Thomas Mies/Karl Hermann Tjaden (Hrsg.), Gesellschaft, Herrschaft und Bewußtsein. Symbolische Gewalt und das Elend der Zivilisation. Studien zu Subsistenz, Familie, Politik, Bd. 4, Winfried Jenior, Kassel 2009, 474 S., gebunden, 22 Euro
Seit über einem Jahrzehnt bringt eine Gruppe von SozialwissenschaftlerInnen (Lars Lambrecht, Thomas Mies, Urte Sperling, Karl Hermann Tjaden und Margarete Tjaden-Steinhauer) als Ergebnis kontinuierlicher, gemeinschaftlicher Forschungsarbeit die inzwischen auf vier Bände angewachsenen „Studien zu Subsistenz, Familie, Politik“ heraus. Aktuelle empirische Befunde aus diversen Einzelwissenschaften auswertend, werden grundlegende gesellschaftliche und gesellschaftswissenschaftliche Fragen debattiert, anknüpfend an die Denkmittel der historisch-materialistischen Theorietradition, wobei diese theoretischen Instrumente im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse selbst immer wieder mit Blick auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Zu dieser Denktradition gehört der kritische Blick auf die vielfach unhinterfragten Selbstverständlichkeiten und Spezifika der ‚westlichen’ Gesellschafts- und Zivilisationsgeschichte, insbesondere auf die mit ihnen verbundenen Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnisse. Diese in ihrem Kern mit Gewalt verbundenen Verhältnisse zeigen sich nicht nur in ihren materiellen, unmittelbar spürbaren Gestalten, sondern auch in symbolischen Formen, in einem Feld, das mit dem Problemkomplex „Bewusstsein“ umschrieben wird, wobei hier individuelles und kollektives oder gesellschaftliches Bewusstsein sowie auch das „Unbewusste“ in seinen verschiedenen Gestalten eingeschlossen sind. Das Verhältnis von Gesellschaft und Bewusstsein ist das zentrale Thema dieses 4. Bandes der Reihe.[1]
In ihrer Einleitung geben die Herausgeber/innen einen Einblick in ihre Denkwerkstatt, indem sie (wie später noch mal in ihrem „editorischen Postskriptum“) die bislang in der Forschung unzureichend geklärten Problemfragen, insbesondere die Grundbegriffe „Gesellschaft“ und „Bewusstsein“ entfalten. Ihre kritische Hinterfragung entzündet sich dabei vor allem an diversen, in der westlich-europäischen Denklandschaft vorgefundenen Dualismen wie Sein-Bewusstsein, Mensch-Natur, Körper-Geist, Leib-Seele, Individuum-Kollektiv. Das Problem ist für sie dabei, wie die angemessene Einheit solcher Dualitäten zu denken und empirisch zu fundieren ist.
Gegen den Dualismus Sein-Bewusstsein wird – dialektisch – die Zusammengehörigkeit (‚Einheit’) beider Momente gezeigt und herausgearbeitet, dass Bewusstseinsphänomene eine reale Funktion bei der gesellschaftlichen Reproduktion haben. Dies zeigt schon der Marx’sche Arbeitsbegriff, der in Gestalt von Planung und Antizipation des Arbeitsergebnisses ein ideelles Moment enthält. Besonders interessant aber wird das in der Analyse des Fetischcharakters der Ware: dass einem dinglichen Gegenstand Wert zugeschrieben wird, ist Voraussetzung für die Tauschbeziehungen in einer Gesellschaft von Warenproduzenten. Hier zeigen die VerfasserInnen, wie eine dualistische Sichtweise sich als unfähig erweist, die realen gesellschaftlichen Prozesse zu erfassen. Gerade am Fetischismusproblem, bei dem Marx, an den die Autoren anknüpfen, das Ineinander von Ideologie und realem ökonomischen Verhalten, von Bewusstem und Unbewusstem eindrucksvoll herausgearbeitet hat, zeigt sich die Bedeutung der Bewusstseinsanalyse. Damit wird ein zentraler theoretischer Schlüssel präsentiert für die in dem Buch behandelte Problematik. Zugleich ist dies ein Beispiel für die wichtige Rolle von Einzelwissenschaften (hier der Sozialwissenschaften) für die Klärung auch von bestimmten philosophischen Fragen. Denn es schließt sich die philosophisch interessante Frage nach dem ‚ontologischen Status’ von so etwas wie Fetischismus, von (in den Marx’schen Begriffen) ‚gegenständlichem Schein’ und ‚objektiven Gedankenformen’ als real fungierenden Momenten in der gesellschaftlichen Reproduktion an.
