Kapitalismus in Osteuropa

Die Herausbildung des oligarchischen Kapitalismus in Russland

von Karl-Heinz Gräfe
September 2014

Wie war es möglich, dass nach sieben Jahrzehnten an Stelle der staatssozialistischen Eigentums- und Produktionsverhältnisse große private Kapitaleigner traten, die heute Russlands Wirtschaftsleben bestimmen und zugleich auch als mächtige Medienmacher und einflussreiche Politiker agieren? Wer sind die Initiatoren und Träger dieses Transformationsprozesses? Wo liegen Anfänge und Voraussetzungen für diese Wandlungen? Welchen Einfluss nehmen die im Konkurrenzkampf agierenden Oligarchen auf die Staatsmacht? Der Beitrag versucht einige Antworten auf diese Fragen zu finden.[1]

I. Die einflussreichsten Oligarchen des russischen Kapitalismus

Im Kerngebiet der untergegangenen Sowjetunion, in Russland, stieg vor einem Vierteljahrhundert der Kapitalismus wie ein Phönix aus der Asche auf. Und das in einem Lande, wo der Kapitalismus unterentwickelt war und im Feuer des Ersten Weltkrieges, der Oktoberrevolution 1917 und des Bürgerkrieges 1918-1920 verbrannte. Parallel zur bis dahin in ihrer zeitlichen und räumlichen Dimension einmaligen sozialistischen Industrialisierung und den damit verbundenen technologischen und sozialökonomischen Wandlungen zwischen 1917 und 1989 entstanden allmählich auf diesem Sechstel der Erde innere wie äußere Bedingungen, unter denen allerdings auch ein neuer Kapitalismus wieder aufsteigen konnte. Am Ende seiner Wiederentstehungsperiode um die Jahrtausendwende tauchten im Forbes-Magazin (Februar 2003) von den 497 Milliardären der Welt auch sieben Spitzenpersonen des russländischen Kapitalismus auf, die zugleich dessen mächtigste Finanz- und Industriegruppen repräsentierten[2].

- Auf Platz 101 der Weltrangliste stand der damals reichste russische Oligarch Michail Borisovič Chodorkowskij (*1963) mit einem Privatvermögen von 8 Mrd. $. Er war der Gründer der ersten Investitionsbank MENATEP (1990), Vorsitzender der Industrie-Holding ROSPROM und des zweitgrößten russischen Erdölkonzerns JUKOS (2002: Umsatz - 14,5 Mrd. $, Gewinn - 3,8 Mrd. $, Börsenwert - 32,8 Mrd. $, 100.000 Beschäftigte). Der politisch und wirtschaftlich mächtigste Oligarch Russlands wurde 2003 festgenommen, 2005 zu neun Jahren Haft verurteilt, entmachtet und enteignet. Offenbar nicht nur wegen nachgewiesener Steuerhinterziehung und krimineller Aneignung von Staatseigentum, sondern wegen seiner eigenmächtigen Expansionsgeschäfte (geplante Übernahme der Hälfte der JUKOS-Anteile durch US-Konzern EXXON-MOBIL für 25 Mrd. $, Bau einer eigenen Erdölleitung nach China).[3]

- Erst dreißig Plätze vor dem reichsten der Rockfeller-Dynastie, David, rangierte damals auf Platz 2 der russischen Oligarchen Roman Arkad’evič Abramovič (*1966) mit 5,7 Mrd. $ Vermögen (2011: 17, 1 Mrd. $, Platz 5 in Russland). Er kam aus dem damals schon zerschlagenen größten Wirtschafts- und Finanzimperium des vierfachen Milliardärs Boris Abramovič Berezovski (1946 – 2013).[4] Grundlagen der Macht von Abramovič in den Führungsetagen der Jelzin Administration (1990-1999) waren Aktienmehrheiten am sibirischen Ölkonzern SIBNEFT (2002: Börsenwert - 13,2 Mrd. $, Umsatz - 4,8 Mrd. $, 30.000 Beschäftigte) und der Holding RUSSKIJ ALJUMINIUM (75 Prozent der russischen und 7 Prozent der internationalen Aluminiumbranche). Er war Abgeordneter der Duma (1999) und Gouverneur des Autonomen Bezirkes Čukotka.

- Den 191. Platz in der Weltrangliste belegte 2003 Michail Maratovic Fridman (*1964) mit 4,3 Mrd. $ (2011: 16 Mrd. $ - Platz 8 in Russland). Er ist seit 1998 Vorstandsvorsitzender der Finanz- und Industriegruppe AL’FA, die mit 50 Prozent am damals viertgrößten Tjumen-Ölkonzern TNK (2002: Börsenwert - 5,9 Mrd. $, Umsatz - 6,1 Mrd. $, 81.000 Beschäftige) beteiligt war. Der Oligarch besitzt die Geschäftsbank und den Handelskonzern AL’FA, hat Anteile am Internetbetreiber GOLDEN TELECOM (42 Prozent) sowie an den Mobilfunkkonzernen VIMPEL COMMUNICATION (25 Prozent) und MEGAFON (über 50 Prozent).

- Auf Platz 234 stand Vladimir Olegovič Potanin (*1961) mit 1,8 Mrd. $, (2011: 14,3 Mrd. $ - Platz 9 in Russland). Er gründete 1990 die in ihrer Branche wichtigste russische Vereinigte Export-Import-Bank ONEKSIM (1995 10 Mrd. $ Umsatz), und stand seit 1998 an der der Spitze der Finanz-Industrie-Gruppe INTERROS (u.a. weltgrößter Bundmetall-Konzern NORYL’SKIJ NIKEL’- 3,3 Mrd. $ Umsatz, 151.000 Beschäftigte, 20 Prozent der Nickelweltproduktion; Sibirisch-Fernöstliche Ölgesellschaft SIDANKO - 5,2 Mrd. Umsatz, 97.000 Beschäftige; Petersburger Rüstungskonzern LOMO - 40 Mio. $, 8.000 Beschäftigte).

- Ihm folgten die Ölmagnaten Vladimir Bogdanov (SURGUTNEFTEGAZ, 2002: Börsenwert - 15,5 Mrd. $, Umsatz - 6,4 Mrd. $, 98.000 Beschäftigte) und Vagit Jusofič Alekperov (*1950) mit 1,3 Mrd. $. Letzterer war Präsident des größten russischen Erdölkonzerns LUKOJL (2002: Börsenwert - 16,8 Mrd. $, Umsatz - 15,5 Mrd. $, 150.000 Beschäftigte) und Vorsitzender der Bank IMPERIAL (2011: 10,9 Mrd. $, Platz 10 in Russland).

