„Die Emanzipation der Arbeiterklasse (muss)
durch die Arbeiterklasse selbst erkämpft werden.“
Karl Marx[1]
„Es gibt keinen ‚objektiven‘ verborgenen Faktor, der dem technischen
Fortschritt oder der Planung in der spätkapitalistischen Gesellschaft
immanent ist und die ‚automatische‘ Transformation oder den not-
wendigen Umsturz der bestehenden Verhältnisse garantiert.“
Raniero Panzieri[2]
„Revolutionäre Strategien können nicht aus einer ideologischen
Kritik heraus geschaffen werden; sie entwickeln sich innerhalb
des tatsächlich stattfindenden Klassenkampfes der ArbeiterInnen.“
Harry Cleaver[3]
Seit dem Ausbruch der großen Weltwirtschafts- und Finanzkrise vor einem Jahrzehnt und der seither anhaltenden Tendenz zur ökonomischen Stagnation in den Zentren des Kapitals hat Marx’ Kritik der politischen Ökonomie bei Freund und Feind wieder erhöhte Aufmerksamkeit gewonnen. Die diversen Jubiläen der letzten beiden Jahre haben zudem eine Flut teils biographischer, teils theoretischer, seltener politisch-strategischer Neuerscheinungen auf den „Markt“ gebracht – zumeist, das sei zugestanden, ohne genuin kapitalistisches Profitinteresse. Mitten in der allgemeinen Stagnation hat Marx’ Kritik der politischen Ökonomie „Konjunktur“. Kritik der politischen Ökonomie – aber welche? Liegen doch heute mehrere Texte von Marx mit diesem Titel bzw. Untertitel vor, die durchaus nicht in allen wichtigen Punkten übereinstimmen.[4]
Vor einem halben Jahrhundert, als – im „Westen“ – das Interesse an Marx von den meisten völlig unerwartet und weitgehend außerhalb der traditionellen Arbeiterorganisationen, vorwiegend unter Intellektuellen und Studenten sprunghaft angestiegen war, war man sich indessen noch einig: Es galt vor allem und zunächst, das „Kapital“ zu lesen – aber wie und zu welchem Ende?[5]
Merkwürdigerweise schien man sich bei dem allgemeinen Zweck der Lektüre ebenfalls noch weitgehend einig: Es komme darauf an, die Welt zu verändern! Manche glaubten, man müsse zuerst das „Kapital“ lesen, alles Weitere ergebe sich dann von selbst.[6] Andere waren überzeugt, dass bloßes Theoretisieren nur Zeitverschwendung wäre, und gingen unmittelbar über zur Organisation des Kampfes. Vielfach blieb für einige Jahre dann aber statt des Kampfes nur die Organisation – die Partei, oder vielmehr: die Parteien, die sich entweder am Vorbild der chinesischen Kulturrevolution oder am sowjetischen Realsozialismus orientierten. Nach einem Jahrzehnt war das erste, nach einem weiteren auch das zweite Vorbild gescheitert. Schließlich war da noch eine kleine Gruppe derer, die ganz ohne Theorie und formale Organisation direkt zur vermeintlich revolutionären Tat schreiten wollten. Sie – jedenfalls ihre Gallionsfiguren – endeten dann selbst durch eigene Tat. Drei Wege, die Welt zu verändern, die sich als drei Sackgassen erwiesen. Seit den 1980er Jahren verloren Marx und das „Kapital“, ebenso wie die „Partei“ oder der „bewaffnete Kampf“ für eine neue Generation viel von ihrer einstigen Attraktivität, insbesondere in den entwickelten kapitalistischen Ländern.
Operaismus
Diese etwas holzschnittartige Skizze[7] bezieht sich vor allem auf die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland von etwa Mitte der 1960er bis ans Ende der 1970er Jahre. Es gab freilich auch eine andere soziale Bewegung im „Westen“, die sich anfangs in scheinbar ähnlicher Weise in Theorie und Praxis auf Marx berief – der Operaismus in Italien.[8] Auch er war eine ursprünglich von Intellektuellen begründete Bewegung, die sich aber von vornherein in kritischer Auseinandersetzung und bewusster Autonomie gegenüber der in Italien seit dem Ende des Faschismus starken gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterbewegung befand. Auch die Operaisten lasen das „Kapital“, aber sie lasen es nicht theoretizistisch, sondern in unmittelbarer Beziehung zur Praxis eines intensiven Kampfes der Arbeiter gegen das Kapital. Auch sie drängten zur Organisation des Kampfes, aber nicht als Partei getrennt von der kämpfenden Klasse, sondern ihrem Selbstverständnis nach, als kämpfendes Organ der Klasse selbst in Form von Arbeiter-, später auch kommunalen Räten und Kontrollorganen. Und schließlich drängten auch sie zur Tat, aber nicht mittels bewaffneter Gewalt, sondern in den zivilen Formen der traditionellen Arbeiterbewegung, mit Streiks, Demonstrationen, Fabrikbesetzungen usw.
Gegen Ende der 1960er Jahre, auf ihrem Höhepunkt im „heißen Herbst“ von 1969, erreichten die Streiks und die anderen Protestformen der italienischen Arbeiterbewegung die Form und das Ausmaß einer bisher – jedenfalls in der Nachkriegszeit – unbekannten Massenbewegung, die in zwar nachlassender Intensität und Extensität noch einige Jahre andauern sollte. In dieser real existierenden und zeitweise – was Lohn- und Arbeitsbedingungen, aber auch was die sozial-kulturellen Lebensbedingungen der italienischen Arbeiter betraf – durchaus erfolgreichen Bewegung spielten die Operaisten häufig eine in vieler Hinsicht inspirierende, beschleunigende und intensivierende Rolle. Diese besondere Fähigkeit erlangten sie nicht zuletzt durch ihre originelle Klassenanalyse mit dem auf die Praxis des Kampfes orientierten methodischen Instrument der Arbeiteruntersuchungen.[9] Von den objektivistischen Methoden der bürgerlichen Industriesoziologie unterschieden diese sich durch ihre explizit politische Zielsetzung. Als „militante Untersuchungen“[10] wollten sie nicht nur die konkreten Arbeitsbedingungen vor Ort (in der Fabrik) untersuchen, sondern zugleich zur Bewusstwerdung und Revolutionierung der „Massenarbeiter“[11] beitragen, indem sie die Arbeiter selbst in die Ausarbeitung und Auswertung der Untersuchungen einbezogen (Methode der „conricerca“). Inwieweit dies tatsächlich gelungen war, lässt sich nur schwer einschätzen. In jedem Falle waren die Operaisten selbst weitgehend davon überzeugt, damit einen wesentlichen Impuls für das autonome Subjektwerden der Arbeiterklasse und ihrer Kampfbereitschaft geleistet zu haben.
