Tarifrunde 2012 – Mehr als nur ein kurzer Moment der Revitalisierung für die IG Metall?

Eine Auswertung der Tarifrunde 2012 im Bereich der IG Metall-Verwaltungsstellen Frankfurt/M. und Wiesbaden

von Sarah Hinz/Daniela Woschnack
Dezember 2012

Die IG Metall konnte in der Tarifrunde 2012 in der Metall- und Elektroindustrie mit 4,3 Prozent die höchste Entgelterhöhung der letzten 20 Jahre erzielen und zwei qualitative Forderungen durchsetzen. Auszubildende und Leiharbeiter werden deutlich besser gestellt: Auszubildende müssen grundsätzlich übernommen werden; Leiharbeitskräfte bekommen gestaffelt höhere Löhne und müssen nach einer maximalen Einsatzdauer von 24 Monaten ebenfalls übernommen werden. Weiterhin konnten die Rechte der Betriebsräte beim Thema Leiharbeit gestärkt werden. Diese Erfolge wurden insbesondere durch eine erfolgreiche Mobilisierung der Beschäftigten in der Tarifrunde und nicht durch den bloßen Effekt eines wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Krise ermöglicht (Hans-Böckler-Stiftung 2012c). Allein im IG-Metall-Bezirk Mitte beteiligten sich rund 120.000 Menschen an den Warnstreiks (vgl. IG Metall Bezirk Frankfurt 2012).

Bei einem Blick in die Vergangenheit erscheinen die erzielten Ergebnisse zunächst verwunderlich. Lange Zeit befanden sich die Gewerkschaften in der Defensive. Durch massive Mitgliederverluste schritt die Erosion ihrer gesellschaftlichen Legitimation stetig voran (Brinkmann et al. 2008; Dörre 2011; Haipeter 2011). Erst im Zuge der Weltwirtschaftkrise 2008/09 und unter dem Eindruck des gewerkschaftlichen Krisenmanagements zur Beschäftigungssicherung erfuhren sie eine Revitalisierung (Dörre 2010; Ehlscheid et al. 2010), welche auch in der Tarifrunde 2012 und der gelungenen Mobilisierung der Belegschaften zum Ausdruck kam.

Mit Blick auf die Tarifrunde 2012 in der Metall- und Elektroindustrie nehmen wir an, dass sich die Mobilisierungsfähigkeit der IG Metall im Vergleich zu früheren Tarifrunden unter dem Eindruck der Auswirkungen der globalen Krise von 2008/09 und aufgrund des größtenteils erfolgreichen Krisenmanagements der Gewerkschaft erheblich verbessert hat. Dazu kam offensichtlich eine Verbesserung der „kommunikativen Gewerkschaftsmacht“, also der Fähigkeit der Gewerkschaft, „erfolgreich in öffentlichen Debatten bzw. im Konflikt um ‚Meinungsführerschaften‘ intervenieren zu können“ (Urban, in: Gerst/Pickshaus/Wagner 2011: 141). Die gewachsene Bereitschaft der Belegschaften zu betrieblichen Aktionen in der zurückliegenden Tarifrunde war außerdem, so unsere These, eine Reaktion auf die Lohnzurückhaltung in den letzten Jahren. In den Belegschaften und insbesondere unter den IG Metall-Mitgliedern war das Gefühl entstanden, jetzt „auch mal dran zu sein“. Außerdem nehmen wir an, dass die seit einiger Zeit erkennbare zusätzliche Orientierung der IG Metall auf qualitative Themen, wie die Situation von Auszubildenden und Leiharbeitern, zu einer besseren Mobilisierung beigetragen hat.

Wir stützen uns in unserem Beitrag auf Datenmaterial aus einer explorativen Studie zur Tarifrunde 2012 im IG-Metall-Zuständigkeitsbereich Frankfurt (Main) und Wiesbaden-Limburg.[1]

„Große Delle“ versus existenzielle Krise – die globale
Finanzkrise 2008/09 und das Krisenmanagement

Die globale Finanzkrise, ausgelöst durch den Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008, brachte tiefgreifende Auswirkungen mit sich, die sich bald auch auf die Realwirtschaft übertrugen (Becker/Jäger 2009: 541). So waren bzw. sind die Folgen der Weltwirtschaftskrise ebenso in deutschen Betrieben präsent und die Angst um den eigenen Arbeitsplatz prägt den betrieblichen Alltag (Detje et al. 2011: 26; IG-Metall-Verwaltungsstelle Frankfurt 2011: 9).

Die Gewerkschaften wurden im Rahmen eines ‚Krisenkorporatismus‘ in die Entwicklung und Durchführung (staatlicher) Krisenbewältigungsmaßnahmen einbezogen und öffentlich als kooperationswürdige Partner ,anerkannt’ (Ehlscheid et al. 2010, zit. nach Brettschneider et al. 2011: 61). Auch die betrieblichen Interessenvertretungen wurden zu einem wichtigen Akteur bei der Umsetzung betrieblicher Krisenmanagementstrategien (Detje et al. 2011: 77). Durch die Kooperation mit der Regierung und der Kapitalseite kam es in der Folge zu verschiedenen Maßnahmen zur Bewältigung der Krisenfolgen wie zum Beispiel der Verlängerung des Anspruchs auf Kurzarbeit und der ,Abwrackprämie’ (Dörre 2011: 268).