- Auf Platz 7 in Russland (im Weltrang die Nummer 413) kam der damals jüngste Oligarch – Oleg Vladimirovič Deripaska (Jg. 1968) mit 1,5 Mrd. $ (2011: 19 Mrd. $ - Platz 4 in Russland). Der studierte Physiker arbeitete 1990 in der Wertpapierabteilung der Staatsbank, 1992 in verschiedenen Unternehmen der Metallurgie. 1998 wurde er Präsident der Vereinigten Gesellschaft AO SIBIR’SKIJ ALJUMINUM und 2002 Chef des Metall- und Maschinenbau-Konzerns BASOVY ELEMENT.

Neben Chodorkowskij und Berezovskij verloren drei weitere Nomenklatura-Oligarchen aus der Gründerzeit des russländischen Kapitalismus vollständig ihren Einfluss: Vladimir Viktorovič Vinogradov (1955-2008)[5] gehörte zu den Verlieren der Wirtschaftskrise 1998 – die von ihm 1988 gegründete INKOMBANK bankrottierte nach zehn Jahren. Ebenso von der Wirtschaftskrise betroffen war der Besitzer der MOST-BANK und Präsident der Medienholding MEDIA-MOST Aleksander Aleksandrovič Gussinskij (*1952)[6]. Er weigerte sich, die in seinem Medienkonzern auf 473 Mio. $ aufgelaufenen Schulden an GAZPROM zurückzuzahlen. Erst nach seiner kurzfristig Verhaftung verkaufte er zur Schuldentilgung seine Media-Most-Aktien an den staatlichen Gaskonzern, der ihm dafür 300 Mio. $ auszahlte. Der Oligarch flüchtete nach Spanien, dann nach Griechenland. Schließlich fand er als ehemaliger Vorsitzender der Vereinigung Jüdischer Gemeinden Russlands in Israel dauerhaftes Exil. Er wurde u.a. Mehrheitseigner des russischsprachigen Fernsehkanals RTVi, der in Russland und Deutschland empfangen werden kann. Aleksander Pvalovič Smolenskijs (*1954) Industrie- und Finanzgruppe SBS-AGRO (12 Kreditinstitute, Dienstleistungen, Exportfirmen für Edelmetalle und Edelsteine, Investitionen für Landwirtschaft, Gold- und Platinförderung, Aktienanteile an Massenmedien) wurde ebenfalls in der Wirtschaftskrise erheblich geschwächt. Sein Erbe trat 2003 sein im Ausland lebender Sohn Nikolai (*1980) an.[7]

Erst in den Forbes-Listen im letzten Jahrzehnt werden russische Oligarchen angeführt, die die kapitalistische Entwicklung seit der Putin-Medvedev-Administration wesentlich mitgestalten: Der Wissenschaftler und Generaldirektor der Investment-Holding RENOVA, Viktor Wechselberg (*1957) mit einem Vermögen (2003) von 2,5 Mrd. $ (2011: 13 Mrd. $, 10. Platz in Russland). Er erwarb 45 Prozent der Anteile an Fridmans Tjumener Ölkonzern TNK und kontrolliert ein Fünftel der Aluminiumbranche (2000 Holding Sibirisch-Uralisches Aluminium SUAL). Er ist für den Aufbau des wissenschaftlichen Innovationszentrums in Skolkovo zuständig. Der Arbeiter, Ingenieur, Manager und Professor Vladimir Sergejevič Lissin (*1956)[8] erreichte bis 2011 ein Vermögen von 28,2 Mrd. $. und gilt heute als reichster Oligarch Russland. Ihm folgten Michail Dimitrovič Prochorov (*1965)[9] mit 18,5 Mrd. $ (2011), Potanins Partner aus der sog. Komsomolwirtschaft, und der Spezialist für internationales Recht, Komsomolfunktionär und Manager Ališer Burchanovič Ušmanov (*1953).[10]

Soviel schlaglichtartig zu den Spitzenvertretern des russischen Kapitalismus. Wie aber entstand der russische Kapitalismus, welche gesellschaftlichen Gruppen und maßgeblichen Einzelpersonen brachten die ökonomische Transformation in Gang und voran?

II. Kapitalistische „Komsomolwirtschaft“ und die „Roten Direktoren“

Die Moskauer Soziologin Olga Kryštanovskaja ermittelte (Stand 1994), dass während der Perestroika (1985-1991) der Kern der neuen wirtschaftlichen Elite vor allem aus folgenden sozialen und politischen Gruppen kam: 23 Prozent waren Direktoren größerer Betriebe und Angestellte in Ministerien (Promyšleniki), 17 Prozent Komsomolfunktionäre, 15 Prozent Beschäftigte von Forschungseinrichtungen, 8 Prozent Angehörige aus wichtigen Ministerien sowie der obersten Schicht der Kultur- und Wissenschaftsintelligenz.[11]

Ausgangsbedingungen der kapitalistischen Transformation

Der russische Kapitalismus entstand aus dem krisengeschüttelten sowjetischen Staatssozialismus. Er formierte sich von 1987 bis zu seiner ersten Krise 1998. Zu diesem Zeitpunkt dominierte der privatkapitalistischen Sektor (129.000 Betriebe und 30.773 Aktiengesellschaften bei noch 87.569 Staatsbetrieben) mit einem Anteil von 73 Prozent am Bruttoinlandprodukt. Im privatkapitalistischen Sektor und im rein staatlichen Sektor waren jeweils etwa 39 der Gesamtbeschäftigten tätig, die übrigen in gemischten Sektoren.[12] Die Systemveränderungen entwickelten sich primär aus dem schon länger wirtschaftlich stagnierenden sowjetischen Staatssozialismus, der sich seit 1985 zu demokratisieren begann. Es gab offenbar mehrere Entwicklungspfade, die Krise des sowjetischen Staatssozialismus zu überwinden, die Planwirtschaft mit ihren hohen Zentralisierungsgrad in eine effektive Markwirtschaft eines denkbaren sozialistischen Typs umzuwandeln. Dazu war nicht in erster Linie eine massenhafte und schnelle Privatisierung erforderlich. Damals existierten Alternativen zur kapitalistischen Transformation, wie sie Jugoslawien und einige RGW-Länder (DDR, Ungarn, Polen, CSSR) seit den 60er Jahren versuchten, oder wie sie die KP China seit Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts erfolgreich durchsetzte. Die Variante einer reformkommunistischen Krisenlösung bestand in einer Systemerneuerung, in der Umwandlung der staatssozialistischen Kommandowirtschaft in eine ökonomisch effiziente und sozial gerechte Markwirtschaft. In der multiethnischen Sowjetunion war dieses Projekt bisher nur ansatzweise und kurzfristig mit der NÖP (1921-1929) erprobt worden, wenn man von einigen späteren Experimenten in dieser Richtung absieht.[13]

