Die geplante Übernahme der Traditionssupermarktkette Kaiser‘s Tengelmann (KT) durch die Edeka-Gruppe wirft ein Schlaglicht auf die Folgen der sich seit Jahren vollziehenden Zentralisierung im Lebensmitteleinzelhandel.[1] Die Branche wird bereits jetzt von fünf Konzernen beherrscht: Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe, Aldi und die Metro-Gruppe teilen sich über 80 Prozent des Geschäfts (Bundeskartellamt 2016; Monopolkommission 2011: 359.[2] Unangefochtener Spitzenreiter ist dabei die Edeka-Gruppe mit einem Umsatz von gegenwärtig fast 50 Milliarden Euro pro Jahr. Es folgt der Rewe-Konzern mit 38 Milliarden Euro (Neuer 2016; Zaremba 2016). Mit der Übernahme der etwa 400 KT-Märkte wollte Edeka seine Position weiter ausbauen. Doch so weit kam es nicht. Mitte Oktober 2016 kündigte die Tengelmann Gruppe, zu der KT gehört, die Zerschlagung der Supermarktkette an. Die vollständigen Konsequenzen für die etwa 15.000 überwiegend tarifgebundenen Beschäftigten sind noch nicht absehbar. Schätzungen zufolge dürften mindestens 8.000 von ihnen ihre Jobs verlieren.
Der deutsche Einzelhandel ist hochgradig konzentriert und vermachtet; man kann hier von einem anhaltenden Monopolisierungsprozess sprechen.[3] Diese Entwicklung ist nicht nur ökonomisch und machtsoziologisch von herausragender Bedeutung. Sie berührt ebenfalls das deutsche Sozialmodell. Denn, so unsere leitende These, Monopolisierung und Prekarisierung gehen im Einzelhandel Hand in Hand. Unter der Bedingung eher stagnierender Umsätze werden Verdrängungskämpfe auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.
Diesen Gedanken wollen wir im Weiteren plausibilisieren. Zunächst werden wir zentrale Ursachendiagnosen vorstellen, die in den Sozialwissenschaften entwickelt wurden, um die Ausbreitung prekärer Arbeits- und Lebensverhältnisse zu erklären. Ergänzend dazu skizzieren wir unsere eigene These. Daran anknüpfend werden wir zunächst Konzentrationsprozesse im Einzelhandel und deren Gründe umreißen. Auf dieser Grundlage werden wir in aller gebotenen Kürze diskutieren, weshalb und wie dies zur Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse beiträgt.
1. Ursachen und Triebkräfte der Prekarisierung – eine Debatte
Prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten rasant ausgebreitet. Umstritten ist lediglich, wie sich die Klassenstrukturierung infolgedessen verändert, welche (interessen-) politischen Potenziale/Gefahren (Stichwort Rechts- und Linkspopulismus) entstehen und worauf Prekarisierungsschübe eigentlich zurückzuführen sind.
Pierre Bourdieu, der für die deutsche Prekarisierungsforschung zu einem einflussreichen Stichwortgeber werden sollte, sah ihre Ursache im Aufstieg des Neoliberalismus. Schillernd sprach er von einer fleischgewordenen Höllenmaschine, die Arbeitsmärkte dereguliert und den Sozialstaat umbaut. In der Bundesrepublik, so kann man hinzufügen, arbeiten in deren Maschinenraum vier Mannschaften: Die CDU und FDP besorgten eine langsame neoliberale Wende, die die 1980er und den größeren Teil der 1990er Jahre umfasste; die SPD und die Grünen setzten dann Anfang der 2000er Jahre Sozialstaatsreformen um, die sich die Kohlregierungen selbst kaum zugetraut hätten (Goes 2016, 75f.). Ein starker Staatsinterventionismus öffnete neue Spielräume für die Unternehmen (Bourdieu 1998a, 1998b).
Bourdieu war sich bewusst, dass diese Spielräume auch von den Unternehmen genutzt werden mussten. Dementsprechend richtete er den Blick auch auf deren Flexibilisierungsstrategien. Systematisch hat dies Klaus Dörre erforscht. Dörre stellt in seinen Arbeiten einen starken Zusammenhang zwischen Prekarisierung auf der einen und der Durchsetzung eines finanzmarktgetriebenen und flexiblen Kapitalismusmodells auf der anderen Seite her (Dörre 2003, 16-18). Es sind zunehmend kurzfristige Renditeerwartungen, so lässt sich die Diagnose zusammenfassen, die das Managementhandeln antreiben. Die Art und Weise, wie die Kapitalakkumulation gesteuert wird, verändert sich. Das hat Konsequenzen für die Personalpolitiken in den Unternehmen. Die Beschäftigten werden demnach nun zur manageriellen Restgröße, auf deren Rücken höhere Renditen erwirtschaftet werden sollen (Dörre 2003, 20-24). In Anlehnung an Bourdieu sieht Dörre in der Arbeitsgesellschaft ein „marktzentriertes Disziplinarregime“ entstehen, in dem Beschäftigte permanent mit den Risiken der Arbeits- und Absatzmärkte konfrontiert werden (Dörre 2009, 62-63).
