Wallerstein hat in einer Reihe von neueren Publikationen, vor allem in „Utopistik” (2008), eine Gegenwartsdiagnose sowie eine Prognose der zukünftigen Entwicklung des modernen Welt-Systems* entwickelt.
Wallersteins zentrale These ist, dass das moderne Welt-System, nachdem es etwa 500 Jahre lang (ca. 1500 bis 2000) expandierte, sich heute im Niedergang befindet und in eine Phase des Übergangs in ein neues Welt-System eingetreten ist. Er schätzt die Zeit des Übergangs auf den Zeitraum von 2000 bis 2050. In dieser Periode erreicht die Entwicklung des modernen Welt-Systems einen Punkt der Gabelung („bifurcation”), an dem die durch den “global profit-squeeze”[1] (Wallerstein, 1998: 48) verursachten Probleme strukturelle Veränderungen erzwingen. Dabei seien zwei unterschiedliche Entwicklungspfade denkbar:
1. Das Welt-System wird demokratisiert und es entwickelt sich eine nicht auf Profit, sondern auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichtete Ökonomie.
2. Es setzt eine zunehmend autoritäre Entwicklung ein, die die Profitabilität durch gesteigerte Repression, Rassismus, intensivierte Ausbeutung und die Ausgrenzung von noch größeren Teilen der Weltbevölkerung wieder herstellt.
Welcher der beiden Entwicklungspfade eingeschlagen wird entscheidet das politische Engagement jedes einzelnen Menschen. Sind die demokratischen sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Parteien, Wissenschaftler usw. stark genug, um eine Demokratisierung der Wirtschaft durchzusetzen, wird der erste Entwicklungspfad beschritten. Wenn sich dagegen die anti-demokratischen Kräfte durchsetzen, wird es zu einer autoritären Entwicklung kommen.
In den letzten 150 Jahren ist häufig das Ende des Kapitalismus prognostiziert worden.[2] Trotzdem sind bisher immer wieder Methoden gefunden worden, um Krisen zu überwinden oder zumindest zu verschieben, auch wenn damit die Grundwidersprüche nicht aufgehoben werden konnten. Das Neue an der heutigen Situation ist Wallerstein zufolge jedoch, dass die bisherigen Methoden der Krisenbewältigung nicht mehr angewandt werden können, um die gegenwärtige Profitabilitätskrise zu überwinden. Drei langfristige historische Entwicklungen – Wallerstein nennt sie säkulare Trends – machten es sehr unwahrscheinlich, dass die aktuelle „Profitklemme“ (Wallerstein, 2008: 54) überwunden wird und der Kapitalismus in sein altes Gleichgewicht zurückkehrt. Die auf unendliche Kapitalakkumulation ausgerichtete Produktionsweise sei daher an ihre Grenzen gestoßen.
Der erste säkulare Trend: Der Anstieg des Anteils der Löhne an den Produktionskosten
„Der erste säkulare Trend ist der Anstieg des prozentualen Anteils der realen Löhne an den Produktionskosten, wenn man den Mittelwert der gesamten Weltwirtschaft berechnet.“ (Wallerstein, 2004b: 58).