Ähnlich wie beim Problem „Bewusstsein“ gehen die VerfasserInnen kritisch mit dem gängigen Subjekt-Begriff um. Während meist das Subjekt mit dem Selbst als Grundlage oder als Hervorbringung eines sich und die Umwelt erkennenden Bewusstseins verbunden wird, betonen sie die praktische Intersubjektivität, in der sich die jeweiligen Selbste in der wechselseitigen Praxis der Individuen herausbilden. „Im Unterschied zum Selbstbewusstsein, das über ein biologisches Substrat verfügt, kann kollektive Subjektivität als Wir-Bewusstsein nur durch soziale Vergegenständlichungen – in der Gestaltung des Raumes, im zeitlichen Rhythmus, in Gebäuden, Ritualen, Denkmälern, Texten usw. – Dauer und Stabilität erreichen.“ (33) Und: „Kollektive Subjektivität ist kein herrschaftsfreier Raum, sondern grundlegend durch symbolische Gewaltverhältnisse geprägt.“ (ebd.)
In einem vorläufigen Fazit zu den Überlegungen über die beiden Grundbegriffe Gesellschaft und Bewusstsein wird Bewusstsein verstanden als bezogen „auf eine Lebenswelt von Menschen, in der diese sich miteinander und mit ihrer natürlichen Umwelt und mit ihrem eigenen Körper austauschen bzw. auseinandersetzen, und es bildet sich irgendwie in Beziehungen dieser Art“. Das „irgendwie“ verweist (ähnlich wie bei einer entsprechenden Aussage zum unvollständigen Wissen über die Gesellschaft) auf die für die VerfasserInnen noch offenen Fragen. Sie kritisieren bestimmte Verkürzungen der modernen Neurowissenschaften: Die „konstitutiven Prozesse und Strukturen des Bewusstseins“, die zwar auf neurologischen Substraten beruhen, „lassen sich gleichwohl nicht einfach aus diesem Substrat ableiten, schon deshalb, weil interpersonelle und ökosystemare Prägungen und Voraussetzungen des Bewusstseins zu beachten sind.“ (34f.) Zum Begriff Gesellschaft heißt es: Begreift man Gesellschaft (inkl. ihrer Gewaltverhältnisse) „als wesentlich durch Bewusstsein vermittelte wie durch un- und vorbewusste Einstellungen geförderte Veranstaltung zur Beherrschung der Lebenswelt“, kann das dazu beitragen, „sowohl eine Verselbständigung abstrakter Geistigkeit gegenüber der Wirklichkeit als auch dem Vorurteil einer Naturgesetzlichkeit der gesamten Gesellschaftsgeschichte entgegenzuwirken“ (35f.), einer Auffassung, welche die konstitutive Zusammengehörigkeit beider Momente, der Naturgrundlage und der gesellschaftlich-kulturellen Formung, verkennen würde. Das bedeutet zugleich, „dass wir Bewusstsein und Unbewusstes als den vergesellschafteten Tätigkeiten innewohnende Fähigkeiten der tätigen Menschen“ begreifen (36). Man kann die Einleitung als den theoretischen Kern des Buches sehen, zu dem die dann folgenden Einzelbeiträge jeweils konkretisierende Teilantworten beisteuern.
