Die Wohnungspolitik hat es wieder auf die Titelseiten der Zeitungen geschafft. Kein Wunder: Vor allem in den Großstädten fehlen viele Zehntausende Wohnungen; der Wohnungsneubau hat sich zwar wieder belebt, liegt aber immer noch deutlich unter dem Neubaubedarf; an vielen Orten steigen die Mieten dramatisch und droht Mieter/innen die Verdrängung aus ihren angestammten Quartieren.
Im Folgenden soll zunächst ein Blick auf die Lage auf dem Wohnungsmarkt geworfen werden, um zu klären, ob wir in Deutschland tatsächlich eine Wohnungsnot haben und warum die Mietentwicklung als dramatisch wahrgenommen wird, obwohl der Immobilienverband Deutschland mitteilt, dass der Mietanstieg „als sehr moderat einzustufen“[1] sei. Weil bundes- und selbst noch landesweite Durchschnittswerte auf einem gespaltenen Wohnungsmarkt mehr verdecken als sie erklären, soll die Situation exemplarisch am Beispiel der nordrhein-westfälischen Rheinschiene, also einer Wachstumsregion, erläutert werden.
Im Zentrum der Überlegungen müssen der soziale Wohnungsneubau und der Erhalt der vorhandenen preiswerten Wohnungsbestände stehen. Hierfür gibt es eine Reihe bewährter Instrumente und neuer Vorschläge, die kurz vorgestellt und erörtert werden.
Die Debatte über die Wohnungspolitik und das eigene Erleben vieler Mieter/innen haben dazu geführt, dass aktuell die Mehrheit der Deutschen dafür plädiert, die Mieten stärker zu regulieren.[2] Diese Botschaft ist mittlerweile bei (fast) allen Parteien angekommen, entsprechende Passagen sind in die Wahlprogramme aufgenommen worden. Daraus zu folgern, dass sich auf dem Wohnungsmarkt jetzt tatsächlich Vieles zum Besseren wendet, wäre aber voreilig. Es fehlte auch bisher nicht an Vorschlägen für eine soziale Wohnungspolitik, es fehlte aber am politischen Willen, diese Vorschläge gegen die Immobilienverbände, gegen die großen Wohnungsgesellschaften und gegen „Haus und Grund“, die Lobbyorganisation der Kleinvermieter/innen, durchzusetzen. Dieser Konflikt kann nur gewonnen werden, wenn eine aktive Mieter/innenbewegung den Druck von unten weiter erhöht. Deshalb ist es so wichtig, dass es an mehr und mehr Orten „Recht auf Stadt“-Bündnisse gibt. Ohne deren Proteste wird sich auch zukünftig auf dem Wohnungsmarkt nicht viel zugunsten der Mieter/innen bewegen.
Lange Zeit nicht mehr bekannte Wohnungsmarktengpässe
Das Thema Wohnungsnot ist wahrlich nicht neu, war aber wegen einer im Allgemeinen eher entspannten Lage auf den Wohnungsmarkt über Jahre aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden.
Zuletzt hatte die Wohnungspolitik Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre Konjunktur. Damalige Veröffentlichungen sprachen von einer „neuen Wohnungsnot“[3] und bei einem Blick in mein Bücherregal stieß ich auf eine große Zahl von Veröffentlichungen aus dieser Zeit, die klingen, als seien sie in den letzten Monaten verfasst worden. So schrieb beispielsweise Michael Krummacher 1992: „Es gibt zur Zeit in Deutschland keine allgemeine Wohnungsnot. Trotzdem verschärfen sich die Wohnungsnöte der ‚kleinen Leute’ […] massiv.“[4] Betroffen seien vor allem die einkommensschwachen und diskriminierten Mietergruppen in den großen Städten.
Abb. 1: Fertigstellungen neuer Wohnungen in Wohngebäuden und in Nichtwohngebäuden in Deutschland 1993 bis 2011
Tabelle siehe PDF !
Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen.
