Hatte sich die 1. SALZ-Konferenz im vergangenen Jahr dem Thema Ökologie und Sozialismus verschrieben (vgl. Z 82), so war die 2. Konferenz ganz dem Thema Ökologie und Arbeit gewidmet. Wieder kamen rund 70 TeilnehmerInnen in Kassel zusammen, um im Anschluss an die Referate über die vielgestaltigen Realitäten und Möglichkeiten der Arbeit im Zusammenhang mit der ökologischen Krise zu diskutieren. Die erfreuliche Resonanz auf die von der Rosa Luxemburg-Stiftung geförderte Veranstaltung bestätigte die Perspektive, aus der SALZ-Konferenz eine feste, jährliche Institution zu machen.
Die Liste der ReferentInnen garantierte eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema, das zunächst theoretisch angegangen wurde. Thomas Kuczynski eröffnete die Konferenz mit Überlegungen zum Wert der Natur, die durchaus ihre ironische Seite hatten: „Wegen des andauernden Raubbaus an der Natur ist deren natürliche Reproduktion nicht mehr gewährleistet. Daher müssen die Menschen heute für die Reproduktion der Natur arbeiten.“ Anstatt die Natur als voraussetzungslos vorhanden denken zu können, geht heute Arbeit in die Natur ein, auch um sie zu erhalten. Ebenfalls klassisch marxistische Grundlagen weiterdenkend und bestätigend, unterzog der Sinologe Ingo Nentwig Friedrich Engels’ Schrift „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“ von 1876 einer Neu-Lektüre. Das neue, von links bis rechts bediente Zauberwort der „Nachhaltigkeit“ – „keine politische Partei ohne grünes Image, kein Unternehmen ohne Nachhaltigkeitsmanagement und kein Produkt ohne grünes Labeling“ – wurde von der Münchner Soziologin Sabine Pfeiffer auf den Arbeitsbegriff bezogen. Ihr Vortrag zum Thema „Gebrauchswert, Arbeitsvermögen und die innere Qualität von Arbeit als Schlüssel zu nachhaltiger Arbeit“ sowie die alltagsbezogenen Überlegungen ihrer Kasseler Kollegin Kerstin Jürgens, die dem „Vermittlungszusammenhang von Arbeits- und Lebenskraft“ nachging, rundeten den ersten Konferenzteil ab.
Breiten Raum nahm schließlich die Beschäftigung mit der Realität und dem Wandel der Arbeitswelten ein. Gerd Peter von der Sozialforschungsstelle Dortmund fragte, was sich aus dem Programm zur Humanisierung des Arbeitslebens aus den 1970er Jahren lernen lasse und stellte fest, dass die Arbeitspolitik unbedingt „die Dimensionen von politischer Ökologie und Gender-Politik neu zu berücksichtigen“ habe. Der Kasseler Arbeitswissenschaftler Jürgen Klippert, der die Themenstellung der Konferenz ursprünglich angeregt hatte, wies auf die psychischen Belastungen durch Arbeit hin: „Effizienzsteigerung durch Leistungsverdichtung in der Sphäre der Erwerbsarbeit ruft heute in zunehmendem Maße negative Folgen von Belastungen hervor, die neben körperlichen Folgen zunehmend die Psyche der Menschen schädigt. Die Zahl der psychischen Erkrankungen hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen.“ Nicht zuletzt die prekären Arbeitsverhältnisse hätten längst zu verbreiteten Gefühlen von Unsicherheit und Existenzangst geführt. Mit „Prekarität und Arbeitskampf“ war auch der Beitrag von Mag Wompel vom LabourNet überschrieben, die trotz einer offensichtlichen „Verelendungsspirale“ auch Chancen zeitgemäßer Arbeitskampfformen diskutierte. Einen Blick bereits darüber hinaus wagte der Mediziner Klaus Engert. Er fragte nach der Entwicklung der Arbeitszeit und ihrem Verhältnis zur Muße in einer anzustrebenden ökosozialistischen Gesellschaft und forderte „eine radikale Reduktion des Anteils notwendiger Arbeit an der menschlichen Lebenszeit“. Diese setze aber nicht nur „eine Umverteilung der Arbeit“, sondern auch „eine Beseitigung sämtlicher gesellschaftlich überflüssigen und ökologisch kontraproduktiven Arbeit“ voraus, was nur im Rahmen einer „kollektiven gesellschaftlichen Umwertung der Begrifflichkeiten“ vorstellbar sei.
Zwei Vorträge wandten sich dann internationalen Aspekten zu. Lot van Baaren, Vorstandsmitglied der niederländischen Gewerkschaft FNV Abvakado, berichtete darüber, dass ihre Gewerkschaft sich auch den Interessen von sogenannten „Illegalen“ auf die Fahnen geschrieben habe, wodurch deren Arbeitsbedingungen deutlich verbessert werden konnten – ein in jeder Hinsicht nachahmenswertes Beispiel. Gerhard Klas vom Rheinischen JournalistInnenbüro in Köln blickte noch weiter über den Tellerrand hinaus und erläuterte den Zusammenhang von Landwirtschaft und Klimawandel in Indien und Bangladesh. Sein vorläufiges Resümee war niederschmetternd: Die ersten großen Opfer des Klimawandels seien „die Staaten, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen“ hätten, „weil ihr Anteil an den Treibhausgasemissionen vernachlässigbar“ sei. Sie würden „ganz oder teilweise im Meer versinken oder zu Wüsten werden“. Die Zahl von mehreren hundert Millionen KlimamigrantInnen hielt Klas keineswegs für übertrieben. Daher stelle sich die Frage nach der politischen „Verantwortung der Hauptverursacher des Klimawandels“ im Norden, die aber vorwiegend damit beschäftigt seien, den gefährdeten Staaten weiter „das westliche Entwicklungsparadigma“ aufzuoktroyieren.
Weitere Analysen und mögliche Antworten auf diese trüben Aussichten, die geradezu nach einer neuen internationalen Solidarität schreien, wird SALZ auch weiterhin zur Diskussion stellen. Im Mittelpunkt der 3. Konferenz im März 2012 wird daher das Großthema Ökologie und Verkehr bzw. Mobilität stehen. Alle Vorträge, Materialien und Ankündigungen sind wiederum nachzulesen auf der Konferenzseite von www.bildungsgemeinschaft-salz.de.
Die neu überarbeitete Fassung der im letzten Jahr beschlossenen Erklärung „Für eine ökosozialistische Wende von unten!“ wurde mit großer Zustimmung angenommen. Wer sich der Erklärung anschließen, im SALZ-Arbeitskreis für Ökologie & Sozialismus mitwirken oder über Termine informiert werden möchte, wende sich bitte an salzkreis@yahoo.de oder an Bildungsgemeinschaft SALZ e.V. – Oberonstr. 21 – 59067 Hamm.
Michael Rieger/Peter Schüren