Die wissenschaftspolitische Forschungsstelle Science Policy Research Unit (SPRU) in der Universität Sussex, 1966 von Christopher Freeman (1921-2010) gegründet, stellt bis heute ein Zentrum europäischer Innovationsforschung dar. Es hat vergleichbare Einrichtungen wie das von ihm mit Luc Soete (geb. 1950) Mitte der 1990er Jahre ins Leben gerufene Maastricht Economic Research Institute on Innovation and Technology (MERIT) beflügelt. Hier entstanden in interdisziplinärer Zusammenarbeit zahlreiche wissenschafts- und forschungspolitisch bedeutsame Studien zu den Wechselbeziehungen von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und institutionellen Akteuren bis hin zu regionalen und nationalen Innovationssystemen („systems of innovation“), die in ihrer historisch-evolutionären Perspektive eine Herausforderung für die neoklassischen Lehrmeinungen darstellen.[1] Überdies kulminieren die Vorschläge einiger Autoren in einer „grünen“ Innovationsstrategie auf informationstechnischer Grundlage, die eine Zurückdrängung der ökonomischen Finanzialisierungs- und sozialen Polarisierungsprozesse einschließt. Wir geben eine Einführung in einige konzeptionelle Beiträge aus der in der BRD wenig beachteten Sussex-Schule, die begründete Alternativen aus der Krise des gegenwärtigen Kapitalismus eröffnen.
1. Joseph A. Schumpeter: Ideengeber für neuere Innovationskonzepte
Für Schumpeter (1883-1950) stand die kapitalistische Dynamik im Mittelpunkt, in der kreative Unternehmer neue Kombinationen von Produktionsfaktoren oder Innovationen durchsetzen. Er insistierte darauf, dass die wirtschaftliche Expansion von verfügbaren Innovationspotentialen als Motor für profitable Investitionen vorangetrieben wird.[2] Im Unterschied zu Nikolai Dmitrijewitsch Kondratieffs (1892-1938) Orientierung an längerfristigen Bewegungen von Preisen, Zinsraten und Handelsbilanzen führte er die Einzigartigkeit jedes längeren Zyklus auf ein Spektrum technischer Innovationen mit neuen Antriebskräften wie der Dampfmaschine, der Eisenbahn oder elektrischen Energie zurück. Nicht Subventionen und Steuergeschenke, sondern steigende Profiterwartungen lösen nach ihm jenes Investitionsfieber aus, für das Keynes den metaphorischen Ausdruck der „tierischen Instinkte“ („animal spirits“) fand. Schumpeters besondere Aufmerksamkeit galt den kreativen Unternehmern als entscheidenden Akteuren in den „aufeinander folgenden industriellen Revolutionen“. Diese zerstören die etablierten, an ihre Grenze stoßenden Produktionsformen durch radikale Innovationen, sich weit verbreitende Basistechnologien, die über ein halbes Jahrhundert Wachstum und Niedergang bestimmen.[3] Schon in den 1910er/1920er und dann wieder in den 1970er/1980er Jahren gab es intensive Bemühungen zur statistischen Erfassung langer Zyklen oder Wellen anhand verschiedener Indikatoren, die bis heute umstritten blieben.[4] Die hier vorgestellten Autoren verschoben die Akzentsetzung jedoch von quantitativen Nachweisen zur qualitativen Diskussion komplexer technisch-ökonomischer und politisch-institutioneller Wechselbeziehungen im historischen Verlauf der technologischen Revolutionen.[5]
In einer an Joseph A. Schumpeter anknüpfenden gemeinsamen Studie zu langen Wellen und ökonomischer Entwicklung zeigte Freeman mit John Clark und Luc Soete[6], dass längere technisch-ökonomische Entwicklungszusammenhänge organisatorische Innovationen in den Unternehmen und Qualifizierungsprozesse der Beschäftigten bis hin zu institutionellen Anpassungen, insbesondere der Ausbildungssysteme und Arbeitsmärkte, einschließen. Solcherart systemische Sichtweisen erweiterten Schumpeters Innovationstheorie um die vorhergehende Phase der wissenschaftlichen Entdeckungen und technischen Erfindungen sowie um die folgende Phase der Diffusion neuer Produkte und Prozesse mit kleinschrittigen Verbesserungen und Lerneffekten zwischen Produzenten und Nutzern in der breiteren Anwendung.[7] Es handelt sich um vielfältige Interaktionsprozesse, die sich schließlich zu einem vorherrschenden technisch-ökonomischen Entwicklungspfad bündeln. Schumpeter dagegen interpretierte technologische Revolutionen vorwiegend im Kontext dynamischer Marktgleichgewichte, in denen gesellschaftliche Einflüsse und politische Interventionen nur eine marginale Rolle spielen.
Die Autorengruppe führt aus, dass zu Beginn einer technologischen Revolution die rasche Expansion neuer technischer Anwendungen mit dem Ziel von Extraprofiten und größeren Marktanteilen im Vordergrund steht. Im Zuge steigender Reife verlagert sich infolge intensiverer Konkurrenz der ökonomische Druck jedoch zu kostensparenden Prozessinnovationen, insbesondere durch Mechanisierung, Automatisierung und Computerisierung. Diese technischen Leitpfade bringen mit wachsender Kapitalintensität und sinkenden Profiten einen Umschlag der Akkumulationsbedingungen mit sich, die eine Phase geringeren Wachstums, steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender sozialer Spannungen einläuten.[8] Nunmehr sollte gegenüber monetärer Zurückhaltung oder die Nachfrage stimulierender Fiskalpolitik, so schlagen die Autoren vor, die öffentliche Förderung von Forschung und Entwicklung, Innovationen und Investitionen ein größeres Gewicht gewinnen.