Um zu verstehen, warum das Thema „Wohnen“ jetzt wieder in den Brennpunkt der öffentlichen Debatte gerückt ist, genügt schon die Lektüre offizieller Veröffentlichungen der Bundesregierung, des Statistischen Bundesamtes oder des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Sie legen übereinstimmend die dramatische Änderung der Situation auf dem Wohnungsmarkt offen.
Die Zahl der jährlich fertig gestellten Wohnungen ist seit 1995 kontinuierlich gesunken. Erst 2009/2010 hat eine Trendwende eingesetzt. Seitdem steigen die Fertigstellungszahlen wieder – allerdings langsam und von einem sehr niedrigen Niveau aus. Von den Zahlen der 1990er Jahre sind wir noch weit entfernt.
Dabei werden dringend neue Wohnungen benötigt. Das BBSR hat in seiner Wohnungsmarktprognose 2015[5] zwei Varianten durchgerechnet. Nach der „unteren Variante“[6] wird die Zahl der Haushalte zwar marginal auf 40,5 Mio. Haushalte sinken; der errechnete Neubaubedarf wird sich in den Jahren 2010 bis 2025 bundesweit aber dennoch auf jährlich rund 183.000 Wohneinheiten belaufen, vor allem wegen der weiter steigenden Wohnflächennachfrage der Eigentümerhaushalte und der oberen Einkommensgruppen. In der „oberen Variante“, die eine höhere Nettozuwanderung unterstellt, wird ein Neubaubedarf von bundesweit jährlich rund 256.000 Wohneinheiten errechnet.
Da die tatsächlichen Neubauzahlen weit hinter diesem Bedarf zurückbleiben, muss selbst die Bundesregierung in ihrem Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland 2012 zugeben, dass sich „in einer zunehmenden Zahl von Städten und Regionen lange Zeit nicht mehr bekannte Wohnungsmarktengpässe ab[zeichnen]“.[7]
Dem scheinen Angaben des Immobilienverbandes Deutschland zu widersprechen. Diese Lobbyorganisation der Makler und Hausverwalter verkündete Anfang 2013, die Deutschen zahlten heute weniger für das Wohnen als 1992.[8] Seit 1992 sei die nominale Kaltmiete um 9,4 Prozent gestiegen, die Preise insgesamt aber um 41,7 Prozent.
Solchen absichtsvoll veröffentlichten Zahlen ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Probleme vor allem bei den Mietsteigerungen der letzten Jahre liegen[9], dass in die Argumentation auch die Bruttowarmmiete aufzunehmen ist und dass die Mietbelastung je nach Ort und Einkommenssituation vom bundesweiten Durchschnitt deutlich abweichen kann. Tatsächlich steigen die Neu- und Wiedervermietungsmieten seit 2006 in immer mehr Kreisen in Deutschland[10], hat sich die Bruttowarmmiete in den letzten Jahren deutlich stärker erhöht als die Verbraucherpreise insgesamt und mussten armutsgefährdete Personen 2011 bis zu 50 Prozent ihres verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen für Wohnkosten aufwenden.[11]
Wachsende Wohnungsmärkte der nordrhein-westfälischen „Rheinschiene“
Wegen der starken regionalen Unterschiede lässt sich die tatsächliche Dramatik noch besser erkennen, wenn eine konkrete Wohnungsmarktregion untersucht wird. So stellt sich die Situation auf den Wohnungsmärkten der sogenannten „Rheinschiene“ in Nordrhein-Westfalen – also im Bereich der kreisfreien Städte Düsseldorf, Leverkusen, Köln und Bonn sowie der umliegenden Kreise – gänzlich anders da, als die bundesweiten Durchschnittswerte Glauben machen.[12]
In vielen Regionen Nordrhein-Westfalens geht die Bevölkerungszahl zurück. Dem stehen jedoch Wachstumszentren mit anhaltenden Bevölkerungszuwächsen gegenüber, zu denen neben Bereichen am Niederrhein, im Münsterland und im westlichen Ostwestfalen auch die „Rheinschiene“ gehört. Der Großteil der Bevölkerungsgewinne dieser Regionen stammte dabei nicht aus Geburtenüberschüssen, sondern aus Wanderungsgewinnen.