Im Hinblick auf die neoliberale Offensive, die ein Absinken der Reallöhne zur Folge hatte, verteidigt Wallerstein seine These des Anstiegs mit dem Hinweis, „dass in Wirklichkeit der jüngste Abschwung bei Löhnen und Steuern in Anbetracht ihres fortgesetzten weltweiten Anstiegs kurzfristig und geringfügig war“ (Wallerstein, 2008: 48). Das weltweite Lohnniveau werde sich auch in Zukunft nicht wesentlich reduzieren lassen, da sich in den meisten Gebieten der Welt bereits starke Arbeiterbewegungen gebildet hätten, deren Kampfkraft durch die weltweite Demokratisierung weiter gestärkt werde. Die Hauptursache für die strukturelle Stärke der Arbeiterbewegungen besteht Wallerstein zufolge in der fortschreitenden weltweiten Urbanisierung und darin, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts alle Teile des Planeten vom kapitalistischen Welt-System eingeschlossen sind, so dass auf Krisen nicht mehr mit räumlicher Expansion reagiert werden könne. Das Problem der sinkenden Profitrate war in der Geschichte des kapitalistischen Welt-Systems auf lokaler Ebene durch eine Steigerung der Effizienz, durch technologische Innovation oder durch die Senkung der Löhne gelöst worden. Da es jedoch mit der Zeit immer schwieriger wurde, die Löhne gegen den Widerstand der erstarkenden Arbeiterbewegungen zu senken, wurde auf andere Weise reagiert: durch die Verlagerung der Produktion in Regionen, in denen geringere Gehälter gezahlt werden konnten, ohne sofort Widerstand bei den ArbeiterInnen hervorzurufen, da das Lohnniveau in diesen Regionen insgesamt niedriger war. Dies war und ist vor allem in den Gebieten der Fall, die erst vor kurzer Zeit in das kapitalistische Welt-System integriert wurden und in denen die Prozesse der Industrialisierung, Urbanisierung und Monetarisierung gerade erst begonnen hatten. Die Schwäche der Arbeiterbewegungen in den neu erschlossenen Regionen wird Wallerstein zufolge dadurch verursacht, dass es aufgrund der Migration in die Städte „zu einer gewissen Desorientierung und Desorganisation sowie zu einem gewissen Grad an Unerfahrenheit hinsichtlich der lokalen politischen Bedingungen oder zumindest einem Mangel an politischen Einfluss“ (Wallerstein, 2008: 50) kommt. Außerdem erscheinen die niedrigen Löhne den gerade in der Stadt angekommenen Migranten recht hoch, da sie aus nur teilweise monetarisierten ruralen Regionen stammen, in denen entweder überhaupt keine oder nur niedrigste Löhne gezahlt werden. So ist zu erklären, warum es dort trotz extrem niedriger Löhne erst einmal nur vereinzelt zu Kämpfen am Arbeitsplatz und in der politischen Arena kommt. Diese Defizite werden jedoch normalerweise in 30 bis 50 Jahren überwunden und Organisationsgrad und Zahl der Arbeitskämpfe steigen. Langfristig gesehen steigen deshalb auch die Löhne und Steuern, die Unternehmen zahlen müssen, um den Klassenkampf zu entschärfen. Wallerstein vermutet, dass sich dieser Prozess aufgrund der verbesserten Kommunikationstechnologien in Zukunft noch schneller vollziehen wird.
Der Vorteil einer Verlagerung der Produktion als Flucht vor erstarkenden Arbeiterbewegungen, hohen Löhnen und Steuern ist also nur von kurzer Dauer. Diese These wird von Beverly Silver empirisch bestätigt (Silver, 2005). Silver hatte bereits 2003 aufgrund der Ergebnisse ihrer Studie zunehmende Klassenkämpfe in China prognostiziert. Genau diese Entwicklung ist nun eingetreten.
Wallerstein hält seine These von den weltweit steigenden Löhnen und den stärker werdenden Arbeiterbewegungen auch in Anbetracht der hohen Arbeitslosigkeit aufrecht: „Selbst dort, wo Menschen in großer Zahl offiziell arbeitslos sind und ihr Einkommen, soweit sie eines haben, aus dem informellen Wirtschaftssektor beziehen, bedeuten die realen Alternativen der Arbeiter in den barrios und favelas des Weltsystems, dass sie in der Position sind, ein vernünftiges Lohnniveau zu fordern, um in den formalen Einkommenssektor zu wechseln. Letztendlich resultiert aus all dem ein ernsthafter Druck auf die Höhe der Profite, der sich im Laufe der Zeit verstärken wird.“ (Wallerstein, 2008: 60)
Kritik der These der steigenden Lohnkosten
Es ist grundsätzlich sehr schwierig, zuverlässige Studien zu den Einkommen der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, zu erstellen, da, wie der Name schon sagt, es keine formellen Beschäftigungsverhältnisse sind, die von staatlichen Organisationen, von Unternehmern oder Gewerkschaften erfasst werden. In Anbetracht der Tatsache, dass der UN zufolge momentan ca. 1,1 Milliarden Menschen von einem US-Dollar oder weniger pro Tag und insgesamt 2,7 Milliarden Menschen weltweit von 2 US-Dollar oder weniger in lokaler Kaufkraft leben (The World Bank, 2007), ist nicht nachvollziehbar, wie Wallerstein zu dem Schluss kommt, dass es bald keine Regionen auf der Welt mehr geben werde, in denen extrem niedrige Löhne akzeptiert werden, da momentan etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in extremer Armut lebt und deshalb gezwungen ist, auch extrem niedrige Löhne zu akzeptieren, um überleben zu können. Da Wallerstein seine These der weltweit steigenden Löhne nicht belegt, bleibt offen, inwieweit dies empirisch überhaupt nachweisbar ist.