Auch wenn Schumpeter im Unterschied zu den beschriebenen Tendenzen einer Vergesellschaftung der Innovationsfunktion grundsätzlich von dem schöpferischen „Entrepreneur“ ausging, reflektierte er bereits die zunehmende Vorherrschaft großer bürokratisch geführter Kapitalkomplexe, mit denen bei hoher technokratischer Leistungsfähigkeit zugleich die kreativen unternehmerischen Innovationsfunktionen erlahmten.[9] Diese drohen dann in wirtschaftliche Sackgassen zu führen, wenn angesichts sinkender Nachfrage infolge verstärkter Polarisierung der Einkommen bei einsetzender Finanzialisierung die Profitvermehrung durch Finanztransaktionen an Gewicht gewinnt. Mit der Finanzspekulation gerät die Balance mit der Realökonomie aus dem Lot.
2. Christopher Freeman: sozio-institutionelle Bedingungen kapitalistischer Innovationssysteme
Was Marx bereits in seiner These der künftigen Verwissenschaftlichung der Produktion angedeutet hatte, sollte später J.D. Bernal anhand der Entwicklung der modernen Naturwissenschaften empirisch herausarbeiten.[10] Bernals optimistische Vorstellung ihrer grenzenlosen Möglichkeiten als entscheidender menschlicher Lebensäußerung zur Lösung sozialer Probleme brach sich jedoch, wie er selbst zeigte, immer wieder an ihrer militärischen und herrschaftlichen Indienstnahme. Umso mehr Gewicht legte sein Schüler Freeman auf gesellschaftliche und wissenschaftliche Institutionen, die kritische Debatten auf der Grundlage von Fakten, Experimenten, Erfahrungen und logischen Argumenten befördern. In den Untersuchungen zu Forschung und Entwicklung, Innovation und Diffusion in forschungsintensiven Branchen wie der Chemie und Elektronik gewann Freeman ein erweitertes Verständnis von wirksamen Zusammenhängen zwischen radikalen und kleinteiligen Innovationen, komplexen technologischen Systemen und Innovationskonstellationen bis hin zu technisch-ökonomischen Paradigmen.[11] Die Wechselwirkungen zwischen technisch-industriellen und sozial-ökonomischen wie auch politisch-institutionellen Faktoren konstituieren zugleich einen historisch nichtlinearen Prozess, der als Gegenstand der Analyse den Übergang zur „evolutionären Ökonomie“ markiert.[12]
Freeman lässt mit Marx und Schumpeter keinen Zweifel daran, dass bei allen technisch-ökonomischen Interaktionen eine vorherrschende Rolle den Gewinnerwartungen der Unternehmen zukommt, die Extraprofite in einem quasi sozialdarwinistischen Wettbewerb erzielen wollen.[13] Die hierdurch angetriebenen Diffusionsprozesse neuer Technologien in der gesamten Wirtschaft haben schließlich sinkende Profite mit Zusammenbrüchen, Konzentrationsprozessen und Rationalisierungsschüben zur Folge, die den Ausgang für einen neuen innovationsgestützten Wachstumszyklus bilden können. Auch wenn starke Gewerkschaften und soziale Regelwerke die „Profitimperative des kapitalistischen Wettbewerbs“ dämpfen, schließt Freeman, rückblickend in die USA des frühen 20. Jahrhunderts, die Möglichkeit einer Verhinderung der Einführung des Fließbandsystems und des Verbrennungsmotors als Grundlage der Massenproduktion aus. Angesichts der komplementären organisatorischen Innovationen und institutionellen Anpassungsprozesse im sich herausbildenden Fordismus stellt Freeman eine entscheidende politisch-strategische Frage für Gestaltungsoptionen: „Wie viel Freiheit haben wir wirklich, eine große Welle technischer und organisatorischer Innovationen zu modifizieren und anzupassen, wenn sie entscheidende ökonomische Vorteile für konkurrierende Unternehmen in einer kapitalistischen Wirtschaft bieten?“[14]
Ausgehend von der Erschöpfung der fordistischen Betriebsweise der Massenproduktion, ihrer technisch-organisatorischen Grundlagen, einer allgemeinen Marktsättigung und der Erosion der Profitraten beginnt sich seit den 1980er/1990er Jahren ein weitgehend informationstechnisch bestimmter Paradigmenwechsel abzuzeichnen. Mit den hierbei auftretenden Brüchen und Disproportionen, Reibungen und Konflikten im Widerstreit unterschiedlicher Interessen, den Bremsspuren des überkommenen institutionellen Rahmens erklärt Freeman die zunächst relativ geringe oder gar sinkende Arbeitsproduktivität („Solow´s Paradox“), die er auf nicht ausreichende organisatorische Innovationen, betriebliche Lernprozesse und institutionelle Anpassungen, die „Fesseln bisheriger Produktionsverhältnisse“, zurückführt. Diese Deutung sieht er durch die Produktivitätsstudie des MIT zur Situation der amerikanischen Wirtschaft bestätigt.[15] Schon Jahre zuvor hatte er in dem Aufsatz „Prometheus unbound“ (160-174) für ein Zusammenspiel des zu erneuernden sozio-institutionellen Rahmens mit einem durch Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) geprägten neuen ökonomischen Paradigma plädiert. Mit der Abkehr von material-, energie- und kapitalintensiven Produktionspfaden sowie der Orientierung an einem kapitalsparenden und Beschäftigung schaffenden Wachstum könnten, so seine optimistische Perspektive, entgegen den „Grenzen des Wachstums“ ökologisch und sozial nachhaltige Wirkungen erzeugt werden, die breite, sich wechselseitig bedingende Partizipations- und Qualifizierungsmöglichkeiten einschließen.
