Zur Aktualität arbeits- und wirtschaftsdemokratischer Transformationsbestrebungen

Drei neue Beiträge aus der gewerkschaftspolitischen Debatte

von Paul Oehlke
Dezember 2012

Die neueren Debatten um wirtschaftsdemokratische Bestrebungen wecken zwar Erinnerungen an das Grundsatzprogramm des DGB von 1949, noch weiter zurück an sozialistische Transformationsvorstellungen in der Weimarer Republik; heute speisen sie sich aber aus einer finanzmarktkapitalistischen Strukturkrise, die auf Kosten der Arbeits- und Lebensbedingungen der Bevölkerung – in südlichen Ländern der EU durch eingesetzte Statthalter der Finanzkonzerne – gelöst werden soll. Die entsprechenden Aktivitäten der Bundesregierung zeigen aber, in welchem Ausmaß das verfassungspolitische Normengefüge einer sozialen Demokratie hierzulande außer Kraft gesetzt wird.

Umso wichtiger werden für die Gewerkschaften als zentrale Akteure demokratischer Sozialstaatlichkeit strategische Reflexionen ihrer arbeits- und wirtschaftsdemokratischen Fundierung. Hierfür liegen drei Bücher des VSA-Verlages vor: eine Monographie von Helmut Martens zur Neuen Wirtschaftsdemokratie (im Folgenden zitiert unter 2010) und zwei Sammelbände mit Beiträgen aus den Gewerkschaften und Sozialwissenschaften. Während die Herausgeber Hartmut Meine, Michael Schumann und Hans-Jürgen Urban in ihrem Titelaufruf Mehr Wirtschaftsdemokratie wagen! (zitiert unter 2011) an das Motto von Willy Brandts Regierungserklärung von 1969 anknüpfen, wendet sich der von Werner Fricke und Hilde Wagner herausgegebene Band zur Demokratisierung der Arbeit (zitiert unter 2012) arbeitspolitischen Ansätzen von unten zu.

Die sich teilweise überlappenden Positionen der Autoren, ein Mosaik gewerkschaftlicher Aktivitäten und sozialwissenschaftlicher Überlegungen, können hier nicht im Einzelnen gewürdigt werden, sondern kommen im Rahmen zentraler, noch weiter untergliederter Argumentationslinien zu Wort: der Erosion demokratischer Sozialstaatsnormen als einer existenziellen Herausforderung für die Gewerkschaften; arbeitsdemokratischer Impulse von unten als Grundlage erweiterter gesellschaftspolitischer Aktivierungen und von diesen beförderter wirtschaftsdemokratischer Transformationsbestrebungen in regionalen, ökonomischen und ökologischen Dimensionen. Angesichts dieser Beschränkung muss auch auf Hinweise auf die zahlreich vorliegende und in den einzelnen Artikeln ausführlich verarbeitete Literatur verzichtet werden.

Erosion demokratischer Sozialstaatsnormen als existenzielle Herausforderung für die Gewerkschaften

Die Erosion demokratischer Sozialstaatsnormen wird anhand der gesellschaftspolitischen Funktionsverluste der Mitbestimmung als eine der „tragenden institutionellen Leitideen der Einheitsgewerkschaften“ – so die Formulierung im Vorwort von Dieter Scholz (ehemaliger Vorsitzender des DGB Berlin und Vorsitzender des Forum Neue Politik der Arbeit [FNPA] als einem Wissenschaftler-Praktiker-Dialog) zur Monographie von Helmut Martens (2010, 7-9), paradigmatisch erkennbar. Die Mitbestimmung teilt als eine wirtschaftsdemokratische Institution das Dilemma des gewerkschaftlichen Korporatismus, der als Teil der strukturellen Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse immer weniger soziale Spaltungsprozesse verhindern kann. Diese greifen das grundlegende gewerkschaftliche Solidaritätsverständnis an, indem auf dem Wege zu einem autoritären europäischen Kapitalismusmodell sich erneut sozial ausgrenzende Vorstellungen in der Gesellschaft zu etablieren beginnen.

Funktionsverluste der Mitbestimmung als wirtschafts-
demokratischer Institution

Solche Funktionsverluste werden mehr oder weniger von allen Autoren konstatiert. Helmut Martens (Sozialforschungsstelle Dortmund) erinnert daran, dass das Grundsatzprogramm des DGB von 1949 mit der Trias von „volkswirtschaftlicher Rahmenplanung, Sozialisierung der Schlüsselindustrien, wirtschaftlicher Mitbestimmung“ nach den Erfahrungen der Kumpanei zwischen groß-industriellen Herrschaftsträgern und der faschistischen Bewegung noch an wirtschaftsdemokratisches Gedankengut aus der Weimarer Republik anknüpfte; mit der verhinderten Neuordnung (Eberhard Schmidt) im Zuge der direkten Blockkonfrontation im gespaltenen Deutschland verblassten jedoch sozialistische Perspektiven (2010, 131-139; 179-182). Diese werden verfassungspolitisch zwar in der Gemeinwohlverpflichtung des garantierten Eigentums und seiner möglichen Sozialisierung offen gehalten, während die wirtschaftsdemokratisch verstandenen Mitbestimmungsrechte von der Parität in der Montanindustrie bis zum Mitbestimmungsgesetz von 1976 in den folgenden Jahrzehnten eine betriebswirtschaftliche Umdeutung als produktive Ressourcen im Standortwettbewerb erfuhren. Dies brachten die Ergebnisse der Mitbestimmungskommission der Bertelsmann- und der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahre 1998 auf den Punkt.

