Das Bekenntnis der internationalen, voran der deutschen Sozialdemokratie zur Vaterlandsverteidigung bei Beginn des Ersten Weltkrieges im August 1914, insbesondere die Bewilligung der Kriegskredite durch die sozialdemokratische Reichstagsfraktion, widersprach allen vorherigen nationalen und internationalen Beschlüssen der Sozialdemokratie zur Kriegsfrage. Damit wurde eine zunächst allmähliche, schließlich aber irreversible Spaltung der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung eingeleitet, die bereits durch andere Auseinandersetzungen (Revisionismusstreit, Massenstreikdebatte) vorgezeichnet war. Die Kriegsgegner in der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion um Hugo Haase und Georg Ledebour gründeten 1916 zunächst die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft, im April 1917 schließlich die Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), womit sie auch organisatorisch den Bruch mit der SPD vollzogen. Bereits zuvor hatte sich auf Initiative von Rosa Luxemburg eine Gruppe der Konsequentesten unter den Kriegsgegnern in der SPD als Gruppe Internationale um die Zeitschrift Die Internationale versammelt.[1] Ernst Meyer und Wilhelm Pieck leisteten die organisatorische Hauptarbeit für den Aufbau dieser Gruppe, der unter anderem Heinrich Brandler, Käte und Hermann Duncker, Hugo Eberlein, Fritz Heckert, Leo Jogiches, Johann Knief, Paul Lange, Karl Liebknecht, Rudolf Lindau, Julian Marchlewski, Franz Mehring, Georg Schumann, August und Bertha Thalheimer sowie Clara Zetkin angehörten. Die Gruppe, die sich mit der Herausgabe der Spartakusbriefe ab 1916 Spartakusgruppe nannte, hatte bis dahin dem Drängen der von Lenin geführten russischen Bolschewiki auf Gründung einer eigenen Partei widerstanden, weil sie eine daraus folgende weitere Schwächung der Arbeiterbewegung befürchtete. Bei Gründung der USPD entschied sie sich jedoch, sich dieser anzuschließen. Die nicht nur bei Rosa Luxemburg vorhandenen Vorbehalte gegenüber einer Parteispaltung wurden später zu einem der Hauptthemen der Auseinandersetzungen innerhalb der KPD und führten unter Einflussnahme Stalins ab Mitte der 1920er Jahre schließlich zum „Luxemburgismus“-Verdikt in der Organisationsfrage.
Zur Gründung der KPD
Im Jahre 1917 leiteten die beiden russischen Revolutionen eine Serie von Revolutionsversuchen in ganz Europa ein, die den Ersten Weltkrieg beendeten und eine neue politische Karte Europas begründeten, indem sie die bestehenden Monarchien beseitigten und bürgerlich-demokratische Republiken schufen. Gerade letzteres jedoch entsprach nicht den Hoffnungen und Zielen der radikalsten Teile der internationalen Arbeiterbewegung, die die Fortführung und Vollendung der mit der russischen Oktoberrevolution begonnenen europaweiten proletarischen Revolution anstrebten. Die mit Kriegsbeginn offensichtlich gewordene Spaltung der internationalen Arbeiterbewegung wurde mit dem im Verlauf der Revolutionen entbrannten Streit darüber, wie der Transformationsprozess zu einer sozialistischen Gesellschaft zu gestalten sei, vertieft und mit der Gründung neuer, kommunistischer Parteien manifest.
Enttäuscht vom Handeln nicht nur der SPD- sondern auch der USPD-Führer im Verlauf der deutschen Novemberrevolution sahen sich auch die Mitglieder der sich nunmehr Spartakusbund nennenden Gruppe gezwungen, gemeinsam mit anderen radikalen Sozialisten zum Jahreswechsel 1918/19 in Berlin eine eigene Partei zu gründen, die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Alleiniges Ziel und Grundlage der Selbstlegitimation der Kommunisten war die nach ihrer Meinung auf der Tagesordnung stehende proletarische Revolution, sahen sie doch, dem Luxemburgschen Imperialismusverständnis folgend, den Kapitalismus in seine „Endkrise“ eingetreten, die nur durch den Untergang im Chaos oder durch den Sozialismus gelöst werden könne.[2]
Der Start der KPD erfolgte unter extrem schwierigen Bedingungen. Bereits auf dem Gründungsparteitag der KPD zeigte sich, dass die Differenzen über die dabei einzuschlagenden Wege unter den Parteigründern gravierend waren. Entgegen den Intentionen des Kerns des Spartakusbundes, insbesondere Luxemburgs, hielt die Parteitagsmehrheit parlamentarische Arbeit und Mitarbeit in den Gewerkschaften nicht mehr für zeitgemäß, da durch diese die bestehenden Verhältnisse nicht in Frage gestellt würden. In der Rätebewegung die einzige adäquate Form der politischen Neuordnung der Gesellschaft sehend, vermochten die meisten der Gründungsmitglieder im demokratischen Parlamentarismus, der immerhin ein allgemeines Wahlrecht – erstmals auch für Frauen – beinhaltete, keinen gesellschaftlichen Fortschritt zu erkennen. Damit erwiesen sie sich als erheblich linksradikaler und sektiererischer als die eigentlichen Initiatoren der Parteispaltung, was sich in der Folge fatal auf die Entwicklung der KPD auswirken sollte. Erste Konsequenz dieses Antiparlamentarismus war die Entscheidung, sich nicht an den für den 19. Januar 1919 avisierten Wahlen zur Nationalversammlung zu beteiligen.[3] Bereits unmittelbar nach ihrer Gründung musste die KPD zudem den Verlust ihrer wichtigsten Köpfe und Integrationsfiguren verkraften: Luxemburg und Liebknecht wurden während der Januarkämpfe – die als „Spartakusaufstand“ in die Geschichte eingingen, obwohl sie nicht von der KPD, sondern von den Revolutionären Obleuten Berlins initiiert worden waren[4] – ermordet; Mehring starb wenige Tage später und Jogiches wurde im März ermordet. Von April bis Dezember 1919 war ihr öffentliches Auftreten extrem eingeschränkt, weil sie wegen Verbots in die Illegalität gezwungen war. Die Parteiführung übernahm der langjährige Luxemburg-Vertraute Paul Levi. Weitere Mitglieder der ersten Zentrale der KPD waren Hermann und Käte Duncker, Hugo Eberlein, Paul Frölich, Paul Lange, Ernst Meyer, Wilhelm Pieck, August Thalheimer und Clara Zetkin.
Marxistische Massenpartei oder Sekte?
Unter Leitung Levis trennte sich die KPD im Herbst 1919 auf ihrem Heidelberger Parteitag von ihrem national- bzw. linkskommunistischen Flügel um Heinrich Laufenberg, Fritz Wolffheim und Otto Rühle. Die deutsche Arbeiterbewegung verfügte mit der von den Ausgeschlossenen gegründeten Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) nunmehr über vier politische Parteien. Die Folgen dieser Spaltung waren für die weitere Entwicklung der KPD gravierend: zunächst deshalb, weil sie mehr als die Hälfte ihrer bis dahin fast 107.000 Mitglieder verlor und zunächst nur noch ein Schattendasein innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung führte. Nachhaltiger wirkte sich jedoch der Zwang aus, sich von nun an im Wettstreit innerhalb der Arbeiterbewegung nicht nur gegen deren reformistischen, sondern auch gegen deren revolutionistischen Flügel abgrenzen und durchsetzen zu müssen. Dieser Zwang eröffnete den jeweiligen Kontrahenten in den internen Auseinandersetzungen um die Parteiführung und die einzuschlagende Taktik die Möglichkeit, neben dem Vorwurf sozialdemokratischer bzw. sozialreformistischer Tendenzen auch linksradikale bzw. „KAPistische“ Abweichungen zu unterstellen. Allerdings sollten „linke“ Abweichungen im Vergleich zu den „rechten“ immer eher ein „Kavaliersdelikt“ darstellen, waren diese doch lediglich etwas zu revolutionär, wo hingegen die „Rechten“ die Gefahr der „Sozialdemokratisierung“ in sich bargen. „Linksradikal“ zu sein war auch das Selbstverständnis Rosa Luxemburgs, und zwar im Sinne von revolutionär im Gegensatz zu sozialreformistisch. Letztlich war und blieb die kommunistische Bewegung die Abspaltung und organisatorische Konstituierung des linksradikalen Flügels der politischen Arbeiterbewegung.