Ihr Scheitern[12] wie das Ende des langfristigen Kampfzyklus der italienischen Arbeiter und ihrer intellektuellen Verbündeten gegen Ende der 1970er Jahre war das komplexe Resultat von Krisen, strukturellen Veränderungen und kontingenten Ereignissen in der Verschränkung von nationalen und internationalen ökonomischen, politischen und kulturellen Prozessen.[13] Trotz alledem hinterließ der Operaismus eine – allerdings nun überwiegend bloß theoretische oder kulturelle – Spur bis ins 21. Jahrhundert hinein, ohne freilich je wieder eine vergleichbare Massenresonanz und -wirksamkeit erzeugen oder initiieren zu können.[14]
Der Zusammenbruch des „realen Sozialismus“ Ende der 1980er Jahre schien dann schließlich nicht nur Marx und der alten Arbeiterbewegung, sondern auch jeder Hoffnung auf eine andere, bessere Welt ein Ende bereitet zu haben. Zur Herrschaft des nun allein noch real existierenden Kapitalismus –besonders in seiner neuen, schlankeren, neoliberalen Gestalt mit dem Versprechen grenzenlosen Konsums und individueller Freiheit – sollte keine Alternative mehr möglich, aber auch keine mehr notwendig sein. Denn mit dem nun einsetzenden beschleunigten gesellschaftlichen Wandel insbesondere der Arbeitswelt, in dessen Folge die Ware Arbeitskraft angeblich zum „Humankapital“[15] mutierte, das sich in der Arbeit – autonom, versteht sich, d.h. ganz ohne Gewerkschaft – selbst verwertet („Ich-AG“), sollte der alte Klassengegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital endgültig der Vergangenheit angehören. Und nach dem Abschied vom Proletariat sollte schließlich zu Beginn der 1990er Jahre nicht nur ein Jahrhundert oder gar ein Jahrtausend, sondern die Geschichte selbst zu Ende gehen.
Allerdings, die historisch überkommenen globalen Probleme blieben, und es erwies sich, dass sie nicht durch den sog. Ost-West-Konflikt entstanden und daher auch nicht an seinem vermeintlichen Ende verschwunden waren. Vielmehr zeigte es sich, dass der real existierende Kapitalismus auch und gerade in seiner neoliberal-postfordistischen Gestalt weder den Klassengegensatz stillgestellt, noch ökonomische Krisen, militärische Kriege, elementare Armut und ökologische Bedrohung überwunden hatte – im Gegenteil. Die seither vergangenen drei Jahrzehnte haben in fast jeder Hinsicht sogar alles übertroffen, was in den vorangegangenen vier Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg sich ereignet hatte. Zahlreiche neue Probleme wie der internationale Terrorismus, die durch Kriege und Armut provozierte Massenmigration in, zwischen und aus den Ländern des „Südens“ bzw. des Nahen und Mittleren Ostens in die kapitalistischen Zentren, religiös-kulturelle Konflikte usw. sind sogar hinzugekommen.
Zum Beginn des neuen Jahrhunderts erschien ein Buch, dessen Autoren nicht weniger beanspruchten, als damit die „neue Weltordnung“ analysiert und auf den Begriff gebracht zu haben: Das Empire. Und sie meinten,darüber hinaus gleich auch die sozialen Kräfte und die politischen Wege zur Überwindung des bloß scheinbar unüberwindlichen neuen globalen Herrschaftssystems entdeckt zu haben – wenigstens im Allgemeinen. Zwei weitere Bände, die dies konkretisieren sollten, folgten noch bis zum Ende des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrhundert. „Wir verfolgen … ein ähnliches Ziel wie Marx im Kapital, wenn er uns einlädt, die geräuschvolle Sphäre der Zirkulation zu verlassen und in die verborgene Stätte der Produktion hinabzusteigen. Im Reich der Produktion treten die sozialen Ungleichheiten offen zutage; von dort hebt im übrigen der Widerstand gegen die Macht des Empire am wirkungsvollsten an und dort werden Alternativen dazu sichtbar. … die heute über das Empire hinausweisen, …“[16] Das Werk hat – obwohl schwer lesbar und mit vollem Recht vielfach und heftig, bisweilen auch vernichtend kritisiert – trotz alledem international Furore gemacht. Hier soll nicht von dem vielen Falschen die Rede sein, sondern vorwiegend von dem Halbwahren, das es auch enthält.[17]
Wie von den Autoren selbst angedeutet, verstehen sie sich auf eine Weise, die noch näher zu untersuchen sein wird, in der Tradition von Marx.[18] Antonio Negri kann jedenfalls von sich beanspruchen, dass er sowohl in der Theoriegeschichte als auch in der Praxis der sozialen Kämpfe jahrzehntelang eine – zwar stets umstrittene, aber immer auch nicht unbedeutende – Rolle gespielt hat. Dass Negri dabei seine Positionen mehrfach verändert, manchmal ins Gegenteil verkehrt hat, kann allenfalls als Indiz, keinesfalls aber als Beleg für so etwas wie einen okkasionellen Opportunismus angesehen werden.[19] Immerhin ist er einem Prinzip stets treu geblieben: Wo gekämpft wird, ist die Front. Dass er dabei nie sicher zwischen Scharmützel und Krieg, zwischen Revolte und Revolution, zwischen Maschinensturm und Himmelssturm zu unterscheiden wusste, ist ihm aber doch vorzuhalten.[20]
Autonomie und Subjektivität
Antonio Negri (Jg. 1933) gehörte als Kommunalpolitiker und kritisches Mitglied der Sozialistischen Partei Italiens (PSI) seit 1961 zum Gründerkreis der Zeitschrift Quaderni Rossi, die sich mit ihrer Kritik an der bürokratischen Verkrustung und reformistischen Haltung der traditionellen Arbeiterorganisationen (PCI, PSI, Gewerkschaften) im Nachhinein als theoretisches Organ einer sich in den 1960er Jahren neu konstituierenden sozialen Bewegung herausstellen sollte. Dass sich die Redaktion der Quaderni, der neben dem Herausgeber Romani Panzieri, Romano Alquati und Mario Tronti als „führende Köpfe“ angehörten, nach wenigen Jahren spaltete, neu formierte, neue Zeitschriften (Classe Operaio u.a.), neue politische Gruppierungen (Potere Operaio) gründeten, muss hier nicht weiter verfolgt werden. Allenfalls soll festgehalten werden, dass Negri, der anfangs weniger hervorgetreten war, seit Mitte der 1960er Jahre als Politikprofessor in Padua sowohl theoretisch als auch politisch-organisatorisch eine immer größere Rolle in der sich radikalisierenden Bewegung spielte.[21]
Entscheidend ist, dass die intellektuellen Aktivisten des Operaismus sich – trotz unterschiedlicher politischer Herkunft – von allem Anfang an als Marxisten verstanden, die von der Notwendigkeit der dialektischen Einheit von Theorie und Praxis im Interesse des Kampfs der Arbeiterklasse für die „Befreiung der Arbeit“ aus der Herrschaft des Kapitals überzeugt waren.[22] Zugleich aber distanzierten sie sich unisono von jeder Art des „Parteimarxismus“, insbesondere vom Marxismus-Leninismus (auch in der „Gramscianischen Variante“) des PCI. „Autonomie“ in diesem organisationskritischen Sinne[23] wird vor allem in den 1970er Jahren schließlich zu einem der, wenn nicht dem politischen Schlüsselbegriff des Operaismus.
