Klimakrise: Industriepolitik und Kapitalinteressen

Die lange ökologische Revolution

von John Bellamy Foster
Juni 2018

[1]

Bis zum Aufstieg der Ökologiebewegung im späten zwanzigsten Jahrhundert war die Beherrschung der Natur eine weit verbreitete Metapher, die oft mit dem Fortschritt im Kapitalismus (und manchmal im Sozialismus) gleichgesetzt wurde. Sicher, diese Vorstellung, so wie sie in den (Natur)Wissenschaften verwendet wurde, war komplex. Wie Francis Bacon als der führende frühe Anhänger dieser Idee es ausdrückte: „Die Natur kann nur bezwungen werden, indem man ihr gehorcht.“ Nur wenn man die Naturgesetzte befolgt sei es deshalb möglich, die Natur auch zu beherrschen.

Nach den großen Dichtern der Romantik waren die Begründer des klassischen historischen Materialismus, Karl Marx und Friedrich Engels, während der industriellen Revolution die entschiedensten Gegner der Idee der Naturbeherrschung. Marx merkte an, Bacons Maxime kommentierend, dass im Kapitalismus die Erforschung der Natur „eigenen Gesetze nur als eine List erscheint, um sie menschlichen Bedürfnissen zu unterwerfen“, insbesondere den Zwecken der Akkumulation. Doch trotz dieser raffinierten ‚List’ kann das Kapital nie völlig die materiellen Grenzen der Natur überwinden, die sich immer wieder geltend machen – mit dem Ergebnis, dass „die Produktion sich in Widersprüchen bewegt, die stetig überwunden werden aber genauso stetig wiederkehren.“ Sein Umgang mit natürlichen Grenzen als bloße Hindernisse, die überwunden werden sollen, und nicht als tatsächliche Grenzen, verleiht dem Kapital seinen enorm dynamischen Charakter. Jedoch bedeutet die gleiche Weigerung, natürliche Grenzen anzuerkennen, dass das Kapital dazu tendiert, kritische Schwellen ökologischer Nachhaltigkeit zu überschreiten, und damit unnötige und bisweilen unumkehrbare Zerstörungen verursacht. Im Kapital wies Marx auf solche Brüche im sozial-ökologischen Stoffwechsel von Menschheit und Natur hin, die von der Akkumulation des Kapitals erzeugt werden. Und auf die Notwendigkeit, diesen Stoffwechsel durch eine nachhaltigere Beziehung zur Erde wieder herzustellen, indem man den Planeten als „boni patres familias“ (gute Familienväter) für kommende Generationen von Menschen erhält und sogar verbessert.[2]

In letzter Zeit ist diese Thematik mit der Klimakrise und der Einführung des Anthropozäns als wissenschaftlicher Klassifizierung des veränderten Verhältnisses des Menschen zum Planeten erneut relevant geworden. Das Anthropozän wird innerhalb der Wissenschaft allgemein als neue geologische Epoche definiert, die der Epoche des Holozäns der letzten 12.000 Jahre nachfolgt – ein Übergang, der seit dem Zweiten Weltkrieg durch einen ‚anthropogenen Riss’ im Erdsystem gekennzeichnet ist.[3] Nach Jahrhunderten eines Wissenschaftsverständnisses, das auf der Beherrschung der Natur beruht, haben wir nun unbestreitbar ein qualitativ neues und gefährliches Stadium erreicht, welches durch das Aufkommen von Atomwaffen und des Klimawandels gekennzeichnet ist – was der marxistische Historiker E.P. Thompson als „Exterminismus, die letzte Stufe des Imperialismus“ bezeichnete.[4]