Das aktivierte demokratische Potenzial stellt, so Freeman, einen Geburtshelfer für transformative gesellschaftliche Entwicklungsprozesse dar, denen die IKT eine technisch-organisatorische Grundlage bieten könnten.[16] Entsprechend schlug er 1992 ein langfristiges Wachstumsprogramm zur Verringerung der weltweiten sozialen Polarisierungsprozesse vor, das zugleich als ein „Environmental Bretton Woods“ auf ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtet werden müsste (190-211).[17] Hiermit sollten die erforderliche Rekonstruktion nationaler und vor allem internationaler Institutionen im Rahmen der UN, der Weltbank und des Weltwährungsfonds sowie die Gründung einer neuen Internationalen Technologieagentur einhergehen.
3. Carlota Perez: Die wechselnde Rolle des Finanzkapitals bei techno-ökonomischen Paradigmenwechseln
Carlota Perez (geb. 1939) hat, gestützt auf Erkenntnisse ihres Lehrers Freeman, eine Theorie der „techno-ökonomischen Paradigmenwechsel“ ausgearbeitet, die in „gewaltigen Wogen“ („huge surges“) die letzten 240 Jahre des Industriekapitalismus bestimmten. Wo Kondratieff ein langfristiges Auf und Ab von Preisen entdeckte, Schumpeter eine qualitative Abfolge von technologischen Revolutionen herausstellte, zeigt Perez darüber hinaus ein komplexes Zusammenspiel von neuen Technologien, Märkten und Institutionen: „Jede technologische Revolution bringt nicht nur eine komplette Umstrukturierung der Produktion, sondern letzten Endes eine Transformation der Institutionen, der Regierung, der Gesellschaft und sogar der Ideologien und Kulturen mit sich, die so tief gehen, dass man von der Konstruktion aufeinanderfolgender und verschiedener Wachstumsmodi in der Geschichte des Kapitalismus sprechen kann“ (24f).[18] Zugleich zeigt sie auf, dass jede „gewaltigen Woge“, bei aller historischen Individualität in ihrem Verlauf, wiedererkennbaren Mustern folgt.
In diesem Kontext arbeitet sie die unterschiedlichen Existenzformen des Produktions- und Finanzkapitals sowie die unterschiedlichen Funktionen des letzteren im Verlauf längerer Zyklen heraus. Während das nicht gegenständlich gebundene und flexibel agierende Finanzkapital sich auf die Re-Allokation des Produktivkapitals mit dem Ziel kurzfristiger Profitmaximierung orientiert, ist das letztere eingebettet in Produktions-, Arbeits- und Organisationsstrukturen, externe Netzwerke aus Zulieferern, Verkäufern und Kunden, aber auch Forschungs- und Wissens-, Bildungs- und Erfahrungsbestände. Während diese Unterschiede im ökonomischen Mainstream wenig beachtet werden, spielen sie, so die Autorin, eine entscheidende Rolle in den Aufschwung- und Abschwungphasen der Zyklen. Perez gibt eine differenzierte Analyse der Rolle des Finanzkapitals, das quasi als Geburtshelfer den finanziellen Brennstoff für die Einführung radikaler Innovationen als Motoren wirtschaftlicher Entwicklung liefert – eine zunächst progressive Rolle, die mit der von ihm im Ablauf des Zyklus bewirkten Verschärfung sozio-ökonomischer Differenzierungs- und Polarisierungsprozesse ins Gegenteil umschlägt, bevor ruhigere Fahrwasser durch erfolgreich erneuerte Regulationsformen erreicht werden können, mit denen das Produktionskapital wieder in veränderter Gestalt instandgesetzt wird.
In der regulationstheoretisch angereicherten Fortschreibung der Theorie langer Wellen identifiziert Perez fünf Zeitalter, die geprägt sind durch technologische Cluster: die industrielle Revolution (mit Werkzeug-, Textil- und Dampfmaschinen) ab 1771; Dampfkraft und Eisenbahn ab 1829; Stahl, Elektrizität und Schwermaschinenbau ab 1875; Öl, Auto und Massenproduktion ab 1908; die Informations- und Telekommunikationstechniken ab 1971 (11). Die Jahreszahlen verweisen auf einen technischen „Big Bang“ am Beginn jeder „gewaltigen Woge“, der vorausschauenden Zeitgenossen die neuen Potentiale vor Augen führt. Das galt für Arkwrights wasserbetriebene Spinnmaschine im ersten Zyklus, die „Rocket“-Dampflokomotive im zweiten ebenso wie im vierten für das Model T der Ford Motor Company und im letzten für den Intel-Microprozessor in Santa Clara, der die Ablösung der fordistischen Massenproduktion durch die Informationsökonomie einläutete. Jede technische Revolution ermöglicht ein höheres Produktivitätsniveau, das im Verlauf jeder Woge in den zentralen Wirtschaftsbereichen der Kernländer nach und nach realisiert wird – zunächst in Großbritannien, dann auch in den USA und Deutschland, schließlich in weiteren europäischen und asiatischen Ländern.