Die Idee der „Arbeiterautonomie“ hatte darüber hinaus aber noch eine weitere, theoretisch und praktisch folgenreiche Bedeutung[24], die ursprünglich vor allem von Mario Tronti in den Quaderni entwickelt worden war, wonach die „Arbeitermilitanz“ in actu symbolisch und praktisch die Subsumtion der Arbeiter unter das Kapital aufhebe und damit den Anspruch auf Autonomie gegenüber dem Kapital ausdrücke. Der Kampf der Arbeiter treibe schließlich das Kapital zur Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit.[25] Tronti griff bei dieser Interpretation der Arbeiterautonomie auf eine methodische Unterscheidung zurück, die Panzieri bei seiner auf das „Kapital“ gestützten Untersuchung „Über die kapitalistische Anwendung der Maschinerie im Spätkapitalismus“ getroffen hatte.
Panzieri unterschied zwischen einer objektivistischen oder ökonomistischen und einer subjektiven oder politischen Lesart des „Kapital“.[26] Die von Panzieri empfohlene subjektiv-politische Lesart stellte allerdings das Marxsche Original gewissermaßen von den Füßen auf den Kopf, wie ein Blick ins „Kapital“ belegt. Im 13. Kapitel (Bd. 1) über „Maschinerie und große Industrie“, auf das sich Panzieri im Wesentlichen bezieht, skizziert Marx (in Abschnitt 5) den historischen „Kampf zwischen Arbeiter und Maschine“ (MEW 23, 451-461) und zeigt darin, dass die Arbeiter seit der ersten Einführung der Maschinerie zunächst diese selbst bekämpften (Maschinenstürmer), und dass es „Zeit und Erfahrung [bedarf], bevor der Arbeiter die Maschinerie von ihrer kapitalistischen Anwendung unterscheiden und daher seine Angriffe vom materiellen Produktionsmittel selbst auf dessen gesellschaftliche Exploitationsform übertragen lernt.“ (Ebd., 452) Allerdings, die technische Entwicklung des Maschinenwesens durch das Kapital erwies sich als „das machtvollste Kriegsmittel zur Niederschlagung der periodischen Arbeiteraufstände, strikes usw. wider die Autokratie des Kapitals. … Man könnte eine ganze Geschichte der Erfindungen seit 1830 schreiben, die bloß als Kriegsmittel des Kapitals wider Arbeiteremeuten ins Leben traten.“ (Ebd., 459).[27] Dagegen wird in Panzieris und Trontis subjektiv-politischer Lesart des „Kapital“ – gewissermaßen durch die List der hegelschen Vernunft – aus dem machtvollsten Kriegsmittel zur Niederschlagung der Arbeiteraufstände schließlich in einem dialektischen Umschlag der angeblich bloß scheinbar durch die Konkurrenz, in Wirklichkeit aber durch den Kampf der Arbeiter provozierte Fortschritt der materiellen Produktivkräfte zum autonomen Vehikel der „Befreiung der Arbeit“.[28] Ähnlich hat etwa Negri Jahrzehnte später behauptet: „Die Globalisierung wurde dem Kapital in Wirklichkeit durch die Klassenbewegungen aufgezwungen.“[29] Es ist diese extrem subjektive Sicht der Auseinandersetzung zwischen Arbeit und Kapital[30], an der Negri selbst nach dem Scheitern der italienischen Kämpfe in seiner Pariser Vorlesung über die „Grundrisse“ Ende der 1970er Jahre und darüber hinaus festhielt.
Mit den „Grundrissen“ über das „Kapital“ hinaus –
Negris „Lessons on the Grundrisse“[31]
„Marx beyond Marx?
The Grundrisse beyond Capital? Maybe.“
A. Negri[32]
„First and foremost, Antonio Negri’s Marx Beyond
Marx is a book for revolutionary militants.“
H. Cleaver[33]
„Die Grundrisse sind vielleicht der wichtigste – wenn nicht gar der einzige Marxsche Text zur Übergangsthematik …Das ‚Kapital’ hingegen reduziert die Kritik auf die ökonomische Theorie und zerstört (annihilate) damit die Subjektivität zugunsten der Objektivität, unterwirft die subversive Fähigkeit des Proletariats der reorganisierenden und zugleich repressiven Intelligenz der kapitalistischen Macht. Wir können eine korrekte Lektüre des ‚Kapital’ nur wiedererlangen, … wenn wir es im Lichte der Kritik der ‚Grundrisse’, d.h., wenn wir es mittels des kategorialen Apparats der ‚Grundrisse’ erneut lesen. … Die ‚Grundrisse’ repräsentieren den Gipfelpunkt von Marx’ revolutionärem Denken …”[34]
Zwar hatte sich Negri von den theoretischen Begründern des Operaismus schon früh organisatorisch getrennt. Dennoch blieben eine Reihe von theoretischen Gemeinsamkeiten, darunter die Bevorzugung der „Grundrisse“ gegenüber dem „Kapital“. Mario Tronti gab dafür folgende „einfache“ Begründung: „Weder zu einer eisernen logischen Gliederung der Argumente gezwungen noch zu besonderer sprachlicher Sorgfalt bei ihrer Darstellung, in einer ganz ihm gehörenden Phase seiner Arbeit, die weit von dem Gedanken an eine Veröffentlichung entfernt war, dringt er [Marx – WG] hier [in den „Grundrissen“ - WG] ungehinderter in seinen grundlegenden Entdeckungen vor und stößt somit auf immer mehr neue Dinge, die später in den vollendeten Werken nicht mehr auftauchen, angefangen mit ‚Zur Kritik der Politischen Ökonomie‘ und mit dem ersten Buch des ‚Kapital‘. Die Folge ist, dass die Grundrisse – dieser innere Monolog, den Marx mit seiner eigenen Zeit und mit sich selbst führt – politisch ein fortgeschritteneres Buch sind als die beiden anderen, ein Text, der unmittelbarer, über unerwartete praktische Seiten zu politischen Schlüssen neuen Typs führt.“[35]
Dass allerdings ausgerechnet dieser stark von Hegels Logik beeinflusste erste, noch rohe Entwurf der Marxschen „Kritik der politischen Ökonomie“ einer politisch-subjektiven und in diesem Sinne strategischen Lesart zugänglich sein soll, setzt freilich einen besonderen, um nicht zu sagen extravaganten Zugang voraus – eine Lektüre gegen den expliziten Text und damit „über ihn hinaus“.