Aus ökologischer Sicht markiert das Anthropozän – das nicht nur für die Klimakrise steht, sondern allgemein für die Überschreitung der natürlichen Grenzen des Planeten – die Notwendigkeit einer kreativeren, konstruktiveren und ko-evolutionären Beziehung zur Erde. In der ökosozialistischen Theorie erfordert dies die Rekonstitution der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit auf einer egalitäreren und nachhaltigeren Basis. Es bedarf einer langen und anhaltenden ökologischen Revolution, die sich notwendigerweise in Etappen über Jahrzehnte und Jahrhunderte erstrecken wird. Angesichts der Bedrohung der Erde als Lebensraum für Menschen – bedingt durch Klimawandel, Übersäuerung der Ozeane, Artensterben, Verlust von Süßwasser, Entwaldung, Umweltvergiftung und vieles mehr – erfordert diese Transformation eine sofortige Umkehr im Akkumulationsregime. Dies bedeutet, sich der Logik des Kapitals zu widersetzen, wann immer und wo immer es die „kreative Zerstörung“ des Planeten fördern will. Solch eine Wiederherstellung der Gesellschaft im Allgemeinen kann nicht bloß durch technologische Mittel erfolgen, sondern muss den Stoffwechsel des Menschen mit der Natur durch die Produktion und damit den gesamten Bereich der ‚sozialen metabolischen Reproduktion’ transformieren.[5]

In unserer Zeit wird dem ökologischen Marxismus oder dem Ökosozialismus – als der umfassendsten Herausforderung für die strukturelle Krise unserer Ära – die kapitalistische Ökomoderne[6] gegenübergestellt. Diese schließt an eine frühere Ideologie der Moderne an, die sich von Anfang an gegen die Vorstellung wehrte, dass das Wirtschaftswachstum mit ‚Grenzen der Natur’ konfrontiert ist. Während der Ökosozialismus darauf besteht, dass eine Revolution zur Wiederherstellung einer nachhaltigen Beziehung der Menschheit zur Erde einen Frontalangriff auf das System der Kapitalakkumulation erfordert – und dies nur durch egalitärere gesellschaftliche Verhältnisse und bewusste ko-evolutionäre Beziehungen zur Erde erreicht werden kann – verspricht der Ökomodernismus das genaue Gegenteil.[7]

Das beste aktuelle Beispiel dieser Tendenz auf der Linken in den Vereinigten Staaten ist die Sommerausgabe 2017 der Zeitschrift Jacobin mit dem Titel Earth, Wind and Fire (Erde, Wind und Feuer).[8] Nach Ansicht der Autoren in diesem Sonderheft und den damit verbundenen Arbeiten ist die Lösung des Klimawandels und anderer ökologischer Probleme in erster Linie eine von Innovationen bei der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien und erfordert keine Kritik am Prozess der Kapitalakkumulation oder des Wirtschaftswachstums daselbst.

Bemerkenswert an der Sonderausgabe von Jacobin über die Umwelt und die damit verbundenen Werke seiner Autoren und Herausgeber ist, wie weit sie von einem genuinen Sozialismus entfernt sind – sofern es dabei um eine Revolutionierung der sozialen und ökologischen Verhältnisse geht, die auf eine Welt substanzieller Gleichheit und ökologischer Nachhaltigkeit abzielt. Was uns stattdessen angeboten wird, ist eine mechanistische, techno-utopische „Lösung“ für das Klimaproblem, die das gesellschaftlich bedingte Verhältnis von Wissenschaft und Technologie genauso ignoriert, wie die menschlichen Bedürfnisse und die weitere Umwelt. Anders als der ökologische Marxismus und die radikale Ökologie im Allgemeinen stellt diese Vision einer staatlich gelenkten, technokratischen, umverteilenden Marktwirtschaft, die durch planetares Geoengineering verstärkt wird, das System der (kapitalistischen) Warenproduktion nicht grundsätzlich in Frage. Die ökologische Krise, die durch den Kapitalismus verursacht wurde, wird hier als Rechtfertigung verwendet, um alle ernsthaften ökologischen Werte beiseite zu schieben.

Der so konzipierte Sozialismus unterscheidet sich kaum vom Kapitalismus – er ist keine Bewegung, die die verallgemeinerte Warengesellschaft ersetzt, sondern eine, die mit der Grundstruktur der kapitalistischen Moderne homolog ist. Im besten Fall stellt dies eine Verkürzung der sozialistischen Vision dar, um in der liberalen politischen Arena erfolgreich zu sein. Aber die Kosten eines solchen Kompromisses mit dem Status quo sind der Verlust jeglicher Vorstellung von einer alternativen Zukunft.