Karl Hermann Tjaden knüpft in seinem Beitrag „Arroganz und Exploitation: Menschen und ihre Um- und Mitlebewelten im Progreß der west-europäischen Zivilisation“ (40-130) an die in den Bänden 1-3 vorgelegten „Ergebnisse der Entwicklung Europäischer Gewaltherrschaft“ (52) an. Teil 1 rekapituliert Ansätze einer Zivilisationstheorie und Teil 2 die Geschichte der Zivilisation im äußersten Westen Eurasiens seit der letzten Eiszeit, die als gesellschaftsgeschichtlicher ‚Sonderweg’ erscheint. Teil 3 untersucht Unterschiede zwischen der west-europäischen und anderen – außereuropäischen – Zivilisationstypen. In den analysierten Macht-Ohnmacht-Verhältnissen des westlichen Zivilisationstyps spielen (anders als z.B. bei den altamerikanischen Mayas oder im alten China, vgl. 112-117) prononciert interventionistische „Verfügungsgewalten“ über Menschen und verschiedenartige Vermögen und Gegenstände „in der Formierung ökonomischer, patriarchaler und staatlicher Herrschaft eine wichtige Rolle“ (53). Betrachtet wird, wie in diesem Zivilisationstyp die Menschen miteinander und mit ihrer Um- und Mitlebewelt umgehen.
Die marxistischen Begriffe von Produktionsverhältnissen und Produktivkräften präzisierend wird diese westeurasische Gesellschaftsgeschichte beschrieben als ein Ineinander von Produktionsweisen, verstanden als ökonomisch-soziale Ausbeutungsformen, und einem technisch-organisatorischen Produktionsmodus, der – „durch die gesamte Historie westlicher Zivilisation hindurch – einen gemeinsamen Strom herrschaftlicher Manipulation der jeweils betroffenen Habitate und der darin lebenden Populationen“ bewirkt habe (83). Der Kapitalismus, eingeordnet in diesen größeren Zusammenhang west-eurasischer, west-europäischer Zivilisationsgeschichte, die durch ein besonders aggressives Verhältnis der Menschen zur außermenschlichen Natur gekennzeichnet sei, gilt als deren zugespitztes Ergebnis.
Tjaden nennt, wie oben schon vermerkt, zumindest als Mitursache für die von ihm zu Recht kritisierten Entwicklungen seit der Etablierung herrschaftlich formierter Ungleichheitsgesellschaften in der westlichen Zivilisation das „zunehmend abstraktive Herangehen an die Wirklichkeit, deren reduktionistische Wahrnehmung und quantifizierende Behandlung“ (62). Dagegen ließe sich einwenden: Die Entwicklung und Nutzung von Abstraktionen als Denkmitteln erlaubte eine genauere Erkenntnis und effektivere Bearbeitung der Realität, wobei dann auch die unmittelbare sinnliche Erfahrung ergänzt und z.T. relativiert wurde. Dies ist unvermeidlich im Prozess der Verwissenschaftlichung der Erkenntnistätigkeit! Wiewohl diese Bedürfnisse nach einer Verbesserung der Erkenntnismittel sich faktisch unter herrschaftlichen Bedingungen herausgebildet haben mögen, sind sie nicht notwendig mit Herrschaftszwecken verbunden; Abstraktion und Abstraktionsfähigkeit als Mittel sind für vieles, auch für entgegengesetzte Zwecke nutzbar.
Hier wird ein möglicher zentraler Streit- und Diskussionspunkt sichtbar. Gegen die früher, auch bei Marxisten, vertretene Ansicht von der ‚Unschuld der Produktivkräfte’ wird mit Recht auf die – ggf. auch problematischen – Implikationen hingewiesen. Aber diese auch in den Produktivkräften enthaltene Widersprüchlichkeit (bezogen auf die Verwendungsseite ist es z.B. die Nutzungsmöglichkeit eines Mittels für höchst unterschiedliche Zwecke) ist nicht in Richtung auf ihre vermeintliche ursprüngliche Unschuld hin aufzulösen. Konsens dürfte darin bestehen, dass die Anwendung der – auch kognitiven – Mittel von sozialen Normen und Zielen geleitet werden, die außerhalb der immanenten Eigenschaften und Funktionsgesetze des Mittels liegen. Strittig dagegen ist die Frage, ob und wie diese immanenten Eigenschaften der Mittel durch die Zwecke ‚kontaminiert’ werden können, für die sie eingesetzt werden bzw. für die sie entwickelt wurden.