Um den eigentümlichen Status der „Grundrisse“[36] im Kontext der Entwicklung von Marx‘ Kritik der politischen Ökonomie zu erfassen und damit nicht nur die wissenschaftliche, sondern auch deren politische Reichweite einschätzen zu können, ist es unerlässlich, die spezifischen Umstände zu berücksichtigen, unter denen sie entstanden sind.[37] Zweierlei ist dabei hervorzuheben: Erstens, Marx‘ revolutionäre Ungeduld angesichts der von ihm spätestens für den Zeitraum 1857/58 prognostizierten Weltmarktkrise.[38] Hier wirkte immer noch eine – sich später als naiv erweisende – Schlussfolgerung aus den Erfahrungen der Revolution von 1848 nach: „Eine neue Revolution ist nur möglich im Gefolge einer neuen Krisis. Sie ist aber auch ebenso sicher wie diese.“[39] Deshalb arbeitete er „wie toll die Nächte durch“ um sich Klarheit zu verschaffen „bevor dem déluge“. Dabei hatte er – und das ist der zweite wichtige hier zu berücksichtigende Umstand – „by mere accident“ Hegels Logik „durchgeblättert“, was ihm in der „Methode des Bearbeitens … großen Dienst geleistet“ hatte.[40] Tatsächlich ist in keinem der Werke von Marx – die „Frühschriften“ inbegriffen – der Einfluss von Hegel nicht nur in der „Methode“ des Bearbeitens, sondern bis tief in die Struktur der Marxschen Begriffs- und Theoriebildung hinein, stärker als in den „Grundrissen“.[41] Wäre die Formulierung nicht so abgegriffen, so ließe sich sagen, dass diese beiden Momente zusammengenommen „Glanz und Elend“ dieses ersten Entwurfs der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie kennzeichnen; eine Mischung aus ungeheurem Fleiß, revolutionärem Elan (oder Ungeduld?) und dialektischer Logik (oder Phantasie?) machen die vielfach bewunderte – gelegentlich aber auch skeptisch betrachtete – „Genialität“ der „Grundrisse“ aus. Diese Ambivalenz ist bei der Untersuchung der theoretischen wie der politisch-praktischen Bedeutung des sogenannten „Maschinenfragments“ aus den „Grundrissen“ zu berücksichtigen.
Aber nicht nur der „Hegelianismus“ der „Grundrisse“ steht einer subjektorientierten (politischen) Lesart entgegen, sondern der in nahezu jeder Hinsicht objektiv-dialektische Ansatz, der in den „Grundrissen“ noch weit ausgeprägter ist als im „Kapital“. Eine detaillierte Textanalyse – die hier nicht vorgenommen werden kann – würde ergeben, dass die Arbeiter als Subjekte des Widerstands oder gar des offensiven Kampfes gegen das Kapital in den „Grundrissen“ nur an ganz wenigen Stellen und dabei eher bloß beiläufig (Zehnstundenbill, Kampf gegen die Maschine u.ä.) erwähnt werden. Einen zumindest indirekten Beweis dieser hier nicht ausführlich belegten These[42] – will man Marx nicht eine dramatische Bewusstseinsspaltung unterstellen – findet sich in dem „objektivistischen“ oder „ökonomistischen“ – und dafür auch häufig und gewiss nicht immer zu Unrecht kritisierten – Vorwort zur „Kritik der politischen Ökonomie“ (1859), das nur wenige Monate nach dem Abschluss der Arbeit an den Manuskripten der „Grundrisse“ entstanden ist. Dort unterscheidet Marx explizit „zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten.“[43] Interessant ist, dass man die nachfolgende Formulierung in mancher Hinsicht als verallgemeinertes Resümee des „Maschinenfragments“ aus den Grundrissen interpretieren kann. „Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.“[44]
„Maschinenfragment“[45]
„Wenn jedes Werkzeug auf Geheiß, oder auch vorausahnend,
das ihm zukommende Werk verrichten könnte, … wenn so
die Weberschiffe von selbst webten, so bedürfte es weder für
den Werkmeister der Gehilfen noch für den Herrn der Sklaven.“
Aristoteles[46]
„We could say that the Grundrisse comes to
completion with this ‘Fragment on Machines’.”
A. Negri , Marx beyond Marx, 128
„Marx’s ‘Fragment on Machines’, a section of the
Grundrisse, is a crucial text for the analysis and
definition of the Postfordist mode of production.”
P. Virno, General intellect[47]
„Glotzt nicht so romantisch.“
B. Brecht, Trommeln in der Nacht
Die „Grundrisse“ und insbesondere der Textausschnitt, der hier in seinem näheren Zusammenhang zu betrachten ist, enthalten „ungeheuer schwierige Sätze“[48]. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass die „Beliebtheit“ dieser Texte bei den intellektuellen Führern der Operaisten/Post-Operaisten ausgerechnet aus deren tatsächlichen oder bloß vermeintlichen Dunkelheit resultiert. Denn sie schien ihnen zu gestatten, sich als Gralshüter einer höheren Wahrheit zu gebärden, die dem gemeinen Menschenverstand, etwa des Massenarbeiters, aber auch des Gewerkschafts- oder Parteifunktionärs der traditionellen Arbeiterbewegung, nicht ohne die Vermittlung durch die Hohenpriester dieser esoterischen Wahrheit zugänglich wäre.[49]
Es wäre freilich verfehlt, die Bedeutung des Textes aus den „Grundrissen“, der mit „Fixes Kapital und Entwicklung der Produktivkräfte der Gesellschaft“[50] überschrieben ist, auf bewusst oder unbewusst strategisch motivierte Fehldeutungen oder auf feuilletonistische Missbräuche zu reduzieren.
Zu den laut Mario Tronti nach den „Grundrissen“ in Marx „vollendeten Werken nicht mehr auftauchenden Dingen“ gehören vor allem die Überlegungen zu den historischen Schranken der kapitalistischen Entwicklung der Produktivkräfte und des „Wertgesetzes“ und zu den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen, wie sie vor allem – aber nicht nur (!) – in diesem Textabschnitt enthalten sind. Im Kontext dieser Überlegungen kommt Marx schließlich sogar nahe an die spätere Formulierung des Gesetzes vom tendenziellen Fall der Profitrate heran.[51] Es handelt sich also – im Gesamtzusammenhang der „Grundrisse“ wie der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie überhaupt – um einen Text von außerordentlicher theoretischer wie historisch-praktischer Reichweite. Der erste, der dies mit aller Klarheit erkannt hatte, war Roman Rosdolsky[52] – lange bevor Antonio Negri und seine Anhänger die „Grundrisse“ und darin insbesondere das „Maschinenfragment“ zu einem Kultbuch des „offenen“ oder des „autonomen Marxismus“ machten.[53]
Was Rosdolsky damals mit gutem Grund an den Ausführungen über die Maschinerie in den Grundrissen zunächst faszinierte, war die Tatsache, dass Marx hier die neuesten Formen der Produktivkraftentwicklung vorwegzunehmen schien, wie sie in den 1950/60er Jahren unter dem Begriff der Automation diskutiert und in rascher Folge auch auf der Basis elektro-mechanischer Technik auch realisiert wurde.[54] Dabei stützte Marx sich hundert Jahre zuvor auf die zeitgenössische Literatur zum „Fabrikwesen“[55]. Allerdings war es weniger die technische Utopie, die Marx auf der Basis jener Literatur lediglich konsequent zu Ende gedacht hatte, die Rosdolsky schließlich so beeindruckte, als vielmehr die ökonomischen und sozialen Schlussfolgerungen, die sich nach Marx daraus für die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise ergeben sollten.