Nach dem Ausschluss des radikalen Flügels um Wolffheim und Genossen nahm zunächst die Frage Massenpartei oder Sekte? breiten Raum in der innerparteilichen Diskussion zum Selbstverständnis ein, also die Frage, ob sich die Partei öffnen und damit auch ungeschulte, „nichtmarxistische“ Kräfte in den eigenen Reihen dulden sollte, oder ob sie als elitäre, d. h. kleine politische Organisation mit „unverfälschter“ Lehre versuchen sollte, die Mehrheit der Arbeiterschaft für die Revolution zu gewinnen. Unstrittig unter den deutschen Kommunisten war, dass die Revolution nur dann siegreich sein konnte, wenn die Arbeiterschaft mehrheitlich für sie gewonnen war und sich an ihr beteiligte – umstritten war aber, ob diese Mehrheit vor Beginn der revolutionären Kämpfe gewonnen werden musste, oder erst in deren Verlauf. Um sich zu konsolidieren und die proletarischen Massen zu erreichen, begann sich die KPD unter der Führung Levis, befreit von ihrem linkssektiererischen Flügel, neben ihrer allgemeinen Orientierung auf die proletarische Revolution auch innerhalb der Weimarer Republik einzurichten. Sie beteiligte sich nunmehr an den Wahlen, forcierte ihre Propagandaarbeit und suchte ihren Einfluss in den Gewerkschaften zu vergrößern.
Vor allem in Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie versuchte sich die KPD als konsequentester Interessenvertreter der arbeitenden Bevölkerung zu profilieren, trotz prinzipieller Gegnerschaft zuweilen durchaus auch in taktischer, zeitweiliger Partnerschaft mit ihr. Ihr eigentlicher politischer Vorteil war jedoch gleichzeitig auch ein Nachteil: Als einzige politische Partei der Weimarer Republik offerierte sie eine fundamentale sozioökonomische Alternative, die in Gestalt Sowjetrusslands bereits reale Gestalt anzunehmen begann. Die von ihr avisierte gesellschaftliche Alternative war eine radikale: die Kommunisten erstrebten keine sozialen Verbesserungen innerhalb des gegebenen Gesellschaftssystems; ein solches Bestreben hielten sie für eine politische Illusion, da sie das System ja in seiner Endphase wähnten. Ihr Ziel war eine umfassende gesellschaftliche Neuordnung der Gesellschaft zugunsten der Arbeiterklasse, eine neue, menschenwürdige Gesellschaft, in der „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“.[5] Diese Radikalität jedoch ängstigte nicht nur den kleinbürgerlichen Mittelstand, sondern auch Teile der Arbeiterschaft.
Die KPD war vom Zeitpunkt ihrer Gründung an nie ein einheitliches Gebilde. Sie konstituierte sich ursprünglich aus einer Reihe radikal linker Strömungen und Gruppierungen, deren Heterogenität und programmatische Widersprüchlichkeit den Zustand der Partei noch über mehrere Jahre maßgeblich beeinflussten. Berücksichtigt man nicht, dass es permanent Auseinandersetzungen über die einzuschlagende Taktik gab, sind die teils jähen Wendungen in der Politik und/oder Führungswechsel nicht zu verstehen. In kaum einer Zeit und in kaum einer entscheidenden Frage ihrer Taktik bezog die KPD im Laufe ihrer Geschichte einheitlich Stellung; politische Positionen der Partei lassen sich daher nur im Hinblick auf die konkreten Bedingungen und die jeweils agierenden Personen, also konkret-historisch, analysieren oder darstellen. So gab es in der KPD zu keiner Zeit einheitliche Positionen gegenüber der Sozialdemokratie. Auch zur Einheitsfront, zur Arbeiterregierung, zum Bürgerkrieg, zur nationalen Frage etc. gab es immer nur jeweilige Beschlusslagen, an die sich jedes Parteimitglied zu halten hatte, solange sie galten. Sie konnten aber auch jederzeit als Ergebnis von zum Teil heftigen Diskussionen per Mehrheitsbeschluss verändert werden und wurden es auch. Insoweit herrschte in der KPD, zumindest bis zu ihrer 1924/25 beginnenden umfassenden „Bolschewisierung“, durchaus innerparteiliche Demokratie. Doch gab es Differenzen nicht nur innerhalb der Parteiführung. Auch an der Basis, die eben keine bewusstlose, einfach zu dirigierende Masse war, gab es unterschiedliche Auffassungen zu den taktischen Fragen. Ob ein Kommunist beispielsweise die Einheitsfront befürwortete oder ablehnte, hing neben den „parteioffiziellen“ taktischen Richtlinien vor allem von den jeweiligen persönlichen Erfahrungen des Einzelnen oder der Parteigruppe mit den potenziellen Bündnispartnern „vor Ort“ ab. Somit lässt sich die Entwicklung der KPD – auch – als eine Geschichte interner Auseinandersetzungen, Strömungen und Abspaltungen darstellen, wobei die agierenden Gruppen und Personen wechselten oder einander ablösten.
Dass die KPD in der Weimarer Republik kein verteidigungswürdiges gesellschaftspolitisches System sah, belegt ihre zunächst geübte Zurückhaltung während des Kapp-Lüttwitz-Putsches im März 1920.[6] Der Generalstreik gegen diesen konterrevolutionären Putschversuch wurde von den Gewerkschaften organisiert, und erst unter dem Druck der widerstandswilligen Arbeitermassen sah sich auch die KPD genötigt, sich in die breite proletarische Abwehrfront einzureihen. Ausgerechnet im „erfolgreichsten Generalstreik in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung“[7] blieb die KPD zunächst abseits, weil sie in diesem Putsch lediglich einen die Arbeiterklasse eigentlich nichts angehenden Machtkampf innerhalb der bürgerlichen Klassen sah. Diese Haltung gegenüber der parlamentarisch-demokratischen Ordnung sollte die KPD bis zum Ende der Weimarer Republik nie ablegen. Sie sah in der Weimarer Republik mit ihren bürgerlich-demokratischen Freiheiten eine Form der bürgerlichen Diktatur, die allerdings dem proletarischen Kampf zeitweilig günstigere Kampfbedingungen bot als eine offene Diktatur, zu der die Kapitalistenklasse jedoch jederzeit – wenn ihr kein Widerstand entgegengestellt wurde – würde übergehen können. Unter dem Paradigma einer permanent gegebenen revolutionären Situation entwickelte die KPD als grundlegende taktische Ausrichtung eine „Offensivtheorie“, der zufolge versucht werden sollte, jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um Erfahrungen im Kampf zu sammeln und auch die geringste politische Aktivität möglichst bis zum Entscheidungskampf zu forcieren.