Die reale Transformation des sowjetischen Staatssozialismus seit einem reichlichen Vierteljahrhundert erfolgte unter massivem Einfluss der noch immer ökonomisch und politisch überlegenen, weltweiten kapitalistischen Gesellschaftsformation in den USA und in Westeuropa. Angesichts der damaligen internationalen Systemauseinandersetzung war das Reformprojekt im größten Flächenland der Welt, der multiethnischen Sowjetunion, schwierig und riskant. Voraussetzung des Gelingens war eine einheitlich handelnde politische Machtelite, die die Systemerneuerung schrittweise, mit Experimenten, bei gleichzeitig stufenweiser Demokratisierung und immer im Einklang mit den unterschiedlichen gesellschaftlichen, sozialen und nationalen Gruppen organisiert hätte, um so den ökonomischen, politischen und geistigen Sogwirkungen wie Einmischungen der kapitalistischen Großmächte standzuhalten. Waren diese doch darauf aus, die sowjetische atomare Supermacht weltpolitisch zurückzudrängen und auszuschalten. Der westeuropäisch-transatlantischen Gemeinschaft gelang es seit 1988/1989, die Herauslösung der in eine tiefe Krise geratenen und zum Teil hochverschuldeten sowie politisch zunehmend destabilisierten sozialistischen osteuropäischen Länder mittels kapitalistischer Transformation aus der sowjetischen Einflusssphäre zu fördern. Ähnlich wie in Jugoslawien unterstützte sie gezielt dabei aufkommende nationalistische und separatistische Kräfte in der UdSSR sowie die Zerlegung der Supermacht in ein Dutzend Nationalstaaten. Das war allerdings erst möglich geworden, als die prowestliche und prokapitalistische Fraktion der kommunistischen Nomenklatura, die sog. Radikalreformer um Präsidenten Boris Jelzin in der dominierenden sowjetischen Unionsrepublik, der Russischen Föderation, 1990 an die Macht gelangten. Sie waren es, die verfassungswidrig und undemokratisch die UdSSR auflösten und den seit 1985 begonnenen reformkommunistischen Entwicklungspfad abbrachen und so im sowjetischen Hauptnachfolgestaat den Weg freimachten für eine kapitalistische Transformation nach dem Vorbild der neoliberalen, marktradikalen Schulen von Harvard und Chicago.[14]

Die Gorbačov-Führung begriff das Dilemma, in dem sich die Gesellschaft seit den 80er Jahren befand. Sie hatte kein Vertrauen mehr in die wenig effektive, zentralstaatliche Eigentumsordnung auf planwirtschaftlicher Grundlage, in das bisherige kollektive Verfügungsrecht über gesamtstaatliche Produktionsmittel und über die natürlichen Ressourcen des Landes. Sie suchte nach einer alternativen Wirtschaft und Gesellschaft und brach zunächst vorsichtig die bisherigen Wirtschafts- und Staatsstrukturen auf, begann zögerlich eine Transformation des sowjetischen Staatssozialismus in eine marktwirtschaftlich und demokratisch organisierte sozialistische Gesellschaft. Wesentlich für einen solchen Übergang ist der Aufbau einer funktionierenden Geldwirtschaft, in der das Geld die Funktion als „Rechenmaßstab, Tauschmittel und Vermögensspeicher wahrnehmen kann.“ Harte Budgetrestriktionen für die Unternehmen, „gleich ob ihre Eigentümer privat oder staatlich sind“, entstehen aber erst durch Herstellung eines funktionsfähigen Wettbewerbs auf dem Güter-, Kapital- und Arbeitsmarkt, nicht aber automatisch durch Privatisierung. Erforderlich sind zudem „stabile rechtliche und politische Rahmenbedingungen.“[15] Noch vor der 1992 gesetzlich festgelegten Privatisierung in der Jelzin-Periode organisierte die Nomenklatura bereits in der Perestroika-Periode eine „Entstaatlichung“ des Eigentums und suchte neue Eigentumsformen. In Anknüpfung an Lenins NÖP initiierte die Führung seit 1987 den Aufbau von Handelskooperativen für Ex- und Importgeschäfte unter dem Schirm des Außenhandelsministeriums und eine Erweiterung des bisherigen Banksystem (Staatsbank GOSBANK mit den spezialisierten fünf Banken (VNEŠEKOM: Außenhandel; PROMSTROJ: Industrie/Bau; AGRO: Landwirtschaft, ZBEREŠŽNY: Sparkasse; ŽILSOC: Wohlfahrt/Soziales) durch Genossenschafts-, Gemeinschafts- und Geschäftsbanken.

„Perestroika-Komsomolwirtschaft“

Das ZK der KPdSU entschied am 25. Juli 1986, dass die Komitees der Partei und des Kommunistischen Jugendverbandes mit staatlicher Unterstützung die neuen Handels- und Bankstrukturen aufbauen sollten.[16] Auf dieser Grundlage beschloss die Komsomol-Führung im März 1987, ein einheitliches gesellschaftlich-staatliches System „Wissenschaftliches Schöpfertum der Jugend“ (NTTM). In Regie von ZK-Sekretär Jegor Kuz’mič Ligačov (1920), unterstützt und kontrolliert von Partei-, Staats- und Sicherheitsorganen, organisierte Konstantin Zatulin vom ZK des KOMSOMOL bis zum Frühjahr 1990 600 NTTM-Zentren, in denen 17.000 Kooperative mit einer Million Mitgliedern mitwirkten. Er gründete 1989 die „Assoziation junger Leiter“ und arbeitete mit der Moskauer Börse zusammen. Der Vater der sog. Komsomolwirtschaft (Komsomol’skaja ékonomika) wurde unter Gorbačov Mitglied des „Rates für das Unternehmertum“ und später unter Jelzin Vorsitzender der „Internationalen Bank für Handel und Zusammenarbeit der GUS“.[17]