Die wichtigste dieser Schlussfolgerungen besteht darin, dass Marx hier die kapitalistische Produktionsweise nicht nur als historisch entstandene und vergängliche Form behandelt, wie dies für die vorangegangenen Produktionsweisen ebenfalls galt[56], sondern dass die „Schranke des Kapitals“ sich aus der immanent-widersprüchlichen „Natur“ (Struktur?) des Kapitals selbst ergibt. Diese These wird in den „Grundrissen“ erstmals ausdrücklich formuliert und an ihr hält Marx fest, auch wenn er sie später im „Kapital“ spezifischer und detaillierter fasst. In den „Grundrissen“ und speziell im „Maschinenfragment“ entwickelt Marx hierzu eine erste, noch sehr allgemeine Begründung. Wobei auffällt, dass sie – ganz im Unterschied zum „Kapital“ und in offenem Widerspruch zur subjektiv-politischen „Lesart“ der „Grundrisse“ durch die (Post-) Operaisten – rein „ökonomisch“, d.h. auf der Basis der Werttheorie[57] erfolgt. Der Widerspruch zwischen (Lohn-)Arbeit und Kapital wird selbstverständlich auch in den „Grundrissen“ vielfach betont, aber der Kampf beider Klassen gegeneinander – dem im „Kapital“ breiter Raum gewidmet wird[58] – spielt bei der Frage nach der „historischen Schranke“ des Kapitals und dem Übergang zu einer „höheren Form der gesellschaftlichen Produktion“ noch keine wesentliche Rolle.
***
Im „Maschinenfragment“ (d.h. hier MEW 42, 590-609) geht Marx von der zuvor (MEW 42, 225-259) entwickelten begrifflichen Unterscheidung zwischen den beiden (stofflichen/wertmäßigen) Seiten des kapitalistischen Produktionsprozesses als Arbeitsprozess einerseits, Verwertungsprozess andererseits und deren jeweiligen Elementen: lebendige Arbeit, Arbeitsmaterial und Arbeitsmittel auf der einen Seite, variables, konstantes/zirkulierendes, fixes Kapital auf der anderen Seite aus.
Im folgenden zweiten Teil dieses Beitrags soll versucht werden, diesen Zusammenhang, den dialektischen Gang der Marxschen Argumentation von der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie und deren immanenter Widersprüchlichkeit bis zu den Perspektiven einer „Befreiung der Arbeit“ anhand knapper Textauszüge zu dokumentieren.
[1] K. Marx, Provisorische Statuten der Internationalen Arbeiter-Assoziation, MEW 16, 14.
[2] R. Panzieri, Über die kapitalistische Anwendung der Maschinerie im Spätkapitalismus, in: C. Pozzoli (Hg.), Spätkapitalismus und Klassenkampf. Eine Auswahl aus den „Quaderni Rossi“, Frankfurt/M. 1970, 17.
[3] H. Cleaver, „Das Kapital“ politisch lesen. Eine alternative Interpretation des Marxschen Hauptwerks, Wien 2012.
[4] Einige Kritiker haben selbst zwischen der ersten und der zweiten Auflage des Kapital (Bd. 1) wesentliche Differenzen zu finden geglaubt. Andere kritisierten die von Engels bearbeiteten Bände zwei und drei des „Kapital“. Wiederum andere glaubten, die „Grundrisse“ seien die für das Verständnis und die Kritik des Kapitalismus im 21. Jh. wichtigste Variante von Marx“ Kritik. Und dieser selbst hatte etwa der von ihm bearbeiteten französischen Ausgabe eine eigenständige wissenschaftliche Qualität attestiert usw. Heute – nachdem die Gesamtheit der einschlägigen Texte von Marx vorliegt (vgl. MEGA II, 1-15 in 23 Teilbänden) – scheint man sich einig zu sein, dass Marx‘ Kritik der politischen Ökonomie ein „Torso“ geblieben ist. Dass es nun aber nicht etwa darum gehen kann, diesen Torso zu vollenden, sondern allenfalls „mit Marx über Marx hinaus“ zu gehen, liegt auf der Hand. Dass auch dies eine überaus schwierige und umstrittene Aufgabe ist, wird weiter unten an einem gescheiterten Versuch dargestellt werden. Hieran wird auch die bemerkenswerte Leistung von Engels deutlich, der die verstreuten Manuskripte von Marx in eine weitgehend konsistente Fassung des 2. und 3. Bandes des „Kapital“ gebracht hat, ohne freilich die bei Marx offen gebliebenen Probleme lösen zu können. Hierzu und zur Frage nach der aktuellen Bedeutung der Marxschen Kritik vgl. M. Krätke, Kritik der politischen Ökonomie heute. Zeitgenosse Marx, Hamburg 2017.
[5] Vgl. Ingo Elbe, Marx im Westen. Die neue Marx-Lektüre in der Bundesrepublik seit 1965, Berlin 2010.
[6] Ironisch hieß es dazu: Das „Kapital“ lesen, bis der Kommunismus kommt.
[7] Die obige Typologie ist natürlich eine Abstraktion. In der historischen Realität traten die drei unterschiedenen „Akteurs“-Typen in spezifischen „Mischungen“ auf, so dass es beispielsweise sehr wohl auch Organisationen und Institutionen gab, die sich um eine politisch-praktisch motivierte und zugleich wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Marx’ Werk bemühten, wie etwa das IMSF in Frankfurt. Ähnliches gilt auch für andere Individuen und Gruppierungen.
[8] Zur einführenden Übersicht vgl. Steve Wright, Den Himmel stürmen. Eine Theoriegeschichte des Operaismus, Berlin, Hamburg 2005. Zur deutschen Rezeption des Operaismus vgl. Frombeloff (Hg.), „… und es begann die Zeit der Autonomie.“ Politische Texte von Karl Heinz Roth, Hamburg 1993. Darin zum Operaismus als „italienischer Exportschlager“, 29-49. Der Band enthält, außer dem bemerkenswerten Bekenntnis: „Geschichtsschreibung beinhaltet auch immer eine gehörige Portion Legendenbildung mit unterschiedlichen Halbwertzeiten“ (Vorwort 8) u.a. zahlreiche, zumeist kürzere Redetexte von K. H. Roth, von denen hier nur auf einen der wichtigsten aus dem Jahre 1989 hinzuweisen ist: „Ganz von unten“ (a.a.O. 243-252), dem sich vermutlich auch das Pseudonym des Herausgebers verdankt. Zu Karl Heinz Roth vgl. auch W. Goldschmidt, „Autonome Marxisten“ – Anmerkungen zu Robert Kurz und Karl-Heinz Roth. Varianten des „Postkapitalismus“ – Ein Literaturbericht (Teil III), in: Z 109 (März 2017), 98-112.
[9] Vgl. S. Wright, Quaderni Rossi und die Arbeiteruntersuchung, in: ders, a.a.O., 42-74. R. Alquati, Klassenanalyse als Klassenkampf: Arbeiteruntersuchungen bei FIAT und OLIVETTI , Frankfurt/M. 1974 .
[10] Zur „Methode politischer Intervention“ vgl. R. Panzieri, Sozialistischer Gebrauch des Arbeiterfragebogens, in: C. Pozzoli (Hg.), a.a.O., 105-113.
[11] Zum Begriff des „Massenarbeiters“ vgl. S. Wright, Den Himmel stürmen, a.a.O., 190-211.
[12] Ebd., 212-237.