Ende 1920 änderte sich die Position der KPD mit ihren zwischenzeitlich etwa 70.000 Mitgliedern innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung maßgeblich. Im Verlaufe der Debatte um den Eintritt in die im März 1919 gegründete Kommunistische Internationale (KI) spaltete sich die USPD im Oktober 1920 auf ihrem außerordentlichen Parteitag in Halle. Ihre den Eintritt in die KI befürwortende Linke führte etwa ein Drittel der USPD-Mitglieder in die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD), die damit zu einer Massenpartei von etwa 350.000 Mitgliedern wurde. Der Vereinigungsparteitag vom 4. bis 7. Dezember 1920 in Berlin wählte einen paritätisch zusammengesetzten Vorstand mit den Vorsitzenden Paul Levi und Ernst Däumig. Taktische Grundlage der VKPD blieb die Offensivtheorie, nun aber durch ihre erhebliche zahlenmäßige Verstärkung in einer durchaus anderen Ausgangslage. Viele der aus der USPD gekommenen neuen KPD-Mitglieder agierten nun, befreit von den zuvor bestehenden innerorganisatorischen Zwängen, erheblich radikaler als manche der „alten“ Kommunisten. War die Offensivtheorie zuvor eher eine Wunschvorstellung, so fühlten sich viele der deutschen Kommunisten nunmehr tatsächlich in der Lage, sie auch zu realisieren. Demzufolge stürzten sie sich, unterstützt von Emissären des EKKI, enthusiastisch in das Abenteuer der mitteldeutschen „Märzaktion“.[8]
Dabei ist wichtig zu bedenken: Den russischen Bolschewiki um Lenin war klar, dass sich die russische Revolution nur dann erfolgreich entwickeln und halten konnte, wenn sie nicht isoliert blieb. Eine Beschränkung der proletarischen Revolution auf ein Land, zumal auf das in seiner kapitalistischen Entwicklung zurückgebliebene Russland, erschien ihnen unvorstellbar. Zwar konnte in Russland, dem „schwächsten Kettenglied“ der kapitalistischen Welt, wo die Machtergreifung relativ leicht, die Weiterführung der proletarischen Revolution aber umso schwieriger war, die Weltrevolution begonnen werden. Diese jedoch konnte nur Bestand haben, wenn ihr Westeuropa folgte. Westeuropa aber hieß für die russischen Bolschewiki zunächst und in erster Linie Deutschland.[9] Das verpflichtete die deutschen Kommunisten dazu, alles zu tun, um Sowjetrussland aus der weltpolitischen Isolierung zu befreien. Entsprechend suchten nicht nur die deutschen, sondern auch die russischen Kommunisten nach Wegen, die deutsche Revolution zu forcieren, und die „Märzaktion“ in der preußischen Provinz Sachsen und Teilen des Landes Sachsen erschien ihnen ein probates Mittel, wenn schon nicht zur direkten Initiierung einer deutschen Revolution, so doch zur Sammlung praktischer Erfahrungen. Provoziert vom preußischen Innenministerium, von der sächsischen Provinzialverwaltung und von der Polizei, ergriffen die schon seit langem auf eine aktive Krisenverschärfung eingestellten, aber über keinen eigentlichen Aufstandsplan verfügenden Kommunisten bereitwillig die Gelegenheit zum Losschlagen und wurden selbst blutig niedergeworfen.
Die Folgen des eingeschlagenen Kurses allgemein und dieser Aktion waren gravierend. Bereits vor der Märzaktion waren Levi, Däumig, Otto Brass, Adolph Hoffmann und Zetkin, die sowohl die Offensivausrichtung als auch die ausschließlich an den russischen Erfahrungen orientierten 21 Aufnahmebedingungen des II. Kongresses der KI und der zunehmenden organisatorischen und finanziellen Abhängigkeit der kommunistischen Parteien von der KI (und damit von Sowjetrussland) kritisiert hatten, nach ihrer mit 28 gegen 23 Stimmen äußerst knappen Abstimmungsniederlage auf der Zentralausschusssitzung Ende Februar 1921 von ihren Funktionen zurückgetreten. Den Parteivorsitz hatten daraufhin der aus Chemnitz nach Berlin geholte Heinrich Brandler und Walter Stoecker übernommen. Levi, der die Märzaktion in seiner Broschüre Unser Weg. Wider den Putschismus als den „größten Bakunistenputsch der bisherigen Geschichte“ bezeichnete, wurde im April 1921 aus der Partei ausgeschlossen – offiziell nicht wegen seiner Kritik an der „Märzaktion“ als solcher, sondern wegen „parteischädigenden Verhaltens“. Dass er die Broschüre ohne Genehmigung des Parteivorstandes herausgegeben und damit die interne Auseinandersetzung nach außen getragen hatte, wurde ihm als Verstoß gegen ein fundamentales Prinzip der kommunistischen Parteien ausgelegt.[10] Der Ausschluss Levis und seiner Mitstreiter war nach dem Ausschluss der sich in der KAPD organisierenden Parteilinken „der zweite empfindliche Exodus aus den Reihen der KPD“, mit dem „ein Prozess der ‚bolschewistischen Reinigung‘ im Sinne einer zentralistischen Disziplin [begann], die ihren Avantgarde-Anspruch um den Preis des Opfers kreativsten Potentials durchsetzte“.[11] Die aus „Ungeduld resultierende Politik der Offensive hatte in eine Niederlage geführt, die viele aktionistisch eingestellte Kommunisten schwer frustrierte und viele pragmatischer eingestellte Mitglieder von der Partei abstieß.“[12] Die KPD verlor mit 200.000 Mitgliedern fast die Hälfte ihrer Mitgliedschaft. Die Herausforderung für die KPD bestand nun darin, ihre Aufgaben in einem zusehends nichtrevolutionären Umfeld zu definieren.
Wie eng jedoch das revolutionäre Selbstverständnis der Kommunisten an ihr Verständnis von der kapitalistischen Endkrise gebunden war, zeigt folgende Aussage Thalheimers Ende 1921: „Es liegt auf der Hand, dass, wenn ich anerkenne, dass der Kapitalismus im Begriff ist, sich aus eigener Kraft ökonomisch wiederherzustellen, (…) für die kommunistische Politik, und also für kommunistische Grundsätze und am Ende auch für die kommunistische Partei kein Boden mehr da ist. Wenn der Kapitalismus aus dieser seiner ungeheuren Krisis zu ‚normaler‘ Funktion zurückkehrt, so folgt daraus politisch, die Rückkehr zur ‚normalen‘ sozialdemokratischen Politik und Partei, die ihre verschiedenen Färbungen und Flügel haben mag, in der aber keine grundsätzlich verschiedenen programmatischen und taktischen Einstellungen möglich sind.“[13] Thalheimers Aussage zeigt, dass in der KPD von Beginn an latent eine Identitätsproblematik vorhanden war. Eine Partei, die ihre Identität aus der Sicht auf eine ausweglose Krise des Kapitals und eine auf der Tagesordnung stehende Revolution gründet, musste sich selbst in Frage stellen, wenn der Kapitalismus zeigt, dass er über eine erheblich größere Anpassungsfähigkeit verfügt, als angenommen und damit die revolutionäre Situation nicht mehr gegeben ist. Die KPD musste zwangsläufig in eine Identitätskrise geraten, wenn sich zeigte, dass der Kapitalismus zur Restabilisierung fähig war. Ihrer Politik wäre die Grundlage entzogen und sie müsste zum bloßen Kampf um Tagesforderungen der Lohnabhängigen zurückkehren. Diese Konsequenz aber lag zu diesem Zeitpunkt außerhalb des Vorstellungsvermögens des führenden Theoretikers der KPD.