Bis Anfang der 90er Jahre entstanden 300 neue Banken sowie 200.000 Kooperativen, vornehmlich im Handel und Dienstleistungsbereich. Die Komsomol-Nomenklatura machte auf diesem Weg zur Marktwirtschaft eine steile politische und finanzielle Kariere. Der Ingenieur-Technologe und Komsomolfunktionär Chodorkovskij (*1963)[18] wurde 1987 Direktor des hauptstädtischen „Zentrums für wissenschaftlich-technisches Schöpfertum der Jugend“. Er baute ein Unternehmen auf, das für zivile- und Rüstungsbetriebe wissenschaftlich-technische Programme entwickelte und Marktforschung betrieb. Seine Handelskooperative diente der Devisenbeschaffung durch spekulative Finanzoperationen. 1988 „erwirtschaftete“ er ein Jahreseinkommen von 130 Mio $. Unterstützt vom Finanzministerium und der Staatsbank der UdSSR, gründete er 1989 mit dem Programmierer im sowjetischen Außenhandelsministerium Leonid Nevslin (Privatvermögen 2003: 1,1 Mrd. $) und Platon Lebedev die „Interbankvereinigung für wissenschaftlich-technischen Fortschritt“ MENATEP (Mežbankovskoe Ob‘edinenie Naučno-techničeskogo Progressa). Nach deren Fusion mit der Žilsoc-Bank war sie Russlands erste Geschäftsbank mit Filialen in Moskau, Leningrad, Vladimir und Perm. Sie wurde 1990 Klient und Aktionär der in Genf niedergelassenen Privatbank Riggs Valmet.

Zu den größten Profiteuren der „Perestroika-Komsomolwirtschaft“ gehören neben Chodorkovskij vor allem Vladimir Potanin (*1961)[19], Michael Prochorov (1965), Vladimir Vinogradov (*1955)[20], Michail Fridman (1964)[21]. Sie wurden in den 1990er Jahren zu den einflussreichsten Vertretern des neuen russischen Oligarchen-Kapitalismus. Dazu zählen auch Vladimir Gusinskij (*1952)[22] und Aleksander Smolenskij (1954)[23].

Minister und Direktoren

Einen weiteren Schritt marktwirtschaftlicher Transformation seit 1989 bildete die Umwandlung der Branchenministerien in eigenständige Wirtschaftseinheiten, die seit 1990 die Rechtsform von Aktiengesellschaften RAO (Rossijskoe Akcionernoe Obščestvo) erhielten. An ihrer Spitze standen ehemalige Minister oder Direktoren sowjetischer Staatsbetriebe. So wurden die Betriebe der Förderung, des Transports (140.000 km Pipeline-Netz) und der Verarbeitung von Erdgas im Staatskonzern RAO GASPROM vereint. Der damalige Erdgas- und Erdölminister Viktor Černomyrdin (1938) baute die Konzernverwaltung aus dem Personal seines Ministeriums auf und übernahm das Direktorat. Aus diesem Branchenministerium wurde auch der Mineralölverbund ROSNEFTGAS (47 regionale Förderunternehmen) gebildet, aus dem u.a. 1991 der größte vertikal integrierte Mineralölkonzern RAO LUKOIL mit sieben Förderbetrieben (in Westsibirien, im Ural, in der Wolgaregion und in Kaliningrad) und 8 regionalen Vertriebsfirmen sowie zwei Raffinerien entstand. Dessen Leitung übernahm der Stellvertretende Öl- und Gasminister Vagit Alekperow (*1950).[24] Die aus den Energetik-Ministerien der UdSSR und der RSFSR gebildete RAO Einheitliches Energiesystem EÉS (Edinaja Énergičeskaja Sistema) leitete der bisherige Erste Stellvertretende Energetik-Minister der RSFSR, A. F. D’jakov. Nicht nur Komsomolfunktionäre, Minister und „Rote Direktoren“, sondern auch Geheimdienstoffiziere oder Techniker und Wissenschaftler wie Boris Berezovski (*1946), Viktor Wechselberg (1957)[25] und Alexander Abramov[26] wurden unter den veränderten Bedingungen der 1990er Jahre Teil der Klasse der Oligarchen-Kapitalisten.

Der Moskauer Politologe Vladimir Pastuchov verglich die kommunistische Nomenklatura mit einer Raupe, die während der Perestroika als Puppe überwinterte und sich schließlich in Gestalt eines Schmetterlings als neue Bourgeoise entpuppte.[27]

III. Der Übergang vom Staatssozialismus zum Oligarchenkapitalismus

Warum scheiterte der reformkommunistische Erneuerungsversuch? Die sowjetischen Führungskräfte waren in zwei Lager gespalten. Die so genannten Radikalreformer erarbeiteten unter Regie von Grigorii Javlinskij mit Unterstützung von IWF-Teams und dem Harvard-Professor Jeffrey Sachs ein Programm zur Einführung einer „freien“ (deregulierten) Marktwirtschaft durch Privatisierung, Preisfreigabe, Aufhebung der Importbeschränkungen und der Kapital- und Devisenkontrolle. Der Oberste Sowjet Russlands unter Vorsitz von Boris Jelzin nahm das Programm bereits am 11. September 1990 an. Der sowjetische Ministerpräsident Ryškov verfocht einen allmählichen Übergang zur regulierten Marktwirtschaft. Gorbatschwo entschied, beide Konzepte zusammenzufügen und legte einen neugefassten „Präsidentenplan“vor, den der Oberste Sowjet der UdSSR am 19. Oktober mit 393 gegen 46 Stimmen annahm. Als Jelzin, der Führer der Radikalreformer, in Direktwahlen am 12. Juni 1991 Präsident der RSFSR wurde und durch einen verfassungswidrigen Staatsstreich die UdSSR im Dezember 1991 auflöste, war für den größten und einflussreichsten sowjetischen Nachfolgestaat, Russland, die kapitalistische Transformation fast unwiderruflich entschieden.[28]