Unter dem Blickwinkel betrieblicher Effizienzsteigerung werden Beteiligungsmöglichkeiten heute durchaus vom Management zugestanden. Es handelt sich nach Hilde Wagner, Ressortleiterin beim Vorstand der IG Metall, um indirekte Steuerungsmethoden einer neuen vermarktlichten Herrschaftsform, ohne hinreichende Ressourcen zur Bewältigung kapitalmarktbestimmter Gewinnvorgaben bereitzustellen (2012, 19-37). Insofern sind organisationale Partizipationszugeständnisse zur Nutzung „innovatorischer Qualifikationen der Beschäftigten“ nach dem Arbeitsforscher Werner Fricke (2012, 129-150) jedoch von konstitutionellen Grundrechten einer demokratischen Mitbestimmung zu unterscheiden, deren soziale Basis mit der Ausweitung von prekären Beschäftigungsformen brüchiger wird. Dass in der Managementterminologie einer atmenden Fabrik das institutionalisierte System der industriellen Beziehungen ausgehebelt wird, heben Ulrich Brinkmann und Oliver Nachtwey, Wirtschaftssoziologen an der Universität Trier, hervor (2012, 87-107). Sie attestieren der Mitbestimmung einen weiteren Bedeutungsverlust, während Vertreter der Unternehmerseite diese ganz und gar beseitigen möchten, wenn sie im Zuge der weiteren Zurückdrängung gewerkschaftlicher Handlungsspielräume von der Mitbestimmung als einem „Irrtum der Geschichte“ sprechen (2010, 13).

Gesellschaftlicher Korporatismus in der Sackgasse sozialer
Spaltung

So könnte im Zuge der betrieblichen Flexibilisierung und arbeitsmarktpolitischen Prekarisierung die betriebswirtschaftlich orientierte Funktionalisierung der institutionalisierten Mitbestimmung umschrieben werden. Sie ist jedoch schon zuvor mit der Herausbildung eines nach Martens tripartistischen Korporatismus in der Deutschland AG mit „typischen Mustern kooperativer Konfliktverarbeitung im Rahmen repräsentativer Strukturen bei nur schwach ausgebildeten Formen direkter Beteiligung der Beschäftigten“ (2010, 12) in die Fallstricke eines Wettbewerbskorporatismus geraten, der sich mit fortschreitendem Lohn-, Sozial- und Steuerdumping als zweischneidig erwiesen hat. Während im „goldenen Zeitalter“ des Fordismus mit der Vollbeschäftigung erstarkende Gewerkschaften erhebliche lohn-, arbeits- und sozialpolitische Verbesserungen etwa in der Hebung des Lebensstandards, Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit und der Steigerung der Renten gesellschaftlich verallgemeinern konnten, droht die sozialintegrative Teilhabe und ihre konjunkturstabilisierende Funktion verlorenzugehen, je mehr größere Teile der abhängig Beschäftigten aus existenzsichernden Beschäftigungsformen ausgeschlossen werden. Die widersprüchliche Situation bringt folgende Formel zum Ausdruck: Sicherung der Beschäftigung durch Kurzarbeit, aber Abschmelzung von Leiharbeit! Als sozialpolitischer Erfolg der Gewerkschaften gefeiert, stabilisiert sich selbst unter Krisenbedingungen durch arbeitsmarktpolitische Spaltungsprozesse das exportfixierte deutsche Herrschaftsmodell als europäische Hegemonialmacht.

Auf einer zugleich schiefen arbeits- und lohnpolitischen sowie mitbestimmungs- und tarifrechtlichen Ebene etwa im Concession Bargaining oder in der Tarifflucht – nach Hans-Jürgen Urban vom geschäftsführenden Vorstand der IG Metall einer „machtpolitischen Abwärtsspirale“ auch in der umverteilenden Sozialpolitik (2011, 42-67, hier 43f.) – verengen sich aber die gewerkschaftlichen Strategiemöglichkeiten und Solidarbezüge. Selbst bei gut organisierten Arbeitern und Angestellten breiten sich nach empirischen Untersuchungen über die Deutschen Zustände (Wilhelm Heitmeyer) rechtspopulistische und sozialdarwinistische Orientierungen aus, mit denen kapitalismus- und klassenspezifische Widersprüche auf benachteiligte Gruppen projiziert werden. In medial beförderten negativen Zuschreibungen wird in den Feuilletons eine „rohe Bürgerlichkeit“ der Sarrazins und Sloterdijks, aber auch der Clements und Westerwelles in politischen Diskursen inszeniert, ob sie nun „ausufernde Sozialsysteme“ oder „Sozialschmarotzer“ geißeln, sei es nun deutscher, migrantischer oder südeuropäischer Provenienz. So blüht allenthalben in breiten Teilen der Bevölkerung ein hegemonialer Krisenkorporatismus auf, in dem Kapital und Kabinett die finanzkapitalistische Krise in eine Staatsschuldenkrise erfolgreich umdeuten (und real transformieren) können, wie die hohen Zustimmungswerte der Kanzlerin Angela Merkel in Deutschland als personifiziertem Ausdruck ihrer Politik signalisieren.