Die drei Kernstädte der „Rheinschiene“ (Düsseldorf, Köln und Bonn) sind auch Spitzenreiter bei den Angebotsmieten.[13] Die mittleren Angebotsmieten liegen in diesen Städten bei über 7,50 Euro/m2, während in den meisten der übrigen nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden Wohnungen im Mittel zu Preisen zwischen 5,00 und 5,50 Euro/m2 angeboten werden. Das untere Mietpreissegment in der „Rheinschiene“ liegt auf Höhe der Durchschnittsmiete in anderen Regionen Nordrhein-Westfalens.
Und die Lage verschärft sich zunehmend, weil neue Mietwohnungen vor allem im oberen Preissegment gebaut werden und auch die preisgünstigen Mieten[14] seit mehreren Jahren ständig teurer werden. Die soziale Wohnraumförderung des Landes, die niedrigere Mieten ermöglichen würde, wird gerade in den teuren Regionen kaum in Anspruch genommen.
Da die Entwicklung der unteren Einkommen beziehungsweise der Mindestsicherungsleistungen hinter der Mietentwicklung zurückbleibt, nimmt die monatliche Mietbelastung insbesondere einkommensschwacher Haushalte auf den angespannten Märkten zu. Im landesweiten Durchschnitt sind 16,8 Prozent der Haushalte durch Mietkosten überlastet[15] – und diese Haushalte konzentrieren sich in den Städten und Kreisen der „Rheinschiene“. In Düsseldorf, Köln und Bonn ist bereits mehr als jeder fünfte Haushalt mit einer Mietbelastungsquote von über 40 Prozent überlastet. Zusätzlich müssen die Haushalte die Kosten für Heizung und Warmwasser aufbringen. Zwar wird die Mietbelastung durch Wohngeldleistungen auf durchschnittlich 28 Prozent gesenkt, aber auch eine solche Mietbelastungsquote strapaziert das Haushaltsbudget übermäßig stark.
Wie hoch der Bedarf an preisgünstigen Mietwohnungen in den Städten und Gemeinden der „Rheinschiene“ ist, belegt der hohe Anteil der Haushalte mit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein: Nach kommunalen Schätzungen könnten in Köln etwa 45 Prozent und in Düsseldorf etwa 50 Prozent der Haushalte eine Sozialwohnung beziehen. Auch der Anteil der Empfänger/innen von Mindestsicherungsleistungen liegt in Düsseldorf (12,7 Prozent) und in Köln (13,3 Prozent) wie in fast allen großen Städten des Landes über dem Landesdurchschnitt (10,3 Prozent).
Die Wirklichkeit sieht für viele Mieterhaushalte also weit weniger rosig aus, als die Durchschnittswerte suggerieren. Immerhin 22 Prozent der Bevölkerung lebten 2012 in Städten und Kreisen, in denen die Angebots- und Wiedervermietungsmieten innerhalb eines Jahres um 4,0 und mehr Prozent gestiegen sind.[16]
Den sozialen Wohnungsbau wieder ankurbeln
Diese starke regionale Spaltung erfordert auch regional unterschiedliche Wohnungspolitiken. Während in den Wachstumsregionen steigende Mieten und Preise verstärkt Neubauinvestitionen erforderlich machen, sind die Wohnungsmärkte in schrumpfenden Gebieten durch Leerstände sowie Preis- und Mietrückgänge gekennzeichnet.