Allmähliches taktisches Umdenken nach den
Märzkämpfen 1921
Der für die Märzaktion verantwortlichen neuen Parteiführung, der neben Brandler und Stoecker auch Meyer, Eberlein, Pieck und Thalheimer angehörten, gelang es nach dem III. Kongress der KI schrittweise, den von ihnen mitverantworteten Offensivkurs der KPD weitgehend zu korrigieren. Noch auf dem III. KI-Kongress hatten Thalheimer (insbesondere in seinen gemeinsam mit Bela Kun verfassten Thesen über die Taktik), Meyer, Koenen und Frölich weiterhin offensivtheoretische Auffassungen vertreten, was auf die heftigste Kritik Lenins gestoßen war, ohne dass dieser selbst jedoch die Offensivtheorie als grundsätzlich falsch abgelehnt hätte.[14] An Lenins Kritik, den Beschlüssen des III. KI-Kongresses und eigenen Politikansätzen orientiert, besann sich die KPD-Führung Mitte 1921 auf den von Radek und Levi initiierten Kurs des Offenen Briefes[15], der nun zum Ausgangspunkt für eine neue Taktik der revolutionären Sammlung der Arbeiterklasse wurde, der Einheitsfronttaktik. Damit leitete die Zentrale der VKPD eine gewisse Zweigleisigkeit in ihrer Taktik ein. Die Offensivtheorie blieb zwar weiter grundlegend, neu war jedoch, dass sie in ihrer Politik gegenüber den anderen Arbeiterorganisationen die Anerkennung der Diktatur des Proletariats nicht mehr zur Vorbedingung für gemeinsame Aktionen machte und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei der Durchsetzung von Sofortmaßnahmen und konkreten Nahzielen im Tagesinteresse der Arbeiterklasse erklärte.
Im Laufe des Jahres 1921 war der KPD-Führung allmählich klar geworden, dass die KPD, die selbst nur eine Minderheit des politisch aktiven Teils der Arbeiterschaft repräsentierte, zur Erlangung ihrer Ziele die qualitative Mehrheit der Arbeiterbewegung für ihre Politik gewinnen musste.[16] Sie gelangte dabei zu Auffassungen, die derjenigen von Levi nahe kamen – woraufhin dieser seine Bereitschaft zur Rückkehr in die KPD bekundete. Aber dennoch blieb das Tischtuch zwischen den „Leviten“ und der KPD zerschnitten. Zu verhärtet waren wohl auch die im Zuge der direkten Auseinandersetzungen aufgebauten persönlichen Fronten, so zwischen Levi und Pieck, der neben Brandler als Hauptankläger der Zentrale im Ausschlussverfahren gegen Levi aufgetreten war.
Nach Verhaftung im April 1921 und Verurteilung zu fünf Jahren Festungshaft wegen seiner Rolle in der „Märzaktion“ gelang Brandler im Oktober 1921 die Flucht nach Sowjetrussland, wo er vorübergehend die Vertretung der KPD beim EKKI übernahm. Bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland im September 1922 wurde die KPD von Ernst Meyer geführt.[17] Von der Märzaktion 1921 bis zu den Oktoberereignissen 1923 war die KPD ca. 2 ½ Jahre lang in keine bewaffneten Kampfaktionen involviert. Die sozialen Verhältnisse hatten sich zumindest für das Erste weitgehend stabilisiert, und die KPD-Führung nutzte diese Zeit der relativen Ruhe, um ihre Einheitsfronttaktik als ein flexibles Mittel zu entwickeln, um die Arbeitermassen in wenigstens zeitweilig stabilisierten sozialen Verhältnissen für die kommunistischen Ziele zu gewinnen. Dabei befand sie sich in einem ständigen Konflikt mit dem linkssektierischen Flügel der Partei, der sich ab Mitte 1921 insbesondere in den Bezirksleitungen Berlin-Brandenburg (um Arkadi Maslow und Ruth Fischer) und Hamburg-Wasserkante (um Hugo Urbahns und Ernst Thälmann) organisierte und in der Einheitsfronttaktik ein Abweichen von den kommunistischen Grundsätzen sah. Kern der taktischen Auseinandersetzungen war, dass die KPD an die Tagesnöte der arbeitenden Bevölkerung anknüpfende Forderungen von SPD und ADGB aufgriff und zu ihren eigenen machte und diese – was in den Augen der Linken noch schlimmer war – im Rahmen der bestehenden Ordnung verwirklichen wollte: Gold- und Sachwerterfassung[18], Sicherung des Achtstundentages und des Streik- und Koalitionsrechts, Entwaffnung und Auflösung aller konterrevolutionären Organisationen, Reinigung der Verwaltung, Justiz, Reichswehr und Schutzpolizei von allen monarchistischen Elementen und Schaffung von Organisationen des Arbeiterselbstschutzes.
Eine „erste wirkliche Bewährungsprobe“ für die Einheitsfront in Deutschland war die Beteiligung der KPD an den vom Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) initiierten Protestdemonstrationen und Arbeitsniederlegungen nach der Ermordung des Außenministers Walter Rathenau durch Mitglieder der Organisation Consul am 24. Juni 1922. Bereits am 3. Juli beendete die KPD-Führung jedoch ihre Teilnahme an den gemeinsamen Aktionen. Der Grund waren einerseits Streitigkeiten um die in der Kampagne anzuwendenden Mittel – parlamentarische Mittel, wie das SPD und ADGB wollten, oder außerparlamentarische Mittel, z. B. über die Organisierung von weiteren Massenprotesten, wie die Kommunisten forderten. Andererseits beugte sie sich dem Druck der Parteilinken sowie des KI-Emissärs August Kleine-Guralski, die behaupteten, die KPD erwecke mit ihrer Beteiligung den Eindruck, sie verteidige die bürgerliche Demokratie. Der aus Moskau zurückgekehrte Brandler übernahm, nicht zuletzt auch auf Betreiben des EKKI, auf der Sitzung der Zentrale der KPD am 9. August 1922 erneut den Parteivorsitz von Meyer. Im Prinzip setzte die KPD-Führung aber unter seiner Leitung die von Meyer eingeschlagene Einheitsfronttaktik fort. Insbesondere versuchte Brandler, mit dem bei Kleine-Guralski und bei der Parteilinken vorhandenen Irrglauben aufzuräumen, die KPD sei bereits stark genug, Aktionen allein durchzuführen. Im Gegensatz zu ihnen sah er in Spitzenverhandlungen mit den anderen Arbeiterverbänden nicht opportunistische Abweichungen, sondern eine legitime Form revolutionären Handelns.[19]
Tatsächlich ging es den Kommunisten aber nach wie vor darum, die führende Rolle in der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung zu übernehmen. Ihre Einheitsfronttaktik war nie nur auf die Minderung der Tagesnöte und die Verbesserung der Lebenslage der arbeitenden Bevölkerung gerichtet. So schrieb beispielsweise Brandler 1922: „Die Einheit ohne klares proletarisches, d. h. kommunistisches Klassenziel, die Einheitsfront ohne Klarheit darüber, dass der Kampf gegen die Tagesnöte für das Proletariat nur siegreich sein kann, wenn er gesteigert wird zum Kampf um die proletarische Macht, um die Diktatur des Proletariats, ist eine gefährliche kleinbürgerlich-ängstliche Illusion, die das Proletariat mit ungeheuren Opfern bezahlen muss.“[20] Bei allen Nuancen, die es in dieser Frage bei den einzelnen Befürwortern gab: Sie verstanden die Einheitsfronttaktik stets als Mittel, um die Mehrheit der Arbeiterklasse für den Kommunismus zu gewinnen, d. h. die sozialdemokratischen Arbeiter von ihren Führern zu trennen. Der Verlauf gemeinsam begonnener Aktionen sollte beweisen, dass die sozialdemokratischen Führer nicht bereit waren, die Interessen der Arbeiterschaft bis zur letzten Konsequenz zu vertreten, da sie den Kompromiss mit den Herrschenden immer einer Revolution vorziehen würden. Es ging also um die Desavouierung der sozialdemokratischen Führer in der Aktion. Am prägnantesten brachte diesen Aspekt des Einheitsfrontverständnisses der KI-Vorsitzende Sinowjew mit seiner Formulierung zum Ausdruck, man müsse die Sozialdemokraten „genauso unterstützen wie der Strick den Gehängten unterstützt. Man muss sie unterstützen, um ihnen die Möglichkeit zu verschaffen, an die Macht zu kommen und dort bankrott zu gehen. Man muss zeigen, dass sie an der Macht das tun, was ihnen die Bourgeoisie diktiert (...), um auf diese Weise die arbeitenden Massen schnellstmöglich vom Reformismus zu heilen.“[21] Diese Einschätzung war durchaus Konsens auch unter den deutschen Kommunisten.
