Debatten über den Zustand und die Zukunft der „modern-bürgerlichen Gesellschaft“ (Marx) drehen sich oft um die Frage, ob die Expansion gesellschaftlicher Produktion in den letzten zwei Jahrhunderten (deren destruktive Effekte kaum noch strittig sind) in die Ökonomie eingebaut war und ist oder ob sie durch Politik hervorgebracht wurde und wird. Damit verbindet sich eine problematische Alternative. Diese lautet: „Eine nach ökologischen und sozialen Kriterien gestaltete Gesellschaft setzt die Abschaffung des Kapitalismus und seines Wachstumszwanges voraus.“ Beziehungsweise: „Eine nach ökologischen und sozialen Kriterien gestaltete Gesellschaft kann es nur als politisch konditionierte kapitalistische Marktwirtschaft ohne Wirtschaftswachstum geben.“ Die Protagonisten beider Positionen verfügen über gute wie über schlechte Argumente, wie man beispielsweise an einer jüngst ausgetragenen Kontroverse zwischen Richard Smith (USA) und Philip Lawn (Australien) sehen kann.[1] Ohne uns auf diese Kontroverse selbst einzulassen, möchten wir im folgenden versuchen, ihr begriffliches und sachliches Umfeld[2] am Leitfaden von fünf Fragen und ein paar Antworten darauf etwas zu beleuchten.
1.
Wie begreift man die ökologisch-soziale Krise des frühen 21. Jahrhunderts? Diese Krise wird oft verkürzt, aber nicht falsch, als gemeinsames Auftreten von Hungersnöten in verschiedenen Erdteilen, der Verknappung fossiler Energieträger, der Erwärmung der Erdatmosphäre sowie der Verelendung von Menschen und Umwelten wahrgenommen. Ob es sich hierbei um ein Zusammenwirken verschiedenartiger Störungen handelt oder um Erscheinungen einer allgemeinen gesellschaftlichen Krise, scheint kaum erörterungsbedürftig zu sein. (Anders bereits Brundtland 1987 und z.B. aus ex-kolonialer Sicht: Morales Hernández 2011, 17) Der Begriff einer allgemeinen gesellschaftlichen Krise entspräche historisch-materialistischer Tradition seit den Frühschriften von Marx: hier wird der Prozeß kapitalistischer Produktion von Waren durch Arbeitstätigkeit als ein Vorgang der „Entfremdung“ des arbeitenden Menschen gegenüber seinem „eignen Leib“ und der „Natur ausser ihm“ beschrieben, was des weiteren auch seine Unterordnung unter den erarbeiteten Gegenstand und dessen Eigentümer bedeutet (MEGA I.2/235-243). Leibliche und umweltliche Schädigungen sowie Herrschaftsverhältnisse ließen sich so als Folgen kapitalistischer Warenproduktion und als gleichursprünglich begreifen. Auch stoffwirtschaftliche marxistische Analysen industrieller Mensch-Umwelt-Beziehungen haben, mit Blick auf sozialistische Ökonomien, hieran angeknüpft (Roos 1976). Die Diskurse um ein Konzept der Krise im frühen 21. Jahrhundert beschreiben aber meist nur diverse Phänomene dieser Krise, so die Divergenz von Kapitalakkumulation und „sustainable human development [nachhaltiger menschlicher Entwicklung]“ (Burkett 2006, 293f.) oder Konflikte um die Nutzung von „natural resources [natürlichen Roussourcen]“ und „environment as a life support system [Umwelt als lebensstützendes System]“ (Martinez-Alier 2002, 73). Ansätze, die ökonomischen und finanziellen Krisen des frühen 21. Jahrhunderts sowohl als Probleme der Kapitalakkumulation als auch als technologische, ökologische und soziale Krise zu begreifen (Haug 2011), sind selten. Um diese als Universalkrise zu verstehen, bedarf es, im Unterschied zu dualistischen Abstraktionen wie ‚Mensch und Natur’, einer allgemeinen Theorie der interaktiven Mutualität menschlicher Lebewesen und ihrer Umwelten (Gibson 1986, 8ff.). Denn es ist eine bestimmte aktive (sowohl stoffliche und energetische als auch geistige und körperliche) Interaktivität von Menschen gegenüber ihren Mitmenschen und ihrer übrigen Umwelt, die in die Krise geführt hat. Ausgangs- und Bezugsgegenstand einer ökosozialistischen Theorie kann nur das globale ökologische System sein, das – im Sinne Alexander von Humboldts – aller anthropogenen Manipulation vorausgeht, darunter jenen technischen und ökonomischen Praxen, deren tatsächliche Vorherrschaft ökologisch-soziale Nachhaltigkeit im Verhältnis der Menschen zu ihren Umwelten und zueinander verhindert (Czeskleba-Dupont 2003, 2009b, 70-73, 2012; Karathanassis 2003, 46-50; Harvey 2009, 220-247).