Der Deutsche Mieterbund NRW hat jüngst gemeinsam mit anderen Organisationen Handlungsempfehlungen für die Wohnungsmärkte der „Rheinschiene“ vorgelegt.[17] Im Kern geht es um
- mehr öffentlich geförderten Mietwohnungsbau;
- die Reaktivierung kommunaler Wohnungsunternehmen;
- die Verbesserung der Förderbestimmungen für den öffentlich geförderten Wohnraum;
- die Einführung einer sozial gerechten Bodennutzung;[18]
- die Intensivierung der Wohnungsaufsicht und anderer wohnungspolitischer Instrumente, um die Beseitigung von Wohnungsmängeln zu erreichen;
- die intensivere Nutzung von Verdichtungspotenzialen im Innenbereich der Städte;
- die Senkung des Stellplatzschlüssels für öffentlich geförderte Wohnungen;
- die Erhöhung der regionalen Budgetierung, um die Fördermittel in den tatsächlichen Problemzonen zu konzentrieren und
- die Gründung einer Stadtentwicklungsstiftung.
Träger einer sozialen Wohnungsbaupolitik
Die geforderte Reaktivierung kommunaler Wohnungsunternehmen ist ohne Zweifel ein richtiger Schritt. Um das erforderliche Volumen preisgünstiger Mietwohnungen erstellen zu können, wird dies allein aber nicht ausreichen. Hierzu wird die Wiederbelebung einer gemeinwohlorientierten Wohnungswirtschaft erforderlich sein, so wie dies beispielsweise die Enquête-Kommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue Finanzinvestoren in NRW“ des nordrhein-westfälischen Landtags[19], der Deutscher Mietertag 2013 in München oder die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag diskutiert haben.
Durch die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit bis 1992 und die Privatisierung kommunaler und sonstiger öffentlich kontrollierter Wohnungsgesellschaften fehlen heute solche Wohnungsunternehmen, die am Gemeinwohl orientiert preisgünstige Wohnungen bauen und bewirtschaften.
Wesentliche Stichworte der Diskussion ruft die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag in ihrem Antrag „Bedarfsgerechtes Wohnen dauerhaft sichern – Gemeinnützigen Wohnungssektor entwickeln“[20] auf. Sie fordert die Einrichtung und den dauerhaften Betrieb eines gemeinnützigen Sektors in der Wohnungswirtschaft als Ergänzung und Korrektiv zum ausschließlich renditeorientierten Wohnungsmarkt. Dieser soll auf die Befriedigung des Bedürfnisses von Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen nach sozial verträglichen Wohnkosten in barrierefreien, klimagerechten Wohnungen und Wohnquartieren verpflichtet sein und als Ausgleich hierfür etwa von der Körperschaftssteuer befreit und bei der Vergabe von Wohnraum- und Städtebaufördermitteln privilegiert werden.
Diese Diskussion steht erst am Anfang, die konkreten Modelle müssen erst noch erarbeitet werden. Wenn sich die Idee durchsetzen sollte, dann wäre diese „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit“ ein Angebot ebenso an kommunale Wohnungsgesellschaften wie an genossenschaftliche und sonstige sozialgebundene Wohnungsunternehmen und unkonventionelle Projekt (wie etwa das Miethäusersyndikat).
... dann stellt sich das Flächenproblem
Doch zumindest in vielen der Wachstumsregionen stellt sich ein weiteres drängendes Problem, nämlich das Flächenproblem – und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen stehen für den geförderten Wohnungsbau aufgrund der privatwirtschaftlichen Verfügung über den Boden keine ausreichenden Flächen zur Verfügung und zum anderen hat auch der Wohnungsbau die natürlichen Grenzen des Wachstums zu beachten.
Vielerorts mangelt es an baureifen Grundstücken, die sich im Eigentum solcher Investoren befinden, die öffentlich gefördert bauen wollen. In der Konkurrenz mit Investoren, die frei finanzierte Wohnungen mit gehobenen und hohen Mieten errichten wollen, können sie bei den geforderten Kaufpreisen häufig nicht mithalten. Ob es gelingt, den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu beleben, hängt somit auch von der Mobilisierung geeigneter, also preisgünstiger Grundstücke ab. Für die Kommunen heißt dies, ihre Grundstücke nicht zum bestmöglichen Preis zu veräußern, sondern sie für den Bau preiswerter, in der Regel öffentlich geförderter Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Zudem müssen kommunale Vorkaufsrechte ausgeweitet und die Kaufpreise in diesen Fällen begrenzt werden.