Der zweite säkulare Trend: Steigende Kosten für Rohstoffe und für den Schutz der Biosphäre
Den zweiten langfristigen Trend, der sich mindernd auf die Profitrate auswirkt, sieht Wallerstein zum einen in den steigenden Kosten für Rohstoffe und andere Input-Materialien und zum anderen in dem steigenden Druck auf Staaten und Unternehmen, „die Kosten für die Reparatur der globalen Ökologie und adäquate Maßnahmen für die Zukunft zu tragen, was sowohl die Steuerquote wie die anderen Herstellungskosten für die Unternehmer zu erhöhen droht.“ (Wallerstein, 2004b: 55).
Steigende Rohstoffpreise
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2008/09 kam es zwar zu einem vorübergehenden Rückgang der Preise für Rohstoffe, der aber schon 2010 durch einen erneuten Anstieg abgelöst wurde. Allen Prognosen zufolge werden die Rohstoffpreise im Zuge steigender Nachfrage trendmäßig ansteigen. So hat z.B. die Internationale Energieagentur prognostiziert, dass der Ölpreis zukünftig bei über 200 US-Dollar pro Barrel liegen wird (Paech, 2009). Der Ökonom Niko Paech geht sogar davon aus, dass voraussichtlich ab 2015 die Rohstoffpreise so weit gestiegen sein werden, dass kein weiteres Wirtschaftswachstum in Deutschland mehr möglich sein wird, da das Wirtschaftswachstum bisher immer auf der scheinbar unendlichen Zufuhr von extrem billigen Rohstoffen beruhte. (Paech, 2009). Daraus ergibt sich die Frage: Kann eine auf unendliche Kapitalakkumulation ausgerichtete Ökonomie ohne Wirtschaftswachstum weiter funktionieren oder lassen sich Wirtschaftswachstum und Kapitalakkumulation wieder ankurbeln, indem der Prozess der Kommodifizierung so weit vorangetrieben wird, dass durch die konsequente Patentierung von Leben und Wissen neue Möglichkeiten der Kapitalakkumulation geschaffen werden (Hardt/Negri, 2002)?
Steigende Kosten für die Entsorgung der bei der Produktion anfallenden Schadstoffe
Seit Entstehung des modernen Welt-Systems wird von Unternehmen die Methode der „Externalisierung der Kosten“ genutzt, um die Profitabilität zu erhöhen. Diese Externalisierung der Kosten besteht neben dem Raubbau an Ressourcen darin, dass Schadstoffe, die bei der Produktion entstehen, nicht umweltgerecht entsorgt werden. Nachdem diese Praxis 500 Jahre lang vollzogen wurde, ist nun ein Punkt erreicht, bei dem die weitere Fortführung dieser Praxis das Leben der Menschen in allen Regionen der Welt ernsthaft gefährdet und die Lebensqualität mindert. Die Folgen der Umweltverschmutzung werden im Alltag der Menschen immer deutlicher, so dass das Problem breiten Bevölkerungsschichten bewusst wird. Das verursacht Wallerstein zufolge ein Anwachsen der Umweltbewegungen und einen steigenden Druck auf Staaten und Unternehmen, die „Kosten für die Reparatur der globalen Ökologie und adäquate Maßnahmen für die Zukunft zu tragen.“ (Wallerstein, 2004b: 55). Aufgrund der fortgeschrittenen Demokratisierung in vielen Teilen der Welt hätten die Umweltbewegungen gute Chancen, ihre Forderungen zumindest teilweise durchzusetzen. Die Maßnahmen zum Schutz der Biosphäre werden die Kosten der Hersteller erhöhen „[...] entweder direkt dadurch, dass sie gezwungen sind, Kosten zu internalisieren, die früher externalisiert wurden, oder indirekt dadurch, dass ihre Steuerquote erhöht wird, um entsprechende Geldmittel zur Verfügung zu stellen, mit denen der Staat die Reparaturarbeiten durchführen kann“ (Wallerstein, 2004b: 54).