In dem unterstützenswerten Bestreben, die gewalttätig-zerstörerischen Seiten des westeuropäischen zivilisatorischen ‚Sonderwegs’ herauszuarbeiten und historisch zu erklären, droht die Kritik bisweilen in eine ihrerseits problematische Einseitigkeit zu kippen, wie am Umgang mit solchen Denkmitteln wie denen der ‚Abstraktion’ hier angedeutet wurde.
In seinem Text „Das gesellschaftliche Unbewusste. Zur Kritik der cartesianischen Bewusstseinsauffassung“ (131-189) gibt Thomas Mies einen sehr interessanten Überblick über verschiedene aktuelle Studien zum Problem des Bewusstseins und des Unbewussten. Das Bewusstsein, so seine These, sei sowohl körperlich verankert wie auch in sozialer Interaktion konstituiert. Er kritisiert, dass, veranlasst durch Descartes’ Dualismus von Geist und Körper, bis heute vom individuellen Selbstbewusstsein ausgegangen, dass Bewusstsein als singuläres und isoliertes Ich verstanden werde.
Urte Sperling (190-237) gibt einen Kurzüberblick über die Geschichte, wie aus ‚Irren’ Psychiatriepatienten wurden, wobei sie besonders den Zusammenhang von emotional-mentalen Besonderheiten und sozialen sowie politischen Ausgrenzungen hervorhebt. Kathrin Otte (238-253) weist als Betroffene auf neue Gesundheitsgefährdungen durch Umweltgifte hin, insbesondere auf die durch Alltagschemikalien hervorgerufenen Störungen individuellen „Seins“ und „Bewusstseins“.
Margarete Tjaden-Steinhauer („Fiktives Geschlecht, patriarchale Familie und sexuelle Dienstbarkeit der Frauen“) (254-307) untersucht bei der Frage nach der Entstehung patriarchaler Herrschaftsformen zwei frühe (neolithische) Gesellschaften in Anatolien und Mesopotamien. Sie thematisiert die „Fragwürdigkeit des (abstrakten) Geschlechterbegriffs“ (254) als analytische Zentralkategorie der feministischen Theorie und befindet: „Das feministische, konstruktivistische Geschlechterkonzept eröffnet ... keinen Ausbruch aus den Gefängnissen der überkommenen fiktionalen Denktraditionen“ (264). Durch die Institutionalisierung der patriarchalen Familie und der staatlichen Herrschaftsgewalt wurde, so die Autorin, „nicht nur das gesellschaftliche Fundament des Geschlechterdenkens gelegt; es wurden auch die Frauen in ‚ehrbare’ und ‚ehrlose’ gespalten.“ (301) Die Prostitution hat in der patriarchalisch gespaltenen Gesellschaft eine negativ konstituierende Funktion für die patriarchale Ehe, wie überzeugend herausgearbeitet wird. Ob die teilweise harsche Kritik der feministischen Bewegung durchgängig haltbar ist, bedürfte einer genaueren Prüfung. Die Gegenüberstellung von vorpatriarchalen und patriarchalen Verhältnissen beruht auf einer sehr schmalen Basis, so dass empirisch belastbare Aussagen nur unter starkem Vorbehalt möglich erscheinen.
In ihrem Artikel „Staatstätigkeit als gewalttätige Politik“ (308-352) präsentieren Margarete Tjaden-Steinhauer und Karl Hermann Tjaden Befunde historischer Forschungen zur Entwicklung der Ideologie und Realität staatlicher Gewalt in verschiedenen Zivilisationen, wobei an Überlegungen von Friedrich Engels zur Staatsentstehung angeknüpft wird.