Die im Rahmen unseres Projekts untersuchten Betriebe waren in unterschiedlichem Ausmaß von der Wirtschaftskrise betroffen. Die Interviewpartner in insgesamt acht der neun Fallbetriebe gaben überraschenderweise allerdings an, dass diese Betroffenheit kaum spürbar bzw. nur von kurzer Dauer war. So etwa die Betriebe C und H, die der Luftfahrtbranche zuzurechnen und nach eigenen Aussagen relativ krisenfest sind. Ein Repräsentant des Fallbetriebs A, ein Betrieb mit elektrotechnischer Spezialisierung, beschreibt das Ausmaß der wirtschaftlichen Einbrüche und Folgen vielmehr als „große Delle“ denn als existenzielle Krise. Auch Betrieb G, ein Entwicklungsstandort für die Automobilbranche, sah sich – anders als der Mutterkonzern – kaum von der Krise und deren Folgen betroffen. Für den Fallbetrieb B seien, so ein Interviewter, am Standort nicht zeitweilige Einbrüche in Krisenzeiten, sondern die Zeit nach der Krise das eigentliche Problem gewesen. Denn abhängig von langen Zulieferketten konnten im Fallbetrieb B neu eingehende Aufträge zunächst nur schleppend bearbeitet werden. Ebenso hatte der Betrieb mit einem temporären Fachkräftemangel, insbesondere im Bereich der Software-Ingenieure, zu kämpfen, nachdem sich ein wirtschaftlicher Aufschwung abzuzeichnen begann. Diese Problematik trifft auch auf Fallbetrieb G zu, der in Werkverträgen beschäftigte Entwicklungsingenieure entlassen und nach der Krise Mühe hatte, neue Fachkräfte am Arbeitsmarkt zu finden. Zu erklären ist dieser Umstand damit, dass die betreffenden Unternehmen in eher krisensicheren Wirtschaftssektoren angesiedelt sind oder eine technische Spezialisierung aufweisen, welche die Auswirkungen der Krise abfedern konnte.

Die IG Metall konzentrierte sich in ihrem Beitrag zum Krisenmanagement auf die Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnissen. Dafür nahm sie es allerdings vorerst hin, dass in teilweise erheblichem Maß Leiharbeiter entlassen und Werkverträge aufgekündigt wurden. In einem zweiten Schritt wurden Regelungen zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen zwischen Betriebsrat und Management vereinbart. Durch flexible Kurzarbeitsregelungen, die in keinem der untersuchten Betriebe so ausgereizt werden mussten, dass es zu einem Stillstand der Produktion oder der Entwicklung kam, konnten die Krisenfolgen abgedämpft werden. Dass fast alle Interviewten die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen im Nachgang als weniger schwerwiegend wahrnehmen als zunächst angenommen, ist auch der zügigen Einleitung und Umsetzung des betrieblichen Krisenmanagements geschuldet. Von einigen der Interviewten wird sogar deutlich hervorgehoben, dass die getroffenen Krisenmaßnahmen „richtig“ und „nachhaltig“ waren.

In vier Betrieben erklärten die Interviewpartner, dass definitiv ein Zusammenhang zwischen der Mobilisierungsfähigkeit der Belegschaften in der Tarifrunde und dem Krisenverlauf und speziell dem Krisenmanagement der IG Metall bestehe. So beschreibt ein Interviewpartner aus Fallbetrieb B, dass sich die öffentliche Meinung über die IG Metall gewandelt habe. Während diese früher wenig angesehen gewesen sei und man nur bedingt publik machen wollte, IG-Metall-Mitglied zu sein, würden Kollegen heute mit Selbstbewusstsein sagen, dass sie Gewerkschaftsmitglied sind. Dieses neue Selbstbewusstsein sei auf den aktiven Beitrag, den die IG Metall in der Krise geleistet habe, zurückzuführen und wirke sich positiv auf die Mobilisierung der Beschäftigten aus. Ein Interviewpartner aus Fallbetrieb C formuliert das ähnlich – die Gewerkschaften seien aus der Krise 2008/09 gestärkt herausgegangen. Durch das gute Krisenmanagement habe seiner Ansicht nach auch die breite Bevölkerung erkannt, wie wichtig Tarifpolitik sei, denn die Finanzkrise und das „Spielcasino mancher Banken“ habe einige zum Nachdenken gebracht.

In Fallbetrieb I wird dagegen kein positiver Zusammenhang zwischen den Auswirkungen der Krise[2] und der Handlungsbereitschaft der Beschäftigten gesehen. Im Unterschied zu den eher entwicklungs- oder hochspezialisierten Betrieben weist dieser Fallbetrieb mit Abstand den höchsten Produktionsanteil auf. Da die Produktion der Kern der Industrie ist, schlug in jenem Betrieb die Krise mit Auftragseinbrüchen von 48 Prozent massiv und unmittelbar durch. Für das Management stand daher 2009 fest: 436 von etwa 1.700 Mitarbeitern müssen entlassen werden. Nach mehrtägigem Streik, getragen von Beschäftigten, Betriebsrat und IG Metall konnten gut 200 Arbeitsplätze gerettet werden. Die Geschäftsführung wurde letztlich mit einer beeindruckenden, medial inszenierten Aktion derart unter Druck gesetzt, dass sie schließlich Konzessionen machen musste, um negative Presse im großen Stil sowie länger stillstehende Maschinen zu vermeiden. Den Beschäftigten gelang es, ihre Produktionsmacht gegenüber der Kapitalseite zu demonstrieren und kommunikative Macht effektvoll einzusetzen, denn Presse, „das ist das, was […] [dieses] Unternehmen hasst, hasst wie die Pest.“