Der große Privatisierungsschub

Im Zuge der Voucher- und Insider-Privatisierung 1992-1994 wurde die Hälfte der insgesamt etwa 200.000 sowjetischen Betriebe (Industrie, Gewerbe, Handel, Verkehr u.ä., ohne Landwirtschaft) mit einem „Marktwert“ von 12 Milliarden $ mit 143 Mio. Anteilsscheinen (entsprach dem damalige Börsenwert des deutschen Siemenskonzerns) hauptsächlich Besitzeigentum der gewendeten kommunistischen Nomenklatura. Der staatliche Konzern GASPROM wurde für 22,8 Mio. $ teilprivatisiert und ging in die Hände der bisherigen Direktoren. Ebenso die Autowerke SIL und VOLGA (16 bzw. 27 Mio. $.). Inzwischen verfügten die Spitzen der Komsomolzen-Nomenklatura über Bank- und Industriegruppen und besaßen maßgeblichen Einfluss auf die und in der Staatsmacht Russlands, den sie zum Auf- und Ausbau ihrer neuen Wirtschaftsimperien nutzten. Potanin ließ als erster Unternehmer seine 1991 gründete Holding INTERROS schon 1994 bei der Regierung als Finanz-Industrie-Gruppe registrieren. Auf seine Initiative hin finanzierte der damals einflussreichste Oligarch Berezovskij, der im Sicherheitsrat von Präsidenten Jelzin die wichtigste Figur wurde, 1996 zusammen mit Potanin und weiteren sechs Bankchefs die Wiederwahl Jelzins. Daraus erklärt sich deren Aufstieg in den staatlichen Machtapparat. Als Mitglied des Rates für Industriepolitik vertrat Potanin Russland beim IWF und der G-7. Als Erster Stellvertreter von Ministerpräsidenten Černomyrdin seit 1996 beeinflusste er maßgeblich die Entscheidungen des Kabinetts zugunsten seines entstehenden Imperiums. Als Berater des Privatisierungsministers Anatoli Čubais schuf er das „Kredite für Aktien-Programm“ (Aktien-Kredit-Swaps): Die Regierung verpfändete Anteile an Staatskonzernen gegen Kredite. Die neuen Oligarchen-Banken, die die Auktionen organisierten, bekamen auch die Zuschläge und erwarben die größten Filetstücke. Potanin selbst erwarb u.a. für nur 171 Mio. $ Mindestgebot seiner INKOM-Bank 51 Prozent Aktienanteile am weltgrößten Metallkonzern (Platin- und Palladium, 20 Prozent der Weltnickelproduktion), für 130 Mio. $ 51 Prozent der Anteile an der viertgrößten Ölgesellschaft SIDANKO. Auf einer weiteren Auktion kaufte er für 1,8 Mrd. $ (1 Mrd. $ davon trug der Börsenspekulant Soros) 25 Prozent der Anteile des Telekom-Konzern SV’AZIVEST. Auch die ersteigerten Anteile am Petersburger Rüstungskonzern LOMO (55 Prozent), am Autokonzern SIL (26 Prozent), am Metallkombinat Novolipeck (15 Prozent), am Flugzeugmotorenwerk Perm (33 Prozent) und an der Nordwestlichen Flussschiffahrt-Gesellschaft (25 Prozent) vergrößerten seine Industrieholding INTERROS. Zum Imperium des Oligarchen gehörte des Weiteren ein Finanzblock (ONEXIMBANK, MFK Renaissance und zwei Versicherungsgesellschaften) sowie die Holding PROMEDIA (1998) mit Aktienanteilen an einer Reihe von Printmedien (u.a. Ékspert – 25 Prozent, Izvestia und Pravda – 50,1 Prozent und Komsomol‘skaja Gazeta – 20 Prozent). Jelzin zeichnete 1999 den frischgebackenen Milliardär mit dem Ehrenzeichen „Mäzen des Jahres“ aus.

Erst unter diesen Rahmenbedingungen konnte auch der bis dahin zum Millionär aufgestiegene Chodorkovskij das Wirtschaftsimperium ROSPROM (Rossiskaja promyšlennost‘) aufbauen (30 Unternehmen der Öl-, Chemie, Konsumgüter- und Lebensmittelindustrie). In seinen staatlichen Funktionen seit 1993 (Stellvertretender Minister für Brennstoffe und Energie, Mitglied des Rates für Industriepolitik und des Konsultationsrates für Bankentätigkeit bei der Regierung) nahm er Einfluss auf die Privatisierung. Er erwarb bis 1997 selbst zahlreiche Großbetriebe des Transports, der chemischen, der Lebensmittel-, Textil-, Bau-, Holzverarbeitungs- und Mineralölindustrie. Er sicherte sich zudem über die Bank MENATEP für nur 309 Mio. $ 78 Prozent der Anteile am zweitgrößten staatlichen Erdölkonzerns JUKOS sowie weitere Aktienpakete an der Östliche Ölgesellschaft VNK (54 Prozent), der Murmansker Schifffahrtsgesellschaft (24 Prozent) und an der karelischen Holzverarbeitung „Pitkjrant“ (51 Prozent), aber auch im Medienbereich (Russkij izdatel’skij dom – 79 Prozent, Independent Media – 10 Prozent). So entstand das leistungsstarke Finanz- und Wirtschaftsimperium ROSPROM-MENATEP-JUGOS (175.000 Mitarbeiter in 50 Regionen Russlands). Seine Stiftung „Offenes Russland“ (2001) finanziert Fortbildungskurse (200 Mio. $) und eigene Hochschulen für Geisteswissenschaften und Journalisten. Chodorkovskij spendete auch der Bibliothek des US-Kongresses und für die Carnegie-Stiftung 1,5 Mio. $. Die vom Wallstreet Journal und der Financial Times herausgegebene russische Zeitung Vedomosti kürte den Ex-Komsomolzen 2002 zum König der Oligarchen Russlands, zum Unternehmer des Jahres. Sein Hauptunternehmen JUKOS (Börsenwert 2003: 32,8 Mrd. $) brachte 2002 3,8 Mrd. $ Jahresgewinn, zahlte 746 Mio. $ Einkommenssteuern und investierte 2,4 Mrd. $. 58 Prozent des Gesamtkapitals gehört der Yukos Universal LTD, (Tochter eines Gibraltar-Ablegers der MENATEP-Bank), ein Kapital, welches sich Chodorkovskij (59,5 Prozent) mit den anderen Managern (40,5 Prozent) teilt[29]. Auch die anderen Spitzenfunktionäre der sog. Komsomolwirtschaft wie Abramovič, Fridmann, Vinogradov, Smolenskij, Gussinski, aber auch ein Teil der „Roten Direktoren“[30] und der Nomenklatura aus Staatsverwaltung, Wissenschaft, Militär und Geheimdienst beteiligten sich in der Gründerzeit des neuen russländischen Kapitalismus am profitablen Zerlegen der Reichtümer des Landes und des in sechs Jahrzehnten geschaffenen staatssozialistischen Eigentums. Dieses Jahrzehnt war zugleich auch ein „Krieg der Oligarchen“ um Aneignung und Sicherung ihres Eigentums, Kapitals und Profits.

