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Solidarität mit den Opfern des Grubenunglücks in Soma – Für eine Türkei ohne Erdogan

von Dieter Hooge
September 2014

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Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir versammeln uns heute hier, um gegen den Massenmord an den türkischen Grubenarbeitern in Soma zu protestieren und noch einmal unsere Solidarität und unser tiefes Mitgefühl mit den Angehörigen und ihren Familien zum Ausdruck zu bringen.

Der DGB-Bundeskongress hat vor 14 Tagen ebenfalls eine Solidaritäts-Erklärung für die Opfer, Hinterbliebenen und Überlebenden des Grubenunglücks verabschiedet. Die IG Bergbau, Chemie und Energie hat ein Spendenkonto eingerichtet. Dafür danken wir.

Aber in der DGB-Solidaritätserklärung fehlt etwas, das ich hier heute nachtragen werde: Die Schuldigen der Katastrophe von Soma haben einen Namen: „Erdogan, die neoliberale AKP und die skrupellosen türkischen Kohle-Oligarchen.“

Was ist dieser Erdogan für ein fürchterlicher Mensch? Schlimmer wie er kann man in Soma nicht mit den Gefühlen der Hinterbliebenen und den Opfern umgehen. Seine Äußerungen und sein Verhalten bei seinem Besuch dort vor zwei Wochen waren zynisch und menschenverachtend.

Auf einer Pressekonferenz wurde er gefragt, warum so etwas passieren konnte, warum ein Unternehmen, das für solche Unfälle überhaupt nicht vorbereitet war, die Mine weiter betreiben konnte. Seine Reaktion wörtlich: „So etwas passiert eben“ Als Beispiele führt er dann Grubenunglücke in England 1862, 1866 und 1894 an. Als weitere Rechtfertigung zählt er dann auch noch Grubenunglücke in Japan, Russland und China in den letzten Jahren auf.

Aus seiner Sicht ist das Unglück von Soma daher nichts Besonderes.

Als ob dies alles noch nicht reicht, tritt einer seiner Berater auf ein Polizeiopfer ein und Erdogan selbst schlägt einen Passanten vor einem Supermarkt.

Dies alles hat Methode. Erdogan und die AKP haben die früher staatlichen Zechen, so auch die in Soma, Privatkapitalisten zugeschanzt. Privatisierung, Deregulierung der Arbeitswelt, Duldung inhumaner Arbeitsbedingungen und die Behinderung der Gewerkschaften stehen für Erdogan und die AKP ganz oben auf der Agenda.

Im türkischen Kohlebergbau – und nicht nur dort – spielt Arbeitsschutz nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Folge sind täglich tödliche Arbeitsunfälle. Das ist Neoliberalismus pur!

Der Bergwerks-Betreiber von Soma, Gürkan, rühmte sich 2012 in einem Interview, die Produktionskosten einer Tonne Kohle von etwa 140 Dollar auf 23,80 Dollar gesenkt zu haben – und dabei wurde der Umsatz verdoppelt. Der durchschnittliche Monatslohn eines Kumpels in Soma liegt bei etwa 1.200,00 türkischer Lira, das sind etwa 420,00 Euro. Der Spiegel schreibt in seiner neuesten Ausgabe, ich zitiere: „Dieser geringe Lohn für eine sehr harte und eine sehr gefährliche Arbeit. Die Toten von Soma waren billig als sie noch lebten.“

Als dann die türkischen Gewerkschaften in Soma zu Demonstrationen und Protestaktionen gegen diesen Massenmord aufriefen, wurden auch dort die Menschen auf brutale Weise von der Polizei niedergeknüppelt. Das gleiche in vielen anderen türkischen Städten, wo ebenfalls die Gewerkschaften zu Protesten aufgerufen hatten.

Seit Monaten immer wieder die gleichen Bilder: Die Polizei geht mit außerordentlich großer Härte bei Demonstrationen der demokratische Opposition vor. Unvergessen sind die Polizei-Massaker im Gezi-Park in Istanbul.

Auch hier wieder der typische Zynismus von Erdogan: Er nennt seine Polizei „Helden in Uniform“.

Für mich steht fest: Die Türkei wurde mittlerweile zu einem brutalen Polizeistaat.

Ich kann da aus eigener Erfahrung etwas beitragen. 1976, zu Zeiten der Militärdiktatur in der Türkei, habe ich das Land auf Einladung der Gewerkschaften bereist. Mehrfach war ich Zeuge von brutalen Übergriffen des Militärs und der Polizei gegen Menschen in der Türkei.

Ich behaupte: Das Erdogan-Regime steht heute der Militärdiktatur in den 1970er Jahren in nichts mehr nach.

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Erdogans Auftritt morgen in Köln ist für uns eine maßlose Provokation. Bereiten wir ihm einen außerordentlich unfreundlichen Empfang: Erdogan ist bei uns nicht willkommen.

Aber noch etwas ist über den Tag hinaus wichtig: Der politische Kampf in der Türkei muss weitergehen. Die Opposition muss alles daran setzen, damit dieser Mann im August nicht auch noch Staatsoberhaupt wird. Er darf die Wahlen nicht gewinnen. Das muss mit demokratischen Mitteln verhindert werden.

Ich wünsche dem türkischen Volk:

- die Überwindung des menschenverachtenden Neoliberalismus in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft.

- Arbeit und soziale Gerechtigkeit.

- Die Durchsetzung umfassender Gewerkschaftsrechte.

- Umfassenden Arbeitsschutz und humane Arbeitsbedingungen.

- Gerechte Löhne für Frauen und Männer.

- Die Rückkehr zu einer demokratischen Gesellschaft.

Und ich wünsche ganz besonders das Ende des Polizeiterrors in der Türkei. Für eine Türkei ohne Erdogan.

Danke für Eure Aufmerksamkeit!

[1] Ansprache bei der Protestkundgebung auf dem Opernplatz in Frankfurt am Main (23 Mai 2014) gegen den Erdogan-Besuch am 24. Mai 2014 in Deutschland und für Solidarität mit den Opfern des Grubenunglücks in Soma und ihren Angehörigen.