Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wird die Entwicklung der Produktivkräfte von periodischen Krisen beeinflusst. Die „Weltmarktungewitter“ (Marx) wurden jedoch nicht nur durch die Vernichtung von Kapital gelöst, sondern auch durch Erneuerung der Produktionsgrundlagen auf Basis effektiverer Produktionsmittel und – seit den 1970er Jahren – durch Kommodifizierung der allgemeinen Reproduktionsbedingungen.[2] Diese „Privatisierungsbewegung“ (Leibiger) öffnete dem Kapital ungeahnte Anlagefelder, zum Beispiel im Bereich staatlicher Gewährleistungsaufgaben.[3] Seit etwa Mitte der 1990er Jahre sind auch öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken[4] diesem Trend unterworfen. Doch diese Entwicklungen befeuern wiederum Rationalisierungen und/oder verursachen periodische Dysfunktionen im Reproduktionssystem selbst. Bestimmten Teilen der herrschenden „großen Industrie“ (z.B. Bibliotheca, Google, Nedap, Philips, Semantics) gelingt es, daraus Profit zu schlagen.
Akronyme der Produktivkraftentwicklung
Die Restrukturierung und Durchkapitalisierung läuft zumeist verdeckt hinter Akronymen und modernistischen Begriffswelten ab (Frequenzbringer, Cluster, Settlement Agreement, Outsourcing[5]). Wenn die Betroffenen stutzig werden, werden ihnen die Reformen entweder als Jahrhundert- oder als alternativlose Sparprojekte (mittlerweile abgekoppelt von jeglicher Begründungspflicht) verkauft.
Dem werden wir hier nachgehen, einige Akronyme entschlüsseln (TVöD, LOB, RFID, DNB) und deren sozialökonomischen Potenziale analysieren.
Schon im ersten Teil wurde angedeutet, dass die Public Manager der Verwaltung und des Bibliothekswesens intensiv an der Optimierung ihrer Institutionen (z.B. am Ersatz menschlich-intellektueller Arbeit durch halb- und vollautomatische Verfahren) feilen.[6] Darum wird seit den 1990er Jahren versucht, mit NPM-Systemen (NSM, Controlling, Doppik), Zentralisierung, Digitalisierung und Automation mehr Effektivität zu erzwingen. Bisher sind jedoch kaum leistungsfähige substituierende Technologien im Einsatz.[7] Eine Ausnahme ist die Automatisierung des Ausleihverkehrs in Büchereien durch RFID. Darüber später mehr. Es gibt aber auch noch andere Ansätze. Zum Beispiel das WWW oder die Jointventure-Strategie des Google-Konzerns, scheinbar uneigennützig und zumeist auf eigene Kosten, seltene oder vergriffene (auch vermeintlich vom Verfall bedrohte) Bücher zu digitalisieren.
Im Rahmen der verstetigten „Krise der Staatsfinanzen“ (Leibiger) versucht man es mit der Erhebung von Gebühren, mit Etatkürzungen oder mit Gehaltskürzungen. 2005 hat mit der radikalen Neugestaltung des Tarifrechts der Abbau erkämpfter Errungenschaften im öffentlichen Dienst begonnen.[8] Gleichzeitig haben die Sozialstaatsschleifer auch den „Beamtenstatus ins Visier“ (Pelizzari) genommen.[9] Anderenorts ist die „Demontage des Beamtenstandes“ (Liessmann) schon weit fortgeschritten.[10] Dort können wir studieren, was auf den im öffentlichen Dienst Arbeitenden zukommen wird. Beginnen wollen wir daher mit dem TVöD, einem „Jahrhundertwerk“ (Bsirske), mit dem den Angestellten in der BRD Beine gemacht werden soll.
1. TVöD und Co-Management
Mit dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes von 2005/06 (TVöD Land, TVöD Bund) hat dort die Deregulierung, d.h. das Zusammenstreichen von Urlaubs-, Weihnachtsgeld und anderen Zulagen, begonnen. Auf weniger „team- und leistungsfähiger[e]“ Mitarbeiter kommen außerdem Verschlechterungen im Rahmen so genannter leistungsorientierter Bewertungen (LOB) zu.
Da die „Selbstunterwerfung des öffentlichen Dienstes unter die Maßstäbe privateigentümlicher Profitmehrung“ seit Langem unhinterfragt akzeptiert wird, trifft man folglich auch im Bibliothekswesen auf ein eingespieltes Co-Management. Lebuhn[11] führt das Phänomen des „Co-Managements“ u.a. auf die „Gouvernementalität“ (Foucault) zurück, sodass gegen die Parolen von „mehr Eigenverantwortung für den Einzelnen“ oder „weniger Staat“ offensichtlich nur „schwer [zu] argumentieren“ ist.[12] Es scheint so, als würde der Rückbau des Public Welfare „durch einen mentalen, teilweise alltagspraktischen Neoliberalismus von unten“ im Bildungs- und Bibliothekswesen zusätzlich gestützt.
Die reibungslose Installierung dieses Tarif(mach)werks verdanken wir einem breiten, „auch die Gewerkschaften integrierenden Konsens“, sich den „Verwertungszwängen der Kapitallogik“ unterzuordnen.[13] Dieser in Beamten-/Ständeorganisationen (DBB, DAG etc.) schon immer fest verankerte Konsens ist nicht nur in gewerkschaftlichen Think Tanks und Gewerkschaftsspitzen, sondern seit vielen Jahrzehnten auch in den gewählten Personalratsgremien zu finden. Es war daher auch nicht zu erwarten, dass das dort tätige Personal Widerstand gegen das durch Verdi, DBB und andere Entscheidungsträger initiierte neue Tarifwerk leisten würde, zumal sich die Personalvertretungen verpflichtet fühlten, das LOB-System (d.h. die sukzessive Gehaltsumverteilung zugunsten von Mitarbeitern, die „leistungsfähiger“ scheinen) zügig umzusetzen. Wer, wie Liessmann, hier ein „intellektuelles Potenzial vermutet [...], das sich wenigstens einen distanzierten Blick auf die Verhältnisse“ gestatten würde, wird also enttäuscht. Ein „Aufschrei der Vernunft gegen die politische Vorherrschaft eines anscheinend unpolitischen privat- und betriebswirtschaftlichen Unsinns“ ist hier noch weniger zu erwarten.[14]
Diese Restrukturierung hängt nicht nur von der Wirkung des „diskreten Charmes der Parolen“ (Mahnkopf) und der Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse zu Gunsten des Kapitals ab, sondern auch von der scheinbar wertneutralen Entwicklung der Produktivkräfte.