Eine weitere Ursachendiagnose für die Prekarisierung der Arbeitsgesellschaft liefert Oliver Nachtwey in seinem Buch „Die Abstiegsgesellschaft“. Vor allem nach 1973 begann der bis heute andauernde Niedergang der „westlichen Ökonomien“, es entstand ein „Postwachstumskapitalismus“ (Nachtwey 2016, 43ff.). „Mit der Dauerschwäche der Wirtschaft schwanden die Ressourcen und der Wille zur sozialen Integration“ (ebd. 11). Im Zuge der nun einsetzenden regressiven Modernisierung wurden neue „Markt- und Wettbewerbsmechanismen“ implementiert (ebd.). Die ökonomischen Ungleichheiten nahmen zu. Das in den vergangenen Jahrzehnten erreichte Maß an sozialer und demokratischer Teilhabe (ebd., S. 75f) wurde zurückgedrängt. Es nahmen damit aber nicht nur die sozialen Ungleichheiten drastisch zu, sondern auch die politisch flankierten und bewusst herbeigeführten „Erschütterungen der Arbeitsverhältnisse“ (ebd. 137). Sie beschleunigten die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses und verstärkten den Prozess der Prekarisierung (ebd. 136ff). Letztlich sind es die Krise der Profitabilität und die daraus folgenden Wachstumsprobleme, die – wie komplex vermittelt auch immer – bei der Prekarisierung Pate stehen.
Jede dieser Diagnosen trifft eine zentrale Ursache der Prekarisierung. Ohne die Deregulierung und Neuausrichtung der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik würde den Unternehmen der entscheidende Handlungsspielraum fehlen, um betriebliche Flexibilisierungsregime ins Werk zu setzen, die auf Befristungen, Leiharbeit oder Teilzeitarbeitsverhältnissen fußen. Das gilt auch für den deutschen Einzelhandel. Insofern sich im geltenden Recht gesellschaftliche (Klassen-) Kräfteverhältnisse verdichten, wurde so mehr Kapitalmacht ermöglicht.
Der Hinweis auf die sinkende Profitabilität sowie die daraus folgenden Wachstumsschwierigkeiten einerseits, auf die Bedeutung finanzmarktgetriebener und flexibler Akkumulation andererseits rücken den Zusammenhang zwischen makroökonomischen Verwertungsbedingungen, Unternehmensstrategien und deren sozialen Folgen in den Mittelpunkt. Prekarisierungsprozesse können insofern nicht einfach aus Elitengier und mächtiger Lobbypolitik erklärt werden (zwei Momente, die gleichwohl wichtig sind), sondern müssen im Zusammenhang mit systemischen Verwertungskrisen und der Neuausrichtung einzelunternehmerischer Akkumulation bzw. gesellschaftlicher Akkumulationsregime betrachtet werden.
Wir wollen an diese Diagnosen anknüpfen. Der sozialstaatliche Umbau wird im Weiteren stillschweigend vorausgesetzt. Auch wir führen Prekarisierung systemisch auf die Akkumulation des Kapitals zurück. Allerdings ist es unseres Erachtens die normale erweiterte Reproduktion des Kapitals durch Mehrwertanhäufung (Marx 1986, 605f.; Mandel 1974, 43f.), die unter Bedingungen eher stagnierender Absatzmärkte stattfindet, durch die Prekarisierungsprozesse vorangetrieben werden. Im deutschen Einzelhandel, einer Branche mit über drei Millionen Beschäftigten, führt die weitere Kapitalakkumulation, in deren Verlauf einzelne Kapitale wachsen und expandieren, andere hingegen verschwinden, zu Verdrängung und Monopolisierung. Leidtragende dieses Verdrängungswettbewerbs sind nicht zuletzt die Beschäftigten. Anreiz für die Monopolisierung wie für die Prekarisierung bietet das nur langsame Wachstum der Absatzmärkte in der Branche. Wenn man so will: Die Ausweitung der Kampfzonen auf den Märkten schadet insbesondere den Belegschaften, weil sie für den kostspieligen Überlebenskampf die Zeche zahlen. Die Ausweitung der Verkaufsflächen und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten deuten auf gestiegene Arbeitsbelastungen bzw. Flexibilitätszumutungen hin, die stumme Seite der Prekarisierung. Zugleich entwickelte sich ein enormer Niedriglohnsektor, zu dem rund ein Drittel aller Beschäftigten der Branche gezählt werden müssen. Zum Vergleich: Nach Daten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung arbeiteten 2013 im bundesdeutschen Durchschnitt rund 24 Prozent aller Beschäftigten zu Niedriglöhnen.
2. Monopolisierungstendenzen: Konzentration im deutschen Einzelhandel
Kommen wir zum Ausgangspunkt zurück. Dass sich ein mittelgroßer Einzelhändler wie Kaiser‘s Tengelmann nicht mehr am Markt halten kann, ist kein Einzelfall. Der deutsche Einzelhandel mit einem Umsatz von annähernd 500 Milliarden (2015) (EHI retail institute 2016) befindet sich seit Jahren in einem harten Verdrängungs- oder Vernichtungswettbewerb. Wachstum findet vor allem auf Kosten der Konkurrenz statt. Kleineren Anbietern gelingt es immer weniger, sich gegen die Marktmacht der Großen durchzusetzen. In kaum einer anderen Branche hat es in den vergangenen Jahren so viele spektakuläre Insolvenzen, Übernahmen und Betriebsschließungen gegeben wie im Einzelhandel. Eine kleine Übersicht aus den vergangenen acht Jahren hilft dies zu verdeutlichen (vgl. Tab. 1).
