Buchbesprechungen

Gegen linken Selbsthass

von Andreas Wehr zu Domenico Losurdo
März 2010

Domenico Losurdo, Flucht aus der Geschichte? Die russische und die chinesische Revolution heute, Neue Impulse Verlag, Essen 2009, 193 S., brosch., 12,80 Euro

In der Zeitschrift iz3w war über die Politik der Sandinisten in Nicaragua zu lesen: „Aber Ortegas Verrat ist eine politische Tragödie für alle, die auf der ganzen Welt ihre Hoffnung auf eine partizipatorische Demokratie in Nicaragua setzten.“1 Da ist er also wieder, der Verratsvorwurf, der regelmäßig an die Stelle einer nüchternen politischen Bewertung tritt. Dieses Denken ist in der Linken noch immer nicht überwunden. Und so gilt auch Leo Trotzkis Werk „Die verratene Revolution“ weiterhin als ein Schlüsselbuch zur Deutung der Geschichte der Sowjetunion.

Für den italienischen Historiker und Philosophen Domenico Losurdo gehört aber dieses Denken in Kategorien des „Verrats“ überwunden. Erst dann kann sich die Linke ein realistisches Bild von den Erfolgen und den Niederlagen des Sozialismus machen. Sein Urteil ist eindeutig: „Mit ihrem naiven Dogmatismus – die Bürokraten, die den Elan der Massen ersticken und die Revolution verraten, sind immer die anderen -, mit ihrer endlosen Monotonie und mit ihrer universalen Anwendbarkeit auf die Krisenphänomene oder auf den Prozeß der Konsolidierung und ‚Bürokratisierung’ einer jeden Revolution zeigt die Kategorie ‚Verrat’ ihre ganze Leere.“ (93) Traf erst Stalin der Vorwurf des Verrats, so entgingen ihm auch Chruschtschow und schließlich Gorbatschow nicht. Auch Deng Xiaoping gehört natürlich dazu. Ihm lastete man an, die Demokratiebewegung von 1989 unterdrückt und damit verraten zu haben. Nun ist also in der langen Reihe der Verräter Daniel Ortega an der Reihe. Das alles ist nicht neu. Der Bannstrahl des Verratsvorwurfs traf bereits die revolutionäre Diktatur in der französischen Revolution, der vorgeworfen wurde, die direkte Demokratie erstickt zu haben.

Nach Losurdo sind noch weitere Klischees und liebgewordene Erklärungsmuster der Linken zu verwerfen, um zu einem unverstellten Blick auf die Geschichte des Sozialismus zu gelangen. Hierzu zählt er die – auch in der deutschen Partei Die Linke – so beliebte Kategorie des „Scheiterns“ des Sozialismus. Er fragt: Ist mit einem solchen „Scheitern“ etwa vereinbar, daß „ohne den Oktober und, ganz allgemein, ohne den revolutionären Zyklus, der vom Jakobinismus zum Kommunismus hinführt, das Aufkommen und die weitere Entwicklung des Sozialstaats im Westen nicht zu verstehen“ ist? (90/91) Auch für die Überwindung der Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und der Rasse gilt, dass sie in diesem revolutionären Zyklus enorme Anstöße erhalten hat. Und was die Emanzipation der Dritten Welt angeht, so zeigt sich vollends der irreführende Charakter dieser Kategorie des Scheiterns, wenn man versucht, „sie auf die ehemaligen Kolonialländer und -völker anzuwenden, die ihre Unabhängigkeit und Würde auf der Woge eines Kampfes erlangt haben, der sich von der kommunistischen Bewegung hat inspirieren und vorantreiben lassen“. (91)

Doch dieser Blick auf die weltweite Wirkung des Sozialismus ist in Europa ungewohnt: „Das Mindeste, was man sagen kann, ist, daß der heutige Diskurs vom ‚Scheitern’ grob euro-zentristisch ist.“ (91) Deshalb spricht Losurdo von der Niederlage des Sozialismus und nicht von seinem Scheitern. „Die ‚Niederlage’ (des sozialistischen Lagers) ist nicht das ‚Scheitern’: Während letztere Kategorie ein total negatives Urteil impliziert, ist die erstere ein partiell negatives Urteil, das auf einen bestimmten historischen Kontext Bezug nimmt und es ablehnt, die Realität einiger Länder (und sogar eines Riesenlandes wie China) zu verdrängen, die sich weiterhin auf den Sozialismus berufen.“ (113)