Von Anfang an sah sich das EKKI genötigt, vor Gefahren bei der Umsetzung der Einheitsfronttaktik zu warnen. So heißt es in den Leitsätzen des EKKI über die Einheitsfront vom Dezember 1921: „Indem die Exekutive der Kommunistischen Internationale den hier dargelegten Plan aufstellt, weist sie alle Bruderparteien auch auf die Gefahren hin, mit denen er unter Umständen verbunden sein kann. Nicht alle kommunistischen Parteien sind genügend ausgebaut und gefestigt, nicht alle haben mit der zentristischen und halbzentristischen Ideologie gänzlich gebrochen. Es sind Fälle von Überschreitungen möglich, Tendenzen, die tatsächlich die Auflösung der kommunistischen Parteien und Gruppen in einem einheitlichen formlosen Block bedeuten würden. Um die neue Taktik mit Erfolg für die Sache des Kommunismus durchzuführen, ist es notwendig, dass die kommunistischen Parteien, die diese Taktik durchführen, stark und fest zusammengeschlossen sind und dass sich ihre Führung durch ideelle Klarheit auszeichnet.“[22] Die Gegner der Einheitsfronttaktik in der kommunistischen Bewegung hielten die ihr immanenten opportunistischen Gefahren für zu groß, als dass es gelingen könnte, ihnen zu widerstehen. Eine Gefahr sahen sie vor allem in der Arbeiterregierung, wie sie der vom 5. November bis 5. Dezember 1922 stattfindende IV. Kongress der KI als eine mögliche Konsequenz der Einheitsfrontpolitik benannt hatte.
„Einheitsfront von oben“ versus „Einheitsfront von unten“
Unter den verschiedenen Protagonisten bestanden jedoch nicht unerhebliche Unterschiede darin, was unter einer Arbeiterregierung zu verstehen sei. Sinowjew, Fischer und Maslow entleerten die Arbeiterregierung ihres Sinns und Zwecks, wenn sie sie mit der Diktatur des Proletariats gleichsetzten. Für sie konnte nur eine von Kommunisten gebildete Regierung eine Arbeiterregierung sein; aus einer Koalition mit der SPD jedoch könne niemals eine Arbeiterregierung entstehen, wenn diese nicht umgehend von den Kommunisten dominiert würde. Brandler, Thalheimer, Meyer, Hoernle, Zetkin und Radek hingegen sahen in der Arbeiterregierung ein praktisches Zwischenergebnis im Kampf gegen die Konterrevolution und ein Sprungbrett auf dem Wege zur proletarischen Diktatur. Den aus seiner Sicht dialektischen Charakter einer Arbeiterregierung beschrieb Thalheimer: Der Grundzug der Einheitsfronttaktik liege darin, „dass alle unsere gegenwärtigen Aktionsparolen nicht unmittelbar ‚kommunistisch‘ sind, d. h. dass sie weder über den Rahmen der bürgerlichen Demokratie noch der kapitalistischen Ordnung hinausgehen. Politisch gipfeln diese Etappenforderungen in der Forderung der ‚Arbeiterregierung‘. (…) Die ‚Arbeiterregierung‘ steht an der Grenze des bürgerlich-demokratischen Staates, sie muss notwendigerweise über diese Grenze hinausführen, aber sie beginnt diesseits dieser Grenze. Sie hat einen zwiespältigen, widerspruchsvollen Doppelcharakter. Sie hat formell noch zu ihrer Voraussetzung parlamentarische Institutionen. Materiell ist jedoch ihre Voraussetzung und Grundlage eine solche starke Machtorganisation der Arbeiterklasse, dass diese Regierung befähigt ist, ein Machtinstrument der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie zu sein. Es besteht also ein Widerspruch zwischen der Form dieser Regierung (die noch bürgerlich-demokratisch ist), und ihrem materiellen Inhalt (der proletarisch ist). Der proletarische Inhalt dieser Regierung muss daher, wenn er zur Geltung gebracht wird, die bürgerlich-demokratische Form sprengen. (…) Die Voraussetzung für die Arbeiterregierung ist offenbar die, dass die Arbeiterklasse noch zu großen Teilen in den Vorstellungen der bürgerlichen Demokratie befangen ist, dass sie jedoch bereits rebellisch gegen den bürgerlichen Klasseninhalt der Demokratie wird, dass sie also glaubt, den proletarischen Klasseninhalt noch in die Form der bürgerlichen Demokratie gießen zu können. Die Arbeiterregierung erlaubt den breiten Massen des Proletariats durch ihre eigene Massenerfahrung, an der Hand praktischer Notwendigkeiten, die bürgerlich-demokratischen Illusionen abzustreifen. Das und nichts anderes ist der Sinn der Arbeiterregierung.“[23]
Doch auch der so genannten Parteirechten ging es bei einer Regierungsbeteiligung nicht vorrangig um die Lösung akuter Probleme der arbeitenden Bevölkerung, sondern nur um die Schaffung günstigerer Voraussetzungen für die Vorbereitung des bewaffneten Kampfes, zu dem es aus ihrer Sicht keine reale Alternative gab, wenn man die bestehenden Verhältnisse beseitigen wollte. Wie die Ereignisse im Jahre 1923 zeigen sollten, verstanden auch sie die Arbeiterregierung immer nur als Zwischenetappe. Abgelöst werden sollte die Arbeiterregierung in der weiteren Fortsetzung der Revolution durch politische Arbeiterräte. Doch der entscheidende Unterschied zwischen den „Rechten“ und „Linken“ in der kommunistischen Bewegung war: wollte man die Möglichkeit zur Schaffung von Einheitsfrontorganen auf allen Ebenen bis hin zu den Führungsgremien nutzen („Einheitsfront von oben“) oder beschränkte man die Gesprächs- und Aktionsangebote auf die einfache Mitgliedschaft unter Ausschluss der sozialdemokratischen Führungsgremien („Einheitsfront von unten“)?