Münchens Stadtbibliothek (MSB) ist ein Beispiel dafür, wie Rationalisierungen mit Hilfe eines eingespielten Co-Managements durchgesetzt werden und welche Auswirkungen sie haben. Mit der RFID-gestützten Automatisierung konnte das Management eine sukzessive Beseitigung von Arbeitsplätzen durchsetzen.[15] Anfang 2006 wurde der Wegfall von 29 Stellen per „Fluktuation“ öffentlich gemacht. Dies konnte aufgrund der oben erwähnten Unterwerfungs- und Einordnungsstrategien gelingen, denn der Personalrat (PR) hat dagegen keinen Widerstand entwickelt. Die Aussicht, einen hochgerüsteten Frequenzbringer zu bekommen, machte es dem Management leicht, die personelle Besatzdichte der Bibliothek aus vorgeblichen Effektivitätsgründen abzubauen. Mit der Drohung der Behördenleitung, bei einer Zustimmungsverweigerung des PRs noch mehr Bibliotheksfilialen in München zu schließen, hat das Gremium die üblichen Spar-/Sachzwänge, die gerne als Begründung für Rationalisierungen genannt werden, akzeptiert. Hier bestätigen sich die Befürchtungen Lebuhns, dass „die Unterwerfung [...] unter betriebswirtschaftliche Kriterien nicht mehr als Fremdbestimmung, sondern als [...] quasi-natürliches Handeln wahrgenommen“ wird.[16] Daher war es auch dem PR-Gremium der MSB möglich, die hinter der RFIDisierung stehende herrschende ökonomische Logik zu verdrängen.
2. RFID: Rationalisierungen mit Hochfrequenz-Techniken
Mit der Einführung neuer Technologien, in unserem Falle der Radio Frequency Identification-Technik (RFID), wird die Rationalisierung durch Digitalisierung weiter vorangetrieben.[17] Hinter diesem „sperrigen Akronym“ (Rosol) verbirgt sich eine Hochfrequenz-Technologie militärischen Ursprungs.[18] Primär steht zurzeit zwar noch die Distribution oder Lagerhaltung im ökonomischen Fokus – in unserem Falle der Ausleihverkehr in Bibliotheken. Obwohl sich die „automatischen Identifikations- und Datenerfassungsverfahren“ (Zahn) teilweise noch in einer so genannten Take-off-Phase befinden, wohnen dieser multifunktionalen Technik große (Produktivkraft-)Entwicklungspotenziale inne. Das Nutzungsspektrum von RFID wird sich sukzessive ausweiten. Ein Bibliotheksexperte ist sich sicher, dass dem „Erfindergeist“ beim Einsatz von RFID kaum Grenzen gesetzt sind: „Es ist die Technologie, mit der heute Rationalisierungen durchgeführt werden können.“[19] Auch das Marktvolumen von RFID scheint aus der Sicht von Analysten fast unerschöpflich.[20] Diese Smart-Technology scheint also viele Serviceträume von Bibliothekaren wahr werden zu lassen.
In der Publikumsgunst scheint sie ebenfalls zu steigen: Rund-um-die-Uhr-Öffnungszeiten, nie wieder Schlange stehen etc. Nur noch unerwartete technische Interdependenzen scheinen die weitere Penetrierung vieler Lebensbereiche[21] durch RFID aufhalten zu können.
Mit Arbeitsplatzabbau und Rationalisierungen versuchten und versuchen viele vom Bibliothekssterben bedrohte kommunale Institutionen ihre Schließung zu verhindern. Die aufgrund der langjährigen „Politik der Leeren Kassen“ (Pelizzari) und der Wirtschaftskrise zum Etatkürzen aufgerufenen Städte und Kommunen greifen daher seit Längerem zum Strohhalm RFID.[22] Doch die mit RFID einhergehenden Personalreduzierungen (siehe MSB) werden die öffentlichen Büchereien nur kurzfristig entlasten, denn selbst die vom Bund mitfinanzierten Projekte sind langfristig alles andere als etatschonend. Dabei werden die Einsparungen weniger aufgrund fehlender Standards und anderer Schwachstellen[23] wieder aufgefressen; hauptsächlich schlagen nun die Kosten für die Pflege und Nachbesserung der Systeme zu Buche.[24] Diese Gelder müssen an anderer Stelle wieder eingetrieben werden – darüber später mehr.
500 Millionen funkende Bücher in 2500 Bibliotheken
2010 setzen mehr als „2500 Bibliotheken RFID“ im automatisierten Ausleih- und Rückgabeprozess ein. Seither werden die Ablaufprozesse (Ausleihe, Rückgabe etc.) in Bibliotheken durch „über 500 Millionen Chips“ gesteuert.[25] Anfang des Jahrtausends stiegen vermehrt auch klein- und mittelstädtische Büchereien sowie Spezialbibliotheken auf diese Technik um.[26]
Trendsetter waren jedoch größere Universitäts- und Staatsbibliotheken und Großstadtbüchereien. In der BRD stellte zuerst die Stadtbücherei Stuttgart ihren Betrieb im Frühjahr 2004 auf RFID um. Ein anderes Pilotprojekt (2006) war der Start einer Rund-um-die-Uhr-RFID-Bibliothek an der TH Karlsruhe – seit 2006 mit Elite-Status. Dipl.-Ing. C.-H. Schütte, bis Dezember 2009 Direktor der Universitätsbibliothek: Die Bibliothek soll nach „modernsten Technologiegesichtspunkten“ im Sinne „des bibliothekarischen Wissenstransfers“ an die „gehobenen Anforderungen im weltweiten Wettbewerb“ angepasst werden.[27] Schütte ist auch ein Förderer von Clustern: In der Universität Karlsruhe gelang es „die Anzahl der Institutsbibliotheken nachhaltig zu verringern“. Krönender Abschluss der Exzelleninitiative im Kraichgau war der Zusammenschluss der Universität mit dem Forschungszentrum zum KIT (Karlsruher Institut für Technologie) im Oktober 2009.