Wie also sehen wir die notwendige ökologische und soziale Revolution unserer Zeit? Engels betonte im 19. Jahrhundert, das Gebot, dass die Gesellschaft sich im Einklang mit der Natur entwickeln müsse, sei die einzig genuin wissenschaftliche Sichtweise: „Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen. Es gilt dies mit Beziehung sowohl auf die Gesetze der äußern Natur, wie auf diejenigen, welche das körperliche und geistige Dasein des Menschen selbst regeln – zwei Klassen von Gesetzen, die wir höchstens in der Vorstellung, nicht aber nicht in der Wirklichkeit voneinander trennen können.“[9] Vielmehr: es gibt keine Möglichkeit, Naturnotwendigkeiten zu bemogeln.

Engels argumentierte, dass die Baconsche ‚List’ der Naturbeherrschung – den Naturgesetzen zu gehorchen mit dem einzigen Zweck, die Akkumulation des Kapitals zu fördern – sich letztendlich als zerstörerisch erweisen würde, weil dies die langfristigen Konsequenzen der Verfolgung solcher kurzfristigen Gewinne ignoriere. Im Unterschied dazu ging es beim „wissenschaftlichen Sozialismus“ nicht um den vergeblichen Versuch, die Natur zu unterwerfen, sondern vielmehr um die Förderung der menschlichen Freiheit in Übereinstimmung mit den Bedingungen, die uns die materielle Welt auferlegt.[10]

Heute hat das wachsende Bewusstsein für solche Probleme – und für die unabweisbare Abhängigkeit der Menschheit von der natürlichen Welt – Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dazu geführt, nachhaltigere Formen der Entwicklung zu erforschen, wie in der Agrarökologie, Bionik und Systemen der ökologischen Widerstandsfähigkeit. „Das übergeordnete Ziel einer ökologischen Gesellschaft“, schreiben Fred Magdoff und Chris Williams, „besteht darin, die langfristige Gesundheit der Biosphäre zu erhalten und gleichzeitig menschlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.“[11] Dies ist keine unmögliche Aufgabe, aber sie erfordert die Entwicklung der Wissenschaft auf einer höheren Ebene. Also eine, die sich nicht nur mit mechanistischer Manipulation der Erde und ihrer Bewohner für privaten Gewinn befasst, sondern auf dem Verständnis und der Sorge für die komplexen Kollektive beruht, die lebende Systeme und menschliches Leben selbst ausmachen. Dies erfordert eine ökologische Planung. Die ist aber nur dann möglich, wenn sich auch die gesellschaftlichen Verhältnisse verändern – indem ‚Freiheit’ so neu definiert wird, dass dies Bedürfnisse einschließt, die tiefer und breiter angelegt sind, als solche, die den individuellen Eigennutz in einer Warenwirtschaft verfolgen.

Das bedeutet, dass wir uns nicht vor der Klimakrise – wie katastrophal auch immer ihre wahrscheinlichen Folgen sein mögen – wegducken müssen, indem wir die gleichen Einstellungen zum Verhältnis ‚Natur- Mensch’ beibehalten, die die gegenwärtigen beispiellosen Bedrohungen der menschlichen Zivilisation hervorgebracht haben. Entlang dieser Linie wäre unser Schicksal schon besiegelt. Wir können den langfristigen ökologischen Folgen der kapitalistischen Entwicklung nicht entkommen durch den faustischen Pakt, immer mehr Atomkraftwerke auf der ganzen Welt zu bauen, oder indem wir rücksichtslos Schwefelpartikel in die Atmosphäre injizieren – alles zum Zwecke der ungeheuer wachsenden Warenwirtschaft und der Kapitalakkumulation. Abgesehen davon, dass diese aus technischen und wirtschaftlichen Gründen unrealisierbar sind, müssen solche Pläne wegen der immensen, unvorhergesehenen Auswirkungen, die unweigerlich eintreten würden, abgelehnt werden. Für die CCS-Technologie[12] als primäre Lösung für die Klimakrise zu argumentieren (es steht außer Frage, dass eine solche Technologie begrenzt eine positive Rolle spielen könnte), bedeutet zum Beispiel, dafür zu werben, dass diesen Anlagen ein immenser Anteil an Ressourcen gewidmet wird, in einer Größenordnung, die jenen für die gesamte bestehende Energieinfrastruktur der Welt gleich kommt, mit allen möglichen zusätzlichen ökologischen und sozialen Kosten und Folgen.[13]