Kritik der Ressourcenthese
Wallersteins These, dass starke Umweltschutz-Bewegungen entstehen und den Druck auf Staaten und Unternehmen so weit erhöhen, dass die Unternehmen gezwungen werden, die Zerstörung der Biosphäre zu stoppen, ist Ausdruck seiner optimistischen Grundhaltung. Er geht davon aus, dass Menschen entweder durch unmittelbare Erfahrung oder über Medien die für sie wichtigen Informationen erhalten, diese richtig interpretieren und die für die Lösung des Problems notwendigen Maßnahmen ergreifen. Dieses Modell reduziert die Komplexität des Problems sehr.
Die Frage, wann und unter welchen Bedingungen Menschen beginnen politisch aktiv zu werden, kann nicht so mechanistisch beantwortet werden, wie es Wallersteins Modell suggeriert. Entscheidend ist dabei auch, ob die politisch aktiven Menschen in ausreichendem Umfang über die nötigen Kapitalsorten (ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital (vgl. Peter, 2004)) verfügen, um Politik und Wirtschaft zu einem Stopp der Zerstörung der Biosphäre zu bewegen. Diese Kapitalsorten sind in der Gesellschaft sehr ungleich verteilt. So haben z.B. die Eliten eines Landes überdurchschnittlich viele Möglichkeiten und Mittel, Entscheidungen in Politik und Wirtschaft zu beeinflussen (vgl. Hartmann, 2007).
Zu kritisieren ist, dass Wallerstein nicht in ausreichendem Maße das eben genannte Problem der asymmetrischen Verteilung von Kapital, Informationen und die unterschiedlich starke Betroffenheit und Gefährdung der Menschen berücksichtigt.
Der dritte säkulare Trend: die steigende Steuerrate
Die Notwendigkeit, höhere Steuern zu erheben, hat Wallerstein zufolge „im Lauf der Jahrhunderte immer weiter zugenommen, weil die Kosten der Sicherheitsmittel, der Umfang militärischer Einsätze und die Zahl der für notwendig befundenen Polizeieinsätze angewachsen sind. Ebenfalls weltweit stetig gestiegen ist die Größe der staatlichen Beamtenapparate, die von der Notwendigkeit zunächst der Steuereintreibung, aber auch der Erfüllung von immer mehr Funktionen eines modernen Staats abhängig ist. Am stärksten angewachsen ist die Berücksichtigung bestimmter weit verbreiteter Forderungen. [...] Die Zunahme entsprechender Versorgungsleistungen ist ein wichtiges Mittel zur Sicherung relativer politischer Stabilität in Reaktion auf den wachsenden Unmut der niedrigen Einkommensschichten über die steigende Polarisierung der Reallohnniveaus, die stets ein Charakteristikum des Weltsystems gewesen ist. Staatliche Sozialleistungen sind das Bestechungsgeld, das zur Zähmung der ‘gefährlichen Klassen’ eingesetzt wird, also um den Klassenkampf innerhalb gewisser Grenzen zu halten.“ (Wallerstein, 2004b: 62).
Die Regierungen stehen somit vor einem Dilemma: Entweder halten sie die Steuern hoch und lassen den Druck auf die Profitrate weiter unvermindert, oder sie reduzieren die Steuern und damit zwangsläufig auch die sozialstaatlichen Leistungen, wodurch sie die weitere Abnahme der Legitimität und Akzeptanz des Staates innerhalb der armen Bevölkerungsschichten und die Verschärfung von sozialen Konflikten riskieren.
Dieses Problem, das Wallerstein nur kurz erwähnt, wird grundsätzlicher im Diskurs über die Reziprozität der Gabe untersucht (Moebius, 2006). Das Geheimnis der Gabe beruht auf der Reziprozität: Der Staat gibt Sicherheit, Bildungs- und Sozialleistungen und erhält dafür von der Bevölkerung Gehorsam, Anerkennung, Akzeptanz und Legitimität. Je weniger die Menschen vom Staat bekommen, desto weniger sind sie ihm zu Dank für die „Gabe“ verpflichtet und haben weniger Gründe, sich loyal zu verhalten.
