„Konfiskatorische Steuern"?

Anmerkungen zu den chronisch niedrigen Körperschaftssteuern und zur Besteuerung der großbetrieblichen Einheiten

von Thomas Ewald-Wehner
September 2014

Thomas Ewald-Wehner

„Konfiskatorische Steuern“?

Anmerkungen zu den chronisch niedrigen Körperschaftssteuern und zur Besteuerung der großbetrieblichen Einheiten

Der Befund ist klar: Die Steuereinnahmen 2013 der Bundesrepublik Deutschland sind mit 620 Milliarden € so hoch wie nie; den Steuerschätzungen zufolge werden die Rekordeinnahmen 2013 noch vom Aufkommen 2014 mit über 640 Milliarden Euro getoppt[1]. In seltsamen Kontrast dazu steht die Entwicklung des Körperschaftsteuer-Aufkommen. Es beträgt relativ konstant lediglich 3 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen.

Die Körperschaftsteuer ist von den juristischen Personen des privaten Rechts zu entrichten. Zu diesen gehören in Deutschland ca. 18.000 Aktiengesellschaften und knapp eine Million GmbHs. Neben dieser Ertragsteuer fällt die Gewerbeertragsteuer an. Sie ist eine bundesrechtlich geregelte Gemeindesteuer. Die Körperschaftsteuer beträgt linear 15 Prozent (+ 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag, richtig: Ergänzungsabgabe = 15,825 Prozent) plus ca. 15 Prozent Gewerbeertragsteuer, die die Gemeinden über ihre „Hebesätze“ bestimmt. Jeder Gewinn-Euro wird also mit ca. 30 Prozent besteuert. Von „konfiskatorischer Besteuerung“ kann nicht die Rede sein.

„Legale“ Steuergestaltungen zielen darauf ab – durch Gewinnverlagerungen – in Steuerländern Gewinne anfallen zu lassen, in denen die so verlagerten Gewinne vielleicht nur noch mit 10 Prozent und/oder häufig auch mit 0,0 Prozent Besteuerung anfallen zu lassen. Hierzu sind i.d.R. allerdings nur multinational operierende (Groß-)Unternehmen fähig.

Hinweise zum bundesdeutschen Steueraufkommen

Der durch die bundesdeutschen Gewerkschaften und die politische Linke erkämpfte Sozialstaat hat zwingend den Steuerstaat zur Voraussetzung. Als Erweiterung des Sozialstaatsgebotes (Artikel 20 GG) soll eine Besteuerung entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfolgen. Dieses Leistungsfähigkeitsprinzip soll unterschiedslos alle Steuersubjekte umfassen. Durch das Steuergeheimnis (§ 30 Abgabenordnung) wird heute jedoch jegliche Transparenz der Besteuerung (Belastung mit Ertragsteuern) von großbetrieblichen Einheiten und Banken abgeschirmt. Die durch die Berichterstattung publik gewordenen Tatsachen machen deutlich, dass diese Einheiten durch eine „aggressive“ Steuergestaltung keine (oder so gut wie keine) Ertragsteuern zur Finanzierung der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) beisteuern.

Große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (KPMG, Price Waterhouse Coopers, Ernst & Young, Deloitte etc.), die „steueroptimierte“ Strategien passgenau zugeschnitten auf die Bedingungen der großbetrieblichen Einheiten erarbeiten, tragen dazu bei, dass das Körperschaftsteuer-Aufkommen anhaltend niedrig ist (vgl. Tab. 1) und im Kern nur von mittelgroßen und kleineren GmbHs und AGs aufgebracht wird. Natürlich werden die horrenden Beratungskosten zusätzlich zu Lasten der Konzern-Gewinne gebucht, was auch die Belastung mit Körperschaftsteuer (und in der Folge auch die Gewerbeertragsteuer) senken hilft.

