise, der Bankenrettung und der Konjunkturpakete private in öffentliche Schulden verwandelt wurden. Überhaupt verbietet es sich, beispielsweise von „Deutschland“ oder „Griechenland“ zu sprechen, womöglich noch in einer Art eines auf dem Kopf stehenden Nationalismus unter Zuweisung einer „Täter-“ und „Opferrolle“, ohne deren innere soziale und klassenmäßige Differenzierung und die daraus resultierenden Interessenunterschiede und -gegensätze zu berücksichtigen. Wenn schon Täter, dann sind es sowohl deutsche wie griechische politische und Kapitaleliten; und Opfer sind allemal die subalternen Schichten und Klassen beider Länder.
Die auf innere Abwertung gerichtete, exportorientierte deutsche Beggar–my–Neighbour-Politik hat zwar einen bedeutenden Anteil an der Fehlentwicklung der von ihr dominierten Euro-Zone, aber letztlich ist dafür die Konstruktion der Euro-Zone insgesamt ursächlich. Mit dem Verlust ihrer geldpolitischen Souveränität nahm sie den einzelnen Ländern einen Teil ihrer wirtschaftspolitischen Flexibilität, ohne dass dieser Verlust durch eine geeignete europäische, auf den Ausgleich von internationalen Ungleichgewichten gerichtete Stabilitätspolitik kompensiert wurde. Die angeblich stabilitätsorientierte geldpolitische Strategie der EZB und der SWP ordneten sich nahtlos in das neoliberale Design Europas ein. In diesem Konzept haben eine auf Stärkung der Binnennachfrage orientierte Wirtschaftspolitik, eine aktive Arbeitsmarktpolitik und eine Politik zur Kontrolle und Regulierung des Finanzsektors keinen Platz. Eine ausschließlich auf die Stabilisierung des durchschnittlichen Preisniveaus[44] gerichtete EZB-Politik galt und gilt als der „beste Beitrag“ der Geldpolitik und „wichtigster Mechanismus“ zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.[45] Die angestrebte Zielinflationsrate von knapp 2 Prozent ignoriert jedoch, dass Preissteigerungen auf vielfältigen Ursachen beruhen können und eine solche Deflationspolitik Wachstum bremsen kann. Auch die diesem Diktum unterworfene Zinspolitik wirkte ausgesprochen asymmetrisch, indem Lockerungen zu langsam, Straffungen zu abrupt erfolgten.[46] Die Asymmetrie gilt nicht nur in Bezug auf die Konjunkturentwicklung, sondern auch in ihrer räumlichen Wirkung. Aber Ungleichgewichte innerhalb der Euro-Zone gelten nach der herrschenden Doktrin als normaler Ausdruck der Staatenkonkurrenz. Kreditblasen als das Gegenstück wachsender Verschuldung waren kaum Gegenstand irgendeiner Besorgnis; lediglich die öffentliche, nicht jedoch die private Verschuldung stand als „Konvergenzkriterium“ unter Beobachtung. In einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ gemäß Vertrag über die Europäische Währungsordnung gelten solche ungleichgewichtigen, asymmetrischen Erscheinungen als hinnehmbar.
Der wachsende Außenwert des Euro in den Jahren 2002 bis 2008 war für Euro-Länder, die nicht wie Deutschland mit Lohndumping und einer aggressiven Außenhandelspolitik gegenhalten konnten, kein Segen. Ihre Leistungsbilanzdefizite wuchsen dramatisch und ihre außenwirtschaftliche Schwäche schlug sich entsprechend der Logik des wirtschaftlichen Kreislaufzusammenhangs auch in ihren öffentlichen Haushalten nieder. Diese Entwicklung in Richtung einer Schuldenblase wurde von den niedrigen Zinsen auf ihre Staatsanleihen begünstigt. Noch hatten die potenziellen Gläubiger dieser Länder nicht realisiert, dass hinter den Staatsanleihen der einzelnen Euro-Länder nicht die Euro-Zone oder die EZB als „lender of last resort“ als Sicherheit stand (so wie das bei Zentralbanken souveräner Nationalstaaten in der Regel der Fall ist), sondern infolge der No-Bail-Out-Klausel, des Verbots der monetären Finanzierung der öffentlichen Haushalte, und fehlenden fiskalischen Zusammenhalts in dieser Zone nach wie vor die fiskalpolitisch vereinzelten Mitgliedstaaten. Erst die Weltwirtschaftskrise rückte dieses Dilemma ab 2008/2009 allmählich ins Bewusstsein. Die Krise ließ die öffentlichen Einnahmen der Euro-Zone rapide absinken, während die Ausgaben infolge der sozialen Kosten, der Konjunkturprogramme und der Bankenrettung stark anstiegen. Die Folge davon war eine Explosion der Defizitquoten und der Staatsverschuldung, wovon die an sich schon schwächeren Länder in besonders starker Weise betroffen waren. Der damit verbundene Vertrauensverlust in die Sicherheit der Anleihen dieser Länder katapultierte bei infolge der Finanzkrise sowieso schon steigenden Zinsen – kräftig angeheizt durch spekulative Attacken – die Refinanzierungskosten auf ein politisch nicht mehr beherrschbares Niveau.