Gewerkschaftliche Machtverluste in verordneten
Austeritätsprogrammen

Gewerkschaftliche Machtverluste lassen sich an den – in einigen europäischen, auch in den deutschen Gewerkschaften – nur zaghaft widersprochenen Verarmungsdiktaten für südeuropäische Länder erkennen. Letztere lassen in Deutschland eine verstärkte Missachtung, wenn nicht Außerkraftsetzung der unveränderbaren, daher übergeordneten und sich ergänzenden Verfassungsgrundsätze der unantastbaren Würde des Menschen (Art 1 GG) und des demokratischen und sozialen Rechtsstaats (Art. 20 GG) erkennen. Diese bilden für die Gewerkschaften entscheidende Handlungsgrundlagen, die in den Mitbestimmungs-, Arbeits- und Sozialrechten in vielfältiger Weise konkretisiert worden sind. Deren jeweilige Gestalt und Wirkungsweise hängt von der Entwicklung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ab, die selbst wiederum in langfristige sozialökonomische Prozesse eingebunden sind. Helmut Martens bezieht sich in dem von ihm mit gegründeten FNPA auf die zentrale These des Epochenbruchs, welche die sich ohne größere Widerstände auf dem europäischen Festland durchsetzende neoliberale Konterrevolution metaphorisch umschreibt. Die Verluste an institutioneller Macht der Gewerkschaften, die mit dem festgeschriebenen Vorrang unternehmerischer Freiheitsrechte in der EU als ein quasi „hayekianisches Projekt“ (Martens) in den Urteilen des EuGH noch verstärkt werden, machen mit dem „Systeminfarkt der Weltwirtschaft“ (Frankfurter Appell der IG Metall 2009) eine intellektuelle wie machtpolitische Befreiung aus der teilweise selbstverschuldeten Marginalisierung dringlich.

In diesem Sinne verdeutlicht Hans-Jürgen Urban die von Wolfgang Abendroth bereits hervorgehobenen und sich erneut zuspitzenden Widersprüche zwischen der „privatkapitalistischen Eigentums- und Wirtschaftsordnung und den Erfordernissen der politisch-parlamentarischen Demokratie“ (2011, 42-67, hier 49). Unter der immer wieder aktualisierten Chimäre einer bedrohten Wettbewerbsfähigkeit des Exportweltmeisters erzeugt die sozialstaatsfeindliche Transformation in eine marktkonforme Demokratie (Angela Merkel) und die machtpolitisch deformierte Integration Europas unter deutscher Vormundschaft eine postdemokratische Konstellation – mit Tendenzen zu einem autoritären europäischen Kapitalismusmodell. Entsprechend zementieren nach Michael Schumann, Präsident des SOFI Göttingen und Richard Detje, Redakteur der Zeitschrift Sozialismus, Finanzmärkte und Ratingagenturen ein fiskalisches Regime der Austerität, für das die politische Demokratie zum potenziellen Störfall wird: „Der neoliberal angefressene Zusammenhang von Sozialstaat und Demokratie soll nun gänzlich aufgebrochen werden.“ (2012, 68-84, hier 70) In Deutschland gelte es daher, nicht nur die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und der Betriebs- und Personalräte von der Beschäftigungssicherung bis zu Produktentscheidungen zu stärken, sondern es gehe auch um einen doppelten Ausbau des repräsentativen Mitbestimmungskonzeptes: einmal nach unten als Mitbestimmung der Belegschaften am Arbeitsplatz und zum anderen nach oben als weitergehende Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Arbeitsdemokratische Impulse als Grundlage erweiterter
gesellschaftspolitischer Aktivierungen

Angesichts der finanzmarktkapitalistischen Verwerfungen des Zusammenhangs von politischer und sozialer Demokratie kommt in den gelähmten Interessenvertretungen eine anhaltende gewerkschaftliche Defensive zum Ausdruck. Sie verlangt, wie es Hilde Wagner und Werner Fricke in ihrer Einleitung (2012, 9-15) zum Ausdruck bringen, nach der Artikulation eines sich verstärkenden Widerstands von unten in Richtung gesellschaftlicher Mobilisierungs- und Demokratisierungsprozesse in der Arbeit selbst. Diese haben eine Bündelung in jüngeren gewerkschaftlichen Strategieansätzen erfahren, die sich an Zielsetzungen guter Arbeit und besserer Produkte orientieren. Sie zielen auf eine Ökonomie der Arbeit, die gesellschaftlichen Entwicklungserfordernissen über den einzelnen Betrieb hinaus Rechnung trägt. Einen bedenkenswerten Anschauungsunterricht hierfür hatte das Humanisierungsprogramm geliefert, dessen wirtschaftsdemokratische Wirkungsweise im neoliberalen Kraftfeld zersetzt worden ist.