2.
Ist die ökologisch-soziale Krise ökonomisch zu erklären? Ansätze zu einer ökonomischen Erklärung der Krise gibt es häufig, wobei monokausale Argumentationen, die andere Gesichtspunkte ausschließen, nicht selten sind. Zu den in diesem Sinne beschränkten Auffassungen gehört die Meinung, dass im wesentlichen ein übermäßiges Wachstum der Produktion und Konsumtion von Waren oder eine dieses fördernde Gier nach Profit die Ursache der ökologisch-sozialen Krise seien: während jenes Übermaß den Stoff- und Energiedurchsatz der Wirtschaft steigert, der durch entsprechende externe Effekte die natürlichen Quellen und Senken sowie die Unterhaltsmittel armer Menschen und Länder schmälert oder beschädigt, gilt das unternehmerische Gewinnstreben als unmittelbare Ursache der Belastung der Lebenslage arbeitender Menschen und der Vernichtung von Arbeitsplätzen. Beschränkungen des Wachstums der Produktion und Konsumtion von Waren sowie die Ersetzung der Profitorientierung des Kapitals durch eine Sozialbindung und manche andere Reformen werden daher – keineswegs zu Unrecht – als erstrebenswerte Ziele menschen- und umweltgerechter Politik betrachtet (vgl. z.B. Seidl/Zahrnt 2010). Angesetzt wird bei solchen Erklärungen und Forderungen allerdings zumeist bei wirtschaftlichen Größen, die – wie der Produktionsumfang, die Konsumneigung, die Profitrate – Variablen oder Parameter eines komplexen Produktions- und Reproduktionssystems sind, welches zu begreifen wäre. Dieses System und dessen spezifische, industriekapitalistische Produktionsweise hat Marx im ersten „Kapital“-Band in einem auch heute noch brauchbaren theoretischen Modell beschrieben (vor allem: MEGA II.8, 545-608). Sein Grundgedanke ist ein System lohnabhängiger Arbeit und sich verwertenden Kapitals, in dem der Mehrwert genannte Teil der Wertschöpfung der Arbeiter durch das Unternehmen im wesentlichen als sein zusätzliches Kapital angelegt wird, und zwar vor allem in Form arbeitskräftesparender Produktionsmittel. Dabei zeichnet sich diese Akkumulation von Kapital in der fabrikindustriellen Wirtschaftsentwicklung überwiegend durch ein Wachstum des Anteils des fixen und des zirkulierenden Sachkapitals zulasten des Lohn- und Gehaltsanteils aus. Das bedeutet der Sache nach überproportionales Wachstum des Einsatzes von Sachanlagen (insbesondere von Ausrüstungen und Bauten) und Sachmitteln (insbesondere von Brennstoffen mit hoher Energiedichte, Rohstoffen und Halbfabrikaten) gegenüber der Beschäftigung von Arbeitskräften in der Warenproduktion und damit eng verbundenen Wirtschaftsbereichen. Als Effekte dieser Verschiebung der Kapitalzusammensetzung sind schließlich wahrzunehmen und zu begreifen: eine dauerhafte Störung der Strahlungsbilanz in der Erdatmosphäre; ein massenhafter Ausschluß von Menschen von Erwerbsmöglichkeiten oder überhaupt von Unterhaltsmitteln; eine Überlastung des Organismus der Menschen und ihrer Um- und Mitlebewelten durch aktuelle und tradierte Immissionen und Artefakte; sowie eine Erschöpfung von Umweltdargeboten und Stoff- und Energiequellen. Im ökosozialistischen Diskurs ist daher auch betont worden, dass die