Allerdings steckte die – berechtigte – Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes tief in den Köpfen und es wurde dadurch schwieriger, „die Menschen zu überzeugen, dass sich Kämpfe lohnen“. Was früher selbstverständlich war, erfordere nun viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit, so die Betriebsratsvorsitzende. In der Tarifrunde 2012 war dieser Betrieb, der in der Verwaltungsstelle als A-Betrieb, also als ein besonders streik- und mobilisierungsfähiger Betrieb, gilt, dennoch jener mit der höchsten Warnstreik-Beteiligung. Am ersten Warnstreik nahmen über 50 Prozent der Beschäftigten, beim zweiten immerhin etwa 20 Prozent teil.[3]

Insgesamt haben die Krisenbearbeitung der IG-Metall und die positive Resonanz in den Medien in den meisten Fallbetrieben zu einer verbesserten Mobilisierung beigetragen und selbst im ,worst case scenario’ des Fallbetriebs I konnte die Aktionsfähigkeit der Beschäftigten erhalten bleiben.

„Jetzt sind wir dran“ – jahrelange Lohnzurückhaltungen

In den Tarifrunden von 2008 und insbesondere von 2010 wurden mit Blick auf die Wirtschaftskrise Tarifverträge mit sehr langen Laufzeiten von 18 bzw. 23 Monaten vereinbart (vgl. ZEIT ONLINE 2010). Während dieser Zeit ging es der IG Metall vorrangig um die Sicherung von Arbeitsplätzen, Planungssicherheit und die Überwindung der Krise (vgl. IG Metall 2012c). Die Gewerkschaft war zu Konzessionen bereit und übte sich gerade im Krisenjahr 2009 in Lohnzurückhaltung.

Das Jahr 2011 brachte für die Metall- und Elektroindustrie einen Aufschwung; so erwirtschaftete sie nach Angaben der Gesamtmetall eine Nettoumsatzrendite von 4,5 Prozent (2010: 3,8 Prozent, 2009: 1,0 Prozent; vgl. Gesamtmetall 2012a). Der Umsatz insgesamt betrug 1000,1 Mrd. Euro (2010: 892,7 Mrd. Euro, 2009: 770,5 Mrd. Euro; vgl. Gesamtmetall 2012b). Infolgedessen fielen die Forderungen der IG Metall für die Tarifrunde 2012 höher aus als in den vergangenen Jahren – mit dem Argument, die Beschäftigten, die zu einem entscheidenden Teil zu dem guten Ergebnis beigetragen hätten, sollten ebenfalls von der wirtschaftlichen Erholung profitieren (vgl. IG Metall 2012b). Gerade vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Krise seit 2010 sahen sich Beschäftigte und IG Metall offenbar in der Position, nun eine selbstbewusste Entgelterhöhung fordern und durchsetzen zu können. Ein Interviewpartner hat deutlich gemacht, dass Arbeitgeber und Politik „gespürt“ hätten, dass die Zeit der jahrelangen Zurückhaltungen nun vorbei sei. Insbesondere die Politik habe, mitunter sogar medial, „zu erkennen gegeben, dass Lohnzurückhaltungen in diesem Jahr nicht angesagt sind“ bzw. die Industrie sich eine entsprechende Entgelterhöhung im Umkehrschluss leisten könne, und der Kapitalseite damit ein deutliches Zeichen gegeben.

Der wirtschaftliche Aufschwung machte sich auch in den untersuchten Betrieben bemerkbar, trotz ihrer vergleichsweise geringen Betroffenheit zur Krisenzeit. So schrieb Fallbetrieb A 2011 das beste Jahr in 114 Jahren Firmengeschichte und auch Fallbetrieb B und G konnten das Jahr 2011 als Rekordjahr verbuchen. Doch die Lohnerhöhungen ließen sich nicht mit einem reinen Automatismus erklären. Verschiedene Interessenvertreter beschrieben in den Interviews vielmehr eine veränderte Haltung der Beschäftigten im Hinblick auf die eigene Streikbereitschaft infolge der moderaten Lohnabschlüsse. Den Aussagen zufolge herrschte während der Tarifrunde 2012 immerhin in vier Betrieben eine stark ausgeprägte ,Jetzt sind wir dran’-Stimmung in den Belegschaften.[4] Ein Mitglied der IG Metall konstatierte, die Beschäftigten wollten nach langer Ruhephase „endlich etwas tun“ und seien daher bereit gewesen, sich an Warnstreiks zu beteiligen. Ihm zufolge habe eine Einstellungsänderung unter den Beschäftigten stattgefunden, die sich in der Erwartungshaltung des „Jetzt holen wir uns etwas zurück“ ausdrückte. Rückblickend auf die Mobilisierung in Fallbetrieb A sagte er: „Ich habe gewusst, dass die Leute rausgehen“. Auch die Beschäftigten des Betriebs C waren nach Aussagen eines Betriebsratsvorsitzenden äußerst streikbereit, nachdem deutlich gemacht werden konnte, dass die gestellten Forderungen realistisch sind. In Fallbetrieb D, einem Handwerksbetrieb, in dem schon länger keine Warnstreiks mehr stattgefunden hatten, waren die „Kollegen [...] froh gewesen, dass sie sich mal zeigen konnten“, weil eine ausgeprägte persönliche Betroffenheit herrschte aufgrund der Lohnzurückhaltung in den vorangegangenen Tarifrunden. Auch ein Interviewter des Fallbetriebs G formulierte, dass es an der Zeit war, dass „wir mal was einfordern“ nach vielen moderaten Tarifrunden. In Fallbetrieb I, dem Betrieb, der von den untersuchten Werken als einziger stark von der Krise und deren Folgen (Belegschaftsabbau) betroffen war, führte das Argument der zuvor gemachten Konzessionen zugunsten der Arbeitsplatzsicherung zu keiner besseren Mobilisierungsbereitschaft. Es sei mittlerweile „harte Arbeit“ im Sinne einer intensiven und permanenten Aufklärung, die Beschäftigten zu bewegen. Mobilisierung, so die Betriebsratsvorsitzende, gelinge am Standort als A-Betrieb immer, aber die eigentliche Crux sei es, diese auf konstant hohem Niveau zu halten.