Im selben Jahr stellten auch die Münchner Stadtbibliotheken (MSB) ihren Betrieb auf RFID um. Seit 2009 arbeiten alle 25 Filialen mit dem Ausleihsystem der Bibliotheca AG. Wie viele andere Bibliotheken (auch die UB Karlsruhe) setzt auch München auf die BiblioChips der Firma Bibliotheca RFID Library System AG.[28]
Seit Ende 2006 klüngelt das MSB-Management mit kommerziellen Akteuren: Sechs Monate nach dem Start des RFID-Projekts wurde ein Unternehmen zur bibliothekarischen Vermarktung gegründet – die Bibliotheksberatung RFID mit Sitz in Zollikon bei Zürich. Sie ist ein Jointventure mit der Axson Associates AG. Hinter der Bibliotheksberatung RFID stehen Marianne Pohl, Eva Schubert und Christian Kern: Pohl leitet die Abteilung Selbstverbuchung der MSB, Schubert ist Leiterin der MSB-Zentralbibliothek und Kern ist Mitbegründer der Bibliotheca AG (Zug, Schweiz).
Maschinenstürmer und Deregulierer
Im Gegensatz zu „Meldungen über unsichere Chips“, die „immer wieder [die] [...] Diskussion um Privatheit und informationelle Selbstbestimmung“ anheizen[29], wusste das MSB-Management schon ein Jahr nach Einführung von RFID, dass die Nörgeleien einzelner „Maschinenstürmer“ (Pohl) irrelevant und „unwillige Kunden [...] eine zu vernachlässigende Minderheit“ sind.[30] Für die Risikoabwägung scheinen Lobbyisten wie Kern (Bibliotheca/Infomedis), Pohl (Bibliotheksberatung RFID/MSB) und Gradmann (Pica-OCLC/Humboldt-Universität) oder Phrasendrescher wie Verdienstkreuzträger Ruppelt (Gottfried Wilhelm Leibniz-Bibliothek) und Honorarprofessor Schütte (siehe oben) zuständig. Dr. Kern ist sich ganz sicher, dass kein „interner oder gar externer Missbrauch von Daten zu befürchten ist, denn technische und organisatorische Gegebenheiten lassen dies nicht zu.“
Warum die Schwachstellen und Risiken bezüglich des Daten-, Bearbeitungs-, Nutzer-, Gesundheitsschutzes von Pohl & Co. in der Regel bagatellisiert, statt thematisiert werden (Zahn[31] und Oltersdorf[32] sind Ausnahmen), lässt sich erahnen. Kerns[33] Motive sind dagegen offensichtlich: Ihn treiben die Vermarktungsinteressen der Infomedis AG an.
Bisher ist der RFID-Hype sehr erfolgreich. Mit der Aktivierung der Bibliotheks-Chipkarte wird häufig die Selbstverbuchung akzeptiert und die Metamorphose des Nutzers zum „arbeitenden Kunden“ Realität.[34] Viele im Arbeitsprozess davon Betroffene haben bereits erfahren, dass die Effektivitätszuwächse viele Kehrseiten haben. Vielen Managern eröffnet sich mit RFID die Möglichkeit, jene Bereiche umfassender zu kontrollieren und zu überwachen, von denen sie glauben, das dort engagierte Humankapital noch wohlfeiler ausbeuten zu können. Dies gilt natürlich auch für das Personal in öffentlichen Bereichen und Bibliotheken.[35] Und mancher Minister würde sicher auch gerne wissen, welche Bücher sich z.B. querulatorische Fahnder ausleihen (vgl. FR 15.12.2009), die so genannte Leistungsträger mit Steuernachforderungen belästigen.
Kollateralschäden der RFIDisierung
Die öffentlichen Büchereien sind seit Anfang dieses Jahrhunderts dabei, die vorhandenen „Realisierungsmöglichkeiten“ (Böttger), z.B. RFID-Automation und Digitalisierung, einzuführen und zu nutzen. Doch wer kommt für die Installations- und Folgekosten der RFIDisierung auf? In München sollen sie die Nutzer (5 Mio. € wurden investiert) tragen. Ehemals kostenlose und neue Leistungen sind durch Gebühren aufzubringen; sie werden also privatisiert. Wie das bewerkstelligt werden soll, liest sich im Bibliotheksjargon so: „Möchte ein Kunde diese Dienstleistungen nicht am Automaten, sondern durch einen Menschen ausgeführt sehen, so muss er nun dafür bezahlen.“ Bibliotheken sollen über „monetäre Anreize ihre Kunden ‚zwingen‘, die RFID-gestützten Selbstverbuchungs- und Rückgabegeräte zu nutzen.“ Oltersdorf weiß jedoch, dass das Abwälzen auf die „Kunden“ langfristig wenig Erfolg versprechend ist, „weil … weniger Bürger die Öffentliche Bibliothek nutzen werden.“[36]
Seit Ende der 1990er Jahre scheinen die Bibliotheksexperten zu akzeptieren, dass es nicht mehr um „soziale Verantwortung“ (Dold) geht und dass die Probleme bestimmter „defizitärer“ Gruppen und älterer, objektiv überforderter Nutzer (die sich in einer RFID-aufgepeppten Stadtbücherei nur schwer zurechtfinden) als Kollateralschäden des Fortschritts in Kauf genommen werden müssen.
3. Polyzentrisch aufgebaut – das deutsche Bibliothekswesen
Zur Überleitung auf das wissenschaftliche Bibliothekswesen – in unserem Fall auf die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) und ihr Jointventure mit Google und die Deutsche Nationalbibliothek (DNB, ehemals DDB) – sind einige vorausschickende Anmerkungen nötig. Die nationalen Aufgaben des „polyzentrisch“ aufgebauten Bibliothekswesens[37] werden hauptsächlich von der BSB, DNB, SBB[38] wahrgenommen. Gleichzeitig haben wir es hier mit einem „simulierten Wettbewerb“ (Pelizzari) zu tun, der im verdeckten Konkurrenzkampf zwischen BSB und DNB anschaulich wird. Wobei der eine hochspezifische Dienstleister (in diesem Falle die DNB) aufgrund tief greifender Probleme weiter ins Hintertreffen gerät.