Lothar Peter befragt „Gesellschaftskonzepte in der heutigen Soziologie“ (353-381) daraufhin, ob und inwiefern sie „zur Verschleierung oder Kritik bestehender Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnisse in modernen Gesellschaften beitragen“ (353). Untersucht werden die Konzepte der Erlebnis- (Gerhard Schulze), Zivil- (Jürgen Habermas) und Wissensgesellschaft (Helmut Willke). Peters Resümee: Symptomatisch für den heutigen Zustand soziologischer Theorie sei es, „dass einzelne Aspekte von Gesellschaft wie Erleben, Kommunikation oder Wissen an die Stelle eines Gesellschaftsbegriffs treten, der alle Strukturelemente von Gesellschaft sowie ihre wechselseitigen Beziehungen zu erfassen versucht.“ (378) „Durch Verkürzung des Gesellschaftsbegriffs ... wird der Blick sowohl für die Naturabhängigkeit von Gesellschaft ... als auch für die alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringenden Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnisse methodisch verstellt.“ (379) Dringlich sei deshalb die „Ausarbeitung einer historisch-materialistischen Theorie gesellschaftlicher Herrschaft, welche die materielle und symbolische Dimension gesellschaftlichen Lebens gleichermaßen berücksichtigt“ und die untersucht, warum die bestehenden Verhältnisse „auf Akzeptanz treffen, obwohl doch gesellschaftliche Widersprüche, Ungleichheit, Exklusion, und Stigmatisierung tagtäglich und in allen Lebensbereichen offen zutage treten.“ (379f.) – In ihrer Knappheit ist dies eine ausgezeichnete Darstellung und Kritik von drei zentralen aktuellen Gesellschaftskonzepten und zugleich ein wichtiger Baustein für eine marxistisch-materialistische Gesellschaftstheorie.
„Sind die Begriffe ‚Klassenbewusstsein’ und ‚Klassenkampf’ überholt?“ (382-399) fragt Georg Fülberth in einer Bestandsaufnahme der Ansätze zum Klassenbewusstsein aus neuerer, insbesondere aus heutiger Sicht. Einer seiner Befunde: Im Zustand einer Herrschaft als fixiertem Klassenkampf reagieren die Unterklassen mit „Ausweichhandeln auf der Suche nach individueller Nutzenwahrnehmung“. Die verbreitete Beschränkung der Handlungsorientierung von Lohnabhängigen auf ‚rational choice’-Gesichtspunkte verweist zugleich auf die Hegemonie der Oberklassen, bei denen nicht nur „Lagebewusstsein“, sondern auch „strategisches Klassenbewusstsein“ festzustellen ist.
Die Herausgeber/innen lassen ihre Überlegungen münden in praktische Fragen der Gesellschaftsgestaltung und dokumentieren die Stellungnahmen von Rolf Czeskleba-Dupont, Jochen Hanisch, Karl-Otto Henseling, Thomas Kuczynski, Jörg Roesler und Karl Georg Zinn zu der Frage „Ist gesellschaftliche Planung ein sinnvolles Vorhaben?“ (400-436).
Im „editorischen Postskriptum“ (437-453) schließlich werden offen gebliebene Fragen und die damit verbundenen Probleme benannt, z.B. wie kritisches Bewusstsein möglich ist, das nicht bevormundet. Bezogen auf die Hauptfrage des Buches nach der Rolle des Bewusstseins resümieren die Herausgeber: Für die Gewaltverhältnisse in Ungleichheitsgesellschaften „sind Fiktionen, die quasi Wirksamkeit von Fakten entfalten, von grundlegender Bedeutung, z.B. patriarchale Geschlechterkonzepte, staatliche Gemeinschaftsillusionen und ökonomische Wertkonstrukte“, wobei jenes Quidproquo ein gesellschaftlich notwendiges Unbewusstes sei (447f.).
Das Buch ist eine produktive Beunruhigung, auch wenn manche Thesen Widerspruch hervorrufen mögen. Zu hoffen ist, dass der wissenschaftliche Streit, der in und mit dem Buch angestoßen wurde, von den Leserinnen und Lesern fortgeführt wird.
Richard Sorg
[1] Die Bände 1-3 habe ich besprochen in: Utopie kreativ, H. 144 (Oktober 2002), 933-938 (zu Bd.1 und Bd. 2) sowie Utopie kreativ, H. 185 (März 2006), S. 261-265 (zu Bd. 3). – Hier beim 4. Bd. soll ausführlicher nur auf die Einleitung und den sich anschließenden Tjaden-Text eingegangen werden, während bei den übrigen Beiträgen aus Platzgründen eine kursorische Betrachtung genügen muss.