Tab. 1: Größere Insolvenzen und Übernahmen im deutschen Einzelhandel 2010-2016
Tabelle siehe PDF !
(Eigene Recherchen, Wikipedia)
Die Zahl der steuerpflichtigen Unternehmen im Einzelhandel ist seit Jahren rückläufig. Zwischen 2005 und 2010 fiel sie um neun Prozent. Zeitgleich wuchs die Anzahl der Unternehmen mit Umsätzen über zehn Millionen Euro um fast 60 Prozent (Nitt-Drießelmann 2013, 14).
Dieser Rückgang geht mit wachsenden durchschnittlichen Umsatzgrößen je Unternehmen einher. 2010 erzielte etwa ein Prozent der 3.296 Unternehmen mit Umsätzen von mehr als zehn Millionen Euro 63 Prozent der Gesamtumsätze, wobei allein 224 Unternehmen mit Umsätzen von mehr als 250 Millionen Euro jährlich 44 Prozent des Gesamtumsatzes auf sich vereinigten. Am Ende der Skala standen die fast 40 Prozent der Unternehmen, die weniger als 100.000 Euro jährlich umsetzen. Deren Anteil am Gesamtumsatz betrug 1,5 Prozent (Nitt-Drießelmann 2013, 15).
Überlagert wird diese Entwicklung von einer ständigen Reorganisierung oder Umstrukturierung der Unternehmen und Betriebe, bei der sich Vertriebsformate, Marktanteile und Standorte schnell verschieben und neue Akteure zu Marktführern aufsteigen, während ehemals etablierte Anbieter rasch an Bedeutung einbüßen (Glaubitz 2012: 3). Noch in den 1980er Jahren waren die drei umsatzstärksten Konzerne der Branche mit Karstadt, Kaufhof und Hertie allesamt Warenhauskonzerne. Heute sind es mit Edeka, Rewe und Schwarz Lebensmitteleinzelhändler (Glaubitz 2015). Die Krise der Warenhäuser wurde nicht zuletzt durch das Wachstum der aufkommenden Shoppingcenter und SB-Warenhäuser begleitet. Discounter setzen mit ihrer Preispolitik seit Jahren Supermärkte unter Druck. Währenddessen mussten Elektrodiscounter wie Media-Markt oder Saturn (beide gehören zur Metro-Gruppe), die noch in den 1990er Jahren den mittelständischen Elektrofachhandel niederkonkurrierten, selber inzwischen große Marktanteile an neue Internethändler wie notebooksbilliger.de abgeben.
Lebensmitteleinzelhandel
Besonders ausgeprägt ist der Konzentrations- und Zentralisierungsprozess im Lebensmitteleinzelhandel, der mit einem Jahresumsatzanteil von etwa 50 Prozent größten Teilbranche des Einzelhandels. 2014 veröffentlichte das Bundeskartellamt eine groß angelegte Untersuchung zu den dortigen Machtverhältnissen (Bundeskartellamt 2014): Edeka, Rewe, der Schwarz Gruppe und Aldi sei es in den vergangenen 30 Jahren gelungen, eine Vielzahl von ehemals bekannten Konkurrenten zu übernehmen. Im Jahr 1999 hat es noch acht große Anbieter[4] gegeben, die gemeinsam über 70 Prozent der Umsätze auf sich vereinten. Durch die Übernahme von Spar und eines wesentlichen Teilen der Plus-Märkte durch Edeka und das Ausscheiden von Walmart aus dem deutschen Markt wurde diese Zahl verkleinert. Die wahrscheinliche Zerschlagung der verbleibenden über 400 Märkte von Kaiser‘s Tengelmann hat die Gruppe der Großen vollends auf fünf reduziert. Im Jahr 2003 entfiel auf die fünf größten Lebensmittelkonzerne ein Marktanteil von 61 Prozent, 2007 liegt der Anteil der fünf größten Unternehmen am Umsatz bei 70 Prozent (Kädtler/Kalkowsky 2008), 2010 etwa bei 75 Prozent und 2015 bei über 80 Prozent (Bundeskartellamt 2016; Monopolkommission 2011: 359).
Spitzenreiter ist die Edeka-Gruppe, zu der neben den Edeka-Regionalgesellschaften auch die Discounterkette Netto gehört. Sie erzielte 2014 allein im Lebensmittelgeschäft einen Umsatz von 47,0 Milliarden Euro. Es folgt mit einem Lebensmittel-Umsatz von 27,6 Euro die Rewe-Gruppe (u.a. Rewe-Supermärkte und Penny) und die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) mit 27,7 Euro.
Tab. 2: Top 5 Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland 2014
Tabelle siehe PDF!
Quelle: Lebensmittelzeitung.de 2015 (Geringfügige Differenzen zu den Angaben der Monopolkommission in FN 2 aufgrund unterschiedlicher Berechnungen des Inlands-Gesamtumsatzes.)
Laut Bundeskartellamt hat es im Lebensmitteleinzelhandel seit 1999 insgesamt mehr als 120 Fusionskontrollverfahren gegeben. An jedem war mindestens eines der drei Unternehmen Edeka, Schwarz-Gruppe und Rewe beteiligt.