Um die erforderlich Zahl an Wohnungen bauen zu können, wird in den Wachstumsregionen eine Nachverdichtung erforderlich sein: Wo immer möglich und vertretbar sind Gebäude aufzustocken, Dachgeschosse auszubauen und leer stehende Bürogebäude zu Wohngebäuden umzunutzen; zudem sind Baulücken zu schließen und Konversionsflächen zu bebauen.
Erforderlich ist, kompakt und zugleich qualitätsvoll zu bauen. Viele Beispiele zeigen, dass individuelles Wohnen auch im Geschosswohnungsbau möglich ist. Den Luxus, knappe Wohnbauflächen für neue Ein- und Zweifamilienhäuser zu verschwenden, werden wir uns in den Wachstumsregionen nicht länger leisten können.
So drängend die Wohnungsprobleme auch sind: Eine zukunftsfähige Stadtentwicklungspolitik muss auch die Folgen der Ausweitung und Verdichtung der Wohnbauflächen auf das Stadtklima und für das Naherholungsbedürfnis der Bewohner/innen beachten. Sollen die großen Städte in 30 Jahren noch bewohnbar sein, müssen vorhandene städtische Grünflächen und Belüftungsschneisen erhalten, besser vernetzt und teils auch neu geschaffen werden. Diese Flächen stehen für den Wohnungsbau nicht zur Verfügung.
An diesem Zielkonflikt kann sich die wohnungspolitische Debatte nicht vorbeidrücken. Insbesondere die großen Städte stehen im Bereich der Anpassung an den Klimawandel vor großen Herausforderungen, denn der zu erwartende Klimawandel wird die bereits vorhandenen Belastungen in den Städten noch zusätzlich verschärfen.[21] So zeigen beispielsweise die Klimaprojektionen für Nordrhein-Westfalen, dass bis zur Mitte dieses Jahrhunderts mit einer Erwärmung um 2°C im Vergleich zur Referenzperiode 1961-1990 gerechnet werden muss. Darüber hinaus sind eine verstärkte Häufigkeit von Extremwetterereignissen (Niederschläge, Hitze, Trockenheit) und eine Verschiebung der Niederschläge in die Wintermonate zu erwarten.[22]
Wohnen in der inneren Stadt darf nicht zum Privileg
Weniger werden!
Wenn trotz wachsendem Druck auf den innerstädtischen Wohnungsmarkt nicht auch die letzten Haushalte mit wenig Einkommen an den Stadtrand verdrängt werden sollen, dann muss die kommunale Wohnungsneubaupolitik ergänzt werden um eine engagierte Wohnungsbestandspolitik. Im Kern muss es hierbei darum gehen, – so Krummacher – „den Bestand preiswerter Mietwohnungen rigoros [zu] sichern“[23].
Solange sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht ändern, werden die Städte mir den ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten Verdrängungsprozesse allerdings allenfalls behindern und verlangsamen, aber nicht verhindern können.
Es wäre aber schon viel gewonnen, wenn die Kommunen die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente, wie etwa das Modernisierungs- und das Instandsetzungsgebot (§ 177 BauGB), entschlossen nutzen würden. Einfluss nehmen können die Kommunen auch auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und auf Luxussanierungen. Diese lassen sich durch die Ausweisung sozialer Erhaltungssatzungsgebiete beeinflussen. Und der Zweckentfremdung von Wohnraum, einschließlich des spekulativen Leerstandes, kann durch entsprechende kommunale Satzungen entgegengewirkt werden.
Eine solche Strategie einer sozialen Wohnungsbestandspolitik muss sich auf zwei Säulen stützen: Zum einen muss der vorhandene Bestand mietpreisgünstiger Wohnungen konsequent gesichert werden; zum anderen muss der Wohnungsbestand in den unterversorgten Gebieten bevorzugt für die Wohnversorgung benachteiligter Haushalte verwendet werden.[24]
[1] Pressemitteilung, 29.01.2013.