Doch um die Potentiale erschließen zu können, braucht es Menschen, die sich damit auskennen und unterstützende Infrastrukturen. Ein Auto nutzt nicht viel ohne Straßen, Tankstellen und Menschen, die es fahren oder reparieren können. Und damit nicht genug. Wo stände die Autoindustrie heute ohne die Erfindung des Konsumentenkredits? Eine technologische Revolution erfordert also, um wirken zu können, massive und anhaltende Investitionen in die technische und soziale Infrastruktur, in menschliches Wissen und Können, aber auch Geld- und Kreditgeber, ein entfaltetes Banken- und Finanzsystem wie staatliche und heute transnationale Förderprogramme. Somit erweisen sich Perez‘ techno-ökonomische Paradigmen als ein begriffliches Pendant zur regulationstheoretischen Dialektik von „Akkumulationsregimen und Regulationsweisen“. Zugleich steckt in der impliziten Analogie zu Thomas Kuhns Theorie der wissenschaftlichen Revolutionen auch der Hinweis, dass die Abfolge der Paradigmen kein linearer, friedlicher Vorgang ist, sondern eher „kreative Zerstörung“, wenn das Neue sich in erbitterten Kämpfen gegen das widerständige Alte durchsetzt. Hierbei unterscheidet Perez vier Phasen: Die beiden ersten, der „Ausbruch“ und die „Raserei“ (engl. frenzy) bilden zusammen die „Installationsperiode“, die folgenden Phasen der „Synergie“ und der „Reife“ die „Verbreitungsperiode“.
Während des „Ausbruchs“ aus dem alten Paradigma muss das Neue erste Wurzeln schlagen und seine praktische Tauglichkeit erweisen. In dieser Phase gewinnen die Financiers eine progressive Funktion, indem sie Unternehmern zu innovativen Investitionen und zu förderlichen Rahmenbedingungen verhelfen, denen sich die ökonomischen Schwergewichte, aktuell im Energiesektor zu beobachten, mit aller Macht widersetzen. Je klarer sich das anfänglich enorme Profitpotential abzeichnet, desto näher rückt jedoch die Stunde des Umschlags in spekulative Blasen, ob es sich um die Eisenbahnen in den 1840er oder die Dotcom-Blase um die 2000er Jahre handelt. So kommt es in der zweiten Hälfte der Installationsperiode des neuen Paradigmas zur „Raserei“, in der das Finanzkapital sich vom Produktionskapital entkoppelt und die Börse in ein Kasino verwandelt. Während einzelne Personengruppen sich extrem bereichern, spitzen sich die sozialen Unterschiede zu: Menschen, Klassenfraktionen, Unternehmen, Regionen und Länder, die sich des neuen Paradigmas erfolgreich bedienen, stehen einer schrumpfenden Mehrheit gegenüber, die noch an das alte Paradigma gebunden ist.
Meist markiert ein Finanzcrash einen sozial-ökonomischen „Wendepunkt“ mit folgenden instabilen gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen der sozio-institutionelle Rahmen für die anschließende Synergiephase restrukturiert wird. Gegenüber den sozialdarwinistischen Auswüchsen der „tierischen Instinkte“ gewinnen soziale Belange mit ersten Schritten zur Regulation des Finanzkapitals wieder an Gewicht. In einer veränderten gesellschaftlichen Einbettung kann das wieder an Reputation gewinnende Produktionskapital in erweiterten Produkt- und Prozessinnovationen mit erneuerten materiellen und immateriellen Infrastrukturen einen Aufschwung befördern.[19] Im Zuge des langfristigen Übergangs in die „Reife“ beginnen sich die Möglichkeiten für weitere profitable Investitionen wieder zu erschöpfen , die wirtschaftliche Dynamik geht zurück, und es öffnet sich in einer längeren Inkubationszeit („gestation period“) der soziale Raum für eine neue technologische Revolution, die wiederum eine „gewaltige Woge“ vorbereitet.
Von großem Interesse ist der „Wendepunkt“ mit dem Übergang zur Phase der „Synergie“. An dieser Stelle des Zyklus bieten sich unter dem neuen Paradigma unterschiedliche Wege in die Zukunft an. Angesichts sich verschärfender sozialer Widersprüche prallen in einem krisenhaften und unübersichtlichen Prozess gegensätzliche Interessen und Vorstellungen in aller Härte aufeinander. So zitiert Perez aus Keynes’ Essay „The Grand Slump of 1930“: „Aber meines Erachtens kann es keine wirkliche Erholung geben, wenn die Vorstellungen der Kreditgeber und produktiven Kreditnehmer nicht wieder zusammengebracht werden … Selten in der modernen Geschichte ist die Kluft zwischen beiden so weit und so schwierig zu überbrücken gewesen.” (167)
Im „Wendepunkt“ der 1930er Jahre gelang es in den USA (aber auch in Norwegen und Schweden), durch die Politik des „New Deal“ den sich widersetzenden, durch die Weltwirtschaftskrise geschwächten Großkapitalen gewisse Grenzen zu setzen und damit zugleich neue Wege der Kapitalreproduktion zu eröffnen. Die Regulierung des Finanzsektors und Kaufkraftstärkung der Bevölkerung erschlossen im „New Deal“ Roosevelts der vorher stagnierenden industriellen Massenproduktion erweiterte Absatzchancen, zusätzlich angefacht durch die Kriegskonjunktur und später durch den Nachkriegs-Wiederaufbau in Westeuropa – eine Grundlage für den jahrzehntelangen Aufschwung der Weltwirtschaft. Ein historischer Vergleich mit der heutigen Situation verdeutlicht, welches Krisen-, aber auch Handlungspotential die IKT-geprägte „Synergie“-Phase möglicherweise noch in sich birgt.
Perez diagnostiziert strukturelle Ungleichgewichte in technisch-ökonomischen Übergangsperioden, mit denen eine Zerrüttung der sozio-institutionellen Sektoren einhergeht. Sie stellt die Frage, ob ein sich vertiefendes Verständnis der Finanzkrisen gangbare Wege für weniger sozial schmerzvolle Lösungen eröffnet: angesichts der sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit, der hiermit verbundenen Qualifikationsverluste, der fortschreitenden Zerstörung der sozialen Lebensbedingungen, der geographischen Entwurzelung und vor allem der Polarisierung zwischen Armut und Reichtum.