Textilhandel
Im deutschen Textilhandel ist die Zentralisierung noch nicht so weit vorgeschritten, wie in anderen Teilbereichen der Branche. In einer von ver.di NRW veröffentlichen aktuellen Branchenanalyse werden 15 Unternehmen genannt, die das Gros des Marktes unter sich aufteilen (ver.di-NRW 2016a). Marktführer ist die Otto-Gruppe mit einem Umsatz von 4,23 Milliarden Euro, gefolgt von H&M, C&A und der Metro-Gruppe. Gleichwohl hat sich der Verdrängungswettbewerb in den vergangenen Jahren auch hier verschärft. Als Grund wird die zunehmende Dominanz internationaler Modeketten genannt – wie H&M oder der spanische Inditex Kozern, zu dem Zara gehört. Dazu wird auf die Konkurrenz von Modediscountern wie KiK oder Primark sowie den Online-Boom verwiesen. Wie schnell sich auch hier der Strukturwandel vollzieht, zeigt der Berliner Online-Händler Zalando: Binnen sechs Jahren hat sich das Unternehmen am Markt neben Amazon als erfolgreicher Online-Textilhändler etabliert. Folge dieser Entwicklungen ist, dass sich die Zahl der kleinen Modehäuser und Boutiquen in den vergangenen 15 Jahren halbiert hat (ver.di-nrw 2016a).
Bau- und Heimwerkermärkte
Auch bei den Bau- und Heimwerkermärkten schreitet der Konzentrationsprozess langsam voran In diesem Segment können sich noch einige regionale Anbieter behaupten, wenngleich sich die Zahl der Märkte seit 2006 kontinuierlich verringert. Die Top drei sind, gemessen am Umsatz, Obi (Tengelmann-Gruppe; 3,91 Mrd. Euro), Bauhaus (3,5 Mrd.) sowie mit einigem Abstand Toom (Rewe-Gruppe, 2,6 Mrd.). Trotzdem gibt es auch hier einen aggressiven Preiswettbewerb. Die Insolvenz der damaligen Nummer 2 der Branche, Praktiker/Max Bahr 2013 hat dies eindringlich vor Augen geführt (ver.di-nrw 2016b).
3. Ausweitung der Kampfzonen: Konkurrenzdruck in
stagnierendem Markt
Doch was sind die Gründe für die Monopolisierungstendenzen? Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre ist eine massive Zunahme des Wettbewerbs zu verzeichnen, die vornehmlich mit dem Aufstieg der Dicounter-Märkte und deren harter Preispolitik erklärt wird. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer langsamen Sättigung des Marktes, die ihren Ausdruck in fast über zwei Jahrzehnte stagnierenden Umsätzen[5] findet.
Seit dem Ende des Nachwendebooms im Jahr 1992 verzeichnete der deutsche Einzelhandel stagnierende, in einigen Jahren leicht fallende Umsätze. Abb.1 zeigt die Nettoumsatzentwicklung für die Jahre 2000 bis 2015. Auch hier ist eine Umsatzstagnation zu erkennen. Zwischen 2000 und 2010 hat sich die Wirtschaftsleistung sogar um 0,9 Prozentpunkte verringert. Die Umsatzentwicklung zu realen Preise, der so genannte Mengenumsatz, ist für diese Zeit noch niedriger.
Die Gründe für die lange Zeit stagnierende Umsatzentwicklung sind vielfältig. Als auf den Binnenmarkt ausgerichtete Branche ist der Einzelhandel „in die Gesellschaft und deren Veränderungen eingebettet“ (Wirth 2016, 15) und somit von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Wichtig in diesem Zusammenhang sind sicherlich die zunehmende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen, die zumindest bis 2010 andauernde relative Reallohnstagnation und die Zunahme der Konsumausgaben für einzelhandelsunabhängige Bereiche wie Wohnraum (Nitt-Drießelmann 2013, 25). Seit Anfang der 1990er Jahre sanken die Nettoreallöhne über lange Jahre dramatisch ab, um erst 2014 wieder das Niveau des Jahres 1991 zu erreichen (Goes 2016, 80)[6].
Abb. 1: Umsatzentwicklung im deutschen Einzelhandel 2000 bis 2015
Einzelhandelsumsatz, ohne Kfz, Tankstellen, Brennstoffe und Apotheken, (Daten ohne Umsatzsteuer)
Tabelle siehe PDf !
Quelle: Krellmann 2016; EHI retail institute 2016
Seit etwa 2010/2011 hat sich diese Situation verändert. In der Branche ist ein Boom ausgebrochen. 2015 wurde einem nominalen Umsatzplus von 3,1 Prozent das stärkste Wachstum der vergangenen Jahre verzeichnet (HDE 2016). Seit 2010 wuchs die Branche um mehr als zehn Prozent. Dabei ist wichtig, dass dieser Effekt nicht auf die Preisentwicklung zurückzuführen ist. Zumindest seit 2014 bleiben die Einzelhandelspreise relativ konstant.