Steigerung der kapitalistischen Produktion mittels immer neuer Erweiterungen der Reproduktion ökonomischer und zugleich technischer Kapitalelemente ein wichtiger Grund der universalen ökologisch-sozialen Krise ist. Dabei wird teils die Funktion des produktiven Kapitals als „self-expanding value [sich selbst vermehrender Wert]“ hervorgehoben (Foster u.a. 2010, 201f.), teils auf die Profitabilität einer destruktiven „technology of production [Produktionstechnologie]“ verwiesen (Commoner 1990, 79ff.). Ein kaum diskutiertes Problem dieser Krisentheorie ist die verbreitete Annahme, dass die Kapitalakkumulation „zur Grundlogik des Kapitalismus gehört“ (Sarkar 2010, 339).
3.
Ist die ökologisch-soziale Krise auch außerökonomisch zu erklären? Begreift man diese Krise als universelle Krise der modernen Produktionsweise, wenn nicht sogar der ‚westlichen’ Zivilisation, so gehören zu ihren Aspekten und Symptomen auch Phänomene, die nicht unmittelbar ökonomisch-technischen Entwicklungen entspringen. Zu ihnen gehören der Nahrungsmangel vieler der die Erde bevölkernden Menschen und die Kriegshandlungen zur Beherrschung fremder Lebensräume. Man kann nicht sagen, dass Hungerpein und Kriegszerstörungen zentrale Objekte oder Kategorien früher historisch-materialistischer Analysen waren oder dass demographische und geographische ‚Faktoren’ der Gesellschaftsgeschichte in ihrer Methodik eine Rolle gespielt haben – auch wenn sich in Engels’ Konzeption des „Ursprungs“ der zivilisatorischen Institutionen, „der Familie, des Privateigenthums und des Staats“, historischer und geographischer Materialismus verbanden (MEGA I.29, besonders 147-150). In ökosozialistischen Diskussionen zu den Gründen und Erscheinungen moderner wie gesellschaftsgeschichtlicher Umbrüche spielen allerdings jene Phänomene, die nicht zuletzt mit patriarchalen und staatlichen Gewaltverhältnissen zu tun haben, durchaus eine Rolle. Das belegen Konzepte, die Gesichtspunkte hervorheben wie „the impact of population [die Auswirkung des Bevölkerungswachstums]“ (Commoner 1990, 155) und die Relation von „land and population [Landfläche und Bevölkerung]“ (Sarkar 1999, 128ff.) oder die „Inkorporierung neuer Gebiete“ (Wallerstein 2004, 184-275) und „the territorial logic of power [die territoriale Logik der Macht]“ (Harvey 2003, 29, 33-36, 137-182), auch wenn sie oft strittig sind. Als ideologisches Moment der Krisengenese hebt Jeremy Rifkin einen Mangel an „biosphere consciousness [Biosphärenbewußtsein]“ hervor, der seiner Meinung nach den Übergang zu einem „age of empathy [Zeitalter der Einfühlung]“ behindert, aber durch Konvergenz energetischer und kommunikativer Revolutionen überwunden werden kann (Rifkin 2009, 421ff., 593ff.). Die Komplexität der modernen, im frühen 21. Jahrhundert zugespitzten Universalkrise erfordert, die vorherrschenden ökonomisch-technischen Erklärungsansätze im Sinne eines „embodied materialism [verkörperten Materialismus]“ durch Beachtung von Gewaltverhältnissen in weiteren Lebensbereichen und ihrer zivilisatorischen (Vor-)Geschichte zu ergänzen (Salleh 2009; vgl. Tjaden 1990; 2009; Morales Hernández 2011).