Entsprechend benannte sie schon in ihrem Hauptwerk drei strukturelle und krisenverursachende Spannungsbereiche (167-171), die in der Gegenwart in verstärktem Maße als Widersprüche hervortreten und Gegenmaßnahmen verlangen:
· einmal Widersprüche zwischen wachsenden Papierwerten und realem Reichtum, die eine entschiedene Regulation und Zurückdrängung der Praktiken einer kurzfristig orientierten Kasinoökonomie mit überzogenen Profiterwartungen erfordern;
· zum anderen Diskrepanzen zwischen dem Potenzial der ökonomischen Expansion und dem verteilungspolitischen Profil der Nachfrage, die eine gezielte Förderung der neuen Wachstumsmärkte und der sich „entwickelnden Welt“ notwendig machen;
· schließlich die sich verschärfende Kluft zwischen reicher werdenden und in Schulden gefangenen Ländern mit aufbrechenden Konflikten und massiven Migrationsbewegungen, die effektive Aktivitäten zur Lösung dieser Probleme dringlich werden lassen.
Neben der Eindämmung militärischer Konflikte im Kontext imperialer Ambitionen kommt den einzelnen Ländern, ihren transnationalen Verbünden und internationalen Institutionen – im Gegensatz zu den derzeit in der Europäischen Union vorherrschenden Austeritätsstrategien – eine zentrale Rolle in der Förderung von technischen und sozialen Innovationen und Investitionen in die materiellen und immateriellen Infrastrukturen zu. Hierfür sind demokratische Staaten und entsprechend legitimierte supranationale Institutionen als Regulatoren, wirtschaftliche Akteure und politische Richtungsgeber unerlässlich.
4. Mariana Mazzucato: Plädoyer für den Staat als Innovationspionier
In den meisten westlichen Ländern dominiert das Bild eines bürokratischen, inkompetenten, trägen Staates, mit dem Senkungen von Steuern, Sozialleistungen und öffentlichen Investitionen legitimiert werden. Die neoliberal kodierten Vorstellungen politischer Repräsentanten und internationaler Institutionen vom „schwachen Staat“ entlarvt Mariana Mazzucato (geb. 1968) als interessengebunden und stellt der Marktideologie in ihrem aktuellen Bestseller[20] das Leitbild eines dynamischen und gestaltenden, unternehmerische und innovative Funktionen wahrnehmenden, ja eines Märkte schaffenden Staates entgegen (1-24, 243-245).
Mazzucato weist im Einzelnen nach, dass in der gegenwärtigen Entwicklungsphase die Grundlagen für Basisinnovationen überwiegend öffentlich finanziert und anschließend zur Verwertung privaten Händen überlassen werden. Somit komme für die Entwicklung neuer Technologien weniger dem privaten Sektor, sondern mehr dem Staat eine in der öffentlichen Diskussion kaum wahrgenommene dynamische Rolle zu. Er liefere den Konzernen zu Vorzugskonditionen neue Profitchancen, während diese ihre Forschungsausgaben und ihre vermeintliche Risikobereitschaft im Zuge der Finanzialisierung weiter zurückfahren, aber mit ihren teilweise exorbitanten Gewinnen verstärkt eigene Aktien rückkaufen. In einer Reihe von aktuellen Fallstudien – von den Informationstechnologien über Bio- und Nanotechnologien bis hin zu den erneuerbaren Energien – deckt sie auf, dass der Privatsektor die Bereitschaft zu investieren erst findet, nachdem mit Hilfe des „unternehmerisch“ agierenden Staates in riskanten und kostspieligen Innovationsprojekten der Weg geebnet worden ist, d.h. kostenaufwendige Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen gesellschaftlich vorfinanziert worden sind.
Es handelt sich um einen bekannten Tatbestand[21], den Mazzucato offensiv und publizitätsmächtig gegen die neoliberale Ideologie des ineffizienten Staates und hochinnovativer Privatunternehmen, insbesondere im Bereich der gefeierten Silicon Valley-Konzerne, wendet. So enthüllt Mazzucato, dass alle bedeutenden technischen Innovationen, die das iPod, iPhone, iPad u.a. „smart“ machen, über öffentliche Programme finanziert worden sind, darunter das Internet, GPS, der Multi-Touchscreen und das Spracherkennungssystem Siri. Die teilweise exklusive, durch Patente geschützte Nutzung wurde dem hochprofitablen Konzern Apple fast unentgeltlich ermöglicht, obwohl dieser als hartnäckiger Steuervermeider gilt. Die neun Spitzenleute bei Apple verdienten im Jahre 2012 mit 411,5 Mio. $. so viel wie 89.000 Arbeiter bei seinem chinesischen Zulieferer Foxconn, die durchschnittlich 4.622 $ erhielten (218).[22]
In Analogie zu den Missbräuchen auf den Finanzmärkten erkennt Mazzucato im Innovationsgeschehen eine systematische Sozialisierung von Risiken bei gleichzeitiger Privatisierung der Gewinne. Nach ihrer Beobachtung gestalten sich die „Partnerschaften“ zwischen der öffentlichen Hand und den Privatunternehmen eher parasitär als symbiotisch (242). Sie fordert, dass Unternehmen bei staatlichen Unterstützungsleistungen wie Krediten und Bürgschaften oder finanziellen Zuwendungen Inhalte und finanzielles Volumen ihrer Kooperationen offenlegen und bei wirtschaftlichem Erfolg einen Rückfluss aus ihren Gewinnen garantieren müssen: „Diese Einnahmen … sollten in einen ‚nationalen Innovationsfonds‘ fließen, aus dem der Staat dann weitere Innovationen finanzieren kann.“ (240) Entsprechend sei bei öffentlich finanzierten Patenten sicherzustellen, dass der Patentinhaber anderen Marktteilnehmern Lizenzen umfassend und gerecht anbietet.