Die Streitigkeiten zwischen der Brandler-Zentrale und der „linken Opposition“ eskalierten schließlich auf dem Leipziger Parteitag im Januar 1923. Zwar gelang es noch, Einigkeit darüber zu erzielen, dass Brandler das Hauptreferat hielt und Maslow als wichtigster Gegenspieler das Korreferat, um so die gegensätzlichen Standpunkte der beiden Parteiflügel deutlich herauszuarbeiten. Doch die Gegensätze verschärften sich weiter und die Fronten waren so verhärtet, dass beide Seiten keine gemeinsame Diskussionsebene mehr fanden oder zu Kompromissen bereit gewesen wären. Darüber hinaus verließ sich die Parteitagsmehrheit bei all ihren Entscheidungen weniger auf Argumente als auf ihr zahlenmäßiges Übergewicht und lehnte alle Anträge der „linken“ Delegierten mit ihrer Zweidrittelmehrheit ab. Die Zentrale-Mitglieder um Brandler wollten keine Kompromissformeln finden, sondern anhand der von ihnen vorgelegten Leitsätze zur Taktik der Einheitsfront und der Arbeiterregierung, mit denen sie an die Beschlusslage des IV. Kongresses der KI anknüpften, ihre praktische Arbeit konkretisieren. Die von der Parteitagsmehrheit gegen das Minderheitenvotum der „Linken“ durchgesetzten Leitsätze bezeichneten die Eroberung der Mehrheit des Proletariats für den Kampf um den Kommunismus als die wichtigste Aufgabe der KPD. Da das größte Hindernis bei der Entwicklung der revolutionären proletarischen Einheitsfront der auf eine Koalition mit der Bourgeoisie ausgerichtete „Einfluss der reformistischen sozialdemokratischen Führer“ sei, sei der Kampf um die Einheitsfront in erster Linie „ein Kampf um die Loslösung der Massen von der reformistischen Taktik und Führung“. In den proletarischen Abwehrkämpfen gegen die Offensive des Kapitals werde die kommunistische Taktik ihre Überlegenheit gegenüber der reformistischen erweisen. Dabei gelte es ebenso, Gewerkschaften und Genossenschaften wieder zu proletarischen Organen zu machen, wie auch mit Betriebsräten, Kontrollausschüssen und politische Arbeiterräten neue Organe zu schaffen. In den Leitsätzen wurde eine einseitige Orientierung auf eine Einheitsfront „von oben“ oder auf eine Einheitsfront nur „von unten“ als „undialektisch und starr“ abgelehnt. Es seien alle sich bietenden Möglichkeiten zu nutzen. Mit der Formulierung, die „in den politischen Arbeiterräten organisierte revolutionäre Einheitsfront zum Sturz der Bourgeoisie kann nicht am Anfang, sondern erst am Ende des Kampfes der Eroberung der Massen für den Kommunismus stehen“, versuchten sich ihre Autoren von vornherein gegen mögliche Angriffe der Einheitsfrontgegner abzusichern. Die Arbeiterregierung als Losung der proletarischen Einheitsfrontbewegung sei „eine Regierung von Arbeiterparteien, die den Versuch macht, gegenüber der Bourgeoisie eine proletarische Politik zu treiben durch Abwälzung aller Lasten auf die besitzende Klasse“, was aber nur möglich sei, „wenn sie sich auf die breiten Massen der Arbeiterschaft und ihre Organe stützt, die aus der Einheitsfront entstehen (...), sowie auf die bewaffnete Arbeiterschaft“. Sie sei „weder die Diktatur des Proletariats, noch ein friedlicher parlamentarischer Aufstieg zu ihr“, sondern „ein Versuch der Arbeiterklasse, im Rahmen und vorerst mit den Mitteln der bürgerlichen Demokratie, gestützt auf proletarische Organe und proletarische Massenbewegungen, Arbeiterpolitik zu treiben“. Die proletarische Diktatur hingegen sprenge bewusst den Rahmen der Demokratie, zerschlage den demokratischen Staatsapparat, um ihn dann völlig durch proletarische Klassenorgane zu ersetzen. Die kommunistische Bereitschaft zur Beteiligung an einer Arbeiterregierung sei ein ernsthaftes Angebot an die Sozialdemokraten, die bereit seien, „sich vom Bürgertum zu trennen und mit den Kommunisten den Kampf für die Tagesforderungen des Proletariats aufzunehmen“. Unmissverständlich stellten die Politischen Leitsätze des Leipziger Parteitages fest, dass die Arbeiterregierung unbedingt durch die „Teilnahme der Organe der proletarischen Einheitsfront an der Gesetzgebung (Beratung und Durchführung) und die Bewaffnung der Arbeiterschaft“ abgestützt werden müsse.[24] Mit diesen Leitsätzen war die KPD „die erste Partei in der Kommunistischen Internationale, die nach dem IV. Weltkongress die Fragen der Einheitsfront und der Arbeiterregierung in konkreter Anwendung auf die Situation ihres Landes beantwortete“. Mit ihnen gab sie sich die praktische Möglichkeit, „aktive kommunistische Politik zu treiben (...), nicht nur negativ die Koalitionspolitik der SPD zu bekämpfen, sondern eine positive, revolutionär-demokratische Alternative dazu zu bieten. Sie schufen der KPD die Möglichkeit, ein politischer Faktor zu werden, der nicht ignoriert werden durfte, sondern in die Entwicklung aktiv eingreifen konnte.“[25]
Doch nicht nur wegen der inhaltlichen, sondern auch wegen der Differenzen in den organisatorischen Fragen bewegte sich der Parteitag hart an einer erneuten Spaltung. Der „Fraktionskampf, der Hass zwischen beiden Gruppen war so schlimm“, dass es nur durch das Eingreifen Radeks „in der letzten Minute gelungen ist, diese Spaltung zu verhindern“.[26] Damit meinte Fischer den auf Radeks Drängen hin erreichten halbherzigen Kompromiss bei der Zusammensetzung der neuen Zentrale. Nachdem sich die Parteitagsmehrheit strikt geweigert hatte, prominente Führer der „Linken“ in die von 14 auf 21 Mitglieder erweiterte Zentrale zu wählen, und zwar – wie von diesen gefordert – entsprechend ihrem Anteil an den Parteitagsdelegierten, schlug Radek vor, wenigstens drei „gemäßigtere Linke“ in die Zentrale zu wählen. Das war mit Brandler offenbar nicht abgesprochen, wurde aber von diesem schließlich akzeptiert. In geheimer Abstimmung wurden schließlich Arthur Ewert, Rudolf Lindau und Hans Pfeiffer, von denen keiner der Fischer-Maslow-Gruppe angehörte, als Vertreter der Linken in die Zentrale gewählt. Wieder bzw. erneut in die Zentrale gewählt wurden Paul Böttcher, Brandler, Eberlein, Paul Frölich, Heckert, Hoernle, Wilhelm Koenen, Pieck, Remmele, Felix Schmidt, Stoecker, Thalheimer, Walcher und Zetkin; neu hinein kamen Karl Becker, Georg Schumann und Walter Ulbricht sowie, als Vertreter des EKKI, August Kleine-Guralski.