Es gibt bessere und schnellere Wege, die Klimakrise durch eine Revolutionierung der gesellschaftlichen Verhältnisse anzugehen. Darüber hinaus ist jeder angeblich sozialistische Ansatz zur Lösung der Umweltprobleme mit einem Mangel an Courage behaftet, der sich nur auf den Klimawandel konzentriert, dabei die Existenz anderer planetarischer Grenzen ignoriert oder sogar ablehnt, und ansonsten auf rein technologische Lösungen setzt. Dies ist eine Weigerung, sich einem neuen, weiteren Bereich der Freiheit zu öffnen, um der Herausforderung zu begegnen, die uns die historische Realität heute auferlegt.[14] Die Menschheit kann sich im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht weiter entwickeln, ohne sich mehr kollektive und nachhaltige Formen der Produktion und des Konsums im Einklang mit biosphärischen Realitäten zu eigen zu machen.

Hier ist es wichtig zu erkennen, dass der heutige Monopolfinanzkapitalismus ein System ist, das auf Verschwendung aufgebaut ist. Der größere Teil der Produktion wird auf negative (oder spezifisch kapitalistische) Gebrauchswerte vergeudet, in Form von Militär- und Marketingausgaben und die in jedes Produkt, einschließlich ihrem eingeplanten Verfallsdatum, eingebauten Ineffizienzen. Der Konsum von immer sinnloseren und destruktiven „Gütern“ wird als Ersatz für alles angeboten, was die Menschen wirklich wollen und brauchen.[15] Wie der marxistische Ökonom Paul A. Baran schrieb: „Menschen, die von der Kultur des Monopolkapitalismus durchdrungen sind, wollen nicht, was sie brauchen und brauchen nicht, was sie wollen.“[16] Abgesehen von den bloßen physischen Notwendigkeiten wie Nahrung, Unterkunft, Kleidung, sauberem Wasser, sauberer Luft usw. gehören dazu Liebe, Familie, Gemeinschaft, sinnvolle Arbeit, Bildung, kulturelles Leben, Zugang zur natürlichen Umwelt und die freie und gleichberechtigte Entwicklung jeder Person. Die kapitalistische Ordnung begrenzt oder verdreht all dies drastisch, indem sie eine künstliche Verknappung bei lebensnotwendigen Gütern schafft, um ein triebhaftes Verlangen nach unwesentlichen Dingen zu erzeugen – alles zum Zweck größerer Profitabilität und der Polarisierung von Einkommen und Reichtum. Allein die Vereinigten Staaten geben derzeit jährlich mehr als eine Billion Dollar für Militär und Marketing aus – letzteres zielt darauf ab, Menschen dazu zu bringen, Dinge zu kaufen, die sie sonst nicht kaufen würden.[17]