Das hier von Losurdo vorgestellte Denken steht ganz und gar im Widerspruch zu dem in der europäischen Linken heute so verbreiteten Selbsthass, der den Blick auf die eigene Geschichte verstellt. Dieser Selbsthass ist für ihn nichts anderes als „die feige Flucht vor dieser Geschichte und vor der Realität des ideologischen und kulturellen Kampfes, der in dieser Geschichte aufscheint“. (10) „Man versteht daher, daß es auch in der Linken nicht an denen fehlt, die die mit der Oktoberrevolution begonnene Geschichte liquidieren möchten, wobei sie ihr natürlich nicht den westlichen Kapitalismus und Liberalismus entgegensetzen, sondern die Utopie.“ (101)

In Deutschland gehört zu dieser Flucht in die Utopie der heute so verbreitete Kult um Rosa Luxemburg. Bei dieser Rückbesinnung auf die große marxistische Revolutionärin interessieren aber weder ihre klare Verurteilung der konterrevolutionären deutschen Sozialdemokratie noch die genauen Inhalte ihrer Kritik an der Politik der Bolschewiki; hier vertrat sie etwa in Fragen der Kollektivierung und der Behandlung der nichtsrussischen Nationen durchaus unrealistische, wenn nicht gar sektiererische Positionen. All dies würde aber nur stören bei der Schaffung des Mythos Rosa Luxemburg. In diesem Mythos verbinden sich der heroische Kampf der Spartakisten, die Ermordung der Führer der gerade erst gegründeten und daher noch „unschuldigen“ KPD und die Kritik von Rosa Luxemburg an den russischen Bolschewiki zu einer Imagination der perfekten Einheit von Demokratie und Sozialismus, vor der die wirkliche, profane und ganz und gar unromantische Geschichte der kommunistischen und sozialistischen Bewegung der vergangenen 90 Jahre als hässliche Entstellung wenn nicht gar Verrat erscheinen muss. Diese Vorstellung, mit einer geläuterten Partei und mit dem Wissen von heute noch einmal an diesen Ausgangspunkt des Jahres 1919 zurückkehren und so endlich die perfekte Vereinigung von Demokratie und Sozialismus verwirklichen zu können, ist aber eine bloße Utopie, ein moralisches Postulat des Sollens, das zu nichts führt. Losurdo zitiert in einem früheren Buch seinen Landsmann Silvio Spaventa (1822-1893), der, infolge der Konterrevolution und der bourbonischen Repression im Gefängnis eingesperrt – also nach einer der heutigen Situation ähnlichen Niederlage – anmerkt: „Eine Vorsehung, die eine Perfektion, die nie sein soll, zum Zweck der Welt macht, setzt ein Nichts zum Zweck der Welt an, etwas, das nie sein soll: sie ist daher keine Vorsehung. Damit sie eine wird, muß die Vernunft der Welt nicht nur Sollen, sondern gegenwärtig sein: ansonsten gibt es keine Vorsehung.“2 Hegel war es, der mit seiner These von der Vernünftigkeit des Wirklichen dieser Aussage theoretischen Ausdruck verlieh. Damit war aber keineswegs eine unkritische Gleichsetzung von Vernunft und Wirklichkeit gemeint. Es ist vielmehr eine Kritik an dem Kant’schen bloßen Sollen. „Die Behauptung der Einheit von Vernünftigem und Wirklichem bedeutet bei Hegel dagegen, daß dieses Sollen, wenn es authentisch ist, in konkreten, politischen Institutionen Gestalt annehmen kann und damit großenteils überflüssig werde.“3

Eine der Ursachen für diese Flucht aus der Geschichte besteht für Losurdo darin, dass sich die wirklichen Erfolge des mit der Oktoberrevolution eingeleiteten Revolutionszyklus nur schwer mit dem Bild der Revolutionäre von ihrem eigenen Handeln in Deckung bringen lassen. Revolutionen neigen dazu, sich als die Lösung jedweder Menschheitsprobleme zu verstehen. Das gilt für die Französische ebenso wie für die Russische Revolution. Und für die chinesische kann gesagt werden, dass sie ihre radikale Phase in der Kulturrevolution durchlebte und durchlitt. Alle Revolutionen haben ihren „Extremismus und aggressiven Universalismus“ (152) als endgültige Lösungen und dann gleich für die ganze Menschheit präsentiert. Dieser revolutionäre Anfangselan hat aber zwei Seiten: „Einerseits stimuliert die abstrakte und emphatische Utopie die Begeisterung der Massen, die notwendig ist, um den hartnäckigen Widerstand des Ancien Régimes zu brechen, andererseits erschwert sie den Aufbau der neuen Gesellschaft.“ (103)