Als die drohende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands offenbar wurde, begann folgerichtig die Diskussion über den Bestand der Euro-Zone. Alle Analysen besagten, dass ein auf sich gestelltes Griechenland bei noch so starken Anstrengungen zur Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit durch Produktivitätsentwicklung sowie Lohn-, Sozialkosten- und Preissenkung auf keinen Fall in der Lage sein würde, kurz- und mittelfristig seine Zahlungsfähigkeit in einem ausreichenden Maße wieder herzustellen. Eine Unterstützung durch die anderen Euro-Länder waren gemäß SWP und No-Bail-Out-Klausel eigentlich verboten und von einem Schuldenerlass befürchtete man, dass die in der Krise soeben geretteten Banken womöglich erneut in Schwierigkeiten gebracht würden und dies zudem Auswirkungen auf die Zinsen künftiger Anleihen haben könnte. Der Austritt aus der Euro-Zone und die Herstellung währungspolitischer Souveränität wurden somit zu realen Optionen der Krisenbekämpfung. Da mit Portugal, Spanien, Italien und Irland weitere Euro-Länder in Bedrängnis gerieten, hing mit einem Mal das Damoklesschwert des Zerbrechens über dem Projekt Euro-Zone.
Auch wenn der Austritt einzelner Länder nicht automatisch das Ende des Euro bedeuten sollte, wäre das nicht nur mit einem enormen Verlust an Prestige und Legitimation der politischen Eliten verbunden, es käme auch zu ökonomischen Verlusten des exportorientierten Kapitals, der Anleger und Gläubiger, ganz zu schweigen von den sozialen Kosten. Die im Vorfeld der Euro-Gründung beschworenen ökonomischen Vorteile wären dahin. So ist es für die Macht- und Entscheidungselite letztlich eine Frage der Abwägung zwischen den politischen und ökonomischen Kosten eines Austritts und den Kosten, die der Erhalt der bisherigen Euro-Zone mit sich bringt, welche die weitere Diskussion und die politische Reaktion auf die Krise bestimmten. Dabei geht es aber nicht schlechthin um Kosten, sondern um die Frage, wer – welche Länder und welche sozialen Klassen und Schichten – diese letztlich zu tragen haben und inwieweit welches Kapital betroffen wäre. Dieses Abwägen ist schwierig, was das politische Lavieren der Akteure und ihren Kampf um Zeitgewinn erklärt. Nicht zu vergessen ist auch, dass in Deutschland Bundestagswahlen anstehen und das politische Überleben der Bundeskanzlerin und ihrer Partei als Regierungspartei eng mit dem Erhalt des Euro in seiner bisherigen Struktur zumindest bis zu diesen Wahlen verbunden ist.
Bislang wurde die Frage zugunsten des Erhalts der heutigen Euro-Zone beantwortet. Die internationale Finanzlobby nahm darauf massiven Einfluss, so zum Beispiel in Gestalt des Institute of International Finance, dessen damaliger Vorsitzender, der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, die Verhandlungen zum griechischen Schuldenschnitt dominierte.[47] Dies entspricht auch den Intentionen derjenigen, die von Anfang an am Euro-Projekt aus wirtschaftlichen Gründen interessiert waren.[48] Das könnte sich freilich ändern: Die finanziellen Verflechtungen im Euro-Finanzmarkt haben sich erheblich gelockert; die Forderungen der Geschäftsbanken der wichtigsten Euro-Länder gegenüber der gesamten Euro-Zone sanken seit 2008 um beträchtliche 42 Prozent, gegenüber den Euro-Krisenländern sogar um 50 Prozent.[49] Die Exporte zum Beispiel nach Griechenland sind stark zurückgegangen und nachdem ein Teil der griechischen Staatsanleihen von der EZB aufgekauft, aus den Rettungsschirmen zwischenfinanziert, abgewertet oder von Griechenland zurückgekauft worden ist, würden bestimmte Privatanleger kaum noch mit sehr hohen Verlusten zu rechnen haben. Damit wäre ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zwar politisch und für die Steuerzahler als Verlust zu verbuchen, aber für die Privatwirtschaft weniger dramatisch als noch vor Jahresfrist. Das gilt auch für andere Krisenländer, wenn auch in weit geringerem Maße. Immerhin wird schon mal die Option einer Kern-Euro-Zone, einer „Währungsunion der zwei Geschwindigkeiten“ diskutiert.[50] Aber so weit ist es noch nicht, noch dominiert der Wille, alle Länder bei der Stange zu halten.
Auch wenn die Krise und der politische Klärungsprozess noch keineswegs abgeschlossen sind wird das Grundmuster der Antwort der Euro-Regierungen allmählich klar und hat sich in einer Reihe von europäischen Verträgen und Gesetzen niedergeschlagen. Ohne alle Elemente dieser Strategie hier erklären zu wollen kann sie wie folgt charakterisiert werden:
Obwohl von weiteren Integrationsschritten die Rede ist und einzelne begrüßenswerte Maßnahmen eingeleitet wurden, wird eine Strategie zur Reform europäischer Institutionen in Richtung von mehr Demokratie, stärkerer Partizipation und mehr sozialem Ausgleich, die geeignet wäre, dem erneut aufscheinenden Nationalismus entgegen zu wirken, nicht erkennbar. Obwohl das deutsche Verfassungsgericht einschlägige Klagen zurückgewiesen hat, bleibt es dabei, dass ein auf demokratische Weise hergestellter Konsens über die Europapolitik, den die Bevölkerung aller beteiligten Länder trägt, nicht existiert.
Kasten 3: Eckdaten der Euro-Geschichte II
Frühjahr 2010: Die drohende Pleite des griechischen Staatet worden (Stand: November 2012).