Gründe für die Artikulation widerständigen Eigensinns von unten

Indirekte Steuerungsmethoden des betrieblichen Managements unter finanzmarktkapitalistischen Renditediktaten lassen die institutionalisierte Mitbestimmung als ein „Haus ohne Dach und ohne Fundament“ (Kißler) an Wirksamkeit verlieren (Hilde Wagner). Mitbestimmung ist nach Detlef Hensche, ehemals Vorsitzender der IG Medien, durch juristisch festgezurrte Rollenzuweisungen und Wettbewerbsimperative ebenso von direkter Demokratie abgeschirmt wie von gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen, während die wirtschaftlichen Machtträger und Finanzeliten bestimmenden Einfluss auf die Exekutive gewonnen haben (2012, 239-257). Vor diesem Hintergrund stellen Richard Detje sowie Dieter Sauer vom ISF in München heraus, dass die postdemokratische Dimension der Finanzmarktkrise eine systemische Form annehme. So werde der in der Arbeiterbewegung angestrebte Demokratietransfer von der politischen auf die ökonomische Ebene etwa durch Ausbau der institutionellen Mitbestimmung strukturell versperrt. Auch weisen nach ihnen traditionelle Vorstellungen einer gesamtwirtschaftlichen Programmierung der ökonomischen Entwicklung von oben bei einer Verkürzung der Wirtschaftsdemokratie auf die Eigentumsfrage eine spezifische Engführung auf, so sehr dieser eine macht-, verteilungs- und gestaltungspolitische Bedeutung zukomme (2012, 55-85).

Auch wenn Detje/Sauer sich, ihren „Neuansatz von unten“ flankierend, für eine breite Palette öffentlicher und pluraler Eigentumsformen in einer mixed economy aussprechen, lassen sie keinen Zweifel an ihrem Plädoyer für eine stärkere arbeitspolitische Fundierung wirtschaftsdemokratischer Perspektiven, die „vom Kopf auf die Füße“ gestellt werden sollen. Dies impliziere eine Kehrtwende von eher statischen Modellvorstellungen auf eine mehr prozesshafte Transformationssicht, die stärker auf eine „Demokratisierung von unten“ setzt – durch betriebliche Kämpfe gegen Ausbeutung und Entfremdung sowie für die Aneignung der eigenen Arbeitsbedingungen bis zur kollektiven Bestimmung der Produktionsziele. Es gelte, gegenüber finanzpolitischen Vorgaben und Marktzwängen die produktionstechnischen Erfordernisse vermehrter Selbständigkeit und Selbststeuerung der Beschäftigten ins Spiel zu bringen, die sich über das „Wie“ der Produktion hinaus auch auf das „Was“ und „Wofür“ verständigen müssen.

Gewerkschaftliche Strategieansätze für gute Arbeit
und bessere Produkte

Die neuen gewerkschaftlichen Strategieansätze haben eine zentrale Mobilisierungsfunktion für die Belegschaften, die zugleich die Verhandlungsstärke der Betriebsräte und Gewerkschaften vor Ort erhöht. Entsprechend erweisen sich Befragungen nach dem DGB-Index Gute Arbeit, wie Tatjana Fuchs vom Internationalen Institut für empirische Sozialökonomie erläutert (2012, 151-164), als hilfreich, Reflexion, Interessenartikulation und Handlungsorientierungen, das heißt auch Veränderungspotenziale zusammen mit Betriebs- und Personalräten, Gewerkschaftern und Wissenschaftlern zu entwickeln. Konkrete Problemfelder werden von den Belegschaften identifiziert und Lösungsansätze erarbeitet, die anschließend von Vertrauensleuten und Betriebsräten kommuniziert werden und als Verhandlungsgrundlage mit dem Management dienen. Die betriebliche Aktivierung legt eine betriebsnahe Tarifpolitik nahe, die nach Steffen Lehndorff, Universität Duisburg-Essen, mit betrieblichen Mitbestimmungsrechten gebündelt werden müsse (2012, 203-221). In seiner Analyse der Kampagne Besser statt billiger geht es primär um verbesserte Produkte auf der Grundlage des Know-how der Beschäftigten, was erweiterte Beteiligungs- und Handlungsspielräume einschließt.