Kritisiert werden muss, dass Wallerstein die These der steigenden Steuerrate zwar in vielen seiner Publikationen wiederholt, aber nirgendwo mit Quellen belegt.
Destabilisierende Faktoren im Welt-System
Während sich das moderne Welt-System zu Beginn des 21. Jahrhunderts aus den genannten Gründen in einer existenziellen Krise befindet, treten Wallerstein zufolge zusätzlich destabilisierende Faktoren in verstärkter Weise auf: Zunehmende Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Schwächung von Staaten, Niedergang der Staatsgläubigkeit und des Fortschrittsoptimismus, Aufstieg religiös-fundamentalistischer Organisationen und stärkere Zuwanderung in die Zentren des Weltsystems. Diese destabilisierenden Faktoren hätten in Phasen, in denen die Strukturen des Welt-Systems relativ stabil waren, keine größere Bedeutung für die weitere Entwicklung gehabt. In der gegenwärtigen Situation jedoch können sie eine große Wirkung auf das bereits angeschlagene Welt-System entfalten. Im Folgenden kann aus Platzgründen nur auf einen Faktor eingegangen werden.
Die Zuwanderung in die Zentren des Welt-Systems
Die Migration hat Wallerstein zufolge in den letzten 50 Jahren massiv zugenommen und wird weiter zunehmen. Die menschenverachtenden Maßnahmen zur Abschottung der Zentralstaaten vor Zuwanderung werden zwar kontinuierlich ausgeweitet, können diese jedoch nur unwesentlich eindämmen. Sie bewirken aber zusammen mit dem bereits bestehenden Rassismus und der Diskriminierung von Migranten in den Zentren einen nicht intendierten Nebeneffekt: Sie fördern in den Zentren des Welt-Systems die Desintegration von MigrantInnen und Menschen, die als solche klassifiziert werden und so die Entstehung einer gemeinsamen Identität der Ausgegrenzten. Diese Konflikte sind nicht systemdestabilisierend, solange die Gruppe der Migranten relativ klein ist. Es ist jedoch absehbar, dass aufgrund der sich verschärfenden sozialen Polarisierung innerhalb des Welt-Systems, der fortschreitenden Verarmung großer Bevölkerungsgruppen in den Regionen der Peripherie und wegen der verbesserten Transportmöglichkeiten die Zuwanderung in die Zentralstaaten zunehmen wird.
In fast jedem Staat des Zentrums gibt es eine fortschreitende Segregation von Menschen, die als Migranten klassifiziert werden. Sogar wenn sie sich außerhalb ihrer Wohnviertel bewegen, bleiben sie überwiegend unter sich, da andere Bevölkerungsteile aus Angst, Rassismus und medialer Desinformation den Kontakt zu Migranten meiden. Die gemeinsame Lage der Migranten und die von anderen Bevölkerungsteilen und staatlichen Strukturen nicht gewollte Integration fördern so das Gruppenbewusstsein und ein „starkes Gefühl ethnischer Identität“ (Wallerstein, 2008: 72). Es besteht die Gefahr, dass aufgrund der neuen Kommunikationsmittel und Medien ein aufflammender ethnischer Konflikt sich schnell über die Grenzen eines Staates hinweg ausdehnen kann. So hat jeder Zentralstaat quasi sein eigenes Pulverfass, das durch einen überspringenden Funken aus einem angrenzenden Zentralstaat entzündet werden kann. Dies stellt eine „grundlegende Instabilität im Herzen der kapitalistischen Weltwirtschaft“ (Wallerstein, 2008: 72) dar.