Es besteht kein Zweifel, dass die gegenwärtige planetare ökologische Krise technologischen Wandel und Innovation erfordert. Verbesserungen bei der Nutzung von Sonnen- und Windenergie und andere Alternativen zu fossilen Brennstoffen sind ein wichtiger Teil des ökologischen Ausgleichs. Es ist jedoch nicht wahr, dass alle Technologien, die benötigt werden, um den planetaren Notstand zu bewältigen, neu sind, oder dass technologische Entwicklung allein die Antwort ist. Trotz der Wunder intelligenter Maschinen gibt es keine Lösung für die globale ökologische Krise als Ganzes, die mit den kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen vereinbar ist. Jegliche ökologische Verteidigungslinie, die in der Gegenwart errichtet wird, muss sich gegen die Logik der Kapitalakkumulation richten. Ebenso wenig kann ein Eingreifen des Staates, der als eine Art gesamtgesellschaftlicher Kapitalist fungiert, den Ausschlag geben. Vielmehr würde eine den Bedürfnissen der Welt angemessene lange ökologische Revolution bedeuten, den menschlich-gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur zu verändern und der Entfremdung von Natur und menschlicher Arbeit im Kapitalismus entgegenzuwirken. Vor allem müssen wir uns darum kümmern, die ökologischen Grundlagen für zukünftige Generationen zu erhalten – genau dies ist Nachhaltigkeit.

Von diesem Standpunkt aus kann eine Vielzahl von Dingen jetzt getan werden, wenn sich die Menschheit mobilisiert, um eine ökologische Gesellschaft zu schaffen.[18] Angesichts der enormen Verschwendung, die dem Regime des Monopol-Finanzkapitals innewohnt und in die Struktur der Produktion eingedrungen ist, ist es möglich, Formen der revolutionären Umwelterhaltung zu implementieren, die sowohl den Bereich der menschlichen Freiheit erweitern als auch eine schnelle Anpassung an die durch die Krise des Erdsystems bedingte Notwendigkeit ermöglichen. Es ist weitaus effizienter und praktikabler, die CO2-Emissionen drastisch zu senken, als dies durch den Aufbau einer globalisierten CCS-Infrastruktur der Fall wäre, die von ihrer Größenordnung her mit der aktuellen Energieinfrastruktur der Welt konkurrieren oder diese übertreffen würde. Es wäre viel vernünftiger, einen schnellen, revolutionären Ausstieg aus den CO2-Emissionen durchzuführen, statt zu riskieren, neue Bedrohungen für die Vielfalt des Lebens und der menschlichen Zivilisation durch planetares Geoengineering zu verursachen.

Der ökologische Marxismus bietet in vielfältiger Weise eine Öffnung der menschlichen Freiheit und Kreativität und ruft die Menschheit als Ganzes auf, ihre Welt auf ökologischen Grundlagen im Einklang mit der Erde selbst wieder aufzubauen. Versprechen einer globalen technologischen Reparatur der Umwelt – die unsinniger wird, wenn man über den Klimawandel hinaus auf die zahlreichen planetarischen Grenzen blickt, die von der kapitalistischen „Bezwingung der Natur“ bedroht sind – kann nur zu Elitepolitik und Elitenmanagement führen. Es ist die ultimative Hybris, der letzte Aufruf zur menschlichen Beherrschung der Natur als Mittel der Klassenherrschaft. Solche prometheischen Ansichten zielen darauf ab, die Realität der gegenwärtigen sozialen und ökologischen Krise zu leugnen, nämlich dass revolutionäre Veränderungen in den bestehenden Produktionsverhältnissen unvermeidlich sind. Modernisierung der Produktivkräfte ist nicht genug; wichtiger ist es, die Voraussetzungen für eine nachhaltige menschliche Entwicklung zu schaffen. Aus indigenen und traditionellen Formen der Landarbeit kann viel gelernt werden: Weil sich die menschliche Gesellschaft im Kapitalismus von der Erde entfremdet hat, bieten weniger entfremdete Gesellschaften entscheidende Einblicke in die Praxis einer nachhaltigeren Existenz.