Solch eine arbeitspolitische High Road durch aktive Betriebsratsarbeit verlange einen Strategiewechsel, für den nach Detlef Gerst vom IG Metall-Vorstand eine solide Fachkenntnis im Innovationsmanagement erforderlich werde (2012, 167-182). Dies bedürfe einer weitergehenden Qualifizierung der Betriebsratsarbeit, um den Fallstricken der übermächtigen Wettbewerbslogik im Sinne „einer ökonomisch nützlichen Sozialpartnerschaft“ zu entgehen. Darüber hinaus speist sich die Erarbeitung konkreter Alternativen nicht nur aus inner-, sondern auch aus zwischen- und außerbetrieblichen Kommunikationskanälen bis zu stabilen wissenschaftlichen Kontakten in privaten und öffentlichen Einrichtungen. Für eine entsprechend demokratische und schöpferische Arbeits- und Produktionsgestaltung liegen unter verwissenschaftlichten Produktivkräften die gewerkschaftspolitischen Implikationen nach Lehndorff auf der Hand: die Erhöhung des gewerkschaftlichen Organisationsgrades bei den „strategisch besonders wichtigen Ingenieuren“ und die überbetriebliche Organisation von Fachwissen in gestaltungsfähigen Netzwerken als aktuelle Zukunftsaufgaben sowie eine hierfür stärkere Verzahnung von Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit mit einer demokratischen Beteiligungskultur und wachsenden Bündnisbereitschaft.

Gesellschaftliche Mobilisierungserfordernisse über den Betrieb hinaus

Über den Betrieb hinausweisende Bewegungen als unabdingbare Voraussetzung gesellschaftlicher Demokratisierung klingen in einzelnen Beiträgen zwar an, bedürfen aber noch einer stärkeren Beachtung. So ist die nach wie vor strategisch entscheidende Frage einer Arbeitszeitverkürzung nicht nur unter arbeits-, sozial- und beschäftigungspolitischen Gesichtspunkten, sondern auch unter bildungs- und innovationspolitischen zu diskutieren. Wenn Detlef Gerst die wegweisenden Aktivitäten des Combine Shop Stewards Committee im Rüstungskonzern Lucas Aerospace, das im Jahr 1976 zahlreiche Projektideen für zivil nützliche Produkte ausgearbeitet hatte, in Erinnerung ruft, dann gewinnt der überbetriebliche Kontakt mit potenziellen Nutzern und die Bildung unterstützender Netzwerke eine zentrale Bedeutung. Hierbei erweitert sich der demokratische Dialog, den Werner Fricke und Tatjana Fuchs beispielhaft für die arbeitsplatzspezifische Ebene darstellen, über innerbetriebliche und unternehmensbezogene Mitbestimmungsformen hinaus auf kommunale und regionale Ebenen. Hierfür spricht sich auch Helmut Martens unter Bezug auf Beerhorsts Vorstellung von der „Kommune als assoziativer Demokratie“ und auf Dahrendorfs erweiterten Stakeholder-Begriff aus (2010, 15, 99).

Erweiterte soziale und ökologische Zielsetzungen sich assoziierender Produzenten und Konsumenten spannen einen Bogen zur Verortung einer erneuerten Gewerkschaftspolitik in einem sozial und kulturell erweiterten Arbeitsbegriff, in den Gerd Peter von der Sozialforschungsstelle Dortmund reproduktive Tätigkeiten einbezieht (2012, 111-128). Die von ihm propagierte primäre Arbeitspolitik umgreift auch zivilgesellschaftliche Lebenszusammenhänge. Sie gewinnen in ihrer subjektiven Vielfalt bei den von Helmut Martens empirisch untersuchten Standortkonflikten mit untergehenden „mitbestimmten Unternehmenskulturen“ eine zentrale Rolle, die zugleich in „karawanenkapitalistischen“ Restrukturierungen eine sich verstärkende europäische und internationale Dimension enthalten (2012, 45-73). Insofern schließen die Ansätze der Demokratisierung von unten erweiterte inner- und zwischenbetriebliche, kommunale und regionale Mobilisierungserfordernisse ein, die in der Vermittlung von primären und institutionalisierten Politikformen einen wirtschaftsdemokratischen Zugriff in einer gesellschaftlich erweiterten Dimension nahe legen.

Exkurs zum wirtschaftsdemokratisch institutionalisierten Modell „HdA“

Gerd Peter und Uwe Dechmann, beide Sozialforschungsstelle Dortmund, plädieren dafür, das sich seit den 1990er Jahren verflüchtigende humanisierungs- und gestaltungspolitische Wirkungsspektrum in die aktuelle wirtschaftsdemokratische Debatte zu integrieren. So heben sie gegenüber den Low-Cost-Strategien der Metall-Arbeitgeber mit dem Abbau von Beteiligungsrechten in neo-tayloristischen Formen standardisierter Gruppenarbeit die „High-Road“-Konzepte teilautonomer Arbeitsgruppen nach skandinavischem Vorbild aus den früheren Arbeitsstrukturierungsprojekten ins Bewusstsein, die wirtschaftsdemokratische Impulse auslösen können (2012, 183-201). In diesem Zusammenhang geht Werner Fricke, Herausgeber des Journal of Action Research, von dem existenziellen Wunsch der Arbeitenden nach demokratischer Beteiligung aus, die in der skandinavischen Aktionsforschung von Dialogkonferenzen über betriebliche Entwicklungsorganisationen bis zu lernenden Netzwerken eine tragende Bedeutung gewonnen hat (2012, 129-150).