Unerwartete Unterstützung erhält Wallersteins Einschätzung vom deutschen Historiker Hans-Ulrich Wehler, der aus einer konservativen Perspektive heraus eine ähnliche Prognose vorlegt: „Doch unterhalb dieser Arbeiterklassen, die sich in einem Prozeß der Verbürgerlichung befinden, ist durch die Zuwanderung ein neues ethnisches Subproletariat entstanden, das, assimilations- und bildungsfern, in seinen ghettoähnlichen Wohnquartieren, in denen der Einfluß eines fundamentalistischen Islams um sich greift, den Aufenthalt in einer abgeschirmten Subkultur vorzieht. Dort könnte sich ein Sprengstoff ansammeln, der die ‘Rote Gefahr’ des 19. Jahrhunderts bei weitem übertrifft.“ (Wehler, 2010: 438)
Kritik
An dieser These Wallersteins ist zu kritisieren, dass die gemeinsame Lage und Diskriminierung, die eine Gruppe erfährt, häufig nicht zu der von Wallerstein prognostizierten Herausbildung einer gemeinsamen Identität und eines Gruppenbewusstseins führt. Die „relative Autonomie des Sozialen“ (Lothar Peter) verhindert, dass eine gemeinsame ökonomische und soziale Situation zwangsläufig zur Entstehung von gemeinsamer Identität und Klassenbewusstsein führt. Häufig führen gerade Diskriminierung und die Verachtung einer Gruppe durch die Herrschenden dazu, dass Teile der Unterdrückten die Sichtweise der Herrschenden übernehmen und anfangen, ihre eigene Kultur und Identität zu verachten. Sie akzeptieren die herrschende Kultur als die „legitime“, wahre Kultur und eifern ihr nach. Sie sind dann bereit, auf vieles zu verzichten, große Belastungen zu ertragen und sich den herrschenden Verhältnissen zu unterwerfen, in der Hoffnung, aus der sozialen Klasse, aus der sie kommen und die sie verachten, aufzusteigen (vgl. Bourdieu, 1982). Viele der Betroffenen werden sich eher auf den individuellen Aufstieg konzentrieren, anstatt Zeit und Energie zur Organisierung von Widerstand gegen das Welt-System zu verwenden. Wird allerdings dieser Aufstieg verwehrt und bleibt die Exklusion bestehen, lässt sich nicht ausschließen, dass es irgendwann zu einem Ende von Anpassung und Unterwerfung kommt.
Wallerstein hat mehrere Jahre in Frankreich gelebt, möglicherweise haben ihn die Unruhen in den Banlieues dazu bewogen, diese These zu formulieren. Aber selbst dort trifft die These nicht zu. Die Unruhen in den französischen Vorstädten richten sich zwar gegen die Exklusion, sind aber nicht antisystemisch. Vielmehr herrschen patriarchale und materialistische Wertorientierungen vor, die durchaus mit dem kapitalistischen Welt-System vereinbar sind (vgl. Peter, 2006). Alice Schwarzer hat darauf hingewiesen, dass es sich fast ausschließlich um einen Aufstand junger Männer handelt, deren Identität durch die Diskriminierung so sehr verunsichert worden ist, dass sie versuchen, ihre Identität durch die Abwertung Anderer zu festigen. Gewalt wird so zum Mittel der Wiederherstellung der männlichen Identität junger, stark verunsicherter Männer. (vgl. Schwarzer, 2005).
Der Aspekt der symbolischen Gewalt (Peter, 2004) als wichtige Säule der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse fehlt im Werk Wallersteins weitgehend und sollte in die Welt-System Theorie eingearbeitet werden, um simplifizierende Schlussfolgerungen zu vermeiden. In diesem Zusammenhang hat der mexikanische Soziologe Luís Martínez-Andrade darauf hingewiesen, dass der Prozess der Kolonialisierung Amerikas, der für Wallerstein in denselben Zeitraum wie die Entstehung des kapitalistischen Welt-Systems fällt und deswegen besondere Bedeutung hat, nicht nur die militärische Eroberung und die Expansion des kapitalistischen Welt-Systems auf den amerikanischen Kontinent umfasst, sondern auch die Durchsetzung der europäischen Kultur als die legitime und überlegene Kultur im Bewusstsein der unterworfenen Menschen. (Martínez-Andrade, 2008). Es hat also eine doppelte Kolonialisierung stattgefunden: Beide Formen, die ökonomische wie die kulturelle, haben entscheidende Funktionen für die Aufrechterhaltung des Neokolonialismus.
Die Durchsetzung der „pan-europäischen“ (westlichen) Kultur als die bessere im Bewusstsein der Menschen in Lateinamerika manifestiert sich oft in einer Verachtung der eigenen kulturellen Identität und in der Glorifizierung alles Westlichen. Die Folge ist, dass viele Lateinamerikaner große Anstrengungen unternehmen, um möglichst pan-europäisch zu sein. Diese Versuche der Anpassung und Unterwerfung werden in den USA und Europa als Beweis der Überlegenheit der pan-europäischen Kultur interpretiert. Zu versuchen so zu sein wie die globalen Herrschenden, um endlich von ihnen akzeptiert zu werden, ist für die Menschen an der Peripherie ein Wettlauf, den sie nicht gewinnen können. Diese Anpassungsversuche stehen der Solidarisierung und der Entwicklung einer starken, gemeinsamen und selbstbewussten Gruppen-Identität entgegen oder erschwert sie zumindest. Eine ähnliche Entwicklung unter den Migranten in den Zentren des Weltsystems ist nicht auszuschließen, wird aber von Wallerstein nicht berücksichtigt.