Veränderte Eigentumsverhältnisse

Die Eigentumsformen veränderten sich zwischen 1990 und 1997 grundlegend: Der Anteil der Beschäftigten in der Staatswirtschaft ging von 86 auf 45 Prozent zurück, der in Privatbetrieben stieg von 12,5 auf 38,7 Prozent. Ein reichliches Drittel der Beschäftigten befand sich in einem gemischten Sektor. Der Übergang von der staatssozialistischen Planwirtschaft zur kapitalistischen „freien“ Marktwirtschaft führte zu einer ökonomischen und sozialen Katastrophe. Das Bruttoinlandprodukt ging von 1990 bis 1997 um 45 Prozent zurück, die Ölförderung und die Metallurgie auf 40 Prozent, die Erzeugung von Milch- und Backwaren auf 65 Prozent. Der Anteil des Landes an der Weltwirtschaftsleistung verringerte sich zwischen 1989 und 1998 von 2,46 Prozent auf 0,36 Prozent. Die sowjetische Supermacht sank zu einer mittleren und abhängigen russländischen Wirtschaftsmacht herab.[31] Wie der ehemalige Kartellamtschef Kartte feststellte, war das letztlich das Ergebnis einer völlig verfehlten Strategie des Systemwechsels anstatt einer Systemerneuerung. Dieser Systemwechsel führte das Land nicht aus der Krise heraus, sondern vertiefte und vergrößerte sie: „Das war regelrecht bösartig, fast schon eine Vernichtungsstrategie, die unweigerlich ins Desaster führen musste. Wir hatten in Deutschland nach dem Krieg 13 Jahre lang keine konvertible Währung und Kapitalmarktbeschränkungen noch und nöcher.“[32]

Der in sieben Jahrzehnten unter ungewöhnlichen Opfern und Leistungen durch Arbeiter, Bauern, Intellektuelle und Angestellte akkumulierte gesellschaftliche Reichtum und die Humanreserven in Gestalt zentralistisch verwalteten Staatseigentums auf planwirtschaftlicher Grundlage wurde durch eine beträchtlichen Teil der gewendeten kommunistischen Nomenklatura mit aktiver Unterstützung des internationalen Kapitals zum Großteil in privatkapitalistisches Eigentum überführt. Der Grad der Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerung und der sozialen Unterschiede, die dadurch entstanden, ist einmalig in der Geschichte des Riesenlandes: Das Verhältnis zwischen den Einkünften der ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung und der reichsten zehn Prozent beträgt gegenwärtig 1:46 (in den USA 1:17 in Frankreich 1:10). [33]

Was seitdem entstand, war durchaus kein gewaltsamer Export des weltweit existierenden Kapitalismus, der schon nach 1917 in Russland (Sowjetunion, später auch in China und Osteuropa) überwunden worden war. Ein Teil der kommunistischen Nomenklatura der Sowjetunion zeugte den russischen Kapitalismus, half ihm bei der Geburt und stand ihm Pate. Die marginale Oberschicht, die Oligarchen und Nomenklatura-Kapitalisten, sind Nutznießer dieser in der Geschichte Russlands fast einmaligen Umverteilung auf Kosten des Gemeinwohls. In diesem „schwarzen Jahrzehnt“ 1988-1998 entstandenen tiefe soziale Klüfte. Sie öffneten das Riesenland nahezu bedingungslos dem internationalen Kapital, stutzten es auf ein peripheres Entwicklungs- oder Schwellenland zurück. Von 1989 (100 Prozent) bis 1998 fielen das Bruttoinlandprodukt (BIP) auf 48,7 Prozent und die Bruttoanlageninvestitionen auf 24 Prozent, die Reallöhne auf 41,5 Prozent. [34] Einen solchen Rückgang des BIP erlebte das Land im 20. Jahrhundert nicht einmal während der beiden Weltkriege (1914-1917 – 25 Prozent, 1941-1945 – 21 Prozent).[35] Diese beispiellosen Vorgänge „vermitteln“ – so Alexander Solschenizyn – „den Eindruck, als sei eine gigantische Pumpe eingeschaltet worden, die aus Russland alle natürlichen Reichtümer, sein Kapital, sein geistiges Potential absaugt.“ [36] In seiner kenntnisreichen Studie kam der Wissenschaftler Roland Götz der Wahrheit über diese Vorgänge im „schwarzen Jahrzehnt“ sehr nahe: Die neuen Oligarchen erfüllten „geradezu eine weltpolitische Funktion, die sehr im Interesse der westlichen Staatengemeinschaft lag (sic!). Sie demolierten, angeleitet von westlichen Beratern und in Kooperation mit den zu Miteigentümern mutierten Parteifunktionären, die ökonomische Basis der ehemaligen Staatswirtschaft und machten damit die marktwirtschaftlich-kapitalistische Entwicklung Russlands unumkehrbar.“ [37]