September 2012: Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM als ständiger Rettungsfonds für Euro-Länder tritt in Kraft
Sollte der Euro aus Sicht mancher Linker dazu beitragen, die deutsche Hegemonie zu relativieren, so ist das Gegenteil eingetreten. Auch wenn die deutsche Regierung gelegentlich – zum Beispiel im Zusammenhang mit der Geldpolitik der EZB – isoliert scheint, so ist sie infolge der ökonomischen Dominanz Deutschlands tonangebend geblieben. Wenn Margret Thatcher bei den europäischen Verhandlungen einst den Standpunkt vertrat „I want my money back“, so kann Angela Merkel heute mit der Position „Not with my money“, die sie rigoros durchzusetzen und den deutschen Wählern zu kommunizieren versucht, identifiziert werden. Dabei ist klar, dass auch der deutsche Steuerzahler zur Kasse gebeten wird, wenn der Rettungsschirm nicht wie gewünscht wirkt und der Gewährleistungsfall eintreten sollte. International gelten sie und mit ihr Deutschland jedoch als die „Zuchtmeister“ Europas. Das verschafft ihr in bestimmten Kreisen und bei bestimmten Teilen der deutschen Bevölkerung Respekt, in den mit einem Austeritätskurs überzogenen Ländern werden jedoch nationalistische Ressentiments gefördert.
Die Strategie zur Herstellung realer ökonomischer und sozialer Konvergenz innerhalb der Euro-Zone, zur Harmonisierung der wirtschaftlichen Entwicklung und zum Ausgleich ökonomischer Ungleichgewichte beschränkt sich auf die Formulierung entsprechender Indikatoren und eines Scoreboards sowie eine unverbindliche Abstimmung und Kontrolle. Eine wirkliche Ex-ante-Koordination findet nicht statt.
Ein ökonomischer Ausgleich zwischen den Ländern tritt nur im Notfall bei drohender Insolvenz in Kraft, indem Defizitländer Kredite aus dem Rettungsfonds erhalten und dafür einen Teil ihrer finanzpolitischen Souveränität zwangsweise abgeben müssen. Das zum Defizit Überschüsse an anderer Stelle gehören, sich beide ökonomisch und politisch wechselseitig bedingen, also auch eine symmetrische Reaktion notwendig wäre, bleibt ausgeblendet. Die Hauptlast der Anpassung tragen die subalternen Schichten und Klassen der Defizitländer, denen enorme soziale Belastungen aufgebürdet werden.
Manche der politischen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Euro-Rettung zeigen in die richtige Richtung. Aber der Geburtsfehler des Euro, die fehlende politisch-ökonomische Koordination zum Ausgleich von Disparitäten als Kompensation für die aufgegebene nationale Währungssouveränität, wird nicht beseitigt. Das ist vor allem den Interessenunterschieden und Gegensätzen der beteiligten Länder und der in ihnen herrschenden Eliten geschuldet, die sich dem Diktum der Konkurrenz als Elixier kapitalistischer Marktwirtschaft unterwerfen. Ansonsten ist angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl „muddling through“, Durchwursteln, Zeit gewinnen, oder, wie es CDU-Bundestagsfraktionschef Volkmar Kauder nennt, „Fahren auf Sicht“ gefragt.
4. Der linke Diskurs über die Zukunft des Euro
Was viele Kritiker des Euro-Projekts vorausgesagt hatten, ist eingetreten: Die Spaltung, womöglich sogar die Auflösung der Euro-Zone, kann nicht mehr ausgeschlossen werden, breite Volksmassen werden durch die europäische Spar- und Lohnsenkungspolitik in Ruin und Elend getrieben, Deutschland dominiert auch ohne seine D-Mark und nationale Chauvinismen feiern fröhliche Urständ. Aber auch Kohl hatte irgendwie Recht: Seine Hoffnung, die gemeinsame Währung würde die beteiligten Länder zwingen, eine stärkere politisch-ökonomische Integration voranzubringen, scheint irgendwie aufzugehen, wenn auch auf eine abstruse, brutal asoziale, undemokratische und autoritäre Weise. Und obwohl es im Zuge der Entwicklung der Europäischen Union zweifellos auch Positives in der Kooperation und Integration gegeben hat, ist man angesichts dieser Entwicklung unwillkürlich an Lenins Verdikt von 1915 erinnert: „ … die Vereinigten Staaten von Europa (sind) unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär.“[51]
Also alles auf Anfang, raus aus dem Euro? Oder könnte es sein, dass die Integration der Euro-Länder zwar falsch angepackt wurde, sie aber für eine Umkehr schon zu weit gegangen ist und nur noch die Flucht nach Vorn sinnvoll ist? Die PDS hatte den Euro seinerzeit im Bundestag zu Recht abgelehnt. Später, als Partei DIE LINKE, lehnte sie die diversen „Rettungsschirme“ mit der Begründung ab, die demokratische Legitimation für einen so weit reichenden Eingriff in die Budgethoheit fehle und der den Defizitländern aufgebürdete Sparkurs sei nicht nur asozial, sondern verschärfe die Krise. In dieser Argumentation wird die prinzipielle Ablehnung des Euro und die pessimistische Prognose, wie sie beispielsweise Gregor Gysi 1998 vorgenommen hatte, nicht mehr artikuliert. Falsch oder richtig? Nun gut, die Frage von Erhalt oder Nicht-Erhalt des Euro stand nicht zur Abstimmung. Man könnte auch sagen, es „ist nicht Aufgabe der Linken, den Euro zu verteidigen oder umgekehrt, gegen den Euro zu mobilisieren.“[52] Aber die Frage erledigt sich dadurch nicht, sie ist politisch aufgeworfen und verlangt eine Antwort. Es kann allerdings auch nicht mehr automatisch die Antwort von Altvater aus dem Jahr 1998 (der Euro sei nun einmal da, man müsse mit ihm leben und das Beste daraus machen), ganz zu schweigen von Lenin (1915), gelten. Nach einem Dutzend Jahre der Erfahrung mit dem Euro und angesichts der Tatsache, dass mit seiner Infragestellung die Chance einer neuen Antwort existiert, muss erneut und unter neuen Bedingungen Position bezogen werden. Entscheidungskriterien müssen die in einem demokratischen Prozess artikulierten Interessen der Bevölkerungsmehrheit aller beteiligten Länder sein. Ist in der kapitalistischen Gegenwart Europas einer Gemeinschaftswährung Asozialität und Scheitern eingeschrieben oder ist die Euro-Konstruktion reformfähig? Könnten solche Reformen womöglich Element eines „radikalen Reformismus“[53] in Europa sein? Die Frage, ob angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse progressive Reformen durchsetzbar sind, ist zunächst davon zu trennen, weil das Kräfteverhältnis nichts Statisches ist, sondern zwischen gesellschaftlichen Zielen und dem für ihre Durchsetzung erforderlichen Kräfteverhältnis eine reflexive Beziehung besteht: Die Veränderung des Kräfteverhältnisses hängt auch davon ab, ob und welche Antworten die Linken auf aktuelle Fragen mit welcher Perspektive geben und damit Rückhalt bei der Bevölkerungsmehrheit finden.