Ganz in der Tradition Freemans fordert Mazzucato, den „kollektiven“ Charakter von Innovationen“ (243) anzuerkennen. Gestützt auf eine demokratische Legitimation sollten die öffentlichen Hände bewusst die Führungsrolle im Innovationsprozess übernehmen und den risikolosen Verzehr öffentlicher Budgets in den High-Tech-Branchen durch einen sich finanziell selbst tragenden Prozess der Innovationsförderung ersetzen. Sie plädiert für einen aktiven Staat als richtungsweisenden Innovationspionier (19), der nicht nur förderliche Rahmenbedingungen für Märkte setzt, sondern diese selbst schaffen muss.[23] Dies gilt mit einem Mix von angebots- und nachfrageorientierten Maßnahmen in besonderem Maße für die von ihr propagierte „grüne Revolution“ (147-180).[24] Gegenüber versickernden Steuererleichterungen favorisiert sie gerade für die erneuerbaren und sauberen Energien öffentliche Investitionen und Entwicklungsbanken, die mit langem Atem größere Risiken tragen, langfristige Kredite vergeben, den gesellschaftlichen Nutzen maximieren und einen positiven Kreislauf etwa durch öffentliche Güter in Gang setzen könnten, ohne Dividenden zahlen zu müssen (178-180).
Auf der Grundlage einer kritischen Einschätzung parasitärer Innovationsstrategien, in denen Schumpeters „kreative Unternehmer“ zwar noch eine in der Öffentlichkeit ideologisierte, aber realiter keine entscheidende Rolle mehr spielen, bieten Mazzucatos Analysen und Argumente auch einen Ansatz für sozial-ökologische Transformationsprozesse. Diese setzen freilich ganz andere gesellschaftliche Kräfteverhältnisse und demokratische Regulationsformen voraus, die entgegen den jahrzehntelangen Rückbildungsprozessen erst wieder zu erringen sind – ein bei Mazzucato weitgehend ausgeblendeter Fragenkomplex, der eine politisch-soziologische Analyse der gesellschaftlichen Kräfte- und Herrschaftsverhältnisse, der Interessenbindung und funktionalen Abhängigkeiten staatlichen Handelns erforderlich macht. [25]
5. Aktuelle Vorschläge für sozial-ökologische Innovationsstrategien in Europa
Mariana Mazzucato und Carlota Perez haben vor einem Jahr Vorschläge zur Lösung der europäischen Krisensituation vorgelegt.[26] Als entscheidend betrachten sie, die Abkopplung des Finanzsektors von der realen Produktion umzukehren und die kurzfristigen finanzmarktdominierten Profitorientierungen in langfristig wirksame Zielsetzungen gesellschaftlicher Entwicklung zu transformieren. Nur so könnten die stagnativen Tendenzen der herrschenden Kasinoökonomie überwunden werden. Dies verlange im Rahmen einer umfassenderen Alternativstrategie jedoch u.a. zielorientierte öffentliche Investitionen für neue Technologien, während die gegenwärtige Überflutung der Märkte mit billigem Geld keine Investitionen, sondern eine andauernde Überbewertung der Kapitalgüter und Bereicherung des Finanzkapitals erzeugt.
Die gegenwärtige Krise erfordert laut Mazzucato und Perez tiefgreifende institutionelle Umgestaltungen, um den gravierenden Missständen einer finanzialisierten Wirtschaft und der Einkommensungleichheit in der Gesellschaft gegenzusteuern. Hierzu müssten das vorhandene Innovationspotenzial ebenso profitabel genutzt wie die erzielten Gewinne „fair“ mit den öffentlichen Geldgebern geteilt werden. Das erfordert u.a. Innovationsstrategien mit abgestimmten Maßnahmenpaketen, die Anreize für öffentliche und private Investitionen in langfristige Wertschöpfungsbereiche setzen, also die Entwicklung des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens, der Infrastruktur und zur Transformation des fossilen Kapitalismus. Dazu stellen sie folgende Kriterien auf:
· öffentliche, zielorientierte Investitionen in strategisch zentralen Bereichen wie Klimawandel, Ressourcenverbrauch und „Humankapital“;
· direkte öffentliche Investitionen insbesondere zur Stärkung wirtschaftlich schwächerer Länder in Europa gekoppelt mit indirekten Investitionsanreizen in der Steuerpolitik;
· restrukturierte Fiskalpakte, in denen der vorherrschenden Schuldenfixierung durch Investitionsförderung gegengesteuert wird;
· eine grüne Transformation der gesamten energie- und materialintensiven Wirtschaft der Massenproduktion mit Hilfe der Informationstechnologien;
· qualitativ orientierte Finanzhilfen für stärker ökologisch und sozial orientierte Investitionen mit anhaltenden Beschäftigungseffekten;
· positive Anreize für wertschaffende Produktion und negative Anreize (Sanktionen) für spekulative Formen der Geldvermehrung ;
· intelligente Regulationsformen, die Gewinnerwartungen in Bereiche öffentlicher Güter und allgemeiner Wohlfahrt lenken;
· redistributive Steuersysteme, die weniger die Arbeit und stärker den Verbrauch von Ressourcen und kasinokapitalistische Verwerfungen belasten.