Als hinderlich erwies sich in der jungen Sowjetunion wie im kulturrevolutionären China die Hoffnung auf einen weitgehend konfliktfreien Zustand, auf die „Ankunft eines Kommunismus (…) der phantastischen Art“ (51). Hierzu gehören die Erwartungen von einem umgehenden Überflüssigwerden des Marktes, des Geldes, der Verfassung, der Parlamente, ja sogar der Familie. Nach Losurdo fehlte der russischen bolschewistischen Partei weitgehend eine revolutionäre Theorie für die Errichtung der neuen Gesellschaft, „denn die eschatologische Hoffnung auf eine vollständig versöhnte Gesellschaft ohne jegliche Widersprüche und Konflikte kann gewiß nicht als eine Theorie der zu errichtenden nachkapitalistischen Gesellschaft betrachtet werden.“ (52)

Zu dieser idyllischen Vorstellung von einem harmonischen Zustand nach der Revolution gehört für den Hegelianer Losurdo vor allem der falsche Begriff von der historischen Rolle des Staates. Die These vom Absterben des Staates mündete „in der eschatologischen Vision einer konfliktfreien Gesellschaft, die folglich auch keine juridischen Normen brauchte, um Konflikte zu begrenzen und zu regeln.“ (64) Die Ursachen für dieses falsche Staatsverständnis sieht Losurdo bereits in manchen Äußerungen von Marx und Engels zum Staat angelegt, auch wenn er beiden Stammvätern über die Jahre hier schwankende Haltungen zugesteht.4 Zur Desorientierung trug auch Lenins Werk „Staat und Revolution“ bei, das kurz vor dem Roten Oktober mit Blick auf von den Bolschewiki umworbene anarchistische Strömungen geschrieben wurde. Der italienische Philosoph und Historiker Domenico Losurdo verweist hier auf die Leistung Antonio Gramscis, „dem das enorme historische Verdienst zukommt, als erster über ein wirksames, radikales Emanzipationsprojekt nachgedacht zu haben, das dennoch nicht von sich behauptet, das Ende der Geschichte zu sein.“ Für den Autor geht es heute darum, „eine klare Trennlinie zwischen Marxismus und Anarchismus zu ziehen und dabei endgültig Abschied zu nehmen von abstrakten Utopien, aber gleichzeitig die historischen Gründe ihrer Entstehung darzulegen“ (67). Was das erwartete Absterben des Staates angeht, so sprach hier übrigens die Praxis in den sozialistischen Ländern eine ganz andere Sprache. Von einer Abschwächung des staatlichen Gewaltmonopols war dort jedenfalls nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil.

Das europäische sozialistische Lager unter Führung der Sowjetunion war auch unfähig, eine adäquate Antwort auf die nationale Frage zu geben. Losurdo sieht hierin den größten Mangel des Systems. Ungelöste nationale Konflikte lagen in letzter Instanz allen Krisenmomenten dieses Lagers zugrunde, angefangen beim Bruch mit dem Jugoslawien Titos 1948, über die Invasionen in Ungarn 1956 und in der Tschechoslowakei 1968, schließlich dem Schisma zwischen der UdSSR und China am Beginn der sechziger Jahre bis hin zu dem Polen 1981 aufgenötigten Kriegsrecht. Für den Autor steht fest, dass „die Auflösung des sozialistischen Lagers nicht zufällig an der Peripherie des ‚Imperiums’ begonnen (hat), in Ländern, die seit längerer Zeit unzufrieden waren mit der ihnen aufgezwungenen beschränkten Souveränität“ (46 f.). Den entscheidenden Anstoß zum Zusammenbruch der Sowjetunion leisteten denn auch nicht zufällig die baltischen Staaten, also jene Länder, „in die der Sozialismus 1939/40 exportiert worden war“ (47).5 Unerwähnt lässt aber der Autor in diesem Zusammenhang, dass es bei der Behandlung der nationalen Frage in der Geschichte der Sowjetunion große Schwankungen gab, sowohl unter Lenin als auch unter Stalin, Chruschtschow und Breschnew. So konnten sich in den zwanziger Jahren im Zarenreich unterdrückte Völker, etwa das belorussische, überhaupt erst als Nation konstituieren. Doch der generellen Wertung Losurdos ist dennoch unbedingt zuzustimmen, wonach „in gewisser Weise (…) die nationale Frage, die einen wesentlichen Beitrag zum Sieg der Oktoberrevolution geleistet hat, auch das Ende des mit dem Oktober begonnenen historischen Zyklus besiegelt (hat).“ (47) Für ihn steht daher fest, dass nicht ein Versagen der Ökonomie, sondern das der Politik zur Niederlage des europäischen Sozialismus führte. Auf die deutsche Situation übertragen bedeutet das: Die Implosion der DDR als Staat in nur wenigen Wochen war nur deshalb möglich, da ihr Sozialismusmodell als ein von außen Gebrachtes nie an die nationalen Bedingungen des in ständiger Konkurrenz zur Bundesrepublik stehenden Staates angepasst werden konnte.