Im linken Spektrum zeigt sich zwar eine Reihe gemeinsamer Grundpositionen, aber im Detail existieren beträchtliche Unterschiede. Sie ergeben sich nicht nur daraus, dass die verhandelte Frage historisch neuartig und komplex ist, sondern auch aus der Verschiedenheit theoretischer Prämissen und Perspektiven. Die politisch-ökonomische Lage ist zudem raschen Veränderungen und Verwicklungen unterworfen und es vollzieht sich ein Lern- und Erfahrungsprozess, in dem Positionen selbstverständlich auch verändert werden. Teilweise nimmt der Disput scharfe Formen an. Dies war zum Beispiel in der Frage, ob ein Schuldenschnitt sinnvoll ist, zwischen Rudolf Hickel und Heiner Flassbeck oder auch in der jungen Welt zwischen Lucas Zeise und Andreas Wehr oder innerhalb der Bundestagsfraktion DIE LINKE der Fall.[54] Im Memorandum 2011 schlug die AG Alternative Wirtschaftspolitik noch einen Schuldenschnitt für Griechenland vor; ein Jahr später wird dagegen argumentiert.[55] Besonders markant zeigt sich die Änderung von Positionen an der Haltung von Heiner Flassbeck, Chefökonom der UNCTAD, der seit Jahren Vorschläge für den Erhalt des Euro entwickelte, im September 2012 aber schließlich resignierte: „Machen wir uns nichts vor. Es hat nicht sein sollen. Der Euro war eigentlich eine gute Idee, nur zu wenige haben es verstanden. … Wenn es so weitergeht, und angesichts des irrsinnigen wirtschaftspolitischen Programms muss es so weitergehen, riskieren wir die Demokratie und den Frieden in Europa. Das genau ist die Währungsunion nicht wert. Also kann man nur allen zurufen: Trennt euch!“[56]
Die gesamte Bandbreite der linken Kontroversen kann hier nicht behandelt werden. Vielmehr konzentrieren sich die Ausführungen auf die Frage, ob der Euro gerettet werden kann und soll. Diese Konzentration ist insofern berechtigt, als es inzwischen nicht mehr nur um instrumentelle Fragen (Schuldenschnitt ja oder nein, Anleihekauf durch die EZB ja oder nein, Eurobonds oder Schuldenausgleichsfonds, die Frage der Bankenunion usw.), sondern weil es „ums Ganze“ geht. „Europa steht am Scheideweg“ titelten das Memorandum und das EuroMemo 2012; „Europa neu begründen“[57] lautet die Forderung eines vor allem von Gewerkschaftern getragenen Aufrufs. In einem viel beachteten Dokument prominenter Wissenschaftler wird sogar ein „europäischer Verfassungskonvent“ gefordert, um Europa aus der Sackgasse zu führen.[58] Welche grundsätzlichen Positionen zur Zukunft des Euro und der Euro-Zone lassen sich im linken Spektrum also unterscheiden?
Gemeinsam ist fast allen Positionen die Warnung vor einem Fortsetzen der gegenwärtigen Politik. Sie vertiefe die soziale Spaltung in Europa, sie verbreitere den Riss, der zwischen den Ländern existiert und sei Wasser auf die Mühlen des nationalistischen Rechtspopulismus. Und soweit diese Frage in den einzelnen Beiträgen behandelt wird, dominiert die Auffassung, dass der Euro auf diese Weise keine Zukunft habe. Conrad Schuhler stimmt der Prognose Nouriel Roubinis vom Sommer 2012 zu, der dem Euro damals noch drei bis sechs Monate gab.[59] Lucas Zeise formuliert rigoros, „die Euro-Währungsunion (wird) nicht überleben“, „das Endspiel (hat) begonnen“.[60] Auch Rudolf Hickel und Axel Troost gehen in ihrem mit detaillierten Vorschlägen untersetzten Plädoyer für die Euro-Rettung davon aus, dass „die angebliche Stabilitätsunion à la Merkel am Ende die Euro-Zone spalten (wird).“[61] Die Reihe dieser Prognosen ließe sich fortsetzen, soll aber nicht weiter dokumentiert werden.