[13] Die hier nicht näher dargestellt werden können. Stichwortartig verwiesen sei auf die ab 1973 einsetzende erste kapitalistische Weltwirtschaftskrise der Nachkriegszeit als Auftakt zur „neoliberale Wende“, auf das Scheitern des „historischen Kompromisses“ zwischen Kommunisten und Christdemokraten in Italien nach der (den sog. „roten Brigaden“ zugeschriebenen) Ermordung Aldo Moros; das Ende der Kulturrevolution in China und der Beginn der Neuen Ökonomischen Politik der Ära Deng Xiaoping u.a.
[14] M. Birkner, R. Foltin, (Post-)Operaismus. Von der Arbeiterautonomie zur Multitude. Geschichte und Gegenwart, Theorie und Praxis, Stuttgart, 2. A.. 2010.
[15] „Man hat das Arbeitsvermögen insofern das Kapital des Arbeiters genannt, als es der fonds ist, den er nicht aufzehrt durch einen vereinzelten Austausch, sondern stets von neuem während seiner Lebensdauer als Arbeiter wiederholen kann. Demnach wäre alles Kapital, was ein fonds von wiederholten Prozessen desselben Subjekts ist; so z.B.: die Substanz des Auges das Kapital des Sehns etc. Solche belletristische Phrasen, die nach irgendeiner Analogie alles unter alles rangieren, mögen sogar geistreich scheinen, wenn sie das erstemal gesagt werden, und um so mehr so, je mehr sie das Disparateste identifizieren. Wiederholt, und nun gar mit Selbstgefälligkeit, als Aussprüche von wissenschaftlichem Wert wiederholt, sind sie tout bonnement albern. Nur für belletristische Grünfärber und Schwätzer ins Blaue gut, die alle Wissenschaften anschmieren mit ihrem lakritzensüßen Dreck.“ Karl Marx, Grundrisse, MEW 42, 215, Hervorh. WG.
[16] M. Hardt, A. Negri, Empire. Die neue Weltordnung, Frankfurt/M. 2002 (orig. 2000).
[17] Vgl. auch die unterschiedlichen Besprechungen in Z 48 (Dezember 2001), 189-193 (Jörg Goldberg) und in Z 50 (Juni 2002), 143-151 (Hans-Georg Conert).
[18] „Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas sage, was nicht orthodoxer Marxismus ist. Aber auch wenn es nicht orthodox wäre, ist es jedenfalls die Wahrheit; die Orthodoxie bedeutet mir sehr wenig.“ A. Negri, zit. n. S. Wright, a.a.O., 165.
[19] Vgl. dazu die verschämte Rechtfertigung des politischen Opportunismus bei. P. Virno, Grammatik der Multitude. Untersuchungen zu gegenwärtigen Lebensformen, Berlin 2005, 93f.
[20] „Unsere Sabotage [!] organisiert den proletarischen ‚Sturm auf den Himmel‘ (Negri, zit. n. a.a.O., 5). Negri spielt an auf eine Äußerung von Marx über die Kämpfer der Kommune als „Himmelstürmer von Paris“. Vgl. Marx an Kugelmann, MEW 33, 206. „Wie immer die Sache auch unmittelbar verlaufe, ein neuer Ausgangspunkt von welthistorischer Bedeutung ist gewonnen“ bemerkt Marx an den gleichen Adressaten wenige Tage später im April 1871, a.a.O., 209. Dies jedenfalls galt gewiss nicht für die von Negri angekündigten “Sabotageakte“.
[21] Zu Negris Rolle im Operaismus vgl. S. Wright, a.a.O., 165-189.
[22] Textsammlung zum Operaismus: www.wildcat-www.de/dossiers/operaismus/operaismus_ dossier.htm
[23] Vgl. dazu „Quaderni Rossi“ [Die Redaktion von 1965 – WG], Die Arbeiterbewegung und die Autonomie des Klassenkampfes, in: C. Pozzoli (Hg.), Spätkapitalismus und Klassenkampf. Eine Auswahl aus den „Quaderni Rossi“, Frankfurt/M. 1972, 114-148. Dort ging es aber vor allem um die „Autonomie“ der streikenden Arbeiter gegenüber der italienischen kommunistischen Partei (PCI) in den 1960er Jahren. Über die Beziehung des Operaismus zum klassischen Anarchismus oder zum Anarcho-Syndikalismus liegen, nach Kenntnissen des Verf., nur wenige Analysen vor.
[24] Vgl. S. Bologna, Für eine Untersuchung der Autonomia; http://copyriot.com/unefarce/ no5/Autonomia.html. Vgl. auch: Der lange Sommer der Autonomie (Teil 1 – 6): feierabend-le.net/wordpress/der-lange-sommer-der-autonomie-teil-1/Die nachfolgenden Teile: …-teil-n.
[25] Vgl. M. Tronti, Arbeiter und Kapital, Frankfurt/M. 1974; Was das Proletariat ist, in: ders., Marx, Arbeitskraft, Arbeiterklasse, TheKla 9, Berlin o. J., 121-152.
[26] R. Panzieri, in: C. Pozzoli , a.a.O., 14-42, und ders., Mehrwert und Planung, a.a.O., 56-86. Vgl. auch H. Cleaver, a.a.O.
[27] Ähnlich Marx scheinbar schon im „Elend der Philosophie“. „Die self-acting mule, die größte Erfindung der modernen Industrie, schlug die rebellischen Spinner aus dem Feld.“ Der Nachsatz aber scheint Panzieri und Tronti eher Recht zu geben: „Hätten Gewerkschaften und Strikes keine andere Wirkung als die, mechanische Erfindungen gegen sich wachzurufen, schon dadurch hätten sie einen ungeheuren Einfluß auf die Entwicklung der Industrie ausgeübt.“ MEW 4, 176. Zu diesem Zeitpunkt (1847) hatte Marx freilich mit seiner systematischen Kritik der politischen Ökonomie noch nicht begonnen.
[28] Marx hat dagegen betont, dass es infolge der Konkurrenz für jedes Einzelkapital „der Drang zur Reduktion des Kostpreises“ ist, der zum „stärksten Hebel der Steigerung der Produktivkraft der Arbeit“ wird. Vgl. Kapital, Bd. 3, MEW 25, 888. Nach Tronti wäre dies ein Beleg für den Ökonomismus des „Kapital“. Zieht man hierzu aber das „Lieblingsbuch der Operaisten“, die Grundrisse, heran, so findet man dort sogar die These von der „universellen Tendenz des Kapitals … nach universeller Entwicklung der Produktivkräfte … , [dies – WG] unterscheidet das Kapital von allen frühren Produktionsweisen …“ (MEW 42, 445).
[29] M. Lemire, N. Poirier, Gespräch mit Toni Negri (1), in: Grundrisse. Zeitschrift für linke Theorie & Debatte, Nr. 16, 2005, 15.