Vor dem Hintergrund dieser Analyse der Niederlage des europäischen Sozialismus, die aber eben nicht mit einem Scheitern gleichgesetzt werden darf, kommt Losurdo im zweiten Teil seines Buches zur Bewertung der historischen Bilanz der chinesischen Revolution. Für ihn gibt es dabei einen grundlegenden Unterschied zwischen Russland und China: „Es ist nicht der Marxismus, der die Revolution in China hervorruft, sondern der hundertjährige Widerstand des chinesischen Volkes, der nach mühsamer Suche sein volles Selbstbewußtsein in der Ideologie findet, die die Revolution zum Siege führt.“ Der Marxismus-Leninismus ist somit „die ideologische Waffe, die in der Lage ist, den Sieg der nationalen Revolution in China zu gewährleisten und das Land dahin zu bringen, die halbfeudalen und halbkolonialen Verhältnisse zu überwinden“ (124). Nur wer diesen Ausgangspunkt begreift, verwechselt den heutigen chinesischen Patriotismus nicht mit einem Nationalismus und der versteht, warum das Land trotz aller abrupten Kehrtwendungen weiterhin am Ziel des Sozialismus festhält.

Die Ereignisse in China haben nach Losurdo für die Entwicklung des Sozialismus, ja für die ganze Menschheit eine zentrale Bedeutung. Gelingt es einem Land von derartiger Größe und versehen mit solch ungeheurem Potenzial, einen eigenständigen Entwicklungspfad weiterzuverfolgen, so hat dies enorme Auswirkungen auf den Rest der Welt. Doch ob dieses Experiment gelingt, steht auch für Losurdo noch lange nicht fest: „Wir haben es mit einem Lernprozeß zu tun, der sich noch in der Entfaltung befindet; er hat schon außerordentliche Resultate erzielt, aber seine Weiterentwicklung und sein Ausgang sind noch völlig unvorhersehbar.“ (139) Wie sich dieser Ausgang gestaltet, dürfte vor allem davon abhängen, ob die gegenwärtige Übernahme von in kapitalistischen Ländern entwickelten Technologien die Neuauflage einer gigantischen und daher politisch gesteuerten Neuen Ökonomischen Politik ist, oder ob bei diesem Transfer auch gleich die vom Westen mitgelieferten Konsumgewohnheiten mit übernommen werden. Um zu illustrieren, was hier gemeint ist, sei darauf verwiesen, dass im Jahr 2009 China die USA als weltweit größten Automarkt abgelöst hat. Losurdo spricht dieses Problem nicht an. Undiskutiert bleibt auch die Frage, was das für ein Sozialismus sein kann, der offensichtlich keine eigenständigen ästhetischen Ausdrucksformen mehr hervorbringt. Die im Westen bekannte zeitgenössische chinesische Literatur und das aktuelle bildnerische Gestalten entsprechen vielmehr weitgehend der westlichen Postmoderne.6 Geht man davon aus, dass sich zuerst in der Kunst neue gesellschaftliche Entwicklungen ankündigen, so muss dieser Umstand nachdenklich stimmen.