4.
Was macht eine ökologisch-sozialistische Gesellschaft aus? Soweit heute von einer ökologisch und sozial befriedeten Gesellschaft der Zukunft gesprochen wird, herrschen einfache Bilder harmonischen Zusammenlebens von Menschen im ‚Einklang mit der Natur’ vor. Die an Marx und Engels direkt anknüpfende Theorie hat vor allem deren Idee einer zukünftigen Assoziation freier Menschen tradiert, verbunden mit der Forderung im ersten „Kapital“-Band, „den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde“ dereinst durch vernünftige Regelung „der gesellschaftlichen Produktion“ und in einer der „vollen menschlichen Entwicklung“ angemessenen Form zu gestalten (MEGA II.8/481f.). Ergänzend kommt hinzu die von Engels im „Anti-Dühring“ formulierte Zielvorstellung einer „planmäßige[n], bewußte[n] Organisation“ der „gesellschaftlichen Produktion“ und Beseitigung der „Waarenproduktion“ und „damit“ der „Herrschaft des Produkts über die Produzenten“ (MEGA I.27, 446). Insgesamt soll sich dann die gesellschaftliche Ökonomie auf ein Abwägen von Arbeitsaufwand und „Nutzeffekte[n] der verschiedenen Gebrauchsgegenstände“ (469) beschränken. Es wird, so Marx in seinen „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“, ein „Communismus“ entstehen als „Auflösung des Widerstreits des Menschen mit der Natur und mit d[em] Menschen“ (MEGA I.2, 263). Der aktuelle ökosozialistische Diskurs bedient sich bei der Vorstellung der angestrebten Gesellschaft verschiedentlich solcher Kennzeichnungen, doch fallen Kurzfassungen des Begriffs Ökosozialismus auch hier oft inhaltsleer aus. So beschreibt Victor Wallis (2001, 534) „eine ökologisch-sozialistische Gesellschaft“ knapp als Gesellschaft ohne Klassenteilung, in der die Menschen im Gleichgewicht mit der Natur lebten. Solch abstrakter Utopie steht eine konkrete entgegen, die Saral Sarkar (1999, 207, Hervorh. i.O.) in Gestalt von Grundfragen eines „ecosocialism as a long-term model [Ökosozialismus als ein langfristiges Modell]“ entworfen hat, zugleich mit Blick auf eine dahin weisende „transition period [Übergangsperiode]“. Dieser Entwurf umfaßt den Umgang mit bzw. die Bewältigung von Aufgaben des Ökosozialismus, deren Katalog von den Arbeitsverhältnissen bis zur Wirtschaftsplanung reicht. Grundsätzlich wichtig ist die Maßgabe Sarkars, dass der Umbau einer Produktionsweise, insbesondere der ihres technischen Instrumentariums, im Sinne eines Ökosozialismus positive Stoff- und Energiebilanzen aufweisen muß, wenn die angestrebte Nachhaltigkeit des Wirtschaftens sich nicht als Illusion erweisen soll (Sarkar 2010, 306-323; auch: Sarkar 1999, 93ff,, 196-224). Zu ergänzen ist: Ansätze zur Darstellung einer durch Ökosozialismus geprägten zukünftigen Gesellschaft müssen jedenfalls auch den Umgang mit den erheblichen Behinderungen der zwischenmenschlichen und Mensch-Umwelt-Interaktionen beachten und verarbeiten, die nach der Etablierung eines derartigen Systems aus ererbten Belastungen der Menschen und ihrer Umwelten hervorgehen. Zu solchen Altlasten gehören unter anderem materielle, vielfach toxische und manchmal ruinenhafte Relikte in allen Sphären des Globus aus einer stets nur scheinbar bewältigten prä-ökosozialistischen Vergangenheit, von denen überhaupt nur ein Teil erkennbar und eventuell behandelbar ist. Eine auch nur annähernd vollständige Antizipation zukünftiger Realität im Sinne eines Modells „Ökosozialismus“ – einen ‚clean-up ecosocialism’, einen ‚sauberen’ Ökosozialismus – gibt es nicht und kann es, schon wegen dieses Hindernisses historischer Altlasten, nicht geben (Czeskleba-Dupont 2009a, 404). Gleichwohl muß eine Politik des Ökosozialismus Schritte in der oben angedeuteten Richtung unternehmen.