4. Unternehmensstrategien und Folgen für die Belegschaften
Der Kampf um die KundInnen wird immer intensiver geführt. Der Markt ist weitgehend gesättigt; wer wachsen wollte, machte dies auf Kosten der Konkurrenz. Geführt wird dieser Vernichtungswettbewerb vor allem über die Produktpreise, die Ladenöffnungszeiten, die Verkaufsfläche sowie über neue Vertriebswege wie das Internet (vgl. Thiermeyer/Fuchs 2007: 38). Hier findet sich die eigentliche Ursache für die Prekarisierung, die in der Branche zu beobachten ist (s.u.). So gehen lange Öffnungszeiten Hand-in-Hand mit hochflexiblen Arbeitszeiten und Personalstrukturen. Gleichzeitig kostet diese Art der Wettbewerbsführung sehr viel Geld. Geld, das an anderer Stelle wieder „hereingeholt“ werden muss. Eine wesentliche Strategie ist die Reduktion der Personalkosten. Die andere ist die Senkung der Einkaufspreise im Inland und bei den internationalen Lieferbetrieben (Kobel 2014, 18).[7].
Die schärfste Waffe im Kampf um die KundInnen sind niedrige Verkaufspreise. Forciert wurde dieser Preiskampf in den letzten Jahren vor allem durch die Discounter. Aber Preis- und Rabattschlachten mit Hackfleisch, Milch oder Smartphones gehören inzwischen schon zum Standardrepertoire beinahe der gesamten Branche. Die Folgen dieser Dumpingstrategien für die Produzenten wurden erst vor wenigen Monaten im Zusammenhang mit dem dramatischen Verfall der Erzeugerpreise für Milch deutlich. Dabei bezieht sich der Wettbewerb keineswegs auf die gesamte Produktpalette, sondern nur auf einige wenige Produkte. Gleichzeitig gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass die Verhandlungsmacht der Einzelhandelskonzerne auf den Einkaufsmärkten aufgrund der vorangeschrittenen Monopolisierung gewachsen ist (Glaubitz 2011, 14).
Insgesamt liegt die Preissteigerungsrate im Einzelhandel seit Jahren unter der allgemeinen Inflationsrate. Seit 2013 haben sich die Lebensmittelpreise kaum verändert. Das deutet auf einen harten Preiswettbewerb hin. Große Anbieter sind dabei i.d.R. eher dazu in der Lage, mit niedrigeren Verkaufspreisen ins Rennen zu gehen als ihre kleineren Konkurrenten.
Ein weiteres wichtiges Wettbewerbsinstrument sind die Ladenöffnungszeiten. Das hat in erster Linie betriebswirtschaftliche Gründe. Wenn Rewe einige seiner Supermärkte inzwischen bis 24 Uhr geöffnet hat, geht es in erster Linie darum, den Konkurrenten KundInnen abzujagen. Es sind gerade die großen Einzelhandelskonzerne, die deshalb zu Vorreitern der Flexibilisierung der Öffnungszeiten gehören. Begonnen hatte die Welle im Jahr des Mauerfalls 1989 mit der Einführung des „langen Donnerstags“. 1996 wurde die Lockerung der wöchentlichen Arbeitszeit bis 20 Uhr an Wochentagen beschlossen. 2001 kam der Samstag hinzu. Schließlich wurden 2006 die Gesetzgebungskompetenzen in Sachen Ladenschluss von der Bundesebene an die Länder übergeben, was einen Dammbruch auslöste. Seither dürfen Einzelhändler in den meisten Bundesländern ihre Waren wochentags zwischen 0-24 Uhr verkaufen. Auch für Sonntagsarbeit werden immer häufiger Genehmigungen erteilt. Für die Beschäftigten führte das zu neuen Arbeitszeitmodellen: 1996 hat jeder vierte, 2014 schon jeder zweite Einzelhandelsbeschäftigte in den Abendstunden gearbeitet. Nachtarbeit hat von 1994 bis 2014 um 54 Prozent zugenommen (Krellmann 2016).
Besonders die filialisierten Einzelhändler versuchen, über die Expansion ihrer Verkaufsfläche, also die Eröffnung neuerer und/oder größerer Märkte, ihre Marktposition auszubauen. Allein zwischen 1999 und 2015 wuchs die gesamte Verkaufsfläche von 95 auf 123,7 Millionen Quadratmeter, d.h. um 30 Prozent (EHI retail institute 2016; Wabe-Institut 2014). Mittelständische oder kleinere Einzelhändler haben häufig das Nachsehen.
Die Flächenexpansion lag damit weit über dem Anstieg der Bevölkerung sowie dem Umsatzzuwachs. Ein Großteil davon geht auf das Konto der Discounter. Besonders expansiv verhalten sich auch Unternehmen wie Kaufland, KiK, DM, Rossmann und einige Möbelhändler (Glaubitz 2011: 13f.). Die „Flächenproduktivität“, also das Verhältnis von Einkaufsfläche zum Umsatz, gehört zu den wichtigsten Kennziffern im Einzelhandel. In dem Maße, wie die Flächenproduktivität sinkt, erhöht sich der Wettbewerbsdruck. Sie sank zwischen 1995 und 2009 von 4.000 Euro pro Quadratmeter auf 3.870 Euro und konnte bis 2013 wieder leicht auf 4.149 Euro ansteigen (Nitt-Drießelmann 2013: 20; Wabe-Institut 2014).