Tab. 1: Steueraufkommen der BRD (in Mrd. Euro)

2010

2011

2012

2013

Gesamtes Steueraufkommen

530,6

573,3

600,0

620,5

Lohnsteuer

127,9

139,7

149,6

158,2

Körperschaftssteuer absolut

12,0

15,6

16,9

19,5

Körperschaftssteuer in Prozent des Gesamtsteueraufkommens

2,26

2,73

2,82

3,14

Umsatzsteuer

180,0

190,0

194,6

196,8

Das skandalös niedrige Körperschaftsteueraufkommen auch in Deutschland ist Ausdruck dieser Steueraufkommenskrise, lässt die Steuermoral insgesamt erheblich unter Druck kommen und führt im Ende zu einer „ungerechten“ Besteuerung, weil das grundgesetzlich bestimmte „Leistungsfähigkeitsgebot“ ausgehebelt wird.

Wo keine Gewinne körperschaftsbesteuert werden können, entfällt auch die für die Städte und Gemeinden wichtige Gewerbe(ertrag)steuer. Mit dieser Steuer sollen die Gemeinden die hohen „Arbeitnehmerfolgekosten“ stemmen und die städtische Infrastruktur (z.B. öffentlicher Personennahverkehr, Kinderbetreuung, kulturelle und soziale Infrastruktur als sog. weiche Standortfaktoren) finanzieren.

Dimensionen der „aggressiven Steuergestaltung“

Erstaunlicherweise griff die Presse 2013 die „Steueroasen“-Problematik häufiger auf. Dies dürfte damit zu tun haben, dass sowohl OECD als auch EU (zumindest partiell) ihren politischen Willen zur „Austrocknung“ von „Steueroasen“ bekundeten und in der Bundesrepublik Bundestagswahlen anstanden. In der FAZ- Sonntagszeitung war unter dem Titel „Ab in die Steueroase“ z.B. zu lesen: „Wie viel Geld wird dem Staat vorenthalten? Schwer zu sagen: Was ist an Steuergestaltung noch akzeptiert, was aggressiv? Wer mag darüber richten? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) traute sich: 90 Milliarden Euro büße der Staat pro Jahr ein. Die Brüsseler EU-Kommissare schätzen noch großzügiger: Sie beziffern den Schaden für die EU-Staaten auf rund eine Billion Euro, wobei 160 Milliarden Euro auf Deutschland entfallen.“[2] Das zeigt, dass die wirklich großen „Steuerhinterzieher“ nicht die „Privaten“ Hoeneß oder Alice Schwarzers sind, sondern Amazon, Apple, Google, IKEA, SAP, Deutsche Bank, VW etc.. Hierbei werden die Großbetriebe durch eine „laxe“ Praxis der Finanzämter begünstigt. Hoeneß „fährt ein“ (zu Recht!), die Konzernvertreter im Aufsichtsrat der „Bayern München AG“ von Telekom, VW-Audi und Adidas bleiben dagegen unbehelligt.

Die Journalistin Lina Verschwele verweist auf sechs Punkte der „legalen“ Praxis dieser Unternehmen: „Gewinne verschieben“; „Zinsvorteile abkassieren“; „Lizenzen vergolden“; „Überteuerte Dienste anbieten“; „Standorte optimieren“; „Profite im Internet verschleiern“. Die Praktiken zielen darauf ab, Gewinne im „Hochsteuerland“ BRD über gewinnmindernde Betriebsausgaben abzuschöpfen und in Niedrigsteuerländern („Steueroasen“) anfallen zu lassen. Das wird dann „Steueroptimierung“ oder „aggressive“ Steuergestaltung genannt.[3]

In der „Neuen Zürcher Zeitung“[4] teilte Clemens Fuest (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim) mit, dass mehrere „Grossunternehmen, darunter bekannte Namen wie General Electric, Starbucks und Google (…) hohe Gewinne einfahren, aber kaum Gewinnsteuern zahlen. General Electric wird vorgeworfen, im Jahr 2010 in den USA keine Gewinne versteuert zu haben, obwohl das Unternehmen weltweit gut 14 Mrd. US-Dollar verdient hat, davon mehr als 5 Mrd. US-Dollar im US-Markt. Der Kaffeeröster Starbucks hat in Großbritannien seit 1998 zwar 735 Läden eröffnet und mehr als 3 Mrd. US-Dollar umgesetzt, aber nur 8,6 Mio. englische Pfund Gewinnsteuern gezahlt. Google ist ebenfalls in Großbritannien dafür angegriffen worden, zwischen 2006 und 2011 Umsätze in Höhe von 18 Mrd. US-Dollar erzielt, aber nur 16 Mio. US-Dollar Steuern gezahlt zu haben.“