Kritiker sowohl von links als auch rechts könnten antworten, dass es für eine ökologische Revolution „zu spät“ ist. Die Antwort darauf, wie Magdoff und Williams eloquent darlegen, lautet: „Zu spät für was? Für eine bessere Welt zu kämpfen heißt, die Welt so zu nehmen, wie sie ist, und daran zu arbeiten, sie umzugestalten. Obwohl die ökologischen und politischen Bedingungen und Trends in vielerlei Hinsicht ziemlich verzweifelt sind, sind wir nicht dazu verurteilt, die Umwelt oder unsere gesellschaftlichen Verhältnisse weiter zu verschlechtern .... Ein gewisses Maß an globaler Erwärmung wird sich fortsetzen, ungeachtet dessen, was wir mit all seinen negativen Nebenwirkungen tun .... Wir können jedoch die Talfahrt zu einer noch stärker degradierten Erde stoppen, die an Arten und der Gesundheit der verbleibenden Arten ärmer wird. Wir können die enorme Menge an verfügbaren menschlichen und materiellen Ressourcen nutzen, um die Wirtschaft zum Nutzen aller Menschen neu auszurichten. Eine ökologische Gesellschaft wird es uns erlauben, all das zu tun, was derzeit nicht möglich ist, und was der Kapitalismus stets nicht erreichen konnte: allen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihr volles Potenzial zu entfalten.“[19]

Aber um diese Dinge zu erreichen, müssen wir mit dem „business as usual“, also mit der gegenwärtigen Logik des Kapitals, brechen und eine völlig andere Logik einführen, die auf die Schaffung eines grundlegend anderen ‚sozialen metabolischen Systems der Reproduktion’ abzielt. Jahrhunderte der Entfremdung von Natur und menschlicher Arbeit zu überwinden, einschließlich der Behandlung der globalen Umwelt und der meisten Menschen – gespalten durch Klasse, Geschlecht, Rasse und ethnische Zugehörigkeit – als bloße Objekte der Beherrschung, Enteignung und Ausbeutung, erfordern nichts weniger als eine lange ökologische Revolution, die notwendigerweise Siege, Niederlagen und immer wieder neue Anstrengungen beinhalten wird, die sich über Jahrhunderte hinziehen. Es ist jedoch ein revolutionärer Kampf, der jetzt mit einer weltweiten Bewegung hin zum Ökosozialismus beginnen muss – einer, der von Anfang an in der Lage ist, dem Kapital Grenzen zu setzen. Diese Revolte wird unweigerlich ihren Hauptantrieb in einem ‚ökologischen Proletariat’ finden, das aus der Konvergenz von ökonomischen und ökologischen Krisen und dem kollektiven Widerstand der arbeitenden Gemeinschaften und Kulturen besteht – eine neu entstehende Realität, die sich gerade im globalen Süden abzeichnet.[20]

In der langen ökologischen Revolution vor uns wird die Welt notwendigerweise von einem irdischen Kampf zum nächsten schreiten. Wenn das Aufkommen des Anthropozäns uns etwas sagt, dann ist es, dass die Menschheit durch ein engstirniges Streben nach ökonomischem Gewinn, der nur Wenigen zugutekommt, in der Lage ist, einen tödlichen Riss in den biogeochemischen Kreisläufen des Planeten zu erzeugen. Es ist daher an der Zeit, einen anderen Weg einzuschlagen: einen Weg der nachhaltigen menschlichen Entwicklung. Dies ist der ganze Sinn der Revolution in unserer Zeit.

Übersetzung: Klaus Dräger

[1] Dieser Text ist eine stark gekürzte Version des Artikels von John Bellamy Foster, The long ecological revolution, Monthly Review, Volume 69, Issue 6, November 2017. Der vollständige Text ist im Internet abrufbar unter https://monthlyreview.org/2017/11/01/the-long-ecological-revolution/. Wir danken der Redaktion von Monthly Review und dem Autor für die freundliche Genehmigung, eine gekürzte deutschsprachige Übersetzung des Artikels zu veröffentlichen. Vgl. auch: John Bellamy Foster im Gespräch mit Christian Stache, „Ein unheilbarer Riss im Stoffwechsel zwischen Natur und Gesellschaft“, in: Z 108 (Dezember 2016), S. 167-177.

[2] Karl Marx, Das Kapital, Dritter Band, MEW 25, S. 784; John Bellamy Foster, Marx’s Ecology, New York 2000.

[3] Clive Hamilton and Jacques Grinevald, „Was the Anthropocene Anticipated?” Anthropocene Review3, no. 1 (2015): 67; Ian Angus, Facing the Anthropocene, New York 2016.