Insuffizienzen und simulierte Konkurrenz
Real nimmt zwar die DNB eine gesetzliche Sonderstellung ein. Doch ihre exponierte Stellung ist durch mehrere Paradigmen- und Kurswechsel kontaminiert. Diese sind zum einen auf die feindliche Übernahme der DDR-Staatsbücherei in Leipzig (Deutsche Bücherei) 1990 durch die Deutsche Bibliothek (unter dem Logo DDB) zurückzuführen. Darüber hinaus wurde vom damaligen Generaldirektor (GD) kurz danach noch eine Kursänderung (dem damaligen Multimedia-Hype folgend) vorgenommen.[39] Nach dem Weggang K.-D. Lehmanns (1999-2008: Chef der SPK, danach Goethe-Institut[40]) hielt die neue GD der DNB diesen imponderablen Dienstleistungskurs bei. Zum einen den Digitalisierungs- (u.a. mit einer unausgereiften Pica-Bibliothekssoftware[41] zur Rationalisierung bibliothekarischer Tätigkeiten) und im Besonderen den WWW-Hype (die gesetzliche Aufgabenerweiterung, d.h. neue Sammel- und Langzeitarchivierungspflichten bezüglich „unkörperlicher Medien“ [DNBG § 2, 3[42]]). Mit dem neuen Logo DNB und nach dem Inkrafttreten des schwammig formulierten Gesetzes im Juni 2006 häuften sich die Widrigkeiten.[43] Zusätzliche personelle und finanzielle Fehlallokationen sorgten dafür, dass sich der Image-Verlust der DNB fortsetzte – mit verursacht durch die Aktivitäten der Konkurrenz in München.
Bayerische Staatsbibliothek in einer „Win-win-Situation“
Während das Management der DNB noch dabei war, die schwammig formulierten Gesetzesneuerungen bedingt durch in- und extrinsische Widrigkeiten verdeckt außer Kraft zu setzen[44], zog die BSB 2007 mit einem medienwirksam eingefädelten Google-Digitalisierungsprojekt an der Konkurrenz vorbei.[45] Die Zeitschrift Computerwelt schrieb am 6.3.2007: „So etwas nennt man neudeutsch wohl eine Win-win-Situation.“ Der Schritt der Bayern, sich mit Hilfe einer privat-öffentlichen Kooperation in den bibliothekarischen Olymp zu katapultieren, kam für die DNB unvorbereitet. Wie konnte das passieren? Die Generaldirektion hatte wohl vermutet, dass Google in der BRD bis auf Weiteres Ruhe geben würde, nachdem der Suchmaschinenbetreiber 2005 bezüglich einer „Zusammenarbeit“ bei der DDB (damals hieß sie noch nicht DNB) angefragt, die Direktion aber ablehnt hatte (Die Welt 29.6.2005).
Barbara Schneider-Kempf (GD der BSB) hält heute „das Thema für abgeschlossen.“ Denn der US-Konzern hat sich „mit der Bayerischen Staatsbibliothek einen großen Teil der deutschen Altbestände gesichert“, sodass er an weiteren Bibliotheken „sicher kein Interesse mehr“ haben wird (FAZ 4.2.2009). Damit hat der Global Player eine Image- bzw. Werteverschiebung in der deutschen Bibliothekslandschaft zugunsten der BSB in München herbeigeführt. Im verdeckten Konkurrenzkampf der Elitebibliotheken gelang es der BSB „als erste[r] Institution des deutschsprachigen Raums, einen solchen Vertrag“ abzuschließen. Über 1 Mio. Bücher aus dem 9 Mio. Einheiten umfassenden Bestand sollen zügig digitalisiert werden. Dr. Rolf Griebel, seit 2004 GD der BSB, spricht von „einem ganz großen Meilenstein“. Nach Meinung der FAZ ist für die Bayerische Staatsbibliothek der „Google-Handel eine Bestätigung jener Rolle, in der sie sich ohnehin gern und nicht ohne Recht sieht – als eine der wichtigsten Forschungsbibliotheken der Welt. Nun kann sie sich in einem Atemzug mit jenen berühmten Häusern nennen lassen, die schon Partner des Suchmaschinisten sind: Stanford, Princeton, Oxford und acht weitere“ – ein entscheidender Imagezuwachs für die BSB. Für die DNB ein weiterer Image-Schaden, trotz trendig-bibliothekarischer Aktivitäten: Mach-Controlling, WWW-Output, DNB-Outcome.[46]
Griebels Stellvertreter Klaus Ceynowa kann 2009 selbstbewusst nachlegen: „Auf der Grundlage ihrer universalen und historischen Bestandsdimensionen übernimmt die Bayerische Staatsbibliothek wesentliche Funktionen einer Nationalbibliothek, zum Beispiel in nationalen Erschließungs- und Standardisierungsprojekten und in ihrer deutschlandweiten Literaturversorgung durch Fernleih- und Dokumentationslieferdienste.“[47] Die ein paar Seiten später nachgeschobenen Kooperationsbekenntnisse sind nur rhetorische Nebelkerzen zur Beschwichtigung desorientierter Verwaltungsratsmitglieder der DNB.
Doch diese Widrigkeiten sind irrelevant, hier geht es um die Aufrechterhaltung der Kapitalverwertung. Und damit kommen wir zu Google – und der Suchmaschinenkonzern will mehr.
4. Ein Settlement Agreement für Google
Nachdem man sich im Jahre 2007 in Bayern exklusive Zugriffsmöglichkeiten auf deutsche Kulturprodukte sichern konnte, fällt jetzt Frankreich. Dort, wo der Widerstand gegen die Aktivitäten des US-Konzerns bisher stark war[48], hat Google im Juli 2008 die Bibliothèque Municipale de Lyon unter Vertrag genommen. Seit Sommer 2009 verhandelt Google nun auch mit der Bibliothèque Nationale de France in Paris über eine Digitalisierung von Teilbeständen.[49]
Der US-Konzern beeinflusst aber nicht nur die Nationalbibliotheken auf dem Erdenrund, auch das zurzeit noch bestehende „hegemoniale Vakuum“ (Altvater) bezüglich „intellektueller Eigentumsrechte“ und „immaterieller Güter“[50] wird sich dank Google bald wieder füllen. Durch die im Jahre 2004 angelaufene Reformierung des Verwertungs- und Urheberrechts, d.h. durch das von Google initiierte und Ende 2008 in den USA beschlossene „Settlement Agreement“[51], hat der Konzern die oben genannten Rechte weitgehend an seine Verwertungsbedürfnisse anpassen können. Google sicherte sich damit ein Monopol, das es ihm nun auch legal ermöglicht, ohne Einwilligung der Copyright-Eigentümer an deren Publikationen und Inhalte zu heranzukommen und diese zu digitalisieren. Da der Konzern in Europa schon viel Geld in seine Book-/Library-Projekte etc. gesteckt hat, sollen diese Risikoinvestitionen langsam „Erlöse“ abwerfen. Zum Beispiel das Print-Projekt, in das der Konzern 150 Mio. $ investiert haben soll. Oder das BSB-Projekt: 1 Mio. Bücher sollen in München digitalisiert werden.[52]
Sukzessive verlässt der Suchmaschinenkonzern „die Position des reinen Informationsvermittlers und wächst über den Verkauf von Online-Zugangsrechten für Bücher in die Rolle des Buchhändlers hinein – auch wenn er dies derzeit noch nicht“ zugibt. Im Bestreben, zum „Totalnavigator in allen Lebensbereichen“ zu werden, wird Google „irgendwann auch dazu übergehen, Geld zu verlangen“ (Bb 45/2008). Als gewinnorientiertes Unternehmen wird der US-Konzern versuchen, seinen „Wettbewerbsvorteil“ im Search-Engine-Wettbewerb (Cw 6.3.2007) auszubauen. Mitte 2010 will man nun auch, wie z.B. schon Amazon, E-Books über den Online-Shop Google Editions verkaufen. „Nutzer können Titel, die sie in Googles Buchsuche finden, direkt erwerben“ (FR 6.5.2010).