[30] „Ich las die großen Marx’schen Werke wieder, die historischen ebenso wie die theoretischen, und versuchte zu begreifen, wie die Ausbeutung der Arbeitskraft und die auf die Reproduktion dieses Lebenssystems ausgerichtete soziale Organisation installiert wurden, und zwar vom subjektiven Standpunkt aus, denn in Wirklichkeit konnte allein der subjektive Standpunkt tatsächlich die Kämpfe bestimmen …, selbst wenn der Begriff ‘subjektiv‘ viel zu viele Dinge bedeutet und etwas vage bleibt.“ (Ebd., 8)
[31] A. Negri, Marx beyond Marx. Lessons on the Grundrisse (orig. Marx oltre Marx. Quaderno di lavoro sui Grundrisse, Milano 1979), Ed. By J. Fleming, New York, London 1984.
[32] Ebd., 14
[33] H. Cleaver, Introduction, in: a.a.O., XIX.
[34] Negri, Marx beyond Marx, a.a.O., 11, 18f. (Übers. - WG)
[35] M. Tronti, Arbeit und Kapital, Frankfurt/M. 1974, 177 (Hervorhebung WG) Außer auf das „Kapital“ bezieht sich Tronti hier auf Marx’„Kritik des Gothaer Programms“. Mit Trontis Bemerkung „begann die Geschichte einer Überschätzung der Grundrisse, die, vermittelt über Toni Negri und Paolo Virno, schließlich im Postoperaismus mündete, der Marx auf die wenigen Seiten des Maschinenfragments reduzierte.“ M. Tomba, R. Bellofiore, Lesarten des Maschinenfragments. …, in: M. van der Linden, K. H. Roth (Hg.), Über Marx hinaus, Berlin/Hamburg 2011 (2. A.), 409.
[36] „Einen Titel gab Marx dem Manuskript zunächst nicht. Nur auf den Umschlag des letzten, siebenten Heftes, das im Februar 1858 begonnen wurde, schrieb er „(Political Economy Criticism of)“ mit dem Zusatz „(Fortsetzung)“. Marx teilte Engels am 8. Dezember 1857 mit: „Ich arbeite wie toll die Nächte durch an der Zusammenfassung meiner Oekonomischen Studien, damit ich wenigstens die Grundrisse im klaren habe bevor dem déluge.“ Aus der Verbindung dieser beiden Formulierungen entstand der redaktionelle Titel „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“, unter dem das Manuskript 1939 vom Marx-Engels-Lenin-Institut beim ZK der KPdSU (B) in Moskau zum ersten Mal veröffentlicht wurde und unter dem es seit dieser Zeit in der ganzen Welt bekannt wurde.“ (MEGA II, 1.1 Apparat, 26)
[37] Vgl. J. Jungnickel, Keine „Recepte … für die Garküche der Zukunft. Aspekte der Marxschen Auffassung über die künftige Gesellschaft in den „Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie“, in: Z 16 (Dezember 1993), 119-133, hier: 122; auch: I. Stützle, Marx’ innerer Monolog. Vor 150 Jahren schrieb Marx die „Grundrisse“, in: Z 73 (März 2008), 113-122. Stützle entleiht den Titel seines Aufsatzes einer Interpretation der „Grundrisse“ durch den Operaisten Mario Tronti (vgl. Fn 25).
[38] Zu Marx“ Auseinandersetzung mit Krise von 1857/58 selbst vgl. K. D. Block, R. Hecker, Das „Book oft he Crisis of 1857“ von Karl Marx, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge 1991, 89-102 [„Krisenhefte“ jetzt in: MEGA IV/14: vgl. die Besprechung von G. Fülberth in Z 114 (Juni 2018), 209-211] und zur weiteren Entwicklung der Marxschen Krisentheorie vgl. J. Goldberg, Die Beobachtung der kapitalistischen Wirtschaftskrise von 1857/58 durch Marx und Engels und die Entwicklung der Krisentheorie, in: Marxistische Studien. Jahrbuch des IMSF, Bd.12 (I/1987): Internationale Marx-Engels-Forschung, 163-175.
[39] K. Marx, F. Engels, Revue – Mai bis Oktober 1850, in: MEW 7, 460.
[40] Marx an Engels, 16. Januar 1858, MEW 29, 260. Vgl. dazu D. Wolf, Warum konnte Hegels „Logik“ Marx „große Dienste leisten“?, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, Neue Folge 2010, 7-33. Wolf ist – unabhängig von seiner ontologischen Hegel-Interpretation – insoweit zuzustimmen als er betont, dass das „Kapital“ auch ohne Rekurs auf Hegels „Logik“ verstanden werden kann. Ob dies auch für die „Grundrisse“ – im Guten wie im Schlechten – gelten kann, muss allerdings bezweifelt werden.
[41] Beispielhaft etwa die versuchsweise Gliederung des „Kapitels vom Kapital“ in den „Grundrissen“ nach den „logischen“ Kategorien „Allgemeinheit“, „Besonderheit“ und „Einzelheit“ (vgl. MEW 42, 201). Vgl. H. Reichelt, Zum Problem der dialektischen Darstellung ökonomischer Kategorien im Rohentwurf des Kapitals, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge, 2007, 87-103. Marx war sich der Problematik des Hegelschen Einflusses durchaus bewusst. „Wenn je wieder Zeit für solche Arbeiten kommt, hätte ich große Lust, in 2 oder 3 Druckbogen das Rationelle an der Methode die H[egel] entdeckt, aber zugleich mystifiziert hat, dem gemeinen Menschenverstand zugänglich zu machen.“ Marx an Engels (1858), in: MEW 29, 260. Im Nachwort zur zweiten Auflage des „Kapital“ (Bd. 1) bekräftigt Marx diese positiv-kritische Haltung zu Hegel, indem er sich „offen als Schüler jenes großen Denkers“ bekennt, mit dessen „eigentümlicher Ausdrucksweise“ er „hier und da im Kapitel über die Werttheorie“ „kokettiert“ habe. „Die Mystifikation, welche die Dialektik in Hegels Händen erleidet, verhindert in keiner Weise, daß er ihre allgemeinen Bewegungsformen zuerst in umfassender und bewußter Weise dargestellt hat. Sie steht bei ihm auf dem Kopf. Man muß sie umstülpen, um den rationellen Kern in der mystischen Hülle zu entdecken.“ (MEW 23, 27) Vgl. dazu D. Wolf, Hegel und Marx. Zur Bewegungsstruktur des absoluten Geistes und des Kapitals, Hamburg 1979.
[42] Der Autor dieses Beitrags hat – gestützt auf die elektronischen Versionen der Bände MEGA II, 1.1/1.2 und MEW 42 – eine Dokumentation zusammengestellt, aus der u.a. hervorgeht, dass Marx hier nicht nur dem „Klassenkampf“ wenig Aufmerksamkeit schenkt, sondern dass er selbst das Wort „Klasse“ zwar häufig, aber zumeist unspezifisch, d.h. nicht als Begriff verwendet; selbst das „Proletariat“ kommt nur als „Lumpenproletariat“ vor. Ähnlich wie „Klasse“ ergeht es dem Wort „Subjekt“ usw., nicht einmal die dem „Kapital“ entnommene und von vielen „Interpreten“ missbrauchte Metapher vom „automatischen Subjekt“ kommt hier vor. Die Liste solcher Legenden ließe sich erweitern; auf den „general intellect“ ist unten noch kurz zurückzukommen; von „immaterieller Arbeit“ ist bei Marx ohnehin nie die Rede.