„Gewinne verschieben“

Die Verschiebung von Gewinnen ist zwischen „Mutter- und Tochterunternehmen“ möglich, die über die Grenzen mit Waren und Dienstleistungen handeln. Diese „klassische Methode“ zur Gewinnverlagerung arbeitet mit sog. „Verrechnungspreisen“: „Möbel werden vielleicht in Litauen kostengünstig produziert, für kleines Geld an eine konzerneigene Zwischenhandelsgesellschaft in der Schweiz weiterverkauft. Von dieser Konzerngesellschaft kauft man teuer die Möbel ein und verkauft sie dann in Deutschland. Klar ist, der Gewinn fällt dann nicht in Deutschland an, sondern im wesentlichen in der Schweiz bei der konzerneigenen Tochtergesellschaft. Damit kann der Gesamtgewinn des Konzerns weitgehend unbesteuert bleiben.“[5]

Die „Verrechnungspreise“ werden durch die deutschen Steuerbehörden geprüft. Angesichts des niedrigen Körperschaftsteueraufkommens dürften diese jedoch regelmäßig Verlierer sein und damit auch der deutsche Steuerstaat. Die „Verrechnungspreise“ müssen dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Es besteht eine breite Palette, diese Preise betriebswirtschaftlich zu bestimmen. Im „Außensteuergesetz“ ist ein 3-stufiges Verfahren festgeschrieben: Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode. Wenn keine uneingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen, ist eine z.B. gewinnorientierte Methode anzuwenden. Daneben gibt es auch den sog. hypothetischen Fremdvergleich. Durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 wurde das Außensteuergesetz um Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach dem sog. Transferpaketansatz ergänzt. Dies wird von Großbetrieben in „Verrechnungspreisdokumentationen“ dargestellt. Diese umfassen nicht selten mehrere 100 Seiten.

Aufschlussreich ist ein vom „Bundesministerium der Finanzen“ erstelltes Glossar „Verrechnungspreise“ vom 19. Mai 2014[6]. Das Glossar ist eine „verwaltungsinterne Arbeitshilfe ohne Rechtsbindung“. Es erklärt „Fremdvergleichspreis/Fremdpreis“ wie folgt: „Der Preis, den Fremde als Entgelt für vergleichbare Lieferungen oder Leistungen angesetzt hätten, oder der Ertrag oder die Aufwendungen, die bei einem Verhalten wie unter Fremden beim Steuerpflichtigen angefallen wären. Zur Ermittlung von Fremdpreisen sind die Daten heranzuziehen, auf deren Grundlage sich die Preise zwischen Fremden im Markt bilden. Maßgebend sind die Preise des Marktes, auf dem Fremde die Geschäftsbedingungen aushandeln würden …“ Die Worte „hätten“, „wären“ und „würden“ deuten schon an, dass es hier nicht ‚hart’, sondern sehr vage zugeht.

„Lizenzen vergolden“

In den Niederlanden (auch dort werden natürliche Personen ganz ordentlich besteuert) gelten besonders niedrige Steuersätze für Einnahmen, die aus Patenten und Lizenzen entstehen. „Das Nutzen auch Internetkonzerne wie etwa Google. Der Konzern verkauft für wenige Cent je Mausklick Werbung. Die Einnahmen summieren sich allein im deutschen Teil des Internets auf Milliardenbeträge. Der deutsche Staat geht aber weitgehend leer aus, denn die Werbetreibenden erhalten von Google Rechnungen aus Irland. Dort gelten generell niedrige Steuersätze, doch für Google scheinbar noch nicht niedrig genug. Ein Großteil der Erlöse lässt Google als Lizenzgebühr für Patente an eine niederländische Tochter fließen. Die dank niederländischem Steuerrecht fast unversteuerten Gewinne werden schließlich bei einer weiteren Google-Tochter im Steuerparadies Bermudas gesammelt.“[7]