Noch ein Jahrhundertprojekt?
Auch die im Dezember 2009 vom Bundeskabinett beschlossene Errichtung einer angeblich „gigantischen“ Bibliotheksdatenbank[53] unter Regie des Beauftragten für Kultur und Medien (BKM)[54] wird sich nicht als „angemessene Antwort auf Google“ (FR 3.12.2009) herausstellen und auch nicht als „Jahrhundertprojekt“ (Spiegel 6/2010) oder „Quantensprung“ (SZ 3.12.2009), wie von Staatsminister Bernd Neumann verkündet. Nach Fehlstarts diverser EU-Gegenprojekte (z.B. des Theseus-Vorgängers [Quaero[55]]) wird es zu einer mit „redundantem Ramsch“ (Pörksen) gefüllten Daten-Blase degenerieren. Aber nicht, weil diese Aufgabe, wie die SZ meint, „ähnlich herkulisch ausfallen dürfte wie die, aus Buchstabensuppe eine Enzyklopädie zusammenzustellen“, sondern aus anderen Gründen. Einmal ist die jährliche Aufwendung für dieses neu aufgelegte Projekt[56] wohl eher bescheiden zu nennen. Im Vergleich dazu soll Google bisher „nach Branchenschätzung 250 Mio. Dollar“ für seine Scanning-Projekte ausgegeben haben (HB 9.12.2009). Zum anderen wird das angekündigte Projekt des BKM aufgrund der zunehmenden Staatsverschuldung nicht zu realisieren sein, denn die politischen Entscheidungsträger werden immer weniger willens sein, derartige Projekte zu finanzieren.[57]
Das Gerede des staatlichen „Kulturinquisitors“ von der „digitalen Verfügungsgewalt“ bzw. von gedruckten Kulturprodukten „in öffentlicher Verantwortung“ soll aber nur die Öffentlichkeit beschwichtigen, denn das Orchideenministerium braucht für dieses Projekt dringend „private Geldgeber“. Obwohl der US-Konzern in die Digitalisierung von „mehr als zehn Millionen Büchern“ (HB 9.12.2009) schon viel Geld investiert hat, ist er potent genug, um auch in dieses Projekt mit ein paar Millionen Dollar einzusteigen. Zumal der Konzern mit dem dort archivierten „eContent“ und mit „der kommerziellen Vermarktung von Digitalisaten und Online-Werbung“[58] erwarten kann, gute Gewinne einzufahren. Gleichzeitig werden die schon errungenen Wettbewerbsvorteile in der BRD nochmals ausgebaut.
Um seine monopolistische Stellung zum Buch-/Informationsversorger mit elektronischem Bereitstellungsservice weiter auszubauen, wird der Konzern den Akkumulationsprozess weiter forcieren. Er wird weiterhin halblegale Tatsachen schaffen, den Druck auf die Copyright-Eigentümer erhöhen und versuchen, alle ausländischen Verleger fest an den in den USA vereinbarten Vergleich (Settlement Agreement) zu binden – zur Not auch über Erlösbeteilungen.[59] Auf juristischer Ebene ist der letzte Widerstand gegen den Konzern ebenfalls gebrochen. Daher sollten die Nachbesserungen im Settlement Agreement auch nicht als „empfindlicher Rückschlag“ gesehen werden, wie in c't 21/2009 vermutet. Schließlich „wünscht“ das US-Justizministerium „eine Einigung“ zwischen den Verlegerverbänden, den ausländischen Rechteeinhabern und dem Konzern (FR 25.9.2009) – was nur im Sinne der Suchmaschinenfirma sein kann.
Confidentiality
Auch in Deutschland ist der Konzern gut gelitten. Schon 2005 erschien es verlockend, mit „Hilfe und auf Kosten eines Privatunternehmens immer größere Teile der Bibliothek öffentlich per Computer erreichbar zu machen“ (Die Welt 29.6.2005). Bibliotheksdirektorin Schwens (DNB-Frankfurt) hält eine Anti-Google-Strategie für „völlig verkehrt“. Seither scheint sie es für wichtig zu halten, „das Gute zu sehen“ (Bb 45/2008) und, wie andere Experten auch, auf „Confidentiality“ (FAZ 4.2.2009) zu setzen.
Die Aussichten: Weiterhin unbeständig
Im Sog der aktuellen Konjunktur-, Struktur- und Finanzkrise wird das Bibliothekswesen weiter Federn lassen müssen. Die Staatsverschuldungsblase wird weiter wachsen, sodass z.B. die Schließung öffentlicher Büchereien unvermindert weitergehen wird. Im wissenschaftlichen Bibliothekswesen sieht es etwas besser aus. Der eine oder andere Synergiegewinn ist noch möglich: Zum Beispiel in den Häusern der Deutschen Nationalbibliothek (DNB). Denn mit der Revitalisierung (hier Um- und Ausbau) der DNB-Filiale (Deutsche Bücherei) in Leipzig[60] ist eigentlich die gesetzlich festgeschriebene 2-fache Sammlung (für Frankfurt und Leipzig) von »Konsolidierungsreserven« (Gradmann) überflüssig geworden.[61] In Frankfurt könnten die Bestände also ausgedünnt werden (in die Tonne oder in die Antiquariatsregale).
