Jakob Moneta zum Gedenken. Tagung von Friedens- und Zukunftswerkstatt, Rosa-Luxemburg-Stiftung und WISSENTransfer, Frankfurt/M., 27. Oktober 2012
Die von Horst Schmitthenner eröffnete Konferenz „Wirtschaftsdemokratie international“ im Frankfurter Gewerkschaftshaus war der Erinnerung an Jakob Moneta gewidmet, den Gewerkschafter und ehemaligen Chefredakteur der IG Metall-Zeitung „metall“, den Sozialisten und Internationalisten. Moneta war am 3. März 2012 verstorben.
Angela Klein (SOZ)schilderte zu Beginn vor etwa 150 Teilnehmern Jakob Monetas Lebensweg, seine politischen Anliegen und deren Bezüge zur heutigen Situation: „Jakob ging es um die Selbstermächtigung, die Selbstbestimmung der Produzenten des gesellschaftlichen Reichtums. ... Er hat ihren Kampf immer in den Kontext der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung gestellt, auf diese Weise konnte er immer den Bogen zur Vision einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Profit schlagen. Was Linken so schwer fällt, die Vermittlung von Tageskampf und der sozialistischen Perspektive, das gelang ihm mit großer Leichtigkeit. ... Er hat nie agitiert, hat lieber erklärt. Er hat dabei nie belehrt, hat nie akademisch gesprochen, und auch nie den hölzernen ‚Gewerkschaftssprech’ gepflegt. Was hat er getan? Er hat Fragen gestellt. Und sie mit Beispielen aus der Geschichte beantwortet. Er war ein Glücksfall für die deutsche Arbeiterbewegung. Einer von den Seltenen.“
Hans Jürgen Urban von der IGM spannte in seinem Referat einen großen Bogen zum Hauptthema der Beratung: „Wirtschaftsdemokratie im 21. Jahrhundert – Konturen eines Transformationsprojektes“. Er begann mit der Frage: Scheitert der Kapitalismus an der Demokratiefrage, die er mit einem erklärtermaßen konsequenten „Jein“ beantwortete. Seine weiteren Ausführungen waren aber dann alles andere als ungefähr, seine Thesen prägnant und eindeutig:
- Finanzmarktgetriebener Kapitalismus und Demokratie sind antagonistische Gegensätze; die Krise begann nicht mit einer Bakenpleite, sondern mit der Hegemonie des Finanzkapitalismus.
- Die Krisenpolitik der herrschenden Eliten beschleunigt den Demokratieabbau. die europäischen Eliten misstrauen öffentlich beeinflussbaren politischen Prozessen. Ihr politisches Projekt ist ein „störungsfreies“ autoritäres Europaregime.
- Daher ist die Demokratisierung der Wirtschaft das Notwehrprojekt zur Erhaltung auch der politischen Demokratie.
- Dabei geht es nicht um eine einfache Re-Regulierung der Finanzmärkte, sondern um die „Entmachtung ihrer Akteure“. „Es geht um die Entmachtung der Eliten“.
- Wirtschaftsdemokratie ist eine Macht- und Klassenfrage. Ausgangspunkt muss die breite Interessensdifferenziertheit der sozialen Akteure sein, kein imaginiertes „sozialistisches Projekt“..
Zunächst geht es darum, den finanzmarktdominierten Kapitalismus zugunsten „pluraler Eigentumsverhältnisse“ zurückzudrängen. Und es geht um eine sozialökologische Transformation angesichts der sich abzeichnenden ökologischen Krise. Wirtschaftsdemokratie ist, so Urban, heute nicht mehr national denkbar, sondern nur als transnationaler Prozess.
„Soll man Banken pleite gehen lassen“ fragt Urban und bleibt in seiner Antwort vorsichtig. Niemand könne heute die Konsequenzen der Pleite von großen Banken einschätzen, aber eines stünde fest: Wo öffentliche Gelder fließen, muss öffentliches und demokratisch kontrolliertes Eigentum entstehen.
Um diesen Anliegen näher zu kommen, müssten die Gewerkschaften „re-politisiert“, ihr politisches Mandat ausgeweitet werden. Der Gedanke der Wirtschaftsdemokratie müsse in den Betrieben zur Diskussion stehen und die Gewerkschaften müssten zu Bewegungen kommen, die auch außerhalb ihrer bisherigen Handlungsarenen liegen.