Hierfür sind staatliche Förderprogramme verantwortlich, die im Rahmen gesellschaftlicher Reformkonstellationen auf einer quasi wirtschaftsdemokratischen Beteiligungsstruktur beruhen. Deren Grundelemente legt Gerd Peter für das deutsche Humanisierungsprogramm überzeugend dar: die schriftliche Zustimmung des Betriebsrates bei betrieblichen Gestaltungsprojekten und die Einrichtung von Verfahren der Belegschaftsbeteiligung; eine paritätische Beteiligung von Arbeitgebern und Gewerkschaften in allen Beratungsgremien sowie autonome Umsetzungsprojekte der Tarifparteien zur Qualifizierung betrieblicher und gewerkschaftlicher Funktionsträger. Im Zuge der verstärkten neoliberalen Transformation seit den 1990er Jahren sind die experimentellen Ansätze einer vergesellschafteten Arbeitsforschung jedoch in der Zange zwischen betrieblichen Kostenminimierungsprogrammen einerseits und arbeitsmarktpolitischen Deregulierungsstrategien andererseits kassiert worden.

Leider haben sich auch die strategischen Wissensallianzen zwischen Arbeitsforschern und Praktikern weitgehend verflüchtigt. Hier deuten sich heute erfreulicherweise, wenn auch auf anderer Ebene, neue Ansätze „von unten“ an, wenn man z.B. an die um das gewerkschaftliche Konzept „Gute Arbeit“ gruppierten Diskussionsforen und Initiativen von Arbeitswissenschaftlern und Gewerkschaftern denkt. Hier sind neue Kooperationen zwischen Wissenschaft und Gewerkschaft entstanden und weiter im Entstehen, die sich jetzt schon erkennbar als ein widerständiges und gegentendenzielles Projekt etabliert haben. Dies belegen nicht zuletzt das von Scholz und Martens erwähnte Forum Neue Politik der Arbeit und der von der IG Metall initiierte Arbeitskreis Arbeitspolitik und Arbeitsforschung.

Wirtschaftsdemokratische Zielsetzungen in regionalen,
ökologischen und politischen Dimensionen

Erweiterte gesellschaftspolitische Aktivierungen können den Boden für die Durchsetzung alternativer ökonomischer Entwicklungsformen bereiten, ob es sich um Ansätze nachhaltiger Unternehmenspolitik oder regionaler Strukturpolitik handelt. In dieser Richtung erweiterte wirtschaftsdemokratische Umsteuerungen mit einer öko-sozialen Stoßrichtung müssen als eine gesellschaftliche Existenzfrage bewusst gemacht werden. Diese begründet entsprechende Eingriffe des demokratischen Souveräns in die finanzmarktbestimmten Akkumulationsprozesse. Hierbei kommt es darauf an, die repräsentative parlamentarische Demokratie als ein System politischer Spielregeln, wie Oskar Negt in seinem einführenden Beitrag, Wolfgang Abendroth zitierend, deutlich macht, zum inhaltlichen Prinzip der gesamten Gesellschaft, zur sozialen Demokratie zu erweitern (2011, 7-13).

Von nachhaltiger Unternehmenspolitik zu regionaler Strukturpolitik

Die genannten gewerkschaftlichen Strategieansätze stehen allerdings vor dem Problem, die um sich greifenden Shareholder Value-Steigerungen im Interesse einer nachhaltigen und sozial verantwortlichen Unternehmenspolitik zurückzudrängen. Hierbei können öffentliche und genossenschaftliche Eigentumsformen sowie kollektive Beteiligungsformen und Stiftungsbeteiligungen eine förderliche Rolle spielen. Nach Heinz Bierbaum, Geschäftsführer des INFO-Instituts Saarbrücken, stehen Wertschöpfungsprozesse mit der Entwicklung arbeitspolitischer Potenziale für erforderliche Prozess- und Produktinnovationen im Mittelpunkt einer nachhaltigen Unternehmenspolitik. Sie schließt Leitgedanken sozialer, regionaler und ökologischer Verantwortlichkeit, einer Corporate Social Responsibility, und Kernnormen der International Labour Organisation ein (2011, 112-122). Sie gelten auch für das VW-Gesetz, wie Alexandra-Baum-Ceisig und Bernd Osterloh, Referentin und Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der VW AG, zur erweiterten Mitbestimmung und transnationalen Charta der Arbeitsbeziehungen bei VW darlegen (2011, 123-137). In abgeschwächter Form kommen diese in den Informations- und Konsultationsrechten der Europäischen Betriebsräte zum Tragen, die im konzernweiten Vergleich von internen Standards erweiterte Handlungsfelder erschlossen haben – so Wolfhard Kohte von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (2012, 225-238).