Der Möbel-Riese „IKEA“ verfährt ähnlich: Er lässt 5 Prozent des Umsatzes als Lizenzgebühren an IKEA-Niederlande fließen. Damit ist der deutsche Gewinn „abgeräumt“, denn die Lizenzgebühren haben als Betriebsausgaben in Deutschland den hiesigen Gewinn wie das Eis in der Sonne dahin schmelzen lassen. So verwundert es nicht, dass „die Zahl der Tochtergesellschaften deutscher Konzerne in den Niederlanden … sich binnen zwölf Jahren mehr als versechsfacht“ hat. Insgesamt wurden für 2009 825 Tochtergesellschaften deutscher Konzerne in den Niederlanden angegeben.[8]

Zu Lasten des Staates operieren nicht nur US-amerikanische Firmen wie Apple und Starbucks, sondern auch der DAX- und Software-Konzern SAP, der im hessischen Walldorf ansässig ist. Dieser Konzern liefert nicht selten auch den Finanzämtern (Länderfinanzbehörden) die notwendige Steuersoftware und macht so auch mit dem Staat gute Geschäfte. Ganz allgemein formuliert Tom Bergin das Gebaren so: „Viele Technologiekonzerne parken wertvolles geistiges Eigentum, wie etwa Software-Know-how, in Niedrigsteuerländern und lassen Firmentöchter hohe Lizenzen für dessen Nutzung bezahlen.“[9] Die Lizenzgebühren mindern als Betriebsausgaben die Gewinne in „Hochsteuerländern“ zu Gunsten von Erträgen in „Steuerparadiesen“ wie Irland: „So fährt SAP in Irland 20 Prozent des Konzerngewinns ein, erwirtschaftet dort aber nur ein Prozent des Umsatzes mit ebenso wenigen Mitarbeitern. Die Töchter in Dublin beheimaten Software-Know-how von SAP-Mitarbeitern weltweit, das dann innerhalb des Konzerns lizenziert wird. Zum Steuersparmodell gehört es auch, dass eine Finanztochter in Irland anderen SAP-Gesellschaften Milliarden von Dollar verleiht – zu deutlich höheren Zinsen als am Markt üblich.“

Im deutschen Steuerrecht gilt der Grundsatz, dass das „Steuerrecht dem Zivilrecht“ folgt. So werden erst einmal die zivilrechtlich wirksamen Vereinbarungen (zwischen „Mutter“ und „Tochter“) vom deutschen Steuer-Fiskus anerkannt.

„Profite im Internet verschleiern“

„Nur sehr schwer zu kontrollieren ist der Handel im Netz. Unternehmen wie Amazon können ihre Gewinne verbuchen, wo sie wollen – solange in dem Staat, der gemieden werden soll, keine Betriebsstätte nachgewiesen werden kann. Kauft man also zum Beispiel ein E-Book oder Musik auf iTunes, können die Gewinne besonders flexibel angerechnet werden, da der Handel nur digital stattfindet. Das Tax Justice Network fordert deshalb, die Definitionen von Betriebsstätten besser an diese Realität anzupassen. Auch wäre es zum Beispiel möglich, den Käufer am heimischen Computer als ‚Steueranker’ zu werten – und so den Ort des Kaufes zur Grundlage der Besteuerung zu machen.“[10]

Obwohl „Amazon“ z.B. im strukturschwachen (Nord-)Hessen steuerlich zu fassende „Betriebsstätten“ in Wetzlar und Hersfeld unterhält, kann davon ausgegangen werden, dass die Gemeinden Wetzlar und Hersfeld bei der Gewerbeertragsteuer als einer wichtigen kommunalen Steuer leer ausgehen. Vor einem „zudringlichem Fiskus“ schützt diesen Großhändler und -logistiker vermutlich auch, dass hier zahlreiche (wenn auch prekäre) Arbeitsplätze entstanden sind, was einer breiteren Öffentlichkeit erst durch den Kampf der Gewerkschaft ver.di für menschenwürdige Arbeitsplätze an diesen Standorten bekannt geworden ist.

Körperschaftsteuersatz und Höhe des Körperschaftsteueraufkommens

Das Körperschaftsteueraufkommen wird natürlich auch von der Höhe des Körperschaftsteuersatzes beeinflusst.