Diese Situation wird dadurch verschärft, dass wachsende Umsatzanteile online getätigt werden. Damit zeigt sich, dass die Verdrängungskämpfe auch mit Hilfe neuer Vertriebswege geführt werden. Inzwischen verkauft fast jeder dritte Händler seine Waren auch online. 2014 wuchs der Onlinehandel in Deutschland um 17,1 Prozent, der Anteil des E-Commerce am gesamten Einzelhandelsumsatz betrug 8,5 Prozent, beim Non-Food-Handel waren es bereits 19 Prozent (HDE 2015). Diese Entwicklung hat in gewissem Sinne revolutionären Charakter und ist lediglich mit der Einführung der Selbstbedienung in den 1960er Jahren zu vergleichen (Glaubitz 2011, 3). Vorreiter ist Amazon. Mit einem geschätztem Warenumsatz von 6,6 Milliarden Euro hat amazon.de mehr als dreimal so viel erwirtschaft wie die Nummer zwei der Teilbranche Otto.de (1,99 Milliarden Euro). Der aufstrebende Mitbewerber Zalando folgt auf Platz drei Euro (Wabe-Institut 2015). Die Erfolge dieser Spitzenreiter werden unter anderem durch hohe Leistungsanforderungen an die Beschäftigten, prekäre Arbeitsverhältnisse und Mitbestimmungsfeindlichkeit ermöglicht (Boewe/Schulten 2015; Goes 2015; Wallraff 2014).
Der Druck auf die Personalkosten ist innerhalb des Einzelhandels enorm. Dementsprechend hat er sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Armutsbranche entwickelt. Die Reallöhne (Bruttomonatsverdienste) der knapp drei Millionen Beschäftigten des deutschen Einzelhandels haben sich zwischen 2002 und 2011 um 2,2 Prozent verringert. Der durchschnittliche Stundenlohn ging nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts allein zwischen 2006 und 2010 von 13,05 auf 12,43 Euro zurück (Behruzi 2014: 88). Etwa ein Drittel der Beschäftigten arbeitete 2013 unterhalb der Niedriglohnschwelle Das war eine Zunahme von 15 Prozent gegenüber 2006 und doppelt so viel wie im bundesdeutschen Durchschnitt (Vgl. Krellmann 2016).
Eine wichtige Ursache ist der massive Verfall der Tarifbindung in der Branche, der durch die Einführung von Verbandsmitgliedschaften ohne Tarifbindung – so genannte OT-Mitgliedschaften – sowie die Aufkündigung der Allgemeinverbindlichkeit (AVE) um das Jahr 2000 durch den HDE eingeleitet wurde (Behrens 2011; Wiedemuth 2013). Danach setzte eine Negativspirale ein. Ver.di gelang es immer weniger, die Verschlechterung der Lohn- und Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu verhindern. Die Kündigung der Flächentarifverträge von Karstadt und zuletzt von Real zeigen, dass inzwischen sogar diejenigen Unternehmen bereit sind, in OT-Mitgliedschaften zu wechseln, die im HDE eine zentrale Rolle spielen oder gespielt haben.
Abb. 2 zeigt, dass im Einzelhandel 2015 nur noch 38 Prozent der Beschäftigten in West- und 26 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland in einem tarifgebundenen Betrieb arbeiteten. In der Gesamtwirtschaft waren dies 51 (West) bzw. 37 Prozent (Ost) (Ellgut/Kohaut 2016: 284).
Eine weitere Strategie, die Tarifbindung zu unterlaufen, ist die Ausgliederung von Tätigkeitsbereichen, wie z.B. Auffüllen der Regale, des Fuhrparks oder ganzer Warenlager, die dann (wenn überhaupt) dem schlechteren Logistik-Tarifvertrag unterliegen.
Abb. 2: Beschäftigte und Betriebe mit Tarifbindung seit
1996 bis 2015
Tabelle siehe PDF !
Quelle Krellmann 2016; Ellgut/Kohaut 2016
Gleichwohl erfolgt die Senkung der Personalkosten nicht nur über die Lohnhöhe. Zwar blieb die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen Jahren mehr oder weniger konstant; sie ist in den letzten vier Jahren sogar leicht angestiegen. Das Arbeitsvolumen ist jedoch gesunken (Krellmann 2016). Das so genannte Normalarbeitsverhältnis, also eine Vollzeitstelle mit einem existenzsichernden Lohn, verschwindet immer mehr. An seine Stelle treten zumeist ungewollte, nicht existenzsichernde Beschäftigungsformen: Teilzeitarbeit, Befristung, Minijobs und seit einiger Zeit auch Leiharbeit und Werkverträge. 1994 waren von insgesamt 2,853 Mio. Einzelhandelsbeschäftigten 1,855 Mio. in Vollzeit beschäftigt (etwa 65 Prozent). Dem standen 755 Tsd. Beschäftigte in Teilzeit (etwa 26 Prozent) sowie 150 Tsd. geringfügig Beschäftigte (etwa fünf Prozent) gegenüber. 2014 arbeiteten von den insgesamt 2,993 Mio. Beschäftigten (+ 4,9 % zu 1994) nur noch 1,522 Millionen in Vollzeit (- 21,9 Prozent zu 1994), dagegen 923 Tsd. in Teilzeit (+ 22,3 Prozent zu 1994) und 548 Tsd. in geringfügiger Beschäftigung (+ 265,3 % zu 1994). Der Anteil und die Anzahl der Befristungen haben sich von 1994 bis 2014 ebenso verdoppelt wie der Anteil der Befristungen bei Neueinstellungen (Krellmann 2016).
