Zum "Klimaschutzgesetz"

02.01.2020

Im Rahmen der EU unterliegt Klimaschutz teils dem auf EU-Ebene regulierten Emissionshandelssystem (Energiesektor, Industrie), teils der EU-Klimaschutzverordnung, für deren Umsetzung die Mitgliedsländer verantwortlich sind (Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft u.a.m.). Der am 25. Oktober d.J. erstmals im Bundestag verhandelte Gesetzentwurf der GroKo zur Einführung eines Bundes-„Klimaschutzgesetzes“ betrifft diesen zweiten Sektor.

Die bisherigen „Klimaschutzziele“ der Bundesregierungen hatten als reine Kabinettsbeschlüsse keinerlei bindende Kraft. Die in ihnen verkündeten Ziele werden nicht erreicht. Das soll nun mit dem „Klimaschutzgesetz“ gewährleistet werden. Weit gefehlt. Von welcher Seite auch immer betrachtet – unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen oder dem Gesichtspunkt der weitgehenden Kostenabwälzung auf Steuerzahler und Verbraucher, also in erster Linie die Lohnabhängigen – ist der Gesetzentwurf in der öffentlichen und fachlichen Debatte bereits einer vernichtenden Kritik unterzogen worden.

Für Abfallentsorgung muss man normalerweise nach dem Verursacherprinzip bezahlen. Bei der Gewässerreinhaltung unterliegen Betriebe und Kommunen Kläranlagenanschlusszwang, Gebühren, Einleitungsgrenzwerten und -verboten, ggfs. bei Zuwiderhandlung Klagen und Strafbescheiden. Das hat insgesamt zur Verbesserung der Gewässergüte beigetragen. Auch die Atmosphäre wird als „Deponie“ für Rauch- und sonstige Abgase aus Gewerbe, Verkehr, Handel, Landwirtschaft etc. genutzt. Hier gibt es für einzelne Luftschadstoffe gleichfalls Grenzwerte und Emissions- bzw. Verwendungsverbote, deren Einhaltung – entsprechende Kontrollen vorausgesetzt – staatlicherseits erzwungen werden kann.

Aber überall gilt, wie im Kapitalismus nicht anders zu erwarten: Je mächtiger die Emittenten sind, desto umstrittener sind Grenzwerte, desto mehr Ausnahmegenehmigungen und Betrug gibt es (Dieselskandal), desto gefälliger sind Parlamente, Regierungen und Verwaltungen. Aber es gilt auch: Je stärker Protestbewegungen, je größer der öffentliche Druck, desto eher können Grenzwerte verschärft und Verbote durchgesetzt werden. Bei Grenzwerten und Stoffverboten handelt es sich im Übrigen um gesellschaftliche Eingriffe in die freie Verfügung über Privateigentum an Produktionsmitteln: gesetzliche Auflagen bestimmen, wie und was nicht produziert und in Verkehr gebracht werden darf.

Im Klimaschutz werden in bestimmten Bereichen Grenzwerte und Verbote erfolgreich eingesetzt (z. B. bei den fluorierten Treibhausgasen). Die EU-Grenzwerte für CO2-Emissionen von Kfz beziehen sich jedoch nur auf den Fahrbetrieb der einzelnen Kfz, nicht auf deren Herstellung und nicht auf die Gesamtflotte der Kfz. Relative Effizienzgewinne werden durch zunehmende Zulassungszahlen und wachsendes Gewicht der Kfz konterkariert. Z.B. soll bei VW bis 2025 jedes zweite ausgelieferte Fahrzeug ein tonnenschweres SUV sein. Hier müsste in erster Linie nicht am Antriebssystem, sondern am Gesamtbestand der Fahrzeuge (Reduzierung der Privatmotorisierung), ihrem Gewicht und ihren CO2-Emissi-onen im Lebenszyklus angesetzt werden. (Große E-Mobile haben gegenüber Verbrennern kaum CO2-Vorteile über den gesamten Lebenszyklus.)

Stattdessen setzt das Klimaschutz-Gesetz bei dem für die Klimakrise quantitativ entscheidenden Treibhausgas, energiebedingtem CO2, ganz auf „marktwirtschaftliche Anreize“ durch CO2-Bepreisung. Damit kann dieses Gesetz entgegen den vollmundigen Ankündigungen die Einhaltung der Klimaziele nicht garantieren oder erzwingen. Erstens geben selbst Regierung und Umweltministerium zu, dass es „große Unsicherheiten bei der Abschätzung der Wirkungen der geplanten Maßnahmen“ gibt. Zweitens enthält das Gesetz keinerlei Sanktionen, wenn die Ziele zur Reduktion von Treibhausgasemissionen verfehlt werden. Kein Automobilkonzern kann hier z.B. dingfest gemacht werden.

Drittens laufen das Gesetz und „Klimapaket“ auf ein gigantisches, aus Steuermitteln und von Verbrauchern zu bezahlendes Konzernförderungsprogramm zugunsten der Umstellung auf Elektromobilität hinaus, ohne auch nur im Ansatz die exorbitanten – gerade auch aus der Externalisierung der Klimakosten gespeisten – Nettoprofite der Konzerne (VW „strotzt vor Kraft“, so die FAZ am 31.11.19) anzutasten. Die nochmal aufgestockten und zeitlich verlängerten Absatzsubventionen belaufen sich auf bis zu 30 Prozent der Kaufsumme; dazu kommt die Absenkung des Steuersatzes. Hauptadressat dieser Vergünstigungen ist der Sektor der Dienstwagenflotten, der gegenwärtig gut ein Viertel aller Kfz-Käufe ausmacht. Stattdessen wäre ein großer öffentlicher, u.a. aus Besteuerung der Nettoprofite der großen Konzerne (nicht nur des Automobilsektors) zu speisender und unter Beteiligung der Gewerkschaften, Umweltschutzverbände etc. zu kontrollierender Fonds zu schaffen, über den Umbau und Dekarbonisierung des Verkehrsbereichs zu steuern wäre.

Viertens wird überhaupt nicht diskutiert, ob die Klimaziele selbst eigentlich adäquat sind. Sie sind es nicht. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hatte Mitte September darauf hingewiesen, dass die Klimaziele der Bundesregierung „keinen ausreichenden Beitrag … zur Einhaltung der Pariser Klimaziele liefern“, wenn das nach IPCC-Berechnungen noch verbleibenden Kohlenstoffbudget für die BRD zugrunde gelegt wird (sh. auch Z 119, September 2019, S. 46). Nicht auf Regierung und Parlament, auf die Klimabewegung kommt es jetzt an.

(Eingestellt 02.01.2020)