In der Automobilindustrie gewinnt die gewerkschaftliche Einflussnahme auf anstehende Restrukturierungsprozesse eine exemplarische Bedeutung für die regionale Wirtschafts- und Strukturpolitik. So macht Dieter Knauß, Bevollmächtigter der IG Metall Verwaltungsstelle Waiblingen, für das Automotive Cluster der Region Stuttgart auf Gefahren aufmerksam, die aus der Exportabhängigkeit sowie technologischen und ökologischen Herausforderungen erwachsen (2011, 170-183). Im Unterschied zu präventiven Stabilisierungsansätzen zur Sicherung von Produktionsstandorten stehen in der maritimen Wirtschaft angesichts ruinöser Verdrängungswettbewerbe industriepolitische Weichenstellungen zur Entwicklung einer überregionalen Verbundwirtschaft aus Hafenwirtschaft, Schiffbau, Zulieferstrukturen, Dienstleistungsangeboten und Hochschuleinrichtungen zur Diskussion. Dafür hat die IG Metall Küste seit den 1980er Jahren immer wieder Konzepte entwickelt, Initiativen ergriffen und Aktionstage durchgeführt. Es wurde darauf geachtet, so Jutta Blankau, ehemalige Bezirksleiterin, und Heino Bade, Gewerkschaftssekretär, die betriebspolitische Handlungsfähigkeit mit tarifvertraglichen Regelungen und dabei die branchenpolitischen Aktivitäten mit umweltpolitischen Bündnispartnern in einer wirtschaftsdemokratischen Perspektive zu verknüpfen (2012, 184-193).

Öko-soziale Fragestellungen mit erweiterten
Bündniskonstellationen

In wirtschaftsdemokratischen Konzepten kommen öko-soziale Umbauaspekte bereits in den regional- und strukturpolitischen Initiativen der Gewerkschaften zum Ausdruck, die in ihren wirtschaftsdemokratischen Elementen über wettbewerbspolitische Zielsetzungen hinaus auf nachhaltige Wirkungen zielen. So wurden in Konversionsdebatten der 1980er Jahre gesellschaftlich nützliche Produkte thematisiert – Diskussions- und Handlungsstränge, die in den vergangenen Jahrzehnten zurückgedrängt worden sind. Sie erfahren in neueren Fragestellungen etwa zur Elektromobilität eine Revitalisierung ebenso wie in der ökologischen Ausrichtung des Energieanlagenbaus. Bei der Unterstützung des Ausbaus regenerativer Energien müssen die Gewerkschaften zugleich darauf achten, worauf Thomas Müller von der Bezirksleitung der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt (2011, 155-168) Wert legt, dass Firmen nicht betriebsverfassungsrechtliche Standards unterlaufen oder Entgelte drücken. Gute Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, eine verstärkte Mitwirkung und Mitbestimmung der betrieblichen und überbetrieblichen Interessenvertretungen sowie eine ökologische Struktur- und Industriepolitik stellen eine wirtschaftsdemokratische, wenn auch nicht widerspruchslose Einheit dar.

Der arbeitspolitisch unterfütterte Umbau zu einer ressourcensparenden Produktionsweise stellt die kapitalistische Akkumulationsdynamik und die von ihr bestimmten Lebensstile, aktuell etwa in dem kontrovers diskutierten Spannungsfeld von „Wachstumsperspektiven und ökologischer Endlichkeit“, auf den Prüfstand. Den Fallstricken dieser Debatte stellt sich Kai Burmeister von der IG Metall Verwaltungsstelle Stuttgart (2011, 140-154). Dabei erkennt er in der Auseinandersetzung um einen fossil-atomaren oder einen regenerativen Energiemix eine Schlüsselentscheidung. Eine zentrale Aufgabe besteht darin, nicht nur wirtschaftsdemokratische Steuerungsformen auf betrieblichen, kommunalen und regionalen Ebenen durchzusetzen, sondern diese mit umweltbewahrenden Finanz-, Wirtschafts- und Technologiepolitiken in einem sozial-ökologischen Reformprojekt zu kombinieren. Hierfür sieht Burmeister Anknüpfungspunkte im Beschluss des DGB-Bundeskongresses vom Mai 2010 Bündnis für Klima, Umwelt und Arbeit: Wir brauchen einen Green New Deal und in dem vom UN-Umweltprogramm (UNEP 2009) vorgelegten Global Green New Deal in seiner wechselseitigen Durchdringung sozialer, ökonomischer und ökologischer Erfordernisse.