Unter Frauen ist die geringfügige Beschäftigung besonders weit verbreitet. Ihr Anteil an allen Beschäftigten im Einzelhandel liegt bei zwei Dritteln (69 Prozent), aber neun von zehn Frauen (86 Prozent) sind in Minijobs tätig.
Wie in der Industrie setzte sich auch im Einzelhandel seit den 1990er Jahren der Trend durch, die Organisation von Arbeitsprozessen verstärkt marktförmigen Steuerungsmechanismen zu unterwerfen, d.h. sie insbesondere durch Teilzeitarbeit an Schwankungen der Nachfrage anzupassen. Lehndorff/Voss-Dahm (2003, 22ff.) sprechen in diesem Zusammenhang von „Dienstleistungstaylorismus“ und verweisen auf die personelle und organisatorische Trennung der Arbeitsabläufe in einzelne Tätigkeitsbereiche. Arbeitszeitvolumen werden demnach in kleine Zeiteinheiten aufgeteilt und an Kundenschwankungen sowie an die jeweils anfallende Arbeit im Tages-, Wochen- und Jahresverlauf angepasst. Folge ist ein verstärkter Einsatz von Teilzeitkräften und anderen Formen atypischer Beschäftigung. Besonders im Lebensmittelhandel werden in den Läden kaum noch Vollzeitkräfte eingesetzt.
Teilzeit als typisches Beschäftigungsmodell ist nicht auf den Lebensmitteleinzelhandel begrenzt. Auch im Textileinzelhandel, besonders bei vertikalen Händlern wie H&M, Zara oder Esprit, ist die große Mehrheit der Beschäftigten über Stundenverträge oder andere Formen der Teilzeitarbeit beschäftigt (vgl. Fütterer/Rhein 2015). All das verändert die Belegschaftsstrukturen, zergliedert den Sozialraum Betrieb. Der „Dienstleistungstaylorismus“ treibt die ohnehin durch kleinteilige Betriebs- und Filialstrukturen vorhandene betriebliche Fragmentierung weiter voran, und zwar in räumlicher sowie zeitlicher Dimension: Wenn weder Schichtbeginn noch Schichtende gemeinsam sind und es auch keine gemeinsamen Pausenzeiten gibt, dann bleibt für die Beschäftigten kaum „gemeinsame Zeit“.
5. Fazit: Monopolisierung und Ausweitung der Kampfzonen auf dem Rücken der Beschäftigten
Einleitend haben wir behauptet, dass die Intensivierung von Konkurrenz und Rationalisierung im deutschen Einzelhandel mit der Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse einhergeht. Unter den Bedingungen eher stagnierender Umsätze wurde der Wettbewerb zu einer Verdrängungskonkurrenz, die Kampfzonen zwischen den Unternehmen weiteten sich aus. Dieser Prozess ist mit fortlaufenden Konzentrationsprozessen im Einzelhandel verbunden.
Der Marktkampf wurde insbesondere mit Hilfe längerer Ladenöffnungszeiten, niedrigerer Verkaufspreise, größerer Verkaufsflächen und neuer internetbasierter Verkaufswege ausgefochten – ein kostspieliges Unterfangen. Die Mehrausgaben versuchten die Konzerne aufzufangen, indem sie die Leistungsanforderungen an die Beschäftigten verschärften und die Beschäftigungsbedingungen prekarisierten. Das Ergebnis ist eine Art Dienstleistungstaylorismus mit einem überdurchschnittlich großen Niedriglohnsektor und der Marginalisierung des Vollzeiterwerbsverhältnisses. Ein wachsender Anteil konstanten Kapitals (insbesondere durch die Ausweitung der Verkaufsflächen und den Ausbau neuer Vertriebswege) führt nicht nur dazu, dass die neuen Sachanlagen nun auch maximal lange genutzt werden sollen (Marx 1986, 425); durch Druck auf die Löhne und die Steigerung der Arbeitsproduktivität sollen zudem die Mehrwertmasse bzw. die Gewinne stabilisiert werden (Marx 1986, 226f., 625-626). Empirische Schlaglichter – Berichte über Amazon, Schlecker oder Zalando – deuten darauf hin, dass Mitbestimmungs- und Gewerkschaftsfeindlichkeit in der Branche Platz greifen.
Mit Blick auf die Prekarisierungsdebatte ist dabei bemerkenswert, dass nicht nur kurzfristige Renditeerwartungen, sondern der normale Gang der erweiterten Reproduktion des Kapitals indirekt zu einer Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse führt.
Staatliche Liberalisierungspolitiken spielten für die Prekarisierung eine wichtige Rolle, da sie den Unternehmen neue Spielräume öffneten. Das galt für die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, insbesondere aber für die Arbeitsmarktreformen, die in den frühen 2000er Jahren durch SPD und Grüne ins Werk gesetzt wurden. Sie erlaubten es den Lebensmitteleinzelhändlern überhaupt erst, verstärkt auf atypische Beschäftigungsverhältnisse zurückzugreifen – und ermöglichten damit eine rasante Erosion des Normalarbeitsverhältnisses in diesem Sektor.
Literatur
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (2015): Memorandum 2015. Köln.