In der gleichen Zeit hatte die KPD mit der praktischen Umsetzung ihrer Einheitsfrontangebote auf Landesebene begonnen: Die durch Wahlen in Thüringen und in Sachsen bestehenden politischen Konstellationen ließen die Kommunisten tatsächlich ernsthaft über Fragen einer realen Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie nachdenken – von der Tolerierung sozialdemokratischer Minderheitsregierungen zur Verhinderung von Großen Koalitionen bis hin zur Regierungsbeteiligung. In Thüringen hatten bei den Landtagswahlen am 11. September 1921 die SPD 22,8 Prozent, die USPD 16,4 Prozent und die KPD 10,9 Prozent der Stimmen erhalten. Den 22 Abgeordneten von SPD (13) und USPD (9) standen insgesamt 26 der bürgerlichen Parteien (DDP, DVP, DNVP und Landbund) gegenüber. Da die KPD über 6 Abgeordnetenmandate verfügte, war somit in Thüringen die Möglichkeit gegeben, eine von der KPD tolerierte sozialdemokratische Minderheitsregierung unter Leitung von August Frölich zu bilden. Bei den Landtagswahlen in Sachsen am 5. November 1922 erhielten die SPD (die USPD hatte sich mittlerweile der SPD angeschlossen) 41,8 Prozent und die KPD 10,5 Prozent der Stimmen. Auch hier war es nun möglich, dass die SPD mit ihren 40 Abgeordneten eine von 10 kommunistischen Abgeordneten tolerierte Minderheitsregierung bildete, da DDP, DVP und DNVP gemeinsam nur über 46 Mandate verfügten.[27] Nachdem zunächst Koalitions- und dann auch Tolerierungsverhandlungen mit der KPD unter Leitung des am 5. Dezember 1922 erneut zum Ministerpräsidenten gewählten Wilhelm Buck (SPD) scheiterten, trat das dritte Kabinett Buck nach einem von bürgerlichen Parteien und KPD mehrheitlich beschlossenen Misstrauensantrag gegen den Innenminister Richard Lipinski am 30. Januar 1923 geschlossen zurück. Am 21. März wurde der vorherige Justizminister Dr. Erich Zeigner zum sächsischen Ministerpräsidenten gewählt. Nach intensiven Verhandlungen schlossen KPD und SPD noch im März 1923 ein Duldungsabkommen zur Unterstützung der sozialdemokratischen Minderheitsregierung.[28] Dieses auch in der sächsischen KPD umstrittene Tolerierungsprojekt sorgte für ständigen Zündstoff in den Auseinandersetzungen zwischen der Zentrale und der „linken Opposition“. Da neben Sachsen und Thüringen bereits seit 1920 in Braunschweig eine Koalition aus USPD und SPD unter Führung des Unabhängigen Sepp Oerter regierte und in Anhalt eine sozial-liberale Koalition, konzentrierte die KPD fortan ihre politischen Anstrengungen verstärkt auf den „roten Block in Mitteldeutschland“.
Der in letzter Minute auf dem Leipziger Parteitag zustande gekommene Kompromiss zwischen Zentrale und Opposition sollte nur von kurzer Dauer sein, zumal die „linken Oppositionellen“ mit den Bezirken Berlin-Brandenburg, Hamburg-Wasserkante und Rheinland drei der wichtigsten Parteiorganisationen repräsentierten. Die Auseinandersetzungen zwischen der Zentrale der KPD und der „linken Opposition“, die nicht bereit war, die von der Zentrale eingeschlagene Einheitsfronttaktik zu akzeptieren, lähmten fortan die Aktionsfähigkeit der KPD und bargen das permanente Risiko einer neuen Parteispaltung. Da sich beide Seiten wechselseitig beim EKKI beschwerten und ein Verständigungsversuch der Zentrale mit Vertretern der wichtigsten oppositionellen Bezirke Anfang April scheiterte, berief das EKKI auf Bitte der Zentrale hin schließlich Vertreter beider Richtungen für Ende April 1923 zu einer „Verständigungskonferenz“ nach Moskau. Auf dieser „Verständigungskonferenz“, die vom 27. April bis 4. Mai 1923 – unmittelbar nach Beendigung des XII. Parteitages der KPR(B) – unter Leitung einer vom Präsidium des EKKI bestellten „Verhandlungskommission“ stattfand[29], wurde die Zentrale der KPD von Brandler und Böttcher vertreten, die Opposition von Fischer, Maslow, Thälmann und Eisler. Um die drohende Parteispaltung zu verhindern, akzeptierte die „Verhandlungskommission“ die Standpunkte beider Seiten und verlangte von ihnen, auch bei zukünftigen Meinungsverschiedenheiten nach außen geschlossen aufzutreten. Die „Sachsenpolitik“ der Zentrale wurde ausdrücklich gebilligt. Die Forderung, vier Vertreter der Linken, die die oppositionellen Bezirke selbst vorschlagen durften, in die Zentrale aufzunehmen, kam jedoch einer Niederlage der Brandler-Zentrale gleich. Der Zentralausschuss der KPD wählte schließlich auf seiner Sitzung am 17. Mai 1923 auf Grundlage des in Moskau vereinbarten Kompromisses Ruth Fischer, Ottomar Geschke, Arthur König und Ernst Thälmann zu Mitgliedern der Zentrale der KPD.[30] Erfüllte der Kompromiss auch den Zweck, die drohende Parteispaltung zu verhindern, so kam es doch nicht zu einer Beruhigung der parteiinternen Auseinandersetzungen. Und so gingen die deutschen Kommunisten mit einer in sich zerstrittenen Parteiführung einer Situation entgegen, die als geringste Voraussetzung eine zum geschlossenen Handeln befähigte Partei erfordert hätte, ihrem „deutschen Oktober“.
[1] Die Zeitschrift Die Internationale. Eine Monatsschrift für Praxis und Theorie des Marxismus wurde im April 1915 von Franz Mehring und Rosa Luxemburg gegründet. Von ihr erschien während des Weltkrieges allerdings nur eine Nummer. Im Frühjahr 1919wurde sie als Die Internationale. Zeitschrift für Praxis und Theorie des Marxismus neu gegründet.
[2] Zur Akkumulationstheorie Rosa Luxemburgs s. insbes.: R. Luxemburg, Akkumulation des Kapitals. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus, in: Rosa Luxemburg, Gesammelte Werke, hrsg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin 1970 ff., Bd. 5, 5 ff.; dies., Die Akkumulation des Kapitals oder Was die Epigonen aus der Marxschen Theorie gemacht haben. Eine Antikritik, in: ebd., 413 ff.
[3] Vgl. Die Gründung der KPD. Protokoll und Materialien der Kommunistischen Partei Deutschlands 1918/19, hrsg. u. eingel. von Hermann Weber, Frankfurt a. M. 1969 (Neuaufl., Berlin 1993).
[4] Die Revolutionären Obleute in Berlin waren eine 1914 von oppositionellen Funktionären der Berliner Eisen-, Metall- und Revolverdreher gegründet Vereinigung, die organisatorisch lose zur USPD gehörte. Zu den Januarkämpfen 1919 s. u. a. Werner T. Angress, Die Kampfzeit der KPD. 1921-1923, Düsseldorf 1973, 52 ff.; Heinrich August Winkler, Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918 bis 1924, Bonn 1983, 119 ff.; Ottokar Luban, Demokratische Sozialistin oder „blutige Rosa“? Rosa Luxemburg und die KPD-Führung im Berliner Januaraufstand 1919, in: Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin, Nr. 2, 1999, 177 ff.; Manfred Scharrer, Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2000/2001, Berlin 2001, S. 391 ff.; Jens Becker u. Harald Jentsch, Organisation und Klassenkampf – Wilhelm Piecks Rolle und Funktion in der KPD 1918-1933, in: ebd., 421 ff.
[5] Karl Marx u. Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, in: MEW, Bd. 4, 482.
[6] Zum Kapp-Putsch und den nachfolgenden Kämpfen im Ruhrgebiet s. insbesondere: Winkler 1983, 295-342.
[7] Ernest Mandel, Drei Niederlagen der deutschen Revolution: Eine weltgeschichtliche Tragödie, in: Jakob Moneta, Mehr Macht für die Ohnmächtigen. Reden und Aufsätze, Frankfurt am Main 1991, 12.
[8] Zur Märzaktion s. insbesondere: Sigrid Koch-Baumgarten, Aufstand der Avantgarde. Die Märzaktion der KPD 1921, Frankfurt a. M./New York 1986; Stefan Weber, Ein kommunistischer Putsch? Märzaktion 1921 in Mitteldeutschland, Berlin 1991; Angress 1973, 173 ff.; Jens Becker, Heinrich Brandler. Eine politische Biographie, Hamburg 2001, 131 ff.
