Anlässlich des 190. Geburtstages von Friedrich Engels organisierte der Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition gemeinsam mit Helle Panke – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin ein Kolloquium zu neuen Erkenntnissen über Leben und Werk des Kampfgefährten und Freundes von Karl Marx. Die Formulierung des Themas begründete sich auf jenen Publikationen, die in den letzten Jahren erschienen sind, vor allem auf den Bänden 30–32 der I. Abteilung (Werke, Artikel, Entwürfe) der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA), die alle von Engels hinterlassenen Texte nach Marx’ Tod (1883–1895) enthalten. Renate Merkel-Melis (Berlin) bezog sich in ihrem Vortrag auf den von ihr bearbeiteten Band I/30 (Berlin 2011), der überwiegend die politische Publizistik von Engels und seine Schrift über Ludwig Feuerbach enthält. Die Referentin hob insbesondere Engels’ Bemühungen um Neuauflagen und Übersetzungen von Marx’ Schriften hervor, der Band enthält sieben von Engels verfasste Vorworte. Thematisch passend dazu berichtete Gerd Callesen (Wien) über Engels’ Sekretärin Louise Kautsky-Freyberger in den Jahren 1891–1895.
Aber nicht nur das Spätwerk, sondern auch das Frühwerk von Engels fand gebührende Beachtung. Bereits in seiner Begrüßung konnte der Vereinsvorsitzende Rolf Hecker (Berlin) auf den neu erschienenen Band 41 (Berlin 2008) der Marx-Engels-Werke (MEW) verweisen, der den bisherigen Ergänzungsband, Teil II, ersetzt, da alle Texte überprüft und neue Kommentare (Vorwort, Anhang) verfasst worden sind. Die Zusammensetzung des Bandes – er enthält alle Artikel, Schriften und Briefe aus der Zeit von Dezember 1833 bis 1844, die nicht in den Bänden 1 und 27 der MEW erschienen sind – wurde dabei jedoch nicht verändert. Daran anschließend konnte Johann-Günther König (Bremen) auf anschauliche Weise neue Details aus der Lehrzeit von Engels in Bremen schildern (siehe sein Buch „Friedrich Engels. Die Bremer Jahre (1838–1841)“, Bremen 2008). Erfrischend war auch der Beitrag von Kari Väyrynen (Oulu) über den jungen Engels und die Entstehung der marxistischen Ökologie. Anhand dessen Naturbeschreibungen während seiner Reisen zog der Referent Analogien zu heutigen ökologischen Fragestellungen.
Ein Kolloquium zu Engels ist ohne die Würdigung von dessen Leistung bei der Herausgabe von Band 2 und 3 des „Kapitals“ nicht denkbar. Carl-Erich Vollgraf (Berlin) schilderte detailliert die Materiallage, die Engels für diese Aufgabe vorfand und die erstmals in den MEGA-Bänden 4.1–3 und 11 der II. Abteilung („Das Kapital“ und Vorarbeiten) der MEGA publiziert wurde (siehe dazu „Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge 2010“, Hamburg 2011, S. 77–116).
In den letzten Jahren ist mehrfach über Korrekturen der Zuordnung von Fotos aus dem Umfeld der Familie Marx berichtet worden (siehe „Familie Marx privat. Die Foto- und Fragebogen-Alben von Marx’ Töchtern Laura und Jenny“, hrsg. von I. Omura, V. Fomicev, R. Hecker, S. Kubo, Berlin 2005; R. Hecker, M. Schöncke: Eine Fotografie von Helena Demuth? Zu Engels’ Reise nach Heidelberg 1875. In: Marx-Engels-Jahrbuch 2004, Berlin 2005, S. 205–218). So hat Manfred Schöncke (Tornesch) weiter recherchiert und festgestellt, dass die Datierung von drei Aufnahmen von Marx und von fünf Aufnahmen von Engels präzisiert werden kann. Außerdem wies er darauf hin, dass das Gruppenbild von Engels und Marx mit seinen drei Töchtern häufig seitenverkehrt veröffentlicht worden ist.
Abschließend informierte Luciano Martorano (Campinas) über die Marx-Engels-Rezeption in Brasilien, wo in den letzten Jahren auch Neuübersetzungen von Marx-Engels-Texten erschienen, z.B. auch der „Deutschen Ideologie“, an der der Vortragende mitgewirkt hat. Es ist geplant, soweit möglich, die Vorträge in den „Beiträgen zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge 2011“ zu veröffentlichen (siehe auch www.marxforschung.de).
Rolf Hecker