Die Phase des Übergangs in ein neues Welt-System
Wallerstein verwendet für seine Prognose, dass das moderne Welt-System gegenwärtig zusammenbricht und sich im Übergang in ein neues Welt-System befindet, einige Aspekte der Theorien der „studies of complexity“ von Ilya Prigogine (vgl. Prigogine, 1997), wonach ein System über Mechanismen verfügt, die es bei relativ starken Abweichungen ins Gleichgewicht zurückbringen, so dass es nur zu relativ schwachen mittelfristigen Veränderungen kommt. Ein System kann also trotz seiner immanenten Widersprüche relativ lange existieren. Als Folge der Mechanismen, die das System vor zu großen Veränderungen schützen, kommt es zu säkularen Trends, die über Jahrhunderte fortschreiten und schließlich dazu führen, dass das System sich langsam so weit von seinem Gleichgewicht entfernt, dass es nicht mehr überlebensfähig ist. An diesem Punkt der Entwicklung kommt es zur „chaotischen Situation“ (Wallerstein, 2009a) und zur „bifurcation“ (ebd.), der Gabelung, bei der sich entscheidet, in welche Art von System sich das aus dem Gleichgewicht geratene alte System umwandelt. Wallerstein ist der Überzeugung, dass sich das kapitalistische Welt-System zu Beginn des 21. Jahrhunderts am Punkt der Gabelung befindet (Wallerstein, 2008: 19).
Hier muss kritisch hinterfragt werden, ob, wie Wallerstein es tut, die Theorien Prigogines, die entwickelt worden sind, um chemische Systeme zu verstehen, übertragen werden können auf soziale Systeme, um Vorhersagen über die zukünftige Entwicklung des modernen Welt-Systems zu machen.
Wallerstein vergleicht die Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit der „des Zusammenbruchs des europäischen Feudalsystems zwischen Mitte des 15. und Mitte des 16. Jahrhunderts und seiner Ablösung durch den Kapitalismus.“ (Wallerstein, 2009) In einer Periode des Chaos, in die nicht zufällig die Bauernkriege und die Religionskriege fallen, verloren die Feudalherren ihre beherrschende Stellung. Zu diesem Zeitpunkt war nicht vorhersehbar, dass sich der Kapitalismus als neues Weltsystem herausbilden würde, da in einer Zeit des Übergangs, in der die Strukturen schwach und veränderbar sind, auch das Handeln kleiner Gruppen einen großen Einfluss auf die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung haben kann. Das Gleiche trifft Wallerstein zufolge auf die Zeit von 2000 bis 2050 zu, in der ebenfalls kleine Gruppen die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung in entscheidendem Maße mitbestimmen können. Darin besteht möglicherweise Wallersteins wichtigste Botschaft: „Wir leben in einer Phase des Übergangs von unserem existierenden Weltsystem, der kapitalistischen Weltwirtschaft, zu einem anderen System oder anderen Systemen. Wir wissen nicht, ob dies zum Besseren oder zum Schlechteren sein wird. Wir werden dies erst wissen, wenn wir dorthin gelangt sind, was möglicherweise noch weitere 50 Jahre dauern kann. Wir wissen allerdings, dass die Periode des Übergangs für alle, die in ihr leben, eine sehr schwierige sein wird. Sie wird für die Mächtigen schwierig sein und ebenso für die gewöhnlichen Menschen. Es wird eine Zeit der Konflikte oder erheblicher Störungen und eines – in der Sicht vieler – moralischen Zusammenbruchs sein. Es wird auch, was nicht paradox ist, eine Zeit sein, in der der Faktor des ‘freien Willens’ zum Maximum gesteigert sein wird, was bedeutet, dass jede individuelle und kollektive Handlung eine größere Wirkung beim Neuaufbau der Zukunft haben wird als in eher „normalen“ Zeiten, also während der Fortdauer eines historischen Systems.“ (Wallerstein, 2008: 43)
Gesamteinschätzung und Schlussfolgerungen
Im Folgenden soll eine abschließende Gesamteinschätzung der Stärken und Schwächen der Welt-System Analyse versucht und auf die Frage eingegangen werden, inwieweit Immanuel Wallersteins Einschätzung der aktuellen Lage des modernen Welt-Systems zutrifft und welche Schlussfolgerungen sich daraus für aktuelles und zukünftiges politisches Engagement ableiten lassen.