Losurdo appelliert am Ende des Buches zu Recht an die Linke, sich solidarisch mit dem riesigen Land zu zeigen, dessen Führung entschlossen ist, sich den widrigen Bedingungen der imperialistischen Globalisierung zu stellen und am langfristigen Ziel des Sozialismus festhalten will, obwohl so gut wie alle anderen sozialistischen Länder inzwischen verschwunden sind. Er wendet sich gegen jene Linke, die das heutige China dem kapitalistischen Lager zuschlägt. Die von vielen heute so schnell ausgesprochene „Exkommunikation“ Chinas erinnert ihn an die Politik Stalins gegenüber Tito 1948. Doch „heute sind es kleine Parteien und ehrgeizige Minderheitsgrüppchen, die den Bannfluch gegen eine kommunistische Partei von zig Millionen aktiven Kämpfern schleudern“. „Kein Zweifel, die Tragödie ist zur Farce geworden.“ (168 f.) Nur Verachtung hat der Autor aber für jene sogenannten Linken übrig, die sich an den imperialistischen Manövern zur Schwächung und gar zur Aufspaltung Chinas beteiligen, die tibetische Gebetsfahnen schwenken und sich mit auf den Menschenrechtskreuzzug gegen das Land begeben. Mit diesen „imperialen Linken“ (160) will er nichts zu tun haben.

In dem 2009 im Neue Impulse Verlag erschienenen Buch „Flucht aus der Geschichte? Die russische und die chinesische Revolution heute“ hat Domenico Losurdo Aufsätze zusammengefaßt und überarbeitet, die zuvor in verschiedenen Zeitschriften, u. a. in zwei Flugschriften der Marxistischen Blätter erschienen sind.7 Angefügt wurden zwei Interviews mit dem Autor. Eines davon führte die brasilianische Zeitschrift Critica Marxista. Dort, in Brasilien, erschien das hier besprochene Buch bereits 2004. Es folgte 2005 eine italienische und 2007 eine französische Ausgabe. Die nun vorliegende Übersetzung ins Deutsche folgt der französischen Ausgabe. Der Umstand, dass das Buch zunächst in Brasilien erschien, ist dabei alles andere als Zufall. Der Präsident der Internationalen Gesellschaft für dialektische Philosophie, Domenico Losurdo ist dort eben ein vielgelesener Autor, und die lateinamerikanische Linke sucht sehr viel intensiver und vorurteilsloser als jene in dem nach dem Epochenwechsel immer noch tief verzagten Europa nach einem Weg zur Überwindung des Kapitalismus. Es ist nun aber an der Zeit, dass auch die europäische Linke das Büßerhemd endlich auszieht. Die breite Rezeption dieses Buches kann dabei helfen.

Andreas Wehr

1 Roger Burbach, „Et tu, Daniel? Ortegas Verrat an der sandinistischen Revolution“, in: Iz3W, Juli/August 2009.

2 Domenico Losurdo, Hegel und die Freiheit der Modernen, Frankfurt am Main 2000, S. 340 f.

3 Ebenda, S. 339.

4 Vgl. hierzu Domenico Losurdo, Der Marxismus des Antonio Gramsci, Hamburg 2000, und hier insbesondere Kapitel 3, Absterben des Staates? Der Kommunismus ohne Utopie.

5 Ganz ähnlich sieht das auch Luciano Canfora in seinem Buch Die Freiheit exportieren. Vom Bankrott einer Idee, Köln 2008.

6 Nach Thomas Metscher „ist die Postmoderne (…) die adäquateste Bewußtseinsform des global expandierenden Imperialismus, seiner avanciertesten, ‚progressivsten’ Fraktion“, in: Thomas Metscher, Imperialismus und Moderne. Zu den Bedingungen gegenwärtiger Kunstproduktion, Essen 2009, S. 80. Dass aber die Volksrepublik China früher große revolutionäre Kunst hervorbringen konnte, wurde kürzlich mit der Präsentation der 1965 entstandenen Skulpturengruppe „Hof für die Pachteinnahme“ in Frankfurt am Main noch einmal demonstriert. Doch die Entstehung dieser Figurengruppe liegt nun bereits mehr als 40 Jahre zurück.

7 Eine Reihe von in dem Buch vorgetragenen Überlegungen, etwa zum Staatsverständnis Marx und Engels, finden sich bereits in Losurdos Buch Der Marxismus des Antonio Gramsci (s. Fußnote 4).