Die Besteuerung der juristischen Personen des privaten Rechts (AG, GmbH, KGaA etc.) wurde umgestellt vom sog. Anrechnungsverfahren auf die Definitivbesteuerung. Im Rahmen der „alten Besteuerung“ konnten Körperschaftsteuerguthaben entstehen. Nach diversen Steuerrechts-Änderungen erfolgt nunmehr in den Jahren 2008 bis 2017 die ratenweise Auszahlung dieser Körperschaftsteuerguthaben an die juristischen Personen des privaten Rechts. Diese Auszahlungen belasten das Körperschaftsteueraufkommen.

Die Absenkung des Körperschaftsteuertarifes zum 1. Januar 2008 von 25 Prozent auf 15 Prozent im Rahmen der „Großen Koalition“ ließ das Körperschaftsteueraufkommen ebenfalls ‚unter Druck’ geraten. Betrug das Körperschaftsteueraufkommen 2007 noch über 22,9 Milliarden Euro, so sank es 2008 um gut 7 Milliarden auf nunmehr 15,9 Milliarden Euro. Durch die diversen Änderungen ist das Aufkommen im Vergleich zu 2007 um 30,65 Prozent gesunken . Das Aufkommen hat sich seitdem prozentual und nominal auf diesem niedrigen Wert „stabilisiert“.

Hierher gehört auch die „Nullbesteuerung“ bei Veräußerung strategischer Beteiligungen der juristischen Personen des privaten Rechts – eine „Steueroase“ im Körperschaft-Steuergesetz.

SPD-Grün stellte ab 2000 die Veräußerung von strategischen Beteiligungen, die die Unternehmen (AG, GmbH etc.) im Anlagevermögen hielten, körperschaftsteuerfrei. Die Ankündigung dieser Rechtsänderung durch den damaligen SPD-Finanzminister Hans Eichel (der Oskar Lafontaine Ende 1999 folgte), führte zu einem „Kursfeuerwerk“ an der Börse. Lafontaine wollte zumindest eine Mindestbesteuerung; Eichel setzte zusammen mit Schröder die „Nullbesteuerung“ durch. Dieser 8 b – Körperschaftsteuergesetz wird im Subventionsbericht der Bundesregierung nicht als Subventions-Tatbestand aufgeführt. Der Einnahmeverzicht des Staates ist bisher nicht beziffert worden. Es muss sich um horrende Milliardensummen handeln. Mit den steuerfreien Kapitalbeteiligungsveräußerungen konnten sich Großbanken und Großbetriebe eine riesige Liquidität schaffen, die einer Neuaufstellung nutzbar und auch zum „Zocken“ verwendet werden konnte.

Zur Wirkweise der Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer ist eine verbrauchsteuerähnliche Verkehrssteuer. Wirtschaftlich trägt sie nur der private Endverbraucher. Für die normalen Unternehmer ist die Umsatzsteuer ein „durchlaufender Posten“, der sie wirtschaftlich nicht belastet. Der Unternehmer vereinnahmt die Umsatzsteuer treuhänderisch für den Staat und führt sie an den Staat ab. Für die Vorumsätze ist der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Die Umsatzsteuer ist eine unsoziale Steuer, weil die Privatpersonen mit kleinem Einkommen/Renten-Bezügen/Transferleistungen (Hartz IV) als Endverbraucher prozentual höher belastet werden als Gut- und Bestverdienende. Vergleichsweise hohe Beträge an Umsatzsteuer haben Kleinverdiener zu zahlen, weil sie ihre gesamten verfügbaren Haushaltseinkommen neben den Wohnungskosten für Grundbedürfnisse wie Nahrung, Strom, Heizung, Bekleidung etc. verausgaben müssen. Lebensmittel z.B. werden mit 7 Prozent, Strom, Heizung, Kleidung mit 19 Prozent Umsatzsteuer belastet.

Eine Umsatzsteuersenkung ist bei entsprechenden politischen Kräfteverhältnissen durchaus möglich, wie die Absenkung des Regelsteuersatzes von 19 auf 7 Prozent für Hotelübernachtungsumsätze seit dem 1. Januar 2010 als Negativbeispiel deutlich macht. Diese auf Druck von CSU und FDP vorgenommene Absenkung der umsatzsteuerlichen Belastung führte jedoch nicht zu abgesenkten Hotelübernachtungspreisen.

Was könnte man ändern?