Aus dieser Grundposition ergeben sich gemeinsame Forderungen, wie die nach Beendigung des Austeritätskurses und der Beggar-My-Neighbour-Politik der exportstarken Nationen sowie des undemokratischen Prozedere der gegenwärtig in Europa politisch hegemonialen Kräfte. Gefordert werden eine Korrektur der Verteilungsverhältnisse und eine striktere Regulierung der Finanzmärkte, eine von Lohnsteigerungen ausgehende Stärkung des Binnenmarktes der Überschussländer, ein ökonomischer Ausgleich zwischen den Euroländern (Transferunion) sowie mehr Demokratie in Europa.
Diese gemeinsamen Positionen schließen jedoch nicht unbedingt die Befürwortung einer Rettung des Euro ein. So stellt Winfried Wolf, Chefredakteur von lunapark21, fest, es gebe zwar „sympathische Leute, die gute Gründe dafür anführen, dass der Euro auch durch Linke und Demokraten verteidigt werden müsse“, sie würden allerdings verkennen, dass der Euro „ein Projekt der Bosse und Banker ist“ und seine Rettung automatisch mit dem Angriff auf Arbeitseinkommen und Sozialstandards verbunden sei. „Eurorettung heißt: Abbau von sozialen und demokratischen Standards.“[62] Diese Aussage unterstellt nicht nur Reformunfähigkeit der gegenwärtigen Verfasstheit der Eurozone, sie verkennt auch, dass die Euro-Abwicklung genau dieselben Folgen haben könnte. Angesichts der geringen Chancen für die Verwirklichung einer Systemalternative führt diese Haltung bei anderen Autoren auch zu der Forderung an die „klassenbewusste Linke“ zur „Verteidigung der Souveränität (der) Nation“[63] der mit dem Austeritätskurs der Troika überzogenen Länder. In der Konsequenz kann so auch die Perspektive eines Austritts dieser Länder aus dem Euro mit der zu starken Heterogenität der beteiligten Länder und der Wiedergewinnung der währungspolitischen Souveränität begründet werden.[64] Die Argumente sind dabei fast identisch mit denjenigen der Kritiker des Euro und des Maastrichtvertrages vor dessen Einführung in den 1990er Jahren. Teilweise wird dem gegenwärtigen Europa-Projekt die Möglichkeit einer progressiven Perspektive zur Gänze abgesprochen; der Kampf sei wieder stärker auf die nationale Ebene auszurichten.[65] Reformbemühungen der Gewerkschaften oder links-keynesianische Alternativen seien illusionär oder würden in die falsche Richtung weisen, deshalb sei eher ein „verallgemeinerter sozialer Aufruhr“ erfolgversprechend.[66]
Dagegen dominiert vor allem bei Gewerkschaften, ihnen nahe stehenden Wissenschaftlern (zum Beispiel das IMK), der Memo- und der EuroMemo-Gruppe und bei der Partei DIE LINKE trotz großer Unterschiede in einzelnen Fragen die Auffassung, dass der Euro gerettet werden muss und gerettet werden kann. Dazu werden umfangreiche Programmpakete mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Reichweiten angeboten und begründet.[67] Warum ein Euro-Austritt – wahlweise der Defizitländer oder auch Deutschlands – keine Lösung der Euro-Krise ist, wird auch im Memorandum 2012 sowie von Rudolf Hickel und Axel Troost thematisiert. Im Zentrum ihrer Argumentation steht die Feststellung, dass der Euro zwar von Anfang an eine Fehlkonstruktion gewesen sei, jedoch durchaus auch „positive Posten“ (niedrige Inflationsraten, Etablierung als internationale Reservewährung usw.) aufzuweisen habe.[68] Vor allem aber seien die sozialen Kosten der Auflösung der Euro-Zone, entweder durch Austritt einzelner Länder oder durch Aufteilung in einen Süd- und einen Nord-Euro, unkalkulierbar hoch. Auch wenn ihre Analyse der „positiven“ Seiten des Euro hier nicht geteilt wird (seltsamerweise rechnen sie dazu auch, dass die deutsche Exportwirtschaft vom Euro profitiert habe, ein Effekt, der die Herausbildung von Ungleichgewichten ja begünstigte), spricht vieles für die Stoßrichtung ihrer Argumente zur Reform der Euro-Zone. Auch Lucas Zeise, der, von anderen Positionen als Hickel und Troost kommend, sich ziemlich sicher ist, dass die Euro-Zone zerbricht, stellte fest: „Der Euro ist also nicht erhaltenswert, weil er als imperialistisches Projekt so wertvoll ist, sondern weil die Auflösung der Währungsunion noch tiefer in die Weltwirtschaftskrise hereinführt.“[69] Jenseits aller Details der Euro-Rettung und der richtigen Konstruktion einer einheitlichen Währung stellt sich so die Frage, ob ein sozial integriertes Europa gewollt ist und ob man die Krise des Euro als Chance für die Forderung nach einem Umbau nutzen will. Es dürfte schwerlich zu bestreiten sein, dass der Zerfall des Euro eine Welle der Renationalisierung der Wirtschaftspolitik auslösen würde, die nicht auf die Geld- und Währungspolitik beschränkt bliebe. Von den Kräften, welche die gegenwärtige desaströse Euro-Politik zu verantworten haben, ist ein harmonischer Rückbau nicht zu erwarten. Was würde sich angesichts der neoliberalen Ausrichtung der Euro-Regierungen, die dieses Euro-Konstrukt mitzuverantworten haben und es mitragen, bei einem zeitweiligen Aussetzen der Währungsunion (Fisahn/Wahl)[70] und der Rückgabe des „Rechts auf Abwertung“ (Streeck)[71] ändern? Die Konkurrenz innerhalb der Euro-Zone würde ein Element zurückgewinnen: die Geld- und Währungspolitik. Zwischen den betroffenen nationalen Kapitalen, den politischen Eliten und wohl auch den arbeitenden Klassen würde ein Hauen und Stechen nach dem Grundsatz „Rette sich wer kann“ einsetzen. Auch Flassbeck ist sich im Klaren, dass „kein Stein auf dem anderen“ bliebe und die Gefahr bestünde, dass „das gesamte Volk eine Abzweigung nach rechts nimmt.“[72] Die Beerdigung des Euro wäre also nur eine andere Varinate des neoliberalen Europa-Projekts.