Ein Interviewter des Fallbetriebs G fasst die Lage nach vielen moderaten Tarifrunden so zusammen: „Da war schon ’ne Power da, jetzt wollen wir mal was einfordern“. Trotz eines relativ niedrigen Organisationsgrades von 13 Prozent und einer vergleichsweise schwer zu organisierenden Belegschaft[5] konnten die Interessenvertretungen die Beschäftigten zur Tarifrunde 2012 erfolgreich mobilisieren. Die Problematik der Lohnzurückhaltung in der jüngeren Vergangenheit wurde strategisch wirkungsvoll kanalisiert. Im Vorlauf zur Tarifrunde wurde in Betriebsversammlungen umfassend zur Lohn-Preis-Entwicklung und zum Zusammenhang von Kaufkraft und Wirtschaftskrise informiert, wodurch „immer mal so Nadelstiche reingegeben“ wurden. Dass das Jahr 2011 nach der Krise ein Rekordjahr für das Unternehmen darstellte, konnte in der Belegschaft wirkungsvoll kommuniziert werden, im Sinne von „Passt mal auf, da wollen wir jetzt ’nen Teil von haben“. Im Rahmen des Warnstreiks wurde das Thema Lohnentwicklung, für das ja bereits im Vorfeld sensibilisiert wurde, weitergeführt in Form von „inhaltlich gehalt[-]“ und humorvollen Beiträgen. Neben dem geschärften Bewusstsein zu den Lohneinbußen infolge der Krise habe sich, so die Vermutung eines Interviewten, die Information in den Medien über positive Tarifabschlüsse, etwa von ver.di, mobilisierend ausgewirkt.

Kurzum: Die Mobilisierungsfähigkeit wurde auch von einem Stimmungswandel in den Belegschaften gesteigert, der sich in dem Wunsch, nach Jahren der Zurückhaltung endlich wieder spürbare Lohnzuwächse zu erstreiten, begründet.

„Das war klasse, einfach nur klasse“ –
der Bedeutungsgewinn qualitativer Forderungen