[1] Vgl. V. B. Pastuchov: Ot nomenklatura k buržuazii. „Novye russkie“, in: Polis Nr. 2, Moskva 1993, S. 48ff. ; Sergej Sinel‘nikov: Finanz-Industrie-Gruppen als Element der russischen Strukturpolitik, in: Bundesinstitut für wissenschaftliche und internationale Studien (im folgenden BIOst), Aktuelle Analysen Nr. 74/1995, Köln 1995, S.1-5; Roland Götz: Russlands (un)heimliche Herrscher, in: BIOst, Aktuelle Analysen Nr. 42/1997, S. 1-6; Ogonjok Nr. 43, Moskau 1997; Vostok, 1, 1997, S. 8f.; Roland Götz: Großfusion in der russischen Erdölbranche, in: BIOst, Aktuelle Analysen Nr. 9/1998, S. 1-6; Hans-Henning Schröder: Jelzin und die „Oligarchen“. Über die Rolle von Kapitalgruppen in der russischen Politik (1993-1998), in: Berichte BIOst Nr. 40/1998, S. 1-40; ders.: Jelzin und die Oligarchen. Materialien zum Bericht BIOst 40/1998, in: ebenda, Sonderveröffentlichung Oktober 1998, S. 1-47; O. Blinova: Imperii trech: Smolenskij, Fridman, Malkin, Moskva 1998; dies.: Imperii dvuch: Ljužkov, Gussinskij, Moskva 1998; A. Amirov/V. Pribylovskij (Hrsg.): Rossiskie biznesmeny i menendžery, Moskva (Panorama) 1998; A. Muchin: Imperii cetyrech: Alekperov, Berezovskij, Potanin, Chodorkowski, Moskva 1998; ders.: Oligarchii Rossii, Moskva 1999; ders.: Biznes-Elite i gussudarstvennaja vlast’: Kto vladeet Rossiej na rubeže vekov, Moskva 2001; Lutz Maier: Russlands Wirtschaft auf kapitalistischem Weg, in: Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung (im folgenden Z), Nr. 43, September 2000, S. 22-38; Eugen Faude: Kapitalistische Transformation in Russland. Stand und Perspektiven, in: ebenda, S. 39-53; Hansgeorg Conert: Voraussetzungen und Ursachen der Finanzkrise Russlands 1998, in: ebenda, S. 54-61; Jan Priewe: Privatisierung und Transformation – Lehren aus Russland, in: Osteuropa-Wirtschaft, Nr. 1/2000. S. 67ff.; V. A. Lisickin/L. A. Šelepin: Rossija pod vlast’ju plutokratii, Moskva 2003; Willi Gerns: Die Herren Russlands – Genese und Macht der Oligarchen, in: Marxistische Blätter, Heft 3, Essen 2003, Roland Götz: Russland und seine Unternehmer. Der Fall Chodorkowskij, in: Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Aktuell Nr. 45/2003, Berlin 2003, S. 1-8; Pavel Chlepnikov: Krestnyj otec Kremlja Boris Berezovskij ili Istoriaja razgrablenija Rossija, Moskva 2004; Karl-Heinz Gräfe: Wiedergeburt des Kapitalismus in Russland, in: UTOPIEkreativ, Nr. 161/2004, Berlin 2004, S. 257-267; A. Muchin: Juri Lužkov i sistema moskovskich oligarchov, Moskva 2005; Ol’ga Kryštanovskaja: Anatomija élity, Moskva 2005; Gert Meyer: Russland als Energie- und Rohstoffmacht, in: Z 67, September 2006, S. 52-59; Stephan Heidbrink: Europa: Energiestrategie – mit oder gegen Russland, in: Z 71, September 2007, S. 5-66; Felix Jastner: Hoffnungsträger Chodorkowski? In: Blätter für deutsche und internationale Politik, 6/2014, S. 83-91.

[2] Vgl. Rangliste Magazin Forbes; Hans-Henning Schröder: Jelzin und die „Oligarchen”; Michail Sergejev: Die den Staat dominierenden Business-Gruppen bremsen die Modernisierung des Landes, www.strana.ru.31.03.2003; Willi Gerns: Die Herren Russlands, S. 18 ff.; Roland Götz: Russland und seine Unternehmer, S. 1-8.

[3] Vgl. Stephan Heidbrink: Europa: Energiestrategie, S. 61ff.

[4] Vgl. Pavel Chlepnikov: Krestnyj otec Kremlja Boris Berezovskij,

[5] Vgl. https://ru.wikipedia.org/wiki/vinogradov_Vladimir_viktorovič, 09. 03. 2012.

[6] Vgl. https://de.wikipedia.0rg/org/wiki/Wladimir_Alexandrowitsch_Gussinski, 08. 03. 2012.

[7] Vgl. https://ru.wiki.Smolenskij_Aleksander Pavlovič, 08. 03. 2012.

[8] Vgl. http://de.wikipedia.org./wiki/Vladimir_Sergejewitsch_Lissin, 10. 10. 2011.

[9] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki Michail_ Dmitrijewitsch Prochorow, 14. 09. 2011.

[10] Vgl. https://de.wikipedia.org/windex.php?title--AlischerBuchaniwits..., 03. 11. 2011

[11] Vgl. Izvestija vom 18. 5. 1994.

[12] Vgl. Panorama privatisacii Nr. 11, Moskva 1997, S. 53; DIW Wochenbericht 18/1998; Jan Priewe: Privatisierung und Transformation, a.a.O.

[13] Vgl. L. Kosals: Rossijskij put’ k kapitalizmu: meždu kitaem I vostočnoj evropoj, in: mirovaja ėkonomika i meždunarodnye otnošenija, Moskva 2000, 10/2000, S. 14-20 und 11/2000, S. 31-40.

[14] Vgl. M. Boycko/A. Shleifer/R. W. Vyshny: Privatizing Russia, Cambrigde 1995.

[15] Jan Priewe: Privatisierung und Transformation, a.a.O., S. 47.

[16] Zur sog. Komsomolwirtschaft vgl. Firma pri gorkome, Moskva 1990; XX. s-ezd Vsesojusnogo leninskogo kommunističeskogo sojuza molodezi 15-18 aprelja 1987 g. Stenografičeskij otčet, Bd. I, Moskva 1990; Dokumenty i materialy II plenuma CK VLKSM, Moskva 1987; Dokumenty CK VLKSM 1988, Moskva 1990.

[17] Dokumenty I materialy XXI s-ezda VLKSM 11-16 aprelja 1990, Moskva 1990, S. 40f.

[18] Nach dem Ingenieurstudium am Chemotechnologischen Mendeleev-Institut (1986) arbeitete Chodorkovskij dort als stellvertretender Komsomolsekretär (1986/1987) und nahm 1988 ein weiteres Studium am Moskauer Plechanov-Institut für Volkswirtschaft auf.