Wirtschaftsdemokratische Eingriffe als politischer
Gestaltungsprozess

Jede auf Demokratisierung der Wirtschaft setzende politische Option steht vor der langfristigen Aufgabe, die gesellschaftlichen Kräfte- und Machtverhältnisse grundlegend zu verändern. In diesem Sinne muss nach Hartmut Meine und Uwe Stoffregen von der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt der demokratisch legitimierte Staat den privaten Akteuren Grenzen setzen – insbesondere auf den Finanzmärkten als „undemokratischen Räumen der Vermögenden und Mächtigen!“ (2011, 16-39, hier 23) Neben der Rückführung des Finanzsektors auf seine Kernfunktionen komme es darauf an, die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu erhalten und Privatisierungen im Öffentlichen Dienst und sonstigen Bereichen abzuwehren. Aktuelle Maßnahmen zur Kontrolle der Finanzmarktkrise sollen durch wirtschaftsdemokratische Aktivitäten auf mehreren Ebenen von Betrieb und Unternehmen, Branche und Region, Staat und EU fundiert werden - hierbei unterstützt durch die gewerkschaftliche Bildungsarbeit (siehe Carsten Maaß von der IG Metall Bezirksleitung in Hannover und Petra Wolfram vom IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel – 2011, 196-213).

Der Dreischritt von mehr Mitbestimmung, pluralen Eigentumsformen und besserer makroökonomischer Steuerung bedarf aber einer institutionalisierten Beteiligung der Gewerkschaften und anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen, z.B. in der Form von Wirtschafts- und Sozialräten, worauf Dierk Hirschel von ver.di und Thorsten Schulten vom WSI in der HBS (2011; 86-97) verweisen. Hiermit gehen erweiterte arbeits- und sozial-, wirtschafts- und finanzpolitische Eingriffe des demokratischen Souveräns einher, der für die Versorgung des Gemeinwesens in einer mixed economy aus öffentlichen, genossenschaftlichen und privaten Akteuren verantwortlich zeichnet. Die Größe der Herausforderung wird freilich deutlich, wenn der Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel von der Universität Bremen (2011, 98-110) bei den Kontroversen um Verstaatlichung oder Vergesellschaftung an eine zurückliegende Definition erinnert, in der es über die „neue Gesellschaftsordnung“ heißt: „Sie wird vor allen Dingen den Betrieb der Industrie und aller Produktionszweige überhaupt aus den Händen der einzelnen, einander Konkurrenz machenden Individuen nehmen und … für gemeinschaftliche Rechnung, nach gemeinschaftlichem Plan und unter Beteiligung aller Mitglieder der Gesellschaft, betreiben lassen müssen.“[1]

Fazit – in der Perspektive von gewerkschaftlichen
Handlungserfordernissen

Für die anstehende Schritte einer wirtschaftsdemokratischen Transformation unter den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen gibt es keinen Masterplan, auch wenn hierfür einzelne Bausteine von der betrieblichen und regionalen bis zur nationalstaatlichen und internationalen Ebene skizziert worden sind. Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, macht auf die Komplexität dieses vielschichtigen Prozesses aufmerksam, in dem die Gewerkschaften mit zahlreichen Akteuren einer Mosaik-Linken zusammenwirken müssen (2011, 42-67). Die hierfür erforderliche Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse verlangt zweierlei: eigenständige politische Positionierungen und eine wachsende Kooperationsbereitschaft aller Partner – eine sich ansatzweise herstellende, wenn auch noch fragmentierte Konstellation. Es gilt jenseits dogmatisch gesetzter Begrifflichkeiten einer festgeschriebenen Weg-Ziel-Dialektik die in Grundelementen beschriebene politische Ökonomie des gesellschaftlichen und ökologischen Überlebens wie auch der sozialen Solidarität und individuellen Entfaltung in einer zukunftsöffnenden sozial-ökologischen Entwicklungsstrategie durchzusetzen. Dies bedarf einer strategisch orientierten Konfliktfähigkeit im Zuge eines wieder zu erlangenden Primats demokratischer Politik, die einen wirtschaftsdemokratischen Alternativentwurf zur finanzmarktorientierten Ökonomie auf die Tagesordnung setzt (Helga Schwitzer und Hans-Jürgen Urban, 2011, 7f.). Hierauf geht Oskar Negt mit einer sozial-ökologischen Stoßrichtung grundsätzlich ein, den ehemaligen Verfassungsrichter Ernst Wolfgang Böckenförde zunächst zitierend, der gegenüber dem ausgreifenden Besitzindividualismus und unbegrenzten Erwerbsinteresse einen gesellschaftlichen Ordnungs- und Handlungsrahmen für die Nutzung der Güter dieser Erde im Interesse aller setzt, dann aber Marx selbst visionär zu Wort kommen lässt: „Vom Standpunkt einer höhern ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen, wie das Privateigentum eines Menschen am andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias (Gute Familienväter) den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“[2]

Das Aufwerfen der Frage nach wirtschaftsdemokratischen Alternativen unter den gegenwärtig sich zuspitzenden sozialen, ökonomischen und ökologischen Krisenbedingungen eröffnet weiter reichende Perspektiven gesellschaftlicher Transformation. Auch das ist, neben den vielen konkreten Anregungen, eine Lehre der vorliegenden Bände.

[1] Friedrich Engels, Grundsätze des Kommunismus. In: MEW 4, Berlin 1974, S. 370.

[2] Karl Marx, Das Kapital. Dritter Band. In: MEW 25, Berlin 1964, S. 784.