In der Vergangenheit prägten vor allem quantitative Themen die gewerkschaftlichen Aushandlungen und öffentlichen Diskurse. Denn, so Klaus Dörre, „die Notwendigkeit einer Interessenverallgemeinerung in [...] Großorganisationen bedingt […], dass qualitative Interessen zugunsten quantitativer (Lohn, Arbeitszeiten) in den Hintergrund geschoben werden“ (Dörre 2010: 884). So wurden vor allem die Interessen einer männlichen Stammklientel vertreten, ein Ansatz,der aber auf Dauer kaum mit den allgemeinen Lohn- und Reproduktionsinteressen vereinbar war (Dörre 2011: 288). Die Fokussierung der Gewerkschaften auf die Interessen solcher ,Normalbeschäftigten’ hatte zur Folge, dass in Tarifauseinandersetzungen gestellte Forderungen einseitig auf quantitative Aspekte wie Entgelterhöhungen ausgerichtet wurden. Die Interessen anderer, immer größer werdender Belegschaftsgruppen blieben lange unbeachtet. Seit einigen Jahren und im Besonderen im Zuge der Tarifrunde 2012 ist die IG Metall bemüht, vermehrt auch die spezifischen Interessen solcher ,Randbelegschaften’ zu bearbeiten und in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Dabei handelt es sich um Aspekte, die vor allem prekäre Beschäftigtengruppen betreffen (Brinkmann et al. 2008: 35ff.; Dörre 2010: 896). Außerdem rückte nun stärker ins Blickfeld, dass der Prozess der Prekarisierung der Beschäftigung nicht nur bestimmte Beschäftigtengruppen an den Rändern der Stammbelegschaften betrifft, sondern als Prozess der Verunsicherung und der sozialen Demontage tief in das Normalarbeitsverhältnis hineinreicht, dass also eine Orientierung, die sich auf Lohnzuwächse und Arbeitsplatzsicherung bei den (kleiner werdenden) Stammbelegschaften beschränkt, nicht nachhaltig sein kann. Öffentlich wirksam geworden ist diese strategische Erweiterung der IG Metall vor allem durch die Initiierung zweier bundesweiter Kampagnen. So wurden in den Jahren 2009 bzw. 2008 die Leiharbeitskampagne ‚Gleiche Arbeit – Gleiches Geld‘ sowie die Jugend- und Auszubildendenkampagne ‚Operation Übernahme‘ gestartet (IG Metall o.J. b; Hans-Böckler-Stiftung 2012b). Die Leiharbeitskampagne ‚Gleiche Arbeit – Gleiches Geld‘ zielt unter dem Slogan ‚Leiharbeit fair gestalten‘ vor allem auf die Durchsetzung des Equal-Pay-Grundsatzes für die Leiharbeitsbranche (vgl. ebd.). Die Kampagne ‚Operation Übernahme‘ problematisiert die Situation von Auszubildenden und fordert „die Übernahme aller Auszubildenden […] [im] Organisationsbereich […] [und damit] Zukunft, Sicherheit und Perspektiven“ (IG Metall 2009). Die Kampagnen sollen die Themen Leiharbeit und unsichere Zukunft von Auszubildenden in den öffentlichen Diskurs einbringen und damit auf betrieblicher, tarifpolitischer und gesellschaftspolitischer Ebene bekannt machen. Sie sollen auf diese Weise zu einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit beitragen (Hans-Böckler-Stiftung 2012a; IG Metall o.J. a). Außerdem sollen sie zur Erschließung neuer Mitgliederpotenziale dienen. Hierdurch wird eine Stärkung der geschwächten Organisationsmacht der Gewerkschaften angestrebt (Gerst/Pickshaus/Wagner 2011: 142; Urban 2010: 444). Die Aufnahme qualitativer Aspekte zeigte sich auch an den insbesondere von der IG Metall ausgehenden Kampagnen für „Gute Arbeit“. Diese Kampagne spielte in den Tarifauseinandersetzungen zwar keine unmittelbar Rolle, sie entfaltete aber eine deutliche öffentliche Wirksamkeit und wurde auch von anderen Gewerkschaften und dem DGB aufgegriffen. Die Kampagne für „Gute Arbeit“ knüpfte kritisch sowohl am Prozess der Prekarisierung der Beschäftigung als auch an der Zunahme von psychischen Belastungen und Arbeitstress sowie an der demografischen Entwicklung, also an der Alterung der Belegschaften an und stellte diesen Entwicklungen die Forderung nach qualitativ besseren Arbeitsbedingungen entgegen. Die Forderung nach „Guter Arbeit“ – manchmal auch in Form des Slogans „Gute Arbeit, gutes Leben“ – war somit eine klare Absage an die Beschränkung auf quantitative Aspekte, wie sie beispielsweise zum Ausdruck kommen in dem Slogan „Hauptsache Arbeit“.

Die IG Metall nutzte die steigende öffentliche Wahrnehmung für beide Problemfelder und formulierte qualitative Forderungen für die Tarifrunde 2012. So wurde neben der Stärkung der Rechte von Leiharbeitskräften die unbefristete Übernahme von Auszubildenden gefordert. Nicht zuletzt aufgrund des langen Vorlaufs der Kampagnen gelang es der Gewerkschaft schließlich, die gesetzten Maßnahmen zur Besserstellung von Leiharbeitskräften sowie zur unbefristeten Übernahme von Auszubildenden in den Verhandlungen zumindest teilweise erfolgreich durchzusetzen (Hans-Böckler-Stiftung 2012a). Ein IG-Metall-Vorstandsmitglied formulierte diesbezüglich:

„In beiden [qualitativen] Punkten, finde ich, haben wir vernünftige Ergebnisse erzielt, weil wir es zum Thema gemacht haben. [...], und ich glaube im Nachhinein sagen zu können, das war überhaupt nur möglich, weil wir einmal einen langen Vorlauf hatten, wir hatten für das […] gesellschaftlich sensibilisiert, wir haben Bewusstsein geschaffen, über die Metallindustrie hinaus und über die direkt Betroffenen […] hinaus […] und nur, weil wir das so langfristig vorbereitet haben, war es auch möglich, das als Forderung[en] zu stellen und dann auch zu einem vernünftigen Kompromiss [...] zu kommen.“

Mittels der Kampagnen sowie den daraus abgeleiteten qualitativen Forderungen in der Tarifrunde 2012 wurden bisher kaum erreichte Beschäftigtengruppen aktiv und öffentlich wirksam vertreten, was sich tendenziell positiv auf die Mobilisierungsfähigkeit dieser Beschäftigtengruppen auswirkt. Die IG Metall versucht auf diese Weise, mit dem Wandel der Arbeitswelt Schritt zu halten und ihre gewerkschaftlichen Organisationsanteile auch in den modernen Wirtschaftssektoren auszuweiten.