Die Übernahme vieler bibliothekarischer Tätigkeiten durch Automaten und die Aufgabe, Kulturgüter aufgrund finanzieller Sachzwänge nicht mehr sammeln zu müssen, wird dazu beitragen, dass der hessische Standort eventuell schon 2020 aufgegeben werden kann. Nach dem Wegfall des noch verbliebenen Personals zur Abwicklung der Filiale am Main (zurzeit sind noch ca. 350 Beamte und Angestellte dort tätig) kann der BKM zu weiteren Quantensprüngen ansetzen. Vielleicht diesmal mit RFID – nach Expertenaussagen ist es die „Schlüsseltechnologie des Ubiquitous Computering“.[62]
[1] Teil 1: Ristow, T.: Das Bibliothekswesen im Restrukturierungsprozess, in: Z 83/2010, S.60-72.
[2] Vgl. Leibiger, J.: Reclaim the Budget. Staatsfinanzen reformieren, Köln 2010, S.173ff.
[3] Im Öffentlichen Dienst (Soziales, Gesundheit, Finanzen, Sicherheit etc.) gab es 2007 knapp 4,5 Mio. Beschäftigte, davon ca. 1,2 Mio. im Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung, darunter 24079 Planstellen (1999: 25066) im Bibliotheksbereich (wwww.destatis.de; www.Bibliotheksstatistik.de).
[4] Hierbei handelt es sich um Institutionen des Reproduktionssystems, die entweder wenig spezifische, aber strategisch bedeutende Leistungen (Schul-/Stadtbüchereien), oder um National-/Staatsbibliotheken, die hochspezifische, aber strategisch unbedeutende Leistungen erbringen (vgl. dazu Kißler, L.: Privatisierung von Staatsaufgaben, in: Gusy, C. (Hg.): Privatisierung von Staatsausgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, Baden-Baden 1998).
[5] So genannte Ausgründungen gibt es im Behördenbereich seit Jahrzehnten (Reinigungs-/Wartungs-/Wachdienste etc.). Ein Beispiel ist die Deutsche Nationalbibliothek (DNB): 1998 wurde die Bestandserhaltung als GmbH (Zentrum für Bucherhaltung) privatisiert.
[6] Ristow 2010, S.62 passim.
[7] Z.B. Erfassung, Erschließung, Konvertierung von Medien: 2009 hat z.B. erstmalig die automatische Katalogisierung im so genannten Workflow der SUB Göttingen stattgefunden. Auch für die Datenanreicherung wurde erst jetzt ein automatisiertes Verfahren (im Rahmen von PPP/ÖPP) zur Massendigitalisierung entwickelt (vgl. B.I.T. online 2/2009, 3/2009).
[8] Vgl. dazu Brandt, T./Schulten, T.: Auswirkungen von Privatisierung und Liberalisierung auf die Tarifpolitik in Deutschland, in: Brandt, T. et al. (Hg.): Europa im Ausverkauf, Hamburg 2008, S.76ff; Dassau, A./Langenbrinck, B.: TVöD. Schnelleinstieg ins neue Tarifrecht, Heidelberg/München/Landsberg/Berlin 2005.
[9] Vgl. Böttcher, M./Lieberam, E.: Der „schlanke Staat“: Reformrhetorik und Systemreform, in: Z – Zeitschrift marxistische Erneuerung 34/1998, S.80f.
[10] Beispiel Schweiz: Auf Initiative der Reformikone Buschor (vgl. Pelizzari: a.a.O., S.85ff) wurde 2000 im Rahmen der in den 1990er Jahren begonnenen Verwaltungsreform im Kanton Zürich der Beamtenstatus per Volksentscheid weitgehend abgeschafft (SZ 22.11.2005).
[11] Lebuhn, H.: das neue Steuerungsmodell und die (Markt-)Logik städtischer Verwaltungen, in: Z – Zeitschrift marxistische Erneuerung 83/2010, S.40ff.
[12] Mahnkopf, B.: Wider die Privatisierung öffentlicher Güter, in: Huffschmid, J. (Koordination): Die Privatisierung der Welt, Hamburg 2004, S.89.
[13] Esser, J.: Gewerkschaften in der Krise, Frankfurt/M. 1982, S.254.
[14] Liessmann, K.: Theorie der Unbildung, Wien 2006, S.174.
[15] Gläser, C.: Auf einer Wellenlänge mit RFID, in: BuB 7-8/2006; vgl. SZ 12.1.2006; Münchner Merkur 21.1.2006, 3.2.2006; Bayerische Staatszeitung 3.3.2006; Pohl, M./Schubert, E.: Wenn – dann 100 Prozent, in: BuB 1/2006; Ristow, T.: High Noon im Lesesaal, in: Wernicke, J. /Bultmann, T. (Hg.): Netzwerk der Macht – Bertelsmann, 2., erw. Aufl., Marburg 2007, S.355
[16] Lebuhn: a.a.O., S.41.
[17] Vgl. Zahn, S.: RFID in Bibliotheken, Wiesbaden 2007, S.19ff; Bullinger, H.-J./ten Hompel, M.: Internet der Dinge, Berlin/Heidelberg/New York 2007
[18] C. Rosol schreibt dazu u.a.: „Völlig unbemerkt indes blieb der Fakt, dass [...] [im] unsägliche[n] Krieg des Jahres 2003 ff [...] RFID eine dominante Rolle spielte“ (ders.: RFID. Vom Ursprung einer (all)gegenwärtigen Kulturtechnologie, Berlin 2007, S.24).
[19] Kern, C.: Anwendung von RFID-Systemen, 2. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York 2007, S.4 (Hervorhebung im Text von Kern).
[20] In der EU wurde 2004 mit einem Umsatzwachstum von 400 Mio. € gerechnet, 2010 mit 4 Mrd. – weltweit mit über 20 Mrd. €. Vor Eintritt der globalen Krise rechnete man jährlich bis 2010 im Bereich Software mit einer Wachstumsrate von 60%, im Bereich Service und Hartware mit über 50% bzw. 20% (www.dbresearch.de).
[21] Vgl. Tangens, R./Padeluun (Hg.): Schwarzbuch Datenschutz, Hamburg 2006; Zahn a.a.O., S.72ff; Simon A.-C./Simon, T.: Ausgespäht und abgespeichert, München 2008.
[22] Vgl. RFID-Forum 2/2004; B.I.T. online 10/2007; Oltersdorf 2008; BuB 11-12/2009; RFID im Blick 10/2010.