Das wäre so etwas wie ein europäischer „New Deal“, der den Weg für einen sozial-ökologischen Umbau des europäischen Kapitalismus öffnet. Wenn die Autorinnen einen solchen Weg kapitalistischer Entwicklung unter stärkerer Akzentuierung staatlicher Aktivitäten vorschlagen, dann werden zu entscheidenden Herausforderungen die politische Eindämmung der die Wirtschaftsentwicklung und das Innovationsgeschehen weitgehend bestimmenden Export-, Rüstungs- und Finanzinteressen durch national und transnational sich organisierende Gegenkräfte, die Durchsetzung der demokratischen Qualität – im Sinne gesellschaftlich getragener und öffentlich-parlamentarischer Entscheidungsfindung – regionaler, einzelstaatlicher und europäischer Innovationspolitik sowie die Stärkung öffentlicher Entwicklungsaufgaben vor allem in den schwächeren Ländern Europas. Dies könnten auch Ansatzpunkte für eine weiterreichende Demokratisierung der Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung in einer ökologischen Perspektive sein.
Die Autorinnen befassen sich zwar nicht explizit mit den hegemonialen Umbrüchen in der kapitalistischen Welt: den geografischen Reallokationen des Kapitals, den Veränderungen der Sozialstrukturen, den aufbrechenden Klassenkämpfen und Kriegen sowie den hiervon ausgelösten Migrations- und Fluchtwellen, auch bleiben in ihrer eher objektivierenden Darstellung die Akteure zur Realisierung der eingeforderten Maßnahmenpakete außen vor; dennoch eröffnen sie ein tieferes Verständnis der kapitalistischen Entwicklungszyklen einschließlich der gegenwärtig krisenverschärfenden Rolle der Finanzmärkte, ohne einem historischen Pessimismus im Kampf um sozial-ökologische Transformationserfordernisse zu verfallen. Christopher Freemans ultimative Botschaft für die emanzipatorischen gesellschaftlichen Kräfte bis hin zu den einzelnen Akteuren bleibt hochaktuell mit den Worten von Gabriel Garcia Marquez‘ in seinem Roman „Liebe in den Zeiten der Cholera“: „Weiche niemals zurück vor Zynismus und Verzweiflung. Bleibe den Idealen der Jugend treu.“ („Never give way to cynism or despair. Remain true to the ideals of youth.“)
[1] Dosi, G; Freeman, C.; Nelson, R.; Silverberg, G.; Soete, L. 1988: Technical Change and Economic Theory. London and New York. Freeman, C. 1995: The “National ‘System of Innovation’ in Historical Perspective”. In: Cambridge Journal of Economics 19, Nr. 1, 5-24. Freeman, C.; Soete, L. 1997: The Economics of Industrial Innovation. London.
[2] Schumpeter, J.A. (1912): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Berlin.
[3] Schumpeter, J.A. 1961: Konjunkturzyklen. Eine theoretische, historische und statistische Analyse des kapitalistischen Prozesses, 2 Bde. Göttingen 1961 (Business Cycles: 2 vols. 1982).
[4] So fand in den 1980er Jahren nicht nur in den angelsächsischen Ländern, sondern auch in der Bundesrepublik eine kontroverse Diskussion statt. Hierfür stehen zwei Argumentationen pro und contra mit umfangreichen Literaturnachweisen: Kleinknecht, A. 1984: Innovationsschübe und Lange Wellen: Was bringen „neo-schumpeterianische“ Kriseninterpretationen? In: Prokla 57, Dez., 55-57. Goldberg, J. 1985: Das Konzept der ‚Langen Wellen der Konjunktur‘. Eine Kritik theoretischer Aspekte. Informationsbericht 41 des IMSF, Frankfurt/M., 51-96. Ferner ein diskursiver Austausch der Zeitschriften Prokla, SPW und Sozialismus sowie der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und des Instituts für Marxistische Studien und Forschungen zu ökonomischen Tendenzen und gesellschaftlichen Entwicklungsperspektiven: Kontroversen zur Krisentheorie, Hamburg 1986.
[5] Ausführliche methodologische Überlegungen bei Freeman, C.; Louça F. 2001: As Time Goes By: Fromthe Industrial Revolutions to the Information Revolution. Oxford, 9-135.
[6] Freeman, C.; Clark, J.; Soete, L. 1982: Unemployment and Technical Innovation. A Study of Long Waves and Economic Development. London.
[7] Lundvall, B.-A. (Ed.) 1992: National Systems of Innovation. Towards a Theory of Innovation and Interactive Learning. London.
[8] Hier zeigt sich eine gewisse Nähe zu Marxens Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate, aber auch zu Keynes‘ Vorstellung einer sinkender Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals.
[9] Schumpeter, J.A. 3. Aufl. 1972: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. München (Capitalism, Socialism and Democracy. New York 1942). Achtes Kapitel: Monopolistische Praktiken, 143-175. In diesem Zusammenhang weisen Freeman et al. (a.a.O. 78) die Kritik Ernest Mandels an Schumpeters Vernachlässigung des Profitmotivs zurück, würdigen aber zugleich Mandels Beiträge zu Tendenzen gespaltener Profitraten (Mandel, E. 1972: Der Spätkapitalismus. Versuch einer marxistischen Erklärung. Frankfurt/Main, 70-100).
[10] Marx, K. 1953: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf) 1857-1858. Berlin. Bernal, J.D. 1986: Die soziale Funktion der Wissenschaft, Köln (London 1939); Bernal, J.D. 1961: Die Wissenschaft in der Geschichte (London 1954; Taschenbuchausgabe Reinbek bei Hamburg 1970).