Will man ein kooperatives und sozial integriertes Europa, dann muss vom gegebenen Stand der Integration ausgegangen werden, so unvollkommen, widersprüchlich und fehlerhaft er auch sein mag. Dabei geht es nicht um „mehr“ oder „weniger“ Europa“. Es geht nicht um Quantitäten oder die Gegenüberstellung von „mehr Souveränität“ und „Vertiefung der Integration“, sondern um den Umbau des Euro- und des Europa-Modells. In ihm müssen regionale, national-souveräne und übernationale Rechte in einem ausgewogenen Verhältnis stehen und auch währungspolitische Optionen – darunter womöglich auch ein genau definiertes Recht auf eine eigene Währung[73] – möglich sein, auch wenn die heutigen Kräfteverhältnisse der unmittelbaren Realisierung eines solchen Umbaus entgegenstehen. Diese Kräfteverhältnisse ließen es mit Sicherheit auch nicht zu, linke Vorstellungen von einem geordneten Rückzug aus dem Euro zu verwirklichen. Mit der Forderung nach einer progressiven Perspektive Europas zu warten, bis die Bedingungen und Kräfteverhältnisse vielleicht günstiger sind und inzwischen auf einen „sozialen Aufruhr“ in den desintegrierten europäischen Ländern zu warten, könnte sich als trügerische Hoffnung erweisen. Deshalb müssen die Linken, denen es nach wie vor an einer „konsistenten Vorstellung einer europäischen Einigung jenseits des neoliberalen Modells“[74] mangelt, vor allem diesen Mangel überwinden, anstatt auf den Euro-Ausstieg zu setzen.
Die meisten Autoren, die den Erhalt des Euro und seine Reformierung fordern, äußern sich zu den Durchsetzungschancen für eine solche Reformpolitik nicht oder sind eher pessimistisch. Obwohl zum Beispiel Philip Arestis und Malcolm Sawyer die Überschrift „Leb wohl, Euro?“ noch mit einem Fragezeichen versehen, lautet die Schlussfolgerung ihrer Analyse der Interessen und Kräfteverhältnisse in Europa, „dass es zu (den für den Erhalt des Euro – J.L.) erforderlichen Reformen nicht kommen wird.“[75] Aber selbst wenn man wie Stephan Krüger der Meinung ist, dass die „Perspektive einer weiteren Integration nur mit einer Relativierung der Dominanz kapitalistischer Produktionsverhältnisse zu haben sein würde, … ein gegenwärtig nicht wahrscheinliches Szenario“[76], spricht das ja nicht gegen, sondern für ein solches Projekt. Um es mit Che Guevara auszudrücken: „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche“.
[1] Interview mit der FAZ am 17.Dezember 2008, www.ecb.int.
[2] Jahresbericht der EZB 2008, S. 12.
[3] Abschlussbericht der Außenminister (Gruppe zur Zukunft Europas) vom 17. September 2012, dokumentiert bei www.blaetter.de.
[4] Zitiert in: Keynes: Kein Inflationist, www.keynes-gesellschaft.de.
[5] Eine ausführliche Schilderung dieser Vorgeschichte des Euro findet sich bei David Marsh, Der Euro. Die geheime Geschichte der neuen Währung, Hamburg 2009. Vgl. auch: Deutsche Bundesbank, Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, Frankfurt 2004.
[6] Otmar Issing, Der Euro, München 2008, S. 45.
[7] Vertreter der „Krönungstheorie“ vertraten die Meinung, dass eine gemeinsame Währung erst am Ende eines Prozesses der Wirtschaftsintegration stehen kann, während die „Monetaristen“ von der Währungsunion genau diejenigen Impulse erwarteten, die zu einer solchen Integration führen.
[8] Hans-Dietrich Genscher, Die europäische Einigung und die Einführung einer gemeinsamen Währung, Rede auf der Tagung des Politischen Clubs im Herbst 2010, Evangelische Akademie Tutzing 2010.
[9] Vgl. Marsh, a. a. O., S. 176.
[10] Der Spiegel Nr. 27/1996, S. 78, 81.
[11] Vgl. Der Tagesspiegel vom 4. Mai 1998.
[12] Zitiert in: Jörg Huffschmid/Geert Reuten/Robert Went, Euroland, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 3/1999, S. 34.
[13] Gunnar Myrdal, Wirtschaftsnobelpreisträger, entwickelte diese These im Rahmen seiner Theorie der Unterentwicklung. Auch Paul Samuelson hat vor einigen Jahren gezeigt, dass Außenhandel nicht unbedingt (wie es seit Ricardo in den Lehrbüchern steht) zu einer Win-Win-Situation führt, eine eigentlich wenig überraschende Feststellung.
[14] Hans-Werner Sinn, Ist Deutschland noch zu retten? München 2003, S. 221.
[15] Dieser Vergleich lag auch meiner kritischen Beurteilung des Projekts EU-Währungsunion in einem Artikel von 1992 zugrunde (vgl. Sächsische Zeitung 28./29. März 1992).