[43] MEW 13, 9. Hervorh. WG.
[44] Ebd.
[45] Frammento sulle Macchine, in: Quaderni Rossi (No. 4, 1964). Vgl. C. Lotz zu: Karl Marx. Das Maschinenfragment, Hamburg 2014. Das Bändchen enthält darüber hinaus eine etwas konfuse Einleitung durch den Autor und weitere Textpassagen aus den „Grundrissen“ und dem „Kapital“. Vgl. auch die Besprechung von J. Goldberg in Z 109 (März 2017), 208-211.
[46] Zit. nach K. Marx, Das Kapital, Bd. 1, MEW 23, 430.
[47] Einführung in: A. Zanini, U. Fadini (Hg.), Lessico Postfordista, Milano 2001.Quelle: http://www. generation-online.org/p/fpvirno10.htm
[48] D. Dath, Ungeheuer schwierige Sätze, in: FAZ v. 17.01.2018, 9. Daths Paradebeispiel stammt aus dem „Maschinenfragment“ (MEW 42, 605) Wie sehr das „Maschinenfragment“ inzwischen das Feuilleton erreicht hat, zeigt der Artikel „Maschinenfeierabend. Die Post-Work-Bewegung möchte uns endlich von der Lohnarbeit erlösen. Es ist die letzte Utopie, zu der Industriegesellschaften noch fähig sind.“ In: ZEIT-Online, 13. Februar 2018.
[49] Vor allem bei Negri und seinen Anhängern wird dies an einer ganzen Reihe quasi magischer Schlüsselworte, wie immaterielle Arbeit, general intellect, Exodus, Multitude u.a. deutlich. „Solche Ausdrücke haben die Tendenz, zum Abrakadabra zu werden.“ W. F. Haug, „General intellect“ und Massenintellektualität, in: Das Argument, Nr. 235, 42. Jg., 2000, 183.
[50] MEW 42, 590-609. Auch diese Textüberschrift ist allerdings ebenso wenig wie die Bezeichnung „Maschinenfragment“, dem Marxschen Original entnommen, sondern ist eine redaktionelle Ergänzung der MEGA-Herausgeber, die sich jedoch – im Unterschied zu dem Titel „Maschinenfragment“ – aus dem systematischen Theoriezusammenhang des Textes rechtfertigen lässt.
[51] MEW 42, 639-645. Vgl. zur Formulierung des Gesetzes und dessen innerer Widersprüche (in der Bearbeitung von Engels) in „Das Kapital“, Bd. 3, Dritter Abschnitt (Kap. 13-15, in: MEW 25, 221-277). Die wissenschaftliche Rekonstruktion der Marxschen Argumentation wird vor allem die Ökonomischen Manuskripte von 1863-1867 (MEGA II/4.2, Kap. 3) heranziehen und dabei auch die enorme editorische und theoretische Leistung von Engels anerkennen müssen. Vgl. M. Krätke, Kritik der politischen Ökonomie heute, Hamburg 2017, 211-244.
[52] „Es gibt… im ’Rohentwurf’ Ausführungen über die Maschinerie, die im ’Kapital’ fehlen; Ausführungen, die – obgleich vor mehr als hundert Jahren [aus heutiger Sicht: vor 160 Jahren – WG] geschrieben – heute nur mit verhaltenem Atem gelesen werden können, weil sie eine der kühnsten Visionen des menschlichen Geistes enthalten. … Denn was der vereinsamte deutsche Revolutionär 1858 im Londoner Exil träumte, ist heute – erst heute – in den Bereich des unmittelbar Möglichen getreten!“ R. Rosdolsky, Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen „Kapital“, 2 Bde., Frankfurt/M. 1968, 28. Kap., Die historische Schranke des Wertgesetzes. Marx über die sozialistische Gesellschaftsordnung, 485-513, hier: 500, 503.
[53] „Die Grundrisse, 1968-70 ins Italienische übersetzt, wurden zu einer Art Lieblingsbuch der Bewegung der siebziger Jahre. Der Operaismus war in vielerlei Hinsicht ein Marxismus der Grundrisse.“ R. Bellofiore, M. Tomba, On „Storming Heaven“. Einleitung zur italienischen Ausgabe 2008 [des Buches von S. Wright, a.a.O.], dt. : http://gretl.ecn.wfu.edu/~cottrell/OPE/ archive/0808/0025.html
[54] Zur damaligen Diskussion vgl. F. Pollock, Automation. Materialien zur Beurteilung der ökonomischen und sozialen Folgen, Frankfurt/M. 1956. Über den Automatisierungsgrad knapp zwei Jahrzehnte später, unmittelbar vor dem Beginn der digitalen Revolution seit den 1980er Jahren, berichtet: Projektgruppe Automation und Qualifikation, Automation in der BRD, Das Argument, Sonderband 7, Berlin 1975 und Folgebände. In der DDR und anderen sozialistischen Ländern wurde diese Thematik etwa gleichzeitig in einem umfassenderen Kontext als „wissenschaftlich-technische Revolution“ (WTR) interpretiert. Vgl. einführend R. Richta u.a. (Richta-Report), Politische Ökonomie des 20. Jahrhunderts, Frankfurt/M. 1971, und: J. Kuczynski, Vier Revolutionen der Produktivkräfte. Theorie und Vergleiche, Berlin/DDR 1975. Hierzu, speziell im Verhältnis zum „Maschinenfragment“ vgl. Teil II dieses Beitrags.
[55] Darunter „Dr. Ure, der Pindar der automatischen Fabrik“, MEW 23, 441.
[56] „Andrerseits, was viel wichtiger für uns ist, zeigt unsre Methode die Punkte, wo die historische Betrachtung hereintreten muß oder wo die bürgerliche Ökonomie als bloß historische Gestalt des Produktionsprozesses über sich hinausweist auf frühre historische Weisen der Produktion … Ebenso führt diese richtige Betrachtung andrerseits zu Punkten, an denen die Aufhebung der gegenwärtigen Gestalt der Produktionsverhältnisse – und so foreshadowing der Zukunft, werdende Bewegung sich andeutet. Erscheinen einerseits die vorbürgerlichen Phasen als nur historische, i.e. aufgehobne Voraussetzungen, so die jetzigen Bedingungen der Produktion als sich selbst aufhebende und daher als historische Voraussetzungen für einen neuen Gesellschaftszustand setzende.“ MEW 42, 373.
[57] Wobei zu beachten ist, dass die Ausarbeitung der Marxschen Werttheorie in den „Grundrissen“ selbst noch weitgehend auf Ricardo beruht und dessen Arbeitswerttheorie nur in einzelnen Aspekten kritisch überschreitet.
[58] Nimmt man nur den Umfang der Kapitel 8, 10-13, Teile des 23. und 24. (hier insbes. Abschnitt 7) des „Kapital“ (Bd. 1) zusammen, so bilden die mehr oder minder dem Klassenkampf zwischen Lohnarbeit und Kapital von der Entstehung bis zur Überwindung des Kapitalismus gewidmeten Abschnitte gut die Hälfte des gesamten Textes.