[11] Freeman, C. 1992: The Economics of Hope. Essays on Technical Change, Economic Growth and the Environment. London and New York. Die Essaysammlung umfasst ein breites Spektrum des Wirkens von Freeman zu wissenschaftlichen und technischen, vor allem innovations- und evolutionstheoretischen Aspekten, aber auch zu Fragestellungen ökologischen Wachstums, der Lebensqualität und des gesellschaftlichen Fortschritts. Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf diesen Text.
[12] Die Ausführungen Freemans können hier nicht weiterverfolgt werden. Schon Schumpeter spricht, sich auf Marx beziehend, vom „evolutionären Charakter des kapitalistischen Produktionsprozesses“ (1972 [1943], 136) Siehe das 1982 veröffentlichte Standardwerk von R.R. Nelson und S.G. Winter: An Evolutionary Theory of Technical Change. (Cambridge), das in seiner Stoßrichtung gegen die Neoklassik zugleich Grundlagen für die neo-schumpetersche Innovationsökonomie liefert.
[13] Siehe auch Keynes, J.M. 1930: Treatise on Money. Volume 2. London, 86.
[14] Freeman, C. 1992: Innovation, changes of techno-economic paradigm and biological analogies in economics. In: The Economics of Hope.…, hier 131. Hierauf haben arbeits- und technikpolitische Programme seit den 1970er Jahren in Europa entsprechend ihren jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine unterschiedliche Antwort gegeben (Siehe Oehlke, P. 2013: Arbeitspolitische Impulse für soziale Produktivität. Fallstudien zu regionalen, nationalen und europäischen Aktivitäten. Hamburg)
[15] Dertouzos, M.L.; Lester, R.K.; Solow, R.M. 1989: Made in America: Regaining the Productive Edge. Cambridge/Mass.
[16] Die gesellschaftliche Aktivierung im Interesse einer sozialen Integration neuer Technologien, sozialer Innovationen und demokratischer Werte wird explizit in der OECD-Studie New Technologies in the 1990s. A Socio-economic Strategy (Paris 1988) einer Expertengruppe unter Vorsitz von Ulf Sundqvist angesprochen, in der Freeman and Soete mitgewirkt haben.
[17] A green techno-economic Paradigm for the world economy. In: The Economics of Hope …, 190-211.
[18] Perez, C. 2002: Technological Revolutions and Financial Capital: The Dynamics of Bubbles and Golden Ages. London. Seitenzahlen im Text beziehen sich auf dieses Buch. Siehe auch Perez, C. 2004: Finance and technical change: A long-term view. In: Hanusch, H; Pyka, A. (Eds.): The Elgar Companion to Neo-Schumpeterian Economics. Cheltenham.
[19] Diese Übergangsphase kennzeichnet die gegenwärtige Situation, in der nach der Finanzkrise unter dem Leitbegriff der „digitalen Revolution“ in der Bundesrepublik Deutschland versucht wird, die industrielle Wertschöpfung mit Hilfe öffentlicher Programme zu verstärken. Entsprechend werden gegenwärtig von der Europäischen Kommission in Pilotprojekten multinationale Konsortien von KMU und wissenschaftlich-technischen Einrichtungen gefördert: „Fast Track to Innovation“ http://www.nks-kmu.de/foerderung-fti.php
[20] Mazzucato, M. 2014: Das Kapital des Staates. Eine andere Geschichte von Innovation und Wachstum. München (The Entrepreneurial State. London, New York). Seitenangaben im Text dieser Ausgabe. Siehe auch: A mission-oriented approach to building the entrepreneurial state, November 2014, 27 (http://marianamazzucato.com/wp-content/uploads/2014/11/ MAZZUCATO-INNOVATE-UK.pdf)
[21] Dieser ist in unterschiedlichen theoretischen Kontexten schon in der Vergangenheit nachgewiesen worden; so u.a. von Leisewitz, A. 1976: Staatliche Forschungspolitik und Monopole. In: Das Monopol – ökonomischer Kern des heutigen Kapitalismus. Frankfurt/M., 278-283. Siehe unter theoretischem Blickwinkel Hirsch, J. 1974: Staatsapparat und Reproduktion des Kapitals. Frankfurt/Main, hier 173-205. Alternative Konzepte bei Ahrweiler, G.; Döge, P.; Rilling, R. (Hg.) 1994: Memorandum Forschungs- und Technologiepolitik 1994/1995. Gestaltung statt Standortverwaltung. Für eine sozial-ökologische Erneuerung der Forschungs- und Technologiepolitik. Marburg/Lahn.
[22] Einen plastischen Eindruck über die Arbeitsbedingungen bei Foxconn gibt Christian Fuchs: Zur Theoriebildung und Analyse der digitalen Arbeit. Die globale Produktion digitaler Hard- und Software. In: Z 103 (September 2015), 85-95, hier 91-93.
[23] Mazzucato, M. 2015: The Innovative State. Government Should Make Markets, Not Just Fix Them. In: Foreign Affairs, Jan.-Febr. Siehe auch Karl Polanyi 1978: The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen. Frankfurt am Main, 192-195.
[24] So auch Perez, C. 2013: Financial bubbles, crises and the role of government in unleashing golden ages. In Pyka, A.; Burghof, H.P. (Eds.): Innovation and Finance. London, 11-25.
[25] Zur aktuellen Diskussion über die demokratische „Involution“ (Agnoli) siehe u.a. Crouch, C. 2008: Postdemokratie. Frankfurt am Main. Deppe, F. 2013: Autoritärer Kapitalismus. Demokratie auf dem Prüfstand. Hamburg. Streeck, W. 2013: Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus. Berlin.
[26] Innovation as Growth Policy: the challenge for Europe, July 2014, hier 21-24 (http://www.sussex.ac.uk/spru/documents/2014-13-swps-mazzucato-perez.pdf).