Eine Stärke der Welt-System Analyse ist, dass durch die Makroperspektive globale Phänomene, Entwicklungen und Trends in ihrer Gesamtheit und ganzen Tragweite erkannt und analysiert werden können. So kann z.B. die Verlagerung von Industrien aus einigen Regionen der Welt (z.B. West-, Mitteleuropa und Nordamerika) in andere Regionen (z.B. Ostasien) mit ihren vielfältigen Auswirkungen auf die verschiedenen Länder von der Welt-System Analyse als ein zusammenhängender Prozess erkannt werden. Andere sozialwissenschaftliche Ansätze, die ihren Blick auf ein Land, z.B. Deutschland, beschränken und davon ausgehen, dass die Entwicklung innerhalb eines Landes analysiert und verstanden werden kann, ohne die Veränderungen auf der globalen Ebene des Welt-Systems zu berücksichtigen, kommen bei der Analyse einzelner Phänomene häufig zu Trugschlüssen. Die verwendete Makroperspektive birgt jedoch die Gefahr, dass die soziologische Mikroperspektive vernachlässigt wird. Wichtige Erkenntnisse anderer sozialwissenschaftlicher Theorien, wie z.B. der Machtanalytik von Foucault (vgl. Foucault, 2007) oder der Theorie der symbolischen Gewalt von Bourdieu (Bourdieu, 1982 und Peter, 2004), die analysiert, wie Herrschaft von Menschen über Menschen aufgebaut und aufrecht erhalten wird, ohne dass ökonomische oder physische Unterdrückung stattfindet, fehlen in der Welt-System Analyse. Eine zukünftige Aufgabe wird es daher sein, die soziologische Mikroperspektive in den Ansatz der Welt-System Analyse zu integrieren.
Überdies wird die Bedeutung von Kultur, Medien und die Fragen, wie sich Bewusstsein, Ideen, Wertorientierungen und normative Muster entwickeln und verbreiten, nicht ausreichend berücksichtigt. Sie liegen außerhalb des Horizonts der Welt-System Analyse, auch wenn Wallerstein daran arbeitet, diese Aspekte zu integrieren.
In Wallersteins früherem Werk liegt ein Problem in der teilweise ökonomistischen Sichtweise und dem damit verbundenen Determinismus, der aber in seinen neueren Veröffentlichungen kaum noch zu erkennen ist. Hier hat sich Wallersteins Position teilweise zu einer eher akteurszentrierten Perspektive hin verschoben. Er betont nun häufig die historische Offenheit der gesellschaftlichen Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
Zur Einschätzung der aktuellen Lage des Welt-Systems
Wallersteins zentrale These zur aktuellen gesamtgesellschaftlichen Lage ist, dass sich das moderne Welt-System im Niedergang befindet und sich bis 2050 ein neues Welt-System herausbilden wird, über dessen Grundstrukturen in den gegenwärtigen politischen und sozialen Auseinandersetzungen entschieden wird. Seine Prognose, dass wir vor wichtigen sozialen Kämpfen stehen, die große Auswirkungen darauf haben werden, in welche Richtung die kommenden Veränderungen gehen werden, ist gut begründet und hat einen hohen Grad an Plausibilität. Wertvoll ist sein Hinweis, dass gerade in der aktuellen Situation das politische Engagement auch kleiner Gruppen einen bedeutenden Einfluss auf die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung haben kann, weil sich bestimmte gesellschaftliche Strukturen in einer Phase des Umbruchs befinden.
Seine These vom Ende des Kapitalismus und der Entstehung eines neuen Welt-Systems bis 2050 kann er jedoch nicht überzeugend begründen oder belegen. Die von ihm untersuchte „