5.
Wie läßt sich eine ökologisch-sozialistische Formierung der Gesellschaft verwirklichen? Wege zu einer solchen Gesellschaft zu entwerfen, ist wegen der Gemengelage zu überwindender Mißstände, die unterschiedliche Menschengruppen und Lebensräume treffen, schwierig. Daher bleibt die Vorstellung eines ‚revolutionären Subjekts’ eher illusorisch. Zunächst sollte strategische Praxis sich mit dem sich anbahnenden ökokapitalistischen Entwicklungspfad auseinandersetzen, sozial wie ökologisch erforderliche Gegen- und Übergangsmaßnahmen erkämpfen sowie die soziale wie ökologische Gestaltung einer postkapitalistischen Gesellschaft selber vorbereiten. Hinderlich sind die Gegenwehr von Vertretern von Kapital- und anderen Gruppen sowie Einäugigkeiten ökologischer wie sozialistischer Strategen, die das Gemeinsame der Teilkrisen nicht sehen. Dies gilt bereits für die marxistische Tradition, obwohl Marx insbesondere die Anhäufung von Arbeitsmitteln in Form der Akkumulation von Kapital sowohl als Basis ökonomischer Krisen wie auch als ökologisch-soziales Übel begreift. Marxistische Revolutionstheorien zielen meist nur auf die ökonomischen Klassenverhältnisse, wogegen deren technische Gehalte und deren territoriale Ressourcen- und Milieubedingungen kaum gesehen werden. Historisch sind sie zunächst auf die Vorstellung einer ‚Eroberung der Macht’ fixiert, einer einzigen, entscheidenden Tat, die den gesellschaftlichen Umbruch in Gang setzt. Als klar wird, dass die Ersetzung der kapitalistischen durch eine sozialistische Gesellschaft nur durch lange vorbereitende Entwicklungen möglich ist, führt das zum Nachdenken über ‚Übergangsforderungen’. Der heutige Ökosozialismus betont zwar in der Regel eine Unverträglichkeit von Kapitalismus und sozialistisch-ökologischer Gesellschaftsverfassung, plädiert aber verschiedentlich für vermittelnde „short-term and long-term strategies [Kurz- und Langfriststrategien]“ (Foster u.a. 2010, 436). Dazu sollen die Opposition gegenüber dem Kapital und die Praktizierung ökologisch-sozialistischer Alternativen miteinander kombiniert werden (Kovel 2002, 224-227). Im Mittelpunkt derartiger Politikkonzepte steht bei den meisten Protagonisten des Ökosozialismus die Ökonomie-Kritik, freilich überwiegend als abstrakte Kritik kapitalistischen Wirtschaftswachstums. Jedoch dringt hier in den Jahrzehnten um die Jahrtausendwende allmählich die Auffassung vor, dass die Akkumulation produktiven Kapitals ein wesentlicher Ansatzpunkt der theoretischen und praktischen Kritik dieser Produktionsweise ist (Foster u.a. 2010, 201). Daraus ergibt sich schließlich die Idee einer Unterbindung der Erweiterung des Kapitalstocks in der produzierenden und der mit ihr verknüpften Wirtschaft und einer Umgestaltung der einfachen Reproduktion durch Investition in technisch und wertmäßig arbeitsintensive Prozesse für Nutzeffekte im jeweiligen Milieu. Dabei muß der gesamtgesellschaftliche Stoff- und Energieumsatz verringert werden, was einen koordinierten Um- und Rückbau der Wirtschaft und Veränderungen der gesellschaftlichen Lebensweise erfordert. Ohne eine entsprechende Planung