Behruzi, D. (2014): Erfolg unter schwierigen Bedingungen, in: Kobel, A. (Hg..): „Wir sind stolz auf unsere Kraft“. Der lange und phantasievolle Kampf um die Tarifverträge 2013 im Einzelhandel. S. 87-93. Hamburg.
Behrens, M. (2011): Das Paradox der Arbeitgeberverbände. Von der Schwierigkeit, durchsetzungsstarke Unternehmensinteressen kollektiv zu vertreten. Düsseldorf.
Boewe J. und Schulten J. (2015): Der lange Kampf der Amazon-Beschäftigen. Labor des Widerstands: Gewerkschaftliche Organisierung beim Weltmarktführer des Onlinehandels. Berlin: RLS. Unter: https://www.rosalux.de/publication/ 41916/der-lange-kampf-der-amazon-beschaeftigen.html
Bourdieu, P. (1998a): Prekarität ist überall. In: Ders.: Gegenfeuer. S. 96-102. Konstanz.
Ders.: (1998b): Der Neoliberalismus. In: Ders. Gegenfeuer. S. 109-118. Konstanz.
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[1] Im Oktober 2014 hatte die Tengelmann-Gruppe angekündigt, ihr defizitäres Tochterunternehmen zu verkaufen. Mit der Edeka-Gruppe war schnell ein Abnehmer gefunden. Das Bundeskartellamt verbot die Übernahme. Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel (SPD) setzte dieses Verbot im März 2015 per Ministererlaubnis außer Kraft. Er knüpfte daran allerdings Auflagen zur Beschäftigungssicherung und zur Beibehaltung von Tarifverträgen sowie Mitbestimmungsstrukturen. Rewe sowie zwei weitere Handelskonzerne legten Beschwerde beim OLG-Düsseldorf ein, der in einem Eilbeschluss zunächst stattgegeben wurde. Das Hauptsacheverfahren war für den 16. November terminiert. Trotz diverser Spitzentreffen weigerte sich Rewe, die Klage zurückzuziehen. Am 13. Oktober gab Tengelmann-Eigner Karl-Erivan W. Haub die Zerschlagung der Unternehmensteile bekannt (Lebensmittelzeitung vom 14.10.2016). Ob damit die Übernahmepläne von Edeka endgültig gescheitert sind, stand bei Z-Redaktionsschluss (15.10.2016) nicht fest.
[2] Alle fünf Konzerngruppen gehören zur Spitzengruppe der 100 größten Unternehmen der Bundesrepublik. Die Monopolkommission gibt in ihrem aktuellen Bericht für 2014 nachstehende Rangfolge nach Wertschöpfung an: Auf Rewe auf Platz 17 mit einem Geschäftsvolumen (konsolidierter Inlands-Umsatz) von 37,2 Mrd Euro folgten die Schwarz-Gruppe (Platz 19; 31 Mrd. Euro), die Metro AG (Platz 21; 25,5 Mrd. Euro), die Edeka-Gruppe (Platz 25; 46,5 Mrd. Euro) und die Aldi-Gruppe (Platz 28; 24,8 Mrd. Euro). Monopolkommission 2016, Ziff. 513, Tab. II.1. Nach Umsatz war Edeka die stärkste Gruppe. Die fünf Einzelhandelskonzerne bilden zusammen auch die Spitzengruppe im Handel. 2014 lag ihr Inlandsumsatz bei etwa 165 Mrd. Euro oder 9 Prozent vom Gesamtinlandsumsatz aller Handelsunternehmen. Vgl. ebd., Ziff. 552, Tab. II.8 und Abb. II.5.
[3] Da wir von einer Entwicklung ausgehen, die unter gesetzlichen Bedingungen abläuft (Kartellrecht), sprechen wir von Monopolisierung. In marktwirtschaftlicher Terminologie wird der Einzelhandel nicht von Monopolen, sondern von Oligopolen beherrscht.
[4] Edeka, Rewe, Schwarz Gruppe, Aldi, Metro, Tengelmann, Wal Mart und Spar.
[5] Interessant wären in diesem Zusammenhang Daten, die einen Rückschluss über die Gewinnraten zuließen. Es fehlen allerdings verlässliche Daten, die es erlauben würden, das Verhältnis zwischen Gewinnen einerseits und Personalkosten sowie Sachanlagen (Gebäude, Versicherungen, laufende Kosten) zu ermitteln. Ob und wie also die Profitabilitätsentwicklung innerhalb der Branche den Monopolisierungsprozess bzw. die Unternehmensstrategien beeinflusst, kann nicht gesagt werden.
[6] Setzt man den Wert für 1991 = 100, so sanken die Nettoreallöhne auf einen Tiefstwert von 94,4 (2009) und lagen 2014 erneut bei 99,8 (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, 2015).
[7] Die Frage, wie Einzelhandelskonzerne ihre Marktmacht bei den Verhandlungen mit der Industrie und den internationalen Lieferanten nutzen, um die Preise zu drücken, wird in diesem Beitrag nicht behandelt. Ausführliche Analysen dazu findet sich etwa auf der Homepage der Nichtregierungsorganisation Oxfam. Oxfam versucht aktuell auch Lidl mit einer Öffentlichkeitskampagne dazu zu drängen, die Arbeits- und Lohnbedingungen ihrer Lieferanten besser zu überwachen.