[19] Nach Abschluss des Studiums am Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen war Potanin seit 1983 im sowjetischen Handelsministerium und in der RGW-Bank tätig. Mit einem staatlichen Startkapital von 10 000 $ gründete er die Außenhandelsfirma INTERROS und verdiente im Metallhandel seine ersten Millionen. Sie bildeten die Grundlage für die 1992 mit Prochorov, seinem Komsomolpartner aus dem Außenhandelsministerium, gegründete Investmentgesellschaft Company for Finance & Investments MFK, die mit der der US-Bank Renaissance des Exilrussen Boris Aleksevic Jordan (*1966) kooperierte und zur MFK Renaissance fusionierte. 1993 bildete er aus dem Kapital von 30 Außenhandelsgesellschaften die Export-Import-Bank ONEXIM-BANK, die zur größten Privatbank Russlands aufstieg.

[20] Als 1. Sekretär des Komsomol im Rüstungskonzern Atommaš organisierte Vinogradov Kooperativen und gründete mit einem Startkapital von 140 Mio. $ aus der Komsomolkasse die internationale Geschäftsbank INKOM (1993: 2 Mrd. $ Kapital, 2.000 Mitarbeiter, 22 Filialen in Russland sowie Niederlassungen in den USA, der Schweiz, Deutschland und auf Zypern).

[21] Während seines Studiums am Moskauer Institut für Stahl- und Metalllegierungen gründete Fridman mehrere Handelskooperative für Computerhandel, Zigaretten und Parfüme, Kurierdienste usw. Er kooperierte mit dem Schweizer Unternehmen ADP Trading und schuf mit den erwirtschafteten Devisen und staatlicher Unterstützung zusammen mit dem Reformökonomen Peter Aven (* 1955) die AL’FA-BANK.

[22] Nach Abschluss seines Studiums am Geologisch-technologischen Institut in Dzambul arbeitete Gussinskij in Druckereien und Handelsunternehmen. 1981 wurde er vom KGB wegen Diebstahl von Volkseigentum und privater Unternehmertätigkeit für zwei Jahre inhaftiert. 1983 wurde der Ingenieur am Sportkomplex Olympijskij eingesetzt und leitete 1984-1987 eine Spezialbauverwaltung in Moskau. 1987 gründet er die damals größte Baugenossenschaft Moksva-3 (Weiterverarbeitung von sekundären Rohstoffen für die Bauwirtschaft). Diese profitable Unternehmertätigkeit ermöglichte es ihm schon 1989, die Kooperativbank STOLYCNY zu gründen, die 1991 die Rechtsform einer Aktiengesellschaft erhielt.

[23] Nach abgebrochenem Studium am Moskauer Institut für Petrochemie studierte Smolenskij am Lunčarskij-Institut für Theaterkunst, gründete 1986-1987 die Genossenschaften „Metall“ und „Inféks“ (Rechtsberatung, Bürobedarf Bauindustrie). Die Gewinn aus diesen Unternehmen ermöglichte ihm die Gründung der Industrie-und Finanzgruppe MOST, aus der bis Ende der 90er Jahren eine einflussreicher Konzern wurde (Finanzdienstleistungen, Pharmazeutik, Handel, Banken) mit dem eindeutigen Schwerpunkt im Medienbereich (MEDIA-MOST-Verlagshaus Segodnja, NTV, NTV-Plus, Radio Écho Moskv).

[24] Der 1950 in einer Nomenklatura-Familie in Baku geborene Alekperov schloss 1974 sein Ingenieurstudium auf dem Gebiet der Technologie der Erdöl- und Erdgaserkundung ab. Nach fast zwei Jahrzehnten als Stellvertretender Generaldirektor der Erdölkombinate KASPROMEFT’, SURGUTNEFT’ und BASNEFT’’ übernahm die die staatliche Produktionsvereinigung KOGALYMNEFTGA.

[25] Der Mathematiker Wechselberg gehört zu den fähigsten Wissenschaftlern. Er gründete 1988 die Forschungsfirma KomVek, die eng mit dem Aluminiumkonzern Irkutsk zusammenarbeitete. Durch Import westlicher Computer erwarb er sich seine erste Dollarmillion. 1991 gründete mit dem Exilrussen aus den USA, Leonid V. Blavatnik, die Investmentfirma RENOVA.

[26] Der Wissenschaftler im Hochtechnologiebereich (Hochtemperaturforschung) gründete 1992 die Metallhandelsfirma EVROASMETALL. Im Privatisierungsprozess schuf er aus zahlreichen Betrieben des Bergbaus und der Metallurgie den größten vertikal integrierten Stahlkonzern samt Kohle und Erzfirmen (EURASHOLDING). Privatvermögen: 2003 - 760 Mio. $, 2012 - 5,4 Mrd. $.

[27] Vgl. V.B. Pastuchov: Ot nomenklatura k burzuazii, a.a.O., S. 49.

[28] Vgl. Michael Gorbatschow: Erinnerungen, München 1995, S. 543ff, S. 1093ff.

[29] Vgl. Nina Baskatov: Patrioten und Oligarchen, in: Le Monde diplomatique, Dezember 2003, S. 12f.

[30] Im Zuge der Privatisierung wurde der Stellvertretende Minister für Erdöl und Erdgas Alekeperov 1991 zum Präsidenten der neuen russischen Aktiengesellschaft LUKOJL ernannt. Seitdem verwaltete er persönlich den Anteil der Russischen Föderation (26, 6 Prozent), des Managments NIKOJL (10,5 Prozent) und den Rentenfonds LUKOJL-GARANT (7,3 Prozent). Ausländische Personen erwarben ein Drittel des Aktienanteils (u.a. Atlantic Richfield Co.-ARCO) Der Konzern hat zwei Raffinerien, acht regionale Vertriebsfirmen und eine Kette von Supermarkttankstellen. Alekperov baute auch seinen Einfluss im Medienbereich aus (59,4 Prozent der Izvestija, 30 Prozent NTV, Produktionsfirma für Fernsehprogramme TSN).

[31] Vgl. Eugen Faude: Kapitalistische Transformation in Russland, a.a.O., S. 39f.

[32] Der Spiegel vom 14. 9. 1998.

[33] Vgl. Karin Clement: LohnarbeiterInnen als interne Peripherie, in: Ost-West-Gegen-Information Nr.3, Graz 2003, S.40.

[34] gl. Jan Priewe: Privatisierung und Transformation, a.a.O., S. 67.

[35] Vgl. Izvestija vom 11. 12. 1996.

[36] Zitiert nach Süddeutsche Zeitung vom 30.11./01.12.1996.

[37] Roland Götz: Russland und seine Unternehmer, a.a.O., S. 22.