Die Kampagnen und die Konzentration auf qualitative Themen werden von einer Vielzahl der Interviewpartner als wichtig für die Mobilisierung der Beschäftigten auf Bundesebene eingeschätzt.[6] Auch auf der Betriebsebene scheinen sie großen Einfluss gehabt zu haben. Im Hinblick auf die Leiharbeitskampagne ist dies sicher auf die persönliche Betroffenheit vor Ort zurückzuführen, denn in sieben der neun analysierten Unternehmen werden Leiharbeitskräfte beschäftigt. So schätzen Vertreter von zwei dieser sieben Betriebe die Bedeutung der Leiharbeitskampagne für den Betrieb selbst und die Mobilisierung vor Ort als sehr hoch ein. Die Betriebsratsvorsitzende des Fallbetriebs I, ein Betrieb, in dem keine Leiharbeiter beschäftigt sind, konstatiert, dass die Kampagne aufgrund der fehlenden persönlichen Betroffenheit am Standort selbst keinen Einfluss hatte, schätzt diesen generell jedoch als sehr bedeutend ein.

Die Kampagne ‚Operation Übernahme‘ scheint im Gegensatz zur Leiharbeitskampagne in den Betrieben eine untergeordnete Bedeutung gehabt zu haben, und zwar aufgrund von mangelnder persönlicher Betroffenheit: In sieben der neun untersuchten Firmen wurde es in der Regel bereits vor den Beschlüssen als „Selbstverständlichkeit“ angesehen, die Auszubildenden zu übernehmen.[7] Dennoch, meint eine Interviewpartnerin habe die Kampagne auch in diesen Betrieben Einfluss gehabt, da in den Belegschaften mehr über das Thema der unsicheren Zukunft von Auszubildenden diskutiert worden sei. Vor allem sei aber auf Bundesebene „[et]was in Bewegung gekommen“. Hierzu hat sicherlich der Aktionstag der IG Metall am 1. Oktober 2011 in Köln als mediales Großereignis mit über 20.000 jungen Gewerkschaftern sowie einer Vielzahl solidarischer Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet beigetragen (IG Metall o.J. b). Dieser Tag, so berichteten Teilnehmer, habe das Zusammengehörigkeitsgefühl enorm gestärkt und eine wichtige Rolle für den Erfolg der Kampagne und der Mobilisierung gespielt: „Das war unglaublich, das war klasse, einfach nur klasse“, so einer der Teilnehmer.

Folglich haben die Kampagnen und die Orientierung der IG Metall auf qualitative Themen einen positiven Einfluss auf die Mobilisierung der Beschäftigten und damit auf die Mobilisierungsfähigkeit gehabt.

Perspektiven und Grenzen

Das Zusammenwirken von drei Faktoren – größere kommunikative Macht der IG Metall durch den Krisenkorporatismus, das erfolgreiche Campaigning mit qualitativen Forderungen sowie die „Jetzt sind wir dran“-Stimmung in den Belegschaften für höhere Löhne – so das zentrale Ergebnis unserer Fallstudie, hat zu der erfolgreichen Mobilisierung in der Tarifrunde 2012 in der Metall- und Elektroindustrie beigetragen. Doch handelt es sich um eine dauerhafte Entwicklung? Mit Blick auf die kommende Tarifrunde 2013 herrschte bei den Interviewten der Tenor, dass an die Erfolge von 2012 angeknüpft werden kann – und das sowohl in Bezug auf eine starke Mobilisierung als auch auf gute Ergebnisse. Dies spricht für ein gestärktes Selbstbewusstsein als Folge der letzten Tarifrunde. Möglicherweise kann auch die höhere Akzeptanz der Gewerkschaft erfolgreich in die Mobilisierung für die Tarifrunde 2013 transportiert werden. Dennoch bleibt fraglich, inwieweit der mobilisierungsstärkende Effekt des Verlangens nach Ausgleich für die vor 2012 geübte Lohnzurückhaltung weiter anhält und erneut in eine ,Jetzt sind wir endlich dran’-Stimmung kanalisiert werden kann. Auch sollen qualitative Forderungen in den kommenden Tarifverhandlungen keine Rolle spielen, obwohl sie für die hohe Streikbeteiligung 2012 wesentlich verantwortlich waren. Die ausschließliche Fokussierung auf quantitative Forderungen zur Tarifrunde 2013 soll laut IG Metall nicht bedeuten, dass qualitative Themen nun insgesamt wieder nachrangig behandelt würden. Im Gegenteil. Die IG Metall hat jüngst zwei neue Kampagnen unter dem Slogan ,Arbeit: Sicher und Fair!’ ins Leben gerufen, welche die Problematik von Werkverträgen sowie einer alternden Belegschaft aufarbeiten sollen (vgl. IG Metall 2012a).[8] Mit diesen Initiativen behält sich die IG Metall vor, gegebenenfalls qualitative Forderungen in zukünftigen Tarifrunden einzubringen.

Zwar erlebt die IG Metall inzwischen wieder leichte Mitgliederzuwächse, allerdings lässt sich anhand dessen noch kein langfristiger Trend ableiten. Soviel kann immerhin gesagt werden: In der Tarifrunde 2012 hat die IG Metall ein temporäres Revitalisierungsmoment erfahren. Ob dies für ein mögliches ,Comeback der Gewerkschaften’ ausreicht, wird sich aber erst in den nächsten Jahren und Tarifrunden zeigen.

Literatur

Becker, Joachim/Jäger, Johannes (2009): Die EU und die große Krise. In: Prokla. Zeitschrift für Kritische Sozialwissenschaften, 39:4, S. 541-558.