[2] stern, 16.01.2013; vgl. auch: focus online, 22.03.2013.
[3] Renate Petzinger/Marlo Riege, Die neue Wohnungsnot. Wohnungswunder Bundesrepublik, Hamburg 1984.
[4] Michael Krummacher, Sieben Thesen zur „neuen/alten“ Wohnungsnot und Wohnungspolitik in West- und Ostdeutschland; in: Hans G Helms (Hg.), Die Stadt als Gabentisch. Beobachtungen der aktuellen Städtebauentwicklung, Leipzig 1992, S. 250-267, hier: S. 250.
[5] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hg.), Wohnungsmärkte im Wandel. Zentrale Ergebnisse der Wohnungsmarktprognose 2015, BBSR-Berichte KOMPAKT 1/2010, Bonn 2010.
[6] Die „untere Variante“ geht von einer niedrigeren Zuwanderung, einer stärkeren räumlichen Konzentration auf verdichtete/verstädterte Räume und gleichzeitig einer erhöhten Konzentration der Nachfrage auf dynamische Ballungsräume aus.
[7] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hg.), Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland, Berlin 2012.
[8] Pressemitteilung, 29.01.2013.
[9] Auch der IVD gibt „Nachholeffekte“ in den letzten drei bis vier Jahren zu.
[10] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hg.), a.a.O..
[11] Statistisches Bundesamt, www.destatis.de. Selbst ein durchschnittlicher Haushalt musste immerhin noch 28,3 Prozent des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens für Wohnkosten aufwenden.
[12] Die folgenden Ausführungen stützen sich auf: NRW.BANK, Wohnungsmarktbericht NRW 2012. Soziale Absicherung des Wohnens mit Fokus Rheinschiene, Düsseldorf 2012.
[13] Die NRW.BANK stützt sich in ihrem Bericht auf die Preisdatenbank des empirica-Instituts, eine differenzierte Statistik von Angebotspreisen aus Wohnungsanzeigen in Zeitungen und Internet. Zu beachten ist allerdings, dass sich Angebots- und tatsächliche Transaktionspreise systematisch unterscheiden können. Die regionalen Unterschiede dürften in der Realität noch größer sein.
[14] Die NRW.BANK spricht von einem preisgünstigen Segment, wenn sich die Mieten im unteren Viertel des Mietpreisspektrums einer Stadt beziehungsweise eines Kreises bewegen.
[15] Laut einer EU-Definition sind Haushalte durch Wohnkosten überbelastet, wenn sie 40 Prozent und mehr ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für Wohnen ausgegeben.
[16] GdW, Daten und Trends der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, 17.06.2013.
[17] Deutscher Mieterbund NRW/u.a. (Hg.), Wohnungsmärkte der Rheinschiene – jetzt Weichen stellen!, o.O. 2013.
[18] Private Bauherren werden durch städtebauliche Verträge verpflichtet, einen bestimmten Anteil der neu zu errichtenden Wohnungen für untere und mittlere Einkommen bereitzustellen und sich an der Finanzierung der Infrastruktur zu beteiligen.
[19] Abschlussbericht der Enquête-Kommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue Finanzinvestoren in NRW“ des nordrhein-westfälischen Landtags, Landtagsdrucksache 16/2299.
[20] BT-Drucksache 17/13552 vom 15.05.2013.
[21] Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.), Handbuch Stadtklima. Maßnahmen und Handlungskonzepte für Städte und Ballungsräume zur Anpassung an den Klimawandel, Düsseldorf 2011.
[22] Vgl. ebd., S. 10.
[23] Michael Krummacher, a.a.O., S. 265.
[24] Vgl. Thomas Schaller, Wohnungsnot und Grenzen des Wachstums; in: Adalbert Evers/Klaus Selle (Hg.), Wohnungsnöte, Frankfurt a.M. 1982, S. 21-27.