Kampf gegen den Abstieg: Trumps autoritärer Etatismus

Vorabveröffentlichung: Kommentar aus Z 141 (Märzheft)

12.02.2025
von Frank Deppe

Die Amtseinführung von Donald Trump am 21. Januar 2025 wurde als große Show inszeniert und weltweit ausgestrahlt. Seit seinem Wahlsieg im November 2024 hatte Trump angekündigt, er werde vom ersten Tag an »Amerika an die erste Stelle setzen«. Er versprach, »den Menschen ihren Glauben, ihren Wohlstand, ihre Demokratie und zumal ihre Freiheit zurückzugeben«. Der »Niedergang Amerikas« ist von diesem Tag an »vorbei… Unser goldenes Zeitalter hat gerade erst begonnen«, sagte er weiter. Er will »Kriege beenden«, aber Amerika »seinen rechtmäßigen Platz als größte, mächtigste und angesehenste Nation der Erde zurückerobern«. Er verspricht, die Grenze nach Mexiko gegen Migration zu schließen. Er will außerdem »das stärkste Militär« aufbauen, »das die Welt je gesehen hat«, und den Panamakanal für »uns zurückzuholen«. Amerika wird »Astronauten... auf den Mars schicken. »Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder groß zu machen.«1 Die imperiale Ideologie vom »Exzeptionalismus«, von der »glorreichen Nation unter Gott« (»manifest destiny«) wird von Trump im Stil eines evangelikalen Laienpredigers beschworen.

Bei der Inauguration von Trump standen die reichsten Männer der Welt – die Oligarchen bzw. die »Räuberbarone« (so Joe Biden in seiner Abschiedsrede) applaudierend in der ersten Reihe – an der Spitze die »Digitalgrößen« (Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Sundar Pichai und Elon Musk.)2. Musk soll eine neue Regierungsbehörde für »Effizienz« leiten (DOGE), die Bürokratie, Regulierungen und »überflüssige Ausgaben« abbauen und so die US-Regierung um 2 Billionen Dollar entlasten soll. Der Staat soll billiger und effizienter werden! In den hinteren Reihen versammelten sich politische Gäste aus der ganzen Welt – aus Europa waren u. a. die italienische Ministerpräsidentin Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia, der deutsche AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, aus Argentinien Präsident Javier Milei gekommen. Elon Musk hatte zuvor seine Sympathien für die extreme Rechte in Europa bekundet und sich von Frau Weidel erklären lassen, dass Hitler ja ein Kommunist gewesen sei. Die Digitaloligarchen verfügen mit dem Besitz und der Kontrolle der großen Social-Media-Plattformen über eine bislang unbekannte globale ideologische und politische Macht. Elon Musk hat sich mit dem Kauf von Twitter / X zum »Chief Amplifier des globalen Autoritarismus« gemacht (Amlinger / Nachtwey). Im Namen der »Freiheit« werden die Plattformen (und die Zeitungen, die sie nebenbei – auch zur Unterstützung von Trump – gekauft haben) für die Propaganda libertärer, rassistischer, nationalistischer und antidemokratischer Ideologien geöffnet.

Im Rahmen der großen Show unterzeichnete Trump eine Fülle von »executive orders« (Durchführungsverordnungen). Auch vor ihm haben Präsidenten den Art. 2 der US-amerikanischen Verfassung (»die Exekutivgewalt liegt beim Präsidenten«) so ausgelegt, dass es dem Präsidenten erlaubt sei, außerhalb des regulären Gesetzgebungsverfahrens – also ohne Zustimmung des Kongresses – Politik zu machen. Die Verselbständigung der Exekutivgewalt markiert den Weg zur Präsidialdiktatur. Diese wird mit dem Hinweis auf Notstände begründet, zu deren Bearbeitung die von der Verfassung gewährten Grundrechte sowie demokratische Verfahren außer Kraft gesetzt werden. Trump ordnete u.a. an:

  • Notstand an der Grenze zu Mexiko, d. h. Einsatz des Militärs zur Schließung der Grenze gegen Migranten;
  • Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen;
  • Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der UNO;
  • Begnadigung der rechtsradikalen Verbrecher, die den Sturm auf das Capitol am 6. 1. 2021 angeführt hatten, darunter die Anführer der »Proud Boys« und der »Oath Keepers«3;
  • Ausrufung des Energienotstandes, um die Ausweitung der Förderung von Gas und Öl zu erlauben;
  • Abschaffung des Rechts auf Staatsangehörigkeit durch Geburt;
  • Stopp von Entwicklungshilfe und Austritt aus einem Abkommen, das die USA mit 140 Staaten geschlossen hatten, um einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent zu gewährleisten;
  • Darüber hinaus wurde Kuba wieder zum Terrorstaat erklärt. Strafmaßnahmen gegen terroristische israelische Siedler (Westbank) wurden aufgehoben.
  • Importzölle wurden an diesem Tag jedoch nicht eingeführt; auch Trumps Ankündigung, den Ukrainekrieg in einem Tag zu beenden, tauchte in den Executive Orders nicht auf.