Brettschneider, Antonio/Bromberg, Tabea/Haipeter, Thomas (2011): Betriebsräte mit Rückenwind? Chancen und Ambivalenzen betrieblicher ‚Besser‘-Strategien für Arbeitspolitik und Interessenvertretungen. In: Haipeter, Thomas/Dörre, Klaus (Hrsg.) (2011): Gewerkschaftliche Modernisierung, S. 61-85. Wiesbaden.

Brinkmann, Ulrich/Choi, Hae-Lin/Detje, Richard/Dörre, Klaus/Holst, Hajo/Karakayali, Serhat/Schmalstieg, Catharina (2008): Strategic Unionism. Aus der Krise zur Erneuerung. Umrisse eines Forschungsprogramms. Wiesbaden.

Detje, Richard/Menz, Wolfgang/Nies, Sarah/Sauer, Dieter (2011): Krise ohne Konflikt? Interessen- und Handlungsorientierungen im Betrieb. Die Sicht von Betroffenen. Hamburg.

Dörre, Klaus (2011): Funktionswandel der Gewerkschaften. Von der intermediären zur fraktalen Organisation. In: Haipeter, Thomas/Dörre, Klaus (Hrsg.) (2011): Gewerkschaftliche Modernisierung. Wiesbaden, S. 267-301.

Dörre, Klaus (2010): Überbetriebliche Regulierung von Arbeitsbeziehungen. In: Böhle, Fritz/Voß, G. Günther/Wachtler, Günther (Hrsg.) (2010): Handbuch Arbeitssoziologie. Wiesbaden, S. 873-912.

Ehlscheid, Christoph/Pickshaus, Klaus/Urban, Hans-Jürgen (2010): Die große Krise und die Chancen der Gewerkschaften. Ein Beitrag zur Strategiedebatte. In: Sozialismus, 37. Jg. H. 6/2010, S.41-49.

Gerst, Detlef/Pickshaus, Klaus/Wagner, Hilde (2011): Revitalisierung der Gewerkschaften durch Arbeitspolitik? Die Initiativen der IG Metall – Szenario für Arbeitspolitik in und nach der Krise. In: Haipeter, Thomas/Dörre, Klaus (Hrsg.) (2011): Gewerkschaftliche Modernisierung. Wiesbaden, S. 136-163.

Haipeter, Thomas (2011): Einleitung. Interessenvertretungen, Krise und Modernisierung. Über alte und neue Leitbilder. In: Haipeter, Thomas/Dörre, Klaus (Hrsg.) (2011): Gewerkschaftliche Modernisierung. Wiesbaden, S. 7-28.

IG Metall Verwaltungsstelle Frankfurt (2011): Geschäftsbericht 2008 – 2011. IG Metall Verwaltungsstelle Frankfurt am Main. Frankfurt am Main.

Urban, Hans-Jürgen (2010): Wohlfahrtsstaat und Gewerkschaftsmacht im Finanzmarkt-Kapitalismus: Der Fall Deutschland. In: WSI-Mitteilungen 09/2010, Frankfurt/M, S. 443-450.

Internetquellen

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Gesamtmetall – Die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie (2012b): Umsatz in der Metall- und Elektroindustrie seit 1970. In: http://www.gesamtmetall.de/gesamtmetall/meonline.nsf/Graph/fa2fbee411e80255c1256bd0003972c9?OpenDocument&popup=1; zuletzt überprüft am 23.10.2012.

Hans-Böckler-Stiftung (2012a): WSI-Tarifarchiv. Metallindustrie. In: http://www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_40681.htm; zuletzt überprüft am 17.09.2012.

Hans-Böckler-Stiftung (2012b): WSI-Tarifarchiv. Tarifrunde 2012. Forderungen. In: http://www.boeckler.de/wsi-tarifarchiv_38431.htm#cont_38903; zuletzt überprüft am 17.09.2012.

Hans-Böckler-Stiftung (2012c): WSI-Tarifpolitischer Halbjahresbericht 2012. Stand Juli 2012. In: http://www.boeckler.de/pdf/p_ta_hjb_2012.pdf; zuletzt überprüft am 17.09.2012.

IG Metall (2012a): IG Metall Kampagnen. In: http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/internet/-style.xsl/kampagnen.htm; zuletzt überprüft am 08.10.2012.

IG Metall (2012b): Lohnkosten spielen eine immer geringere Rolle. Mehr Geld, das ist gerecht und leistbar. In: http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/internet/style.xsl/lohnkosten-spielen-eine-immer-geringere-rolle-9504.htm; zuletzt überprüft am 17.09.2012.

IG Metall (2012c): Metall-Tarifrunde 2012. IG Metall fordert 6,5 Prozent mehr Geld. In: http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/internet/style.xsl/metall-tarifrunde-2012-ig-metall-fordert-6-5-prozent-mehr-geld-9515.htm; zuletzt überprüft am 17.09.2012.

IG Metall (2009): Mit einer Stimme für unsere Zukunft. Auftaktrede von Bundesjugendsekretär Eric Leiderer zur Arbeitstagung der ‚Operation Übernahme‘ in Erfurt. In: http://www.operationuebernahme.de/detail-35/items/mit-einer-st.html; zuletzt überprüft am 17.09.2012.