[23] Die Manipulation passiver Chips (vgl. FTD 15.3.2006; Rosol: a.a.O., S.34; Chip 6/2008; FAS 24.8.2008 etc.) ist mittlerweile problemlos möglich. Heutzutage ist das Öffnen RFID-gesicherter Autotüren keine große Herausforderung mehr. Dies gilt für diverse kriminelle Aktivitäten (Sabotage etc.). Weil aufgrund der stetig anwachsenden digitalen Vernetzung der Bibliotheken die Angriffe gegen RFID-gesteuerte Abläufe zunehmen werden, wird man wohl nicht darum herumkommen, RFID-Etiketten mit immer ausgefeilteren Verschlüsselungsmethoden auszustatten (vgl. Computerwelt [Cw] 6.3.2007; c't 8/2008; FAS 24.8.2008; Stern 27/2009 etc.).
[24] Die Sicherheitsrisiken bei der Vernetzung mit offenen Systemen (z.B. Bibliothek mit Grossist) sind bisher nicht thematisiert worden. Durch die verstärkte Intergerierung des RFID-Services im Bibliothekswesen und durch kommerzielle Verflechtung (vgl. Dommann a.a.O.) ist die Verknüpfung in- und externer Daten nicht aufzuhalten. Die Verknüpfungen mit den in der Warenwirtschaft geltenden Electronic Product Code-Standards in Verbindung „mit der Massenproduktion in der Buchindustrie“ (Kandel) verursacht Folgekosten (z.B. für zusätzliche Sicherungssoftware). Die bisher sinkenden Stückkosten könnten also wieder steigen. Solche Nachrüstungen kommen den Chip-Produzenten (Infineon, Philips) und Systemherstellern (Bibliotheca, 3M, Nedap) zugute. Bedingt durch die Bindung an eine bestimmte Hard-/Software können hier involvierte Firmen gute Umsätze machen.
[25] RFID im Blick 7/2009; Mahrt-Thomsen, F.: RFID – moderne Technik mit Tücken (http://www.vifa-recht.de/fachtagung2010/download/Vortrag_Mahrt-Thomsen_Web.pdf [Zugriff 11/2010]).
[26] Vgl. Ristow 2010, S. 65 / Vgl. RFID in folgenden Einrichtungen: TU Berlin (seit 2004) u. Halle/Saale (2005), HTW Dresden (2006), Reutlingen, Tübingen (2007), Frankfurt/M. u. Hamburg (ab 2007), FH Augsburg, ULB Düsseldorf (2007), FH Münster, UB Mainz (2008), Bielefeld, Heilbronn u. Münster (2008), MPI für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt/M., UB Freiburg, Köln (2009), UB der Humboldt-Universität Berlin, ÖB Augsburg, Esslingen, Göttingen, Mannheim, Neuss u. Oberhausen (alle 2009), UB Leipzig (2009), Berlin u. Mönchengladbach (2010), Gütersloh (2011) sowie ÖB Mittweida, Chemnitz, Hilden, Bad Homburg v.d.H., Greven, MPI Rostock, Berufsakademie Plauen, FH Krefeld etc. (vgl. RFID-Forum, RFID im Blick, B.I.T. online, Bibliotheksdienst, Buch und Bibliothek, Börsenblatt [Bb]).
[27] So der Wortlaut einer Pressemitteilung der Bibliotheca RFID Library Systems AG (http://openpr.de/news/114481/Deutschlands-erste-24-Stunden-RFID-Bibliothek-der-Universität-Karlsruhe.htm [Zugriff 11/2010]).
[28] Im Okt. 2006 wurde eine Zweigniederlassung, die Bibliotheca Deutschland GmbH, in Reutlingen eröffnet. Dort ist auch der Sitz der 1947 als Einkaufszentrale für Bibliotheken gegründeten und 2007 privatisierten EKZ Bibliotheksservice GmbH (vgl. B.I.T. online 172007).
[29] Oltersdorf 2008.
[30] Pohl, M./Schubert, E.: „Warum haben Sie das nicht schon längst gemacht?“, in: BuB 4/2007.
[31] Vgl. dazu ausführlich Zahn: a.a.O.
[32] Vgl. Oltersdorf, J.: RFID in öffentlichen Bibliotheken – auch eine Frage der Ethik, in: B.I.T. online 1/2009.
[33] Kern, C.: Datenschutz und RFID-Technologie in Bibliotheken, in: B.I.T. online 4/2004.
[34] Voß, G. /Rieder, K.: Der arbeitende Kunde, Frankfurt/M./New York 2005 / Auch in der MSB sind „fast 90% aller Ausleih- und Rückgabevorgänge auf den Bibliothekskunden übertragen“ worden (Oltersdorf 2008).
[35] Vgl. Simon/Simon: a.a.O., S.85ff; Oltersdorf 2008; ausführlich Zahn: a.a.O.
[36] Oltersdorf 2009.
[37] Knoch, S.: Anmerkungen zum „Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek“ (DNBG), in: Bibliotheksdienst 5/2007 / Ein Beispiel ist der Aufbau eines Nationalarchivs deutscher Literatur von 1450 bis zur Gegenwart. Diese so genannte Sammlung deutscher Drucke wird von 6 Bibliotheken, BSB, DNB, HAB (Wolfenbüttel), SBB, SUB Göttingen, UB Johann Christian Senckenberg (Frankfurt/M.) retrospektiv in zugewiesenen Zeitsegmenten (z.B. DNB: 1913ff) gesammelt (www.ag-sdd.de).
[38] Die Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) ist Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
[39] Vgl. dazu Lehmann, K.-D.: Das kurze Gedächtnis digitaler Publikationen, in: BuB 3/1996
[40] Lehmann hat Verbindungen zum Bertelsmann- (Kuratoriumsmitglied der Stiftung) und Holtzbrinck-Konzern (Aufsichtsratsvorsitzender). Beide Konzerne haben 2010 ein Jointventure (vgl. Bb 32/2010) zu dem Zweck aufgelegt, eine Online-Vertriebsplattform für so genannte E-Books zu errichten.
[41] Pica B.V., seit 1999 Teil von OCLC (Online Computer Library Center B.V., Leiden, Niederlande); vgl. Ristow 2007, S.365, 370f.
[42] Vgl. Bundesgesetzblatt, Teil 1, 29/2006 (Drucksache 16/322).