Nach einem von Michael Erhardt (IG Metall Frankfurt/M.) moderierten Exkurs zur Praxis bisheriger Formen der Wirtschaftsdemokratie und differenter Eigentumsformen mit ExpertInnen zu Arbeitnehmerfonds in Schweden (Klaus Willkomm-Wiener, IG Metall), der Arbeiterkammer Wien (Klaus-Dieter Mullay), zum Genossenschaftswesen in Italien (Heinz Bierbaum, LINKE) und zu „Betrieben in Belegschaftshand“ in Deutschland (Andrea Rothkegel, Hans Gerd Nottenbohm) befasste sich der dritte Teil der Konferenz (Moderation Ursula Schumm-Garling) mit der Frage: Was kann die Politik leisten um Tansformationsperspektiven zu entwickeln?. Drüber diskutierten Andrea Ypsilanti (SPD und Institut für solidarische Moderne), Dierk Hirschel (Ver.di, „Europa neu begründen“) und Tina Steininger (attac-Co-Kreis).
Andrea Ypsilanti widmete sich aus nachvollziehbaren Gründen der Frage, warum sich nicht mehr bewegt, was Menschen abhält sich zu wehren. Ihre Argumente: Es handelt sich nicht um eine eindimensionale, sondern um ein multiple Krise, die auch eine Krise der Demokratie und damit eine Systemkrise ist; es geht daher nicht um das Drehen an Stellschrauben in diesem System, sondern um den Prozess einer sozialökologischen Transformation. Viele Menschen spürten zwar: So geht es nicht weiter. Aber Ohnmachtsgefühl und Antwortlosigkeit machen sich breit, weil keine Idee eines alternativen gesellschaftlichen Projektes entsteht. Das führe zu einer apolitischen Haltung großer Teile der Menschen – ein wesentlicher Aspekt der Krise der Demokratie. Notwendig ist, so Ypsilanti, das Zusammenfinden der Mosaiklinken über die Einzellogiken hinaus. Widerstand formiere sich heute oft außerhalb tradierter politischer Strukturen. Wer sich aber auf Alleinstellungsmerkmale fokussiere, der stehe dann schnell auch allein da.
Etwas andere Akzente setzte Tine Steininger von attac. Der Aufruf „Europa neu begründen“ greife zu kurz, weil mehr Europa weniger Demokratie bedeute. Daher gehe es jetzt um einen Stopp des Europäischen Integrationsprozesses.
Dem widersprach Dierk Hirschel. Jedes zurück zu nationalstaatlichen Konzepten führe in eine Sackgasse. „Wir brauchen mehr, aber ein anderes Europa.“ Derzeit werde in Europa gegen drei Viertel der Bevölkerung regiert. Der Unmut und die Zustimmung zu zentralen Forderungen nach Einschränkung der Macht der Finanzmärkte wachse. Aber auch die Gewerkschaften könnten dies nicht in politisch relevante Mehrheiten umsetzen. Ursache dieser Hauptschwäche: Bei den Gewerkschaften, so Hirschel, kommt die Gesamtpolitik unter die Räder, also Fragen wie: Woher kommen die Schulden? Welche Berge von Privatvermögen stehen den Schuldenbergen gegenüber? Muss nicht zunächst die systemische Relevanz der Banken gebrochen werden, damit Staaten nicht länger in Geiselhaft der Kapitalmärkte verbleiben?
Prof. Franz Segbers von der Uni Marburg betonte in seinem Schlusswort unter der Überschrift „Wirtschaftsdemokratie neu starten – ein Ausblick“: Wirtschaftsdemokratiekonzepte müssen mehr als bisher beachten, wie der ökonomische Druck nicht nur auf die Beschäftigten, sondern auch auf die Natur, auf die ökologischen Gemeingüter abgewälzt wird und dies zu einer „Übernutzung“ nicht nur der Menschen, sondern auch der Natur führt. Kapitalistisches Wirtschaften sei ein „Griff in die ökologische Sparbüchse der Erde“ und ruiniere, wie von Karl Marx beschrieben, die Springquellen des Reichtums, den Menschen und die Natur.