[16] Vor allem Heiner Flassbeck wiederholt häufig das Argument, dass fehlende wissenschaftliche ökonomische Kenntnisse und Ignoranz die Ursache dafür seien, dass eine solche Politik betrieben wird. Vgl. zum Beispiel Heiner Flassbeck Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2010, S. 14, 125. Auch Albrecht Müller stellt „Denkfehler“ in den Fordergrund seiner Kritik (Albrecht Müller, Die Reformlüge, München 2004). Der Einwand gegen diese Argumentation mindert freilich nicht die Verdienste dieser beiden Ökonomen um die Kritik neoliberaler Wirtschaftspolitik.
[17] Die Theorie der optimalen Währungsräume wurde in den 1960er Jahren entwickelt. Der Anstoß dazu kam vor allem von dem kanadischen Ökonomen Robert Mundell, der dafür 1999 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Nach dieser Theorie setzt eine erfolgreiche Währungsunion voraus, dass die beteiligten Wirtschaften entweder hinsichtlich Struktur und Produktivitätsniveau, aber auch politischer und sozialer Momente stark konvergiert sind oder über Ausgleichsmechanismen (Faktormobilität, innere Abwertung oder finanziellen Ausgleich) verfügen, die im Falle ökonomischer Schocks die nicht mehr mögliche Wechselkursanpassung ersetzen.
[18] Issing a.a.O. S. 44.
[19] Jörg Huffschmid, Wem gehört Europa? Bd. 1, Heilbronn 1994, S. 117.
[20] Jörg Huffschmid, Alternative Wirtschaftspolitik für Europa, in: Internationalisierung – Finanzkapital – Maastricht II. Aktuelle Entwicklungstendenzen und Alternativen. Beiträge einer Tagung von IMSF, Z und AK Kapitalismusforschung Berlin, IMSF Forschung und Diskussion 12, Frankfurt am Main 1996, S. 113.
[21] Elmar Altvater, Die DM ist tot! Es lebe der Euro!? Die 50-jährige Geschichte der DM und die Perspektive des Euro, in: PROKLA 112 (1998), 422, 430.
[22] Rudolf Hickel, Die Euro-Währung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 12/1995, S. 1474.
[23] Ebenda, S. 1481.
[24] Rudolf Hickel, Verräterische Sorgen, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 112/19975, S. 1322.
[25] Jörg Huffschmid, Danke, Frankreich! In: Blätter für deutsche und internationale Politik, 6/1998, S. 692.
[26] AG Alternative Wirtschaftspolitik, Memorandum `92, Köln 1992, S.208.
[27] Vgl. ebenda, S. 210, 240ff.
[28] AG Alternative Wirtschaftspolitik, Memorandum `96, Köln 1996, S. 227.
[29] AG Alternative Wirtschaftspolitik, Memorandum `98, Köln 1998, S. 26.
[30] Leo Meyer, Europa, Mitte 1997, in: Marxistische Blätter 4/1997, S. 39/40.
[31] Sylvia-Yvonne Kaufmann, Warum die PDS Nein zu diesem EURO sagt! Berlin 1997, S. 32ff.
[32] Gregor Gysi, Rede vor dem Bundestag, in: Deutscher Bundestag 13. Wahlperiode, 230. Sitzung am 23.04.1998, Bundestagsprotokoll S. 21047-21050.
[33] Helmut Kohl, Rede vor dem Bundestag am 23.04.1998, in: Ebenda S. 21055.
[34] Klaus Müller, Die Einführung des Euro. In: Prokla, Heft 114, 1999, S. 26.
[35] Elmar Altvater, Birgit Mahnkopf, Konkurrenz für das Empire? Münster 2007, S. 108.
[36] Ebenda, S. 238.
[37] Peter Bofinger, Zurück zur D-Mark? Deutschland braucht den Euro, München 2012, S. 17ff.
[38] Diese folgt aus der Kreislaufidentität: Investitionen Leistungsbilanz = privates Sparen Saldo des Staatshaushalts.
[39] Vgl. Issing, a.a.O. S. 148ff.
[40] Paul Krugman, Vergesst die Krise, Frankfurt, New York 2012, S. 204.
[41] Michael Heine, Hansjörg Herr, Europäische Union im Treibsand, in: PROKLA 144, Nr. 3/2006, S. 361-379.
[42] Ebenda, S. 377.
[43] Diese Feststellung ist auch dann richtig, wenn berücksichtigt wird, dass, wie Marsh (a.a.O., S. 275) schreibt, Deutschland den Euro mit einem relativ hohen Umtauschkurs für die die D-Mark eröffnete.
[44] Gemessen an der imaginären Größe des einheitlichen Harmonisierten Verbraucherpreisindex HVPI für die gesamte Euro-Zone, die mit nationalen Inflationsraten zwischen 1,6 und 4,2 Prozent in Wirklichkeit eine starke innere Zerklüftung aufweist.
[45] Issing, a.a.O., S. 35.
[46] Vgl. Jörg Bibow, Europäische Geldpolitik: fehlkonzipiert, irregeleitet und lernresistent, in: WSI Mitteilungen 6/2011, S. 280.
[47] Vgl. Jörg Goldberg, Menetekel Griechenland, in: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, 87 (September 2011), S. 10f.
[48] Am 21. Juni 2011 schaltete eine Gruppe von 50 französischen und deutschen Großunternehmern und Finanzmanagern, die nach eigenem Bekunden mit 5 Millionen Mitarbeitern einen Umsatz von 1,5 Billionen Euro erwirtschaften, in allen großen Blättern eine Anzeige „Der Euro ist notwendig“. In der Anzeige rufen sie zur Rettung des Euro, zur Hilfe „für Griechenland“, aber auch zu frühzeitigen und effektiven Sanktionen und soliden Staatsfinanzen auf. „Die Rückkehr zu stabilen finanziellen Verhältnissen wird viele Milliarden Euro kosten, aber die Europäische Union und unsere gemeinsame Währung sind diesen Einsatz allemal wert.“, schrieben sie. Auch in der FAZ wird konstatiert, niemand unterstütze die Euro-Rettung so hingebungsvoll wie die deutschen Großkonzerne und der BDI (faz.net am 1.7.2012).