[9] Vgl. W. I. Lenin, Politischer Bericht des Zentralkomitees, gehalten am 7. März auf dem Außerordentlichen VII. Parteitag der KPR(B), 6.-8. März 1918 in Petrograd, in: LW, Bd. 27, 73-104 (81, 85).
[10] Paul Levi, Unser Weg. Wider den Putschismus, in: Paul Levi, Zwischen Spartakus und Sozialdemokratie. Schriften, Aufsätze, Reden und Briefe, hrsg. u. eingel. v. Charlotte Beradt, Frankfurt/M. 1969, 44-94.
[11] Klaus Kinner, Der deutsche Kommunismus. Selbstverständnis und Realität, Bd.1: Die Weimarer Zeit, Berlin 1999, 40 f.
[12] Florian Wilde, Ernst Meyer (1887-1930) – vergessene Führungsfigur des deutschen Kommunismus. Eine politische Biographie. Diss. Univ. Hamburg, Hamburg 2013, 212, jetzt publiziert als: ders., Revolution als Realpolitik – Ernst Meyer (1887–1930). Biographie eines KPD-Vorsitzenden, Tübingen 2018.
[13] August Thalheimer, Die Theorie und Praxis des Liquidatorentums. Zur Reichskonferenz der Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft (20. November), in: Die Internationale. Zeitschrift für Praxis und Theorie des Marxismus, Berlin, 4. Jg., Nr. 1/2 (1922), 19.
[14] Vgl. Protokoll des III. Kongresses der Kommunistischen Internationale (Moskau, 22.Juni bis 12. Juli 1921), Hamburg 1921, 514; zur inhaltlichen Bewertung der Taktikthesen Kuns und Thalheimers als „politisch grundfalsch“, „Phrasen und linksradikale Spielerei“, sowie an den Thesen Radeks als „Gipfel der Ungereimtheit“ s. W. I. Lenin, Bemerkungen zu den Entwürfen der Thesen über die Taktik für den III. Kongress der Kommunistischen Internationale, Brief an G. J. Sinowjew v. 10. Juni 1921, in: ders., Briefe, Bd. VII, 268-272; zu seiner verbalen Auseinandersetzung mit den Vertretern der KPD auf dem Kongress s. ders., An Wilhelm Koenen, August Thalheimer und Paul Frölich, 16. Juni 1921, in: ebd., 279.
[15] Offener Brief der Zentrale der VKPD an ADGB, AfA, AAU, FAU (Syndikalisten), SPD, USPD, KAPD v. 7. Januar 1921., in: Die Rote Fahne v. 8. Januar 1921; dokumentiert auch in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 8 Bde., hrsg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin 1966, Bd. 3, 610-613 (im Folgenden: GdA)
[16] Unter der „qualitativen Mehrheit“ der Arbeiterklasse verstanden die Kommunisten die Mehrheit der politisch organisierten und engagierten Arbeiterschaft, also die eigentliche Arbeiterbewegung. Es kam ihr nicht darauf an, jeden Arbeiter für die kommunistische Bewegung zu gewinnen, sondern jeden klassenbewussten Arbeiter, der bereit und fähig war, sich politisch zu betätigen. Die eigentliche Zielgruppe der kommunistischen Agitation waren also die bereits in Gewerkschaften und Parteien organisierten Arbeiter.
[17] Zum Hochverratsprozess gegen Brandler und über die Auseinandersetzungen innerhalb der KPD-Führung zu dessen Verhalten vor Gericht s. Becker 2001, 139 ff.
[18] Mit der Erfassung der Gold- und Sachwerte war die Konfiskation eines Teils der kapitalistischen Vermögen zugunsten des Staates gemeint. Mit dieser staatlichen Beteiligung, insbesondere der Sozialisierung des Kohlebergbaus, sollte der Steuerhinterziehung durch die Kapitalisten Einhalt geboten werden.
[19] Vgl. zur Rathenau-Aktion: Winkler 1984, 543-545; zur Rolle Brandlers und seines Verhältnisses zu Meyer: Becker 2001, 170-174.
[20] Heinrich Brandler, Die Bedeutung der Einheitsfront, o. D. (1922), in: Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Historisches Archiv der KPD, Berlin (SAPMO/BArch), RY 1/I 2/708/104.
[21] XI Konferenzija RKP(b), Moskva, 1921. Bjulleten (Bulletin der 11. Konferenz der RKP(b), Nr. 5, 12; zit. n. Alexander Watlin, Die Komintern 1919-1929. Historische Studien, Mainz 1993, 49.
[22] Leitsätze des EKKI über die Einheitsfront der Arbeiter v. 18. Dezember 1921, zit. n. GdA, Bd. 4, 630.
[23] August Thalheimer: Über die prinzipielle Begründung unserer Taktik, in: Die Internationale, Berlin, 4. Jg., Nr. 25 (1922), S. 567-571, 568 f.
[24] Leitsätze zur Taktik der Einheitsfront und der Arbeiterregierung, in: Bericht über die Verhandlungen des III. (8.) Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands (Sektion der Kommunistischen Internationale), abgehalten in Leipzig vom 28. Januar bis 1. Februar 1923, hrsg. von der Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands, Berlin 1923, 415-424.
[25] Arnold Reisberg, An den Quellen der Einheitsfrontpolitik. Der Kampf der KPD um die Aktionseinheit in Deutschland 1921-1922. Ein Beitrag zur Erforschung der Hilfe W. I. Lenins und der Komintern für die KPD, Berlin 1971, 687.
[26] So Fischer ein Jahr später in Moskau, s. Die Lehren der deutschen Ereignisse. Das Präsidium des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale zur deutschen Frage. Januar 1924, Hamburg 1924,51.
[27] Zu den Wahlergebnissen: Jürgen Falter, Thomas Lindenberger u. Siegfried Schumann, Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten 1919-1933, München 1986, 110, 108.
[28] Zum Verlauf der Tolerierungsverhandlungen zwischen SPD und KPD in Sachsen siehe: Harald Jentsch, Die KPD und der „Deutsche Oktober“ 1923, Rostock 2005, 98 ff.; auch: Karsten Rudolph, Die sächsische Sozialdemokratie vom Kaiserreich zur Republik, Weimar/Köln/Wien 1995, 326 ff.
[29] Zu den Beratungen der „Verständigungskonferenz“ siehe: Stenographisches Protokoll der Sitzung des Präsidiums der Exekutive der KI mit der deutschen Delegation vom 27.4.1923, vormittags, 27.4.1923, nachm[ittags], 28.4.1923, 4.5.1923, in: SAPMO/BArch, RY 1/I 6/10/7, 50-160; Protokoll Nr. 19 der Sitzung des Präsidiums des EKKI v. 28.4. 1923, in: ebd., 46-47; EKKI, Resolution zu den Differenzen in der deutschen Partei (Nicht endgültige Formulierung! Streng vertraulich), in: ebd., 233-239; R. Fischer, E. Thälmann, A. Maslow, Erklärung der Opposition, Moskau, den 4. Mai 1923, in: ebd., RY 1/I 6/3/117, 35; H. Brandler, Moskau, 02.05.1923, An die Zentrale der KPD, in: ebd., RY 1/2/3/203, Bl. 80-81; Resolution des EKKI, der Vertreter der Zentrale der KPD und der linken Opposition von Anfang Mai 1923 zu den taktischen Differenzen in der KPD, in: Die Rote Fahne v. 13.05.1923.
[30] Die Rote Fahne v. 18.05.1923.