[43] Dazu führt Steffen Knoch (stellv. Direktor d. Staatsbibliothek Bamberg) aus, dass allein „die Umbenennung das Verhältnis zwischen den führenden deutschen Bibliotheken unnötig [...] gestört und das funktionierende System [...] belastet hat“ (Knoch: a.a.O.). Auch die Presse titulierte die parlamentarische Aufwertung als „Etikettenschwindel“ (FR 11.1.2006; vgl. auch FAZ 19.1.2006, 15.3.2006; Die Welt 21.1.2006). Tatsächlich deckt die DDB/DNB „nur einen Bruchteil des nationalen schriftlichen Kulturerbes ab und nicht das kulturelle Gedächtnis und Bewusstsein, sondern nur eine Teil davon“ (Knoch: a.a.O.: Hervorhebung von Knoch).
Über die FR 3.3.2009 war aus der DNB-Leipzig zu erfahren, dass die hartnäckigen „Probleme“ bei der Abspeicherung von „Netzveröffentlichungen“ bisher nicht beseitigt werden konnten (J. Räuber [Ltg. Benutzung/Archivierung]). Mehr als vier Jahre nach Inkrafttreten des DNB-Gesetzes hat die DNB nicht die gewünschte netzbasierte „Schlüsselrolle“ (Gradmann) einnehmen können. Auch die Vermutung, dass das Webarchiv nicht im Netz zur Verfügung gestellt wird, weil man die aus dem WWW gezogenen digitalen Daten „nur vor Ort einsehbar“ machen will, um sich „als zentrale Speicherinstitution“ zu legitimieren (Stopka, K.: Wie kann man Internet-Texte archivieren?, in: www.welt.de [Welt online 20.6.2008]), basiert ebenfalls auf den Insuffizienzen in der DNB (z.B. Produktvergreisung, Datenerschließung/-konservierung/-volumina; vgl. dazu Bundesvereinigung Dt. Bibliotheksverbände u. Die Deutschen Bibliothek [Hg.]: Wissenschaftspublikation im digitalen Zeitalter, Wiesbaden 2001 [ausführlich S.53ff, 66ff]; Das Argument 248/2002 [S.629]; SZ 14.9.2006; c't 19/2006; Bibliotheksdienst 12/2006; BuB 1/2007; B.I.T. online 1/2008). Die Veröffentlichung intrinsischer Probleme gelang bisher kaum. So wurde der Autor nach Erscheinen eines Beitrags im Jahre 2006 von der Direktion umgehend gerügt, gleichzeitig wurden ihm (bei Nichterfüllung bestimmter Auflagen) arbeitsrechtliche Schritte angedroht.
[44] Vgl. Knoch: a.a.O.; Stopka: a.a.O.; FAZ 19.10.2006, FR 3.3.2009.
[45] Vgl. FR 8.3.2007; Handelsblatt (HB) 7.3.2007; FAZ 8.3.2007; FAS 11.3.2007.
[46] Zum Outcome vgl. Lebuhn: a.a.O., S.36f.
[47] Griebel, R./Ceynowa, K.: Informationen in Erster Linie: Die Bayerische Staatsbibliothek als „Bibliothek des Jahres 2008“, in: Bibliothek. Forschung und Praxis 2/2009.
[48] Vgl. ausführlich Jeanneney, J.-N.: Googles Herausforderung, Berlin 2006; Ristow 2007, S.361ff.
[49] Vgl. La Tribune,18.8.2009.
[50] Candeias, M.: Neoliberalismus – Hochtechnologie – Hegemonie, Hamburg 2004: S.283.
[51] FAZ 28.6.2006; vgl. ausführlich Ristow 2007, S.364f; Dommann, M.: Papierstau und Informationsfluss: Die Normierung der Bibliothekskopie, in: Historische Anthropologie 1/2008; Bb 45/2008; FR 30.10.2008; FAZ 4.2.2009 etc.
[52] Die Kosten für das Einlesen belaufen sich (je nach Aufwand) auf rund 40 €. Für die Digitalisierung eines 300-seitigen Buches sind „70 bis 140 Euro“ aufzuwenden (Spiegel 6/2010; vgl. Bb 43/2005; FAZ 8.3.2007).
[53] Vgl. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/BKM/2008-02-26-deutsche-digitale-bibliothek.html (Zugriff 11/2010).
[54] Das BKM hatte 2009 einen Etat von 1,14 Mrd. € (davon Deutsche Welle: 270 Mio., Stiftung Preußischer Kulturbesitz [SPK]: 200 Mio., DNB: 43 Mio.) zur Verfügung.
[55] SZ (21.8.2009): „ein Fiasko“; vgl. auch Ristow 2007, S. 362; Spiegel 6/2010 etc.
[56] Laut HB (9.12.2009) sind 5 Mio. € als Anschubfinanzierung eingeplant (ab 2011 jährlich 2,6 Mio.).
[57] Eine Fraunhofer-Studie von 2009 geht davon aus, das bspw. bei 2,5 Mio. archivierten Objekten unterschiedlicher Art (Bücher, Bilder, Karten, Filme etc.) nach dem Stand der Technik ca. 28 Mio. € pro Jahr für dieses Projekt nötig sind (vgl. FR 3.12.2009; SZ 3.12.2009; HB 9.12.2009). Es ist auch noch ungeklärt, „wie Bibliotheken ihrem Auftrag, über Generationen hinweg Literatur bereitzustellen, nachkommen können, wenn sie darauf angewiesen sind, dass Verlage vorhandene Inhalte über Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte hinweg digital bereitstellen“ (Kurth, U.: Die Bibliotheken in der Arbeit der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, in: Bibliothek. Forschung und Praxis 1/2009).
[58] Http://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/pdf/gemeinsame_eck punkte_finale_fassung_02122 009.pdf (Zugriff 11/2010).
[59] Vgl. dazu FAZ 5.4.2009: Rechteinhaber sollen angeblich 60 $ für ein vollständiges Buch bekommen.
[60] Vgl. BuB 6/2009. Mit der Integrierung des Musikarchivs (ehemals DMA in Berlin Lichterfelde) in die modernisierte, erweiterte Immobilie in Leipzig (2010/11) wurde der Standort strategisch aufgewertet (vgl. www.d-nb.de).
[61] Seit 1990/91(nach der so genannten Wiedervereinigung) werden körperliche u. unkörperliche Medien (per Legal Deposit [DNBG § 14]) jeweils in Sachsen und Hessen archiviert (in Leipzig wird Gedrucktes seit 1913, in Frankfurt seit 1945 gesammelt [vgl. www.d-nb.de]).
[62] Oltersdorf 2008.; vgl. auch Ratzek, W.: RFID – Ein weiterer Baustein in der ubiquitous und pervasive Computing-Strategie, in: B.I.T. online 2/2006.