[49] iw-dienst Köln Nr. 50 vom 13.12.2012, S. 7.
[50] So Martin Kannegießer, Präsident von Gesamtmetall, im Interview, in: Die Welt online 5.7.2012. Vgl. auch Hans-Werner Sinn, Die Target-Falle, München, S. 379 zu einer „offenen Währungsunion“.
[51] W.I. Lenin, Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, in: Lenin Werke Band 21, Berlin 1972, S. 342.
[52] Alex Demirovic, Thomas Sablowski, Finanzdominierte Akkumulation und die Krise in Europa, Berlin 2012, S. 38.
[53] Joachim Hirsch, Materialistische Staatstheorie, Hamburg 2005, S. 229ff.
[54] Vgl. dazu www.nachdenkenseiten.de (3.5. bis 26.5.2010) junge Welt: Lucas Zeise, Die Macht der Zentralbank (19.10.2012) und Andreas Wehr, Nötiger Perspektivwechsel (25.10.2012).
[55] Memorandum 2011, S. 194, Memorandum 2012, S. 166.
[56] Heiner Flassbeck, Trennt euch!, in: Wirtschaft & Markt, 9/2012, S. 34.
[57] www.europa-neu-begründen.de.
[58] Peter Bofinger, Jürgen Habermas, Julian Nida-Rümelin, Einspruch gegen die Fassadendemokratie, in: FAZ 3.8.2012.
[59] Conrad Schuhler, Euro-Zone, isw Report Nr. 90, 2012, S. 21.
[60] Lucas Zeise, Euroland wird abgebrannt, Köln 2012, S. 135f.
[61] Rudolf Hickel, Axel Troost, Euro-Zone vor dem Ende? Bremen/Berlin 30.08.2012, S. 6.
[62] Winfried Wolf, Eurorettung heißt: Abbau von sozialen und demokratischen Standards, in: lunapark21, Heft 15 (Herbst 2011), S. 8f.
[63] Andreas Wehr, Nation, Souveränität und Imperialismus in der Europäischen Union, in: Marxistische Blätter, 4/2012, S. 11.
[64] So zum Beispiel: Costas Lapavistas u.a., Breaking up? A Route out of the Eurozone-Crisis, RMF Occasional Report 3, November 2011, Costas Lapavistas, Soll Griechenland den Euro aufgeben? In: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, 91 (September 2012), S. 43-47, Hubert Zimmermann, Die gnadenlose Euro-Logik, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2012, S. 59-65, Annina Kaltenbrunner, Strukturelle Ungleichgewichte und Austerität, in: kurswechsel, 1/2012, S. 114-121, Joachim Becker, Die Linke und die Euro-Zone, ebenda, S. 108-113, Andreas Nölke, Rettet Europa! Ohne den Euro? in: Blätter für deutsche und internationale Politik 3/2012, S. 55-64, Thilo Bode, Eurorettung: Die Entmachtung des Souveräns, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2012, S. 42-46.
[65] Vgl. Martin Konecny, Die Herausbildung einer neuen Economic Governance als Strategie zur autoritären Krisenbekämpfung in Europa – Akteure und Strategien, in: PROKLA 168 (2012), S. 390f.
[66] Vgl. Klaus Dräger, „Eurokrise“ – Strategielose Gewerkschaften und Linke, in: In: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, 91 (September 2012), S. 57.
[67] Vgl. z.B. Axel Troost, Lina Paus, Eine Europäische Ausgleichsunion – Die Währungsunion 2.0, Institut Solidarische Moderne, Schriftenreihe Denkanstöße Nr. 13, 2. Februar 2011, Memorandum 2011, S. 153ff, Memorandum 2012, S. 169ff, EuroMemorandum 2013, S. 15ff, IMK-Report Oktober 2012, DGB-Bundesvorstand, Ein Marshallplan für Europa, 4.12.2012, Linksfraktion, Eurokrise und Eurorettung, www.linksfraktion.de
[68] Rudolf Hickel, Axel Troost, Euro-Zone vor dem Ende?, Bremen/Berlin 30.08.2012.
[69] Lucas Zeise, Die Chancen der Euro-Krise, in: lunapark21, Heft 15 (Herbst 2011), S. 13.
[70] Andreas Fisahn, Peter Wahl, Europa neu denken, nicht von oben oktroyieren, in: Sozialismus 11/2012, S. 6.
[71] Wolfgang Streeck, Auf den Ruinen der alten Welt, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 12/2012, S. 68.
[72] Flassbeck, a.a.O., S. 34.
[73] Vgl. dazu Michel Husson, der die Forderung erhebt „Aus dem europäischen Neoliberalismus aussteigen, nicht aus dem Euro“, eine solches Recht aber als ein „letztes Mittel“ nicht ausschließt. Michel Husson, Zur Wiederbegründung Europas, in: luxemburg 2/2012, S. 30.
[74] Andreas Fisahn, Den Stier das Tanzen lehren? Europa vor neuen Herausforderungen, in: PROKLA 168 (3/2012), S. 374.
[75] Philip Arestis, Malcolm Sawyer, Abschied von Euro? In: WSI Mitteilungen, 6/2011, S. 267.
[76] Stefan Krüger, Politische Ökonomie des Geldes, Hamburg 2012, S. 517.