IG Metall (o.J. a): Die Kampagne ‚Gleiche Arbeit – Gleiches Geld‘ 2008-2010: Was bisher geschah. In: http://www.gleichearbeit-gleichesgeld.de/initiative/ueber-die-initiative/was-bisher-geschah/; zuletzt überprüft am 17.09.2012.

IG Metall (o.J. b): Harte Fakten für gute Arbeit. In: http://www.operationuebernahme.
de/fakten.html; zuletzt überprüft am 17.09.2012.

IG Metall Bezirk Frankfurt (2012): Metallnachrichten. Metall- und Elektroindustrie Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Thüringen. Ausgabe 9/2012. In:http://www.igmetallbezirk-mitte.de/fileadmin/userdata/dokumente/pdf/mn_Ausgabe_9_24-05-2012.pdf.

ZEIT ONLINE (2010): Tarifeinigung für die Metallindustrie. Beschäftigungspakt und mehr Geld für die Metaller. In: http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-02/metall-industrie-tarifverhandlungen; zuletzt überprüft am 07.10.2012.

[1] Im Rahmen der von uns am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführten explorativen Fallstudie „Die Tarifrunde 2012 in der Metall- und Elektroindustrie – Eine Fallstudie zur gewerkschaftlichen Mobilisierung in der Tarifrunde 2012 am Beispiel der IG-Metall-Verwaltungsstellen Frankfurt (Main) und Wiesbaden-Limburg“ (Betreuung Dr. Stefan Schmalz) wurden zwölf Experteninterviews in Form von Einzel- und Gruppeninterviews mit Betriebsräten in neun verschiedenen Betrieben des Zuständigkeitsbereichs der IG-Metall-Verwaltungsstellen Frankfurt (Main) und Wiesbaden-Limburg sowie mit einem Vertreter des IG-Metall-Vorstandes und dem Ersten Bevollmächtigten beider Verwaltungsstellen geführt. Ergänzend erfolgte eine Dokumentenanalyse. Die Fallstudie wäre ohne die Unterstützung von Michael Erhardt (Erster Bevollmächtigter, IG Metall Frankfurt am Main/Wiesbaden-Limburg) sowie den Kolleginnen und Kollegen der Verwaltungsstellen nicht möglich gewesen. Wir möchten uns an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit bedanken.

Die untersuchten neun Betriebe entstammen den Branchen der Automobilzuliefer- und Luftfahrtzulieferindustrie sowie der Elektroindustrie. Zwei Fallbetriebe weisen eine Betriebsgröße von bis zu 250 Beschäftigten auf. An ebenfalls zwei Standorten werden zwischen 250 und 500 Mitarbeiter beschäftigt. Vier Betriebe sind der Kategorie 1000 bis 2000 Arbeitnehmer zuzuordnen und ein Betrieb beschäftigt über 3500 Arbeitskräfte. Die gewerkschaftliche Organisierung der einzelnen Standorte variiert stark – der Organisationsgrad reicht von 13 bis 80 Prozent in den Belegschaften. Die kleineren Betriebe weisen fast alle einen höheren Organisationsgrad als die Großbetriebe auf. Zur Tarifrunde 2012 fand in acht der neun Betriebe mindestens ein Warnstreik statt, in zwei Fallbetrieben waren es zwei. Die Streikbeteiligung war im Vergleich zu früheren Tarifrunden höher, von Betrieb zu Betrieb aber sehr unterschiedlich ausgeprägt.

[2] Im Interview wird jedoch nicht explizit auf das Krisenmanagement Bezug genommen.

[3] Hierbei muss beachtet werden, dass es sich um einen Schichtbetrieb handelt, sodass eine Beteiligung von 50 bzw. 20 Prozent der Belegschaften als hoch einzuschätzen ist.

[4] Zu drei Betrieben liegen hierzu keine bzw. lediglich uneindeutige Angaben vor.

[5] Am Standort selbst wird nicht produziert, es handelt sich um einen reinen Entwicklungsstandort. Etwa 80 Prozent der Beschäftigten sind Ingenieure. Die übrigen 20 Prozent sind in den Bereichen Administration, Vertrieb und IT beschäftigt. Die Belegschaft ist nicht traditionell gewerkschaftlich geprägt.

[6] Lediglich ein Vertreter des Betriebsratsgremiums des Fallbetriebs F bezeichnet die aus den Kampagnen abgeleiteten qualitativen Forderungen für die Tarifrunde 2012 als „ein Klotz zu viel“, der schließlich Prozente bei den Lohnforderungen gekostet habe.

[7] Für die übrigen zwei Fallbetriebe liegen hierzu keine Angaben vor.

[8] Dass diese Kampagnen und entsprechend formulierte Forderungen in der Tarifrunde 2013 nicht zum Gegenstand der Auseinandersetzung gemacht werden, wurde im Interview damit begründet, dass sie, genau wie die in dieser Arbeit besprochenen Kampagnen, einen langen Vorlauf der Organisation benötigen und in den Medien und bei den Beschäftigten langfristig an Präsenz gewinnen müssen, um das Bewusstsein für die jeweiligen Problembereiche entsprechend zu schärfen. Nur auf diese Weise kann es zu aussichtsreichen Forderungen im Rahmen von Tarifrunden kommen.