Die Milliardäre und die zur Feier geladenen Gäste waren begeistert; denn Trump hatte ihnen ja bereits Steuererleichterungen, Förderung der KI, Stopp von Umweltauflagen (Öl) und den Zugang zum gewaltigen Militärhaushalt versprochen. Trump verließ einmal die feine Gesellschaft im Capitol, um sich »seinem Volk« zu präsentieren: Zehntausende, die die Ausstellung der executive orders am Schirm verfolgen konnten, jubelten ihm zu! Massenakklamation sorgt für die populare Legitimation der präsidialen Diktatur – auch dies ein erprobtes Verfahren faschistischer Diktatoren.

Die Trump’sche Präsidialdiktatur wird von einer deutlichen Mehrheit der Republikaner im Kongress und von einem ökonomischen Machtblock getragen, der – zusammen mit dem militärisch-industriellen Komplex – von den Kapitalfraktionen einmal des global aktiven Finanzkapitals (»Dollar-Wall-Street-Regime«) und zum anderen der Informationsgesellschaft (Social Media, KI, »Silicon Valley«) getragen wird. Nicht nur über die Einbindung von Elon Musk in die Regierung bemächtigt sich das Kapital direkt der Regierung, um seine Interessen durchzusetzen. Diese beziehen sich auf die Steuerpolitik und auf die Befreiung von Regulierung durch Gesetze im Bereich der Sozial- und Umweltpolitik.

Neu ist, dass mit Musk die Anhänger der libertär-kapitalistischen Fraktion, die den argentinischen Anarchokapitalisten Milei als Freund begrüßen, die Macht ergreifen. Die Bewunderer von Milton Friedman und Friedrich August von Hayek vertreten die Auffassung, dass die Demokratie einer »freien Wirtschaft« entgegensteht4, und dass der Niedergang und die Krise des westlichen Kapitalismus durch die Beseitigung jener Interventionsfunktionen des Staates überwunden werden müssten, die nicht der inneren und äußeren Sicherheit, sondern der gesellschaftlichen Integration dienen. Die Krisen des Kapitalismus und die Klassenkämpfe des 20. Jahrhunderts haben (vor allem in Westeuropa) dem kapitalistischen Staat die Aufgabe übertragen, Strukturen einer »guten Gesellschaft« (Infrastruktur, Bildung, Gesundheitswesen etc.) zu fördern, um gesellschaftliche Spaltungen und daraus resultierende Kämpfe zu neutralisieren. Da der Sozialismus im frühen 21. Jahrhundert keine Gefahr für das Kapital darstellt5, kann die Krisenerfahrung der Subalternen in den Hass auf die ärmsten, schwächsten Opfer der sozialen und ökologischen Krisen im kapitalistischen Weltsystem sowie auf Angehörige der neuen lohnabhängigen Mittelklassen umgelenkt werden, die für eine demokratische Lebensweise sowie für sozialökologische Reformen optieren. Die protektionistische Wirtschaftspolitik, die Trump verspricht, wird zusammen mit dem Rückzug aus internationalen Organisationen einen großmäuligen Nationalismus stärken, der sich vor allem in der Konfrontation mit China und Russland bzw. in der Unterstützung der israelischen Vernichtungspolitik gegenüber den Palästinensern manifestiert.

Diese Gestalt der Präsidial- und Notstandsdiktatur – das suggerieren die Bilder von der Inauguration – soll Modell für die europäische Rechte sein. Sie kann dabei an die Ideologie vom starken Staat (»Leviathan«) anknüpfen, die in Deutschland vor 1933 von Carl Schmitt als einem der wichtigsten Vordenker des Faschismus vertreten wurde.

Die Freund:innen von Elon Musk werden Trump als ihren Helden feiern. Die Linke muss sich in den Kämpfen erneuern, die aus den »Vielfachkrisen«, aus der fortschreitenden Zerstörung gesellschaftlicher Integration durch soziale Spaltungen sowie aus der neuen Qualität zwischenimperialistischer Konflikte im internationalen System resultieren. Sie kann dabei daran anknüpfen, dass dieses »Modell« zur Rettung des Kapitalismus von einem US- Präsidenten personifiziert wird, der vor den einfachsten Anforderungen moralisch-politischer Integrität versagt und mit den »robber barons« ein mafiöses Machtkartell dirigieren wird.

1 Zitate nach FAZ vom 22. 1. 2025.

2 Am 17. Januar 2025 war dem Eliten-Panel der FAZ zu entnehmen, dass 75 % der Führungskräfte aus der Wirtschaft die Ansicht teilen, dass in Deutschland zu viel Kritik an Trump geübt wird.

3 Begnadigt wurde auch der – lebenslang inhaftierte – libertäre Gründer der Handelsplattform Silk Road mit Namen Ross Ulbricht. Er etablierte im Darknet einen digitalen Drogenumschlagsplatz, wo auch gefälschte Ausweise und Pornographie verkauft wurden. Er berief sich vor Gericht auf seine individuelle Freiheit gegenüber dem Staat als Zwangsverband, den er nicht anerkennt!

4 Vgl. Quinn Slobodian: Kapitalismus ohne Demokratie, Berlin 2023.

5 Dieser Gedanke durchdringt das neue Buch von Joseph Stiglitz: Road to Freedom. Economics and the Good Society, Penguin Random House 2024.