[4] E. P. Thompson, Beyond the Cold War, New York 1982, 41–80; Rudolf Bahro, Avoiding Social and Ecological Disaster, Bath 1994, 19.

[5] Zu den allgemeinen theoretischen Implikationen zur Frage der Beziehung zwischen gesellschaftlichen Verhältnissen und den Produktivkräften und der Verbindung zu jüngeren Auseinandersetzungen in der Marxschen Theorie, siehe John Bellamy Foster, Harry Magdoff, and Robert W. McChesney, „Socialism: A Time to Retreat?” Monthly Review 52, no. 4 (September 2000): 1–7. Das Konzept der „sozialen metabolischen Reproduktion“ (metabolisch = stoffwechselbedingt) ist von zentraler Bedeutung für das Werk von István Mészáros, beginnend mit seinem Beyond Capital, London/New York, 1995.

[6] Im europäischen Diskurs – von Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen bis zur Linken – besser bekannt als ‚ökologische Modernisierung’ in diesem Sinne. (Anm. des Übersetzers).

[7] Die Idee einer langen ökologischen Revolution knüpft an Raymond Williams frühere Vorstellung einer „langen Revolution“ an. Für Williams war kultureller und ökologischer Materialismus immer miteinander verflochten, was die lange Konvergenz der romantischen und marxistischen Traditionen widerspiegelt. Siehe Williams, The Long Revolution (New York: Columbia University Press, 1961) und Politics and Letters (London: New Left, 1979).

[8] Siehe hier: https://www.jacobinmag.com/issue/earth-wind-and-fire. (Anm. des Übersetzers). Die ausführliche Auseinandersetzung des Autors mit den Konzepten und Schriften der AutorInnen dieser Sondernummer von Jacobin mussten wir aus Platzgründen weglassen.

[9] Friedrich Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, MEW 20, S. 106.

[10] Friedrich Engels, Dialektik der Natur, MEW 20, S. 453 – 455.

[11] Fred Magdoff and Chris Williams, Creating an Ecological Society, New York 2017, 247.

[12] Die CCS (Carbon Capture and Storage)-Technologie will CO2 unterirdisch lagern, um eine weitere Belastung der Atmosphäre zu vermeiden.

[13] Die CO2-Abscheidungstechnologie ist höchstwahrscheinlich effektiv in Form von Bioenergiegewinnung aus Biomasse mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS-Technologie).

[14] Die Auffassung von Freiheit als Anerkennung der Notwendigkeit ist für die marxistische Theorie grundlegend. Sie wurde erstmals in Hegels Logik eingeführt und von Engels im Anti-Dühring in die materialistische Geschichtsauffassung eingearbeitet. Friedrich Engels, MEW 20, S. 105-06.

[15] John Bellamy Foster, „The Ecology of Marxian Political Economy,” Monthly Review 63, no. 4 (September 2011): 1–16.

[16] Paul A. Baran, The Longer View, New York 1969, 30.

[17] Zu den Militärausgaben siehe John Bellamy Foster, Hannah Holleman und Robert W. McChesney, „The U.S. Imperial Triangle and Military Spending,” Monthly Review 60, no. 5 (October 2008): 1–19. Zum Marketing, siehe Michael Dawson, The Consumer Trap (Urbana: University of Illinois Press, 2005), 1. Die Gesamtausgaben für Militär und Marketing haben in den Jahren seit der Veröffentlichung dieser Schriften massiv zugenommen.

[18] Über die Möglichkeiten einer ökologischen Revolution, siehe Fred Magdoff and John Bellamy Foster, What Every Environmentalist Needs to Know About Capitalism, New York 2011, 124–33; Magdoff and Williams, Creating an Ecological Society, 283–329.

[19] Magdoff and Williams, Creating an Ecological Society, 309–10.

[20] Zum Konzept des „ökologischen Proletariats”, siehe John Bellamy Foster, Brett Clark, and Richard York, The Ecological Rift, New York 2010, 398–99, 440–41.

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