und Lenkung von Investitionen ist das nicht möglich. Dazu bedarf es vor allem grundsätzlicher wissenschaftlicher Untersuchungen von Voraussetzungen und Auswirkungen infrastruktureller, sektoraler und territorialer Um- und Rückbaumaßnahmen (vgl. Bimboes 2010). Theoretische Ansätze zu einem solchen Investitionslenkungs-Konzept finden sich z.B. bei Michael Löwy, der in Bezug auf „decisions on investment and technological change [Entscheidungen über Investitionen und technischen Wandel]“ die Aufhebung des privatwirtschaftlichen „control over the means of production [Kontrolle über die Produktionsmittel]“ fordert. Dies kann als „’transition’ between minimal demands and the maximal program [‚Übergang’ zwischen Minimalforderungen und dem Maximalprogramm]“ ein „vehicle for dynamic change [Mittel dynamischer Veränderung]“ sein (Löwy 2005, 19ff.). Eine solche Investitionsstrategie, bezogen auf entwickelte kapitalistische Ökonomien, impliziert gesamtwirtschaftlich eine Vermehrung der Arbeitsplätze und (ceteris paribus) der Menge der lebendigen Arbeit und der Wertschöpfung, eine Senkung des Energie- und Materialeinsatzes, eine Verringerung der stofflichen Belastung von Menschen und ihrer Um- und Mitlebewelt und die Eröffnung der Möglichkeit, den aus vorhandenen Anlagen und Altlasten resultierenden Gefahren besser zu begegnen. Sie beschränkt kapitalistische Investitionstätigkeit auf einfache Reproduktion und begrenzt die eigentumsrechtlich gestützte Verfügungsgewalt und Ausbeutungsmacht der Unternehmen, vernichtet sie aber ebenso wenig wie die Möglichkeit einer Konkurrenz um Extraprofite – dies alles in einem politisch gesetzten und durchgesetzten Rahmen ökologisch-sozial orientierter gesellschaftlicher Praxis. In dem Maße, in dem diese Investitionsstrategie politisch durchgesetzt würde, wären die lediglich historisch konditionierten Wachstumszwänge kapitalistischer Produktionsweisen entkräftet und wären wichtige Schritte zu einer Formierung der Ökonomie im Sinne eines Ökosozialismus getan (vgl. hierzu Brundtland 1987, 43-46; ferner Smith 2010 und Lawn 2011). Mit der Vorstellung einer entsprechenden transitorischen politisch-ökonomischen Ordnung trifft sich der Ökosozialismus mit der politischen Idee einer „Übergangsordnung zwischen Kapitalismus und Sozialismus“. (Fülberth 2010, 11, Hervorh. i.O.) Die Chancen, ein solches Investitionsregime und eine entsprechende politische Ordnung durchzusetzen, sind gering, doch sollte bedacht werden, dass ‚das Kapital’ bereits in seiner vielhundertjährigen Geschichte viele politische Schranken seiner Verwertung hingenommen hat.
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[1] Smith, Richard, 2010: Beyond Growth or Beyond Capitalism? In: real-world economics review, Nr. 53, S. 28-42; Lawn, Philip, 2011: Is steady-state capitalism viable? A review of the issues and an answer in the affirmative. In Annals of the New York Academy of Sciences 1219, S. 1-25
[2] Vgl. hierzu besonders die Beiträge von Brouns 2012, Massarrat 2012, Leidig 2012 und Tjaden 2012 in der Abteilung „Energie, Klima, Wachstumskritik“ in Z 91 (September 2012)