Das deutsche Steuerrecht als Teil des öffentlichen Rechts lebt von Über- und Unterordnung. Die (privaten) Steuersubjekte sind als ‚untergeordnet’ zu sehen. Sie müssen – entsprechend der gesetzlichen Tatbestandsverwirklichung – Steuern gemäß ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entrichten. Das sollte auch für Konzerne und Großbanken gelten. Hierzu sind national und international (G 20, OECD, EU etc.) erste Schritte zu unternehmen. Folgende Schritte – unabhängig von Prioritäten – wären z.B. denkbar::

- Beratungshonorare für „aggressive Steuerberatung“ etc. sind steuerlich als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln. Sie sollen den steuerlichen Gewinn nicht mindern können.

- Um ungerechtfertigte Steuergestaltungen zu vermeiden, müssen die Großbetriebe und Großbanken etc. zu mehr Transparenz verpflichtet werden (gegebenenfalls durch die Lockerung des „Steuergeheimnisses“). Das ist auch demokratiepolitisch geboten.

- Bilanzen und Gewinne sind konzernweit auszuweisen.

- Aufgeschlüsselt nach Ländern sind die Ertragsteuern zu veröffentlichen (Lockerung des „Steuergeheimnisses“).

- Angestellte und Arbeiter sind nach Produktionsstätten und Ländern aufgeschlüsselt zu führen.

- Im Bilanzbericht sind gehaltvolle Angaben zu Lizenzgebühren und Verrechnungspreisen zu machen.

- In der Gewinn- und Verlustrechnung sind diese Aufwandsposten tief gegliedert aufzuführen.

- Im deutschen elektronischen Handelsregister (EHUG) sind neben dem deutschen Abschluss auch die oben aufgelisteten Punkte abzubilden.

- Mit Blick auf die EU und vielleicht auch die OECD-Staaten sind die verschiedenen Körperschaftsteuersysteme zu harmonisieren. Denkbar ist eine „Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ auf EU-Ebene“. Diese wird auch von der „Großen Koalition“ gefordert.[11]. Dort heißt es auch: „Die Herstellung von besserer internationaler Transparenz in Steuersachen gegenüber Finanzverwaltungen trägt erheblich zu fairerem Steuerwettbewerb und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung bei.“

- Clemens Fust fordert beispielsweise: „ … man (könnte) die weltweiten Gewinne multinationaler Firmen künftig nach Indikatoren realwirtschaftlicher Aktivität auf die Staaten aufteilen, etwa nach der Anzahl der Beschäftigten oder den Umsätzen in den Absatzmärkten. Grenzüberschreitende Zahlungen von Zinsen oder Lizenzgebühren wären steuerlich irrelevant.“[12]

- Lockerung bzw. Beseitigung des Steuergeheimnisses für alle DAX-30-Unternehmen und M-DAX-Unternehmen: Die erhöhte Publizität sollte alle großbetrieblichen Einheiten in Abhängigkeit eines bestimmten Umsatzes und/oder Gewinnes erfüllen müssen. Eine Lockerung bzw. Beseitigung des Steuergeheimnisses (§ 30 Abgabenordnung [AO] kann mit einem großen „öffentlichem Interesse“ – wenn „zwingendes öffentliches Interesse besteht“ – begründet werden, da die Unternehmen „systemisch relevant“ sind und „Rettungsschirme“ die öffentlichen Haushalte belasten. „Systemisch relevante“ Unternehmen sind so marktstark, dass bei krisenhafter Entwicklung dieser Unternehmen ganze Volkswirtschaften massiv unter Druck geraten können.


[1] Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) vom 25.5.2014.

[2] FAS vom 18. August 2013.

[3] „Freitag“ vom 6. März 2014.

[4] NZZ vom 19. Dezember 2013.

[5] plusminus“ (WDR/ARD) vom 5. 12. 2012 (Zitat Prof. Jarras).

[6] GZ: IV B 5 – S 1341/07/10006-01 – DOK: 2014/0348272.

[7] „plusminus“, a.a.O.

[8] FAS vom 1. September 2013.

[9] Frankfurter Rundschau vom 1. Oktober 2013.

[10] Lina Verschwele in: „Freitag“ vom 6. März 2014.

[11] Vgl. „Freitag“ vom 6. März 2014 und Sonderausgabe „vorwärts“ 11/12-2013, S. 49.

[12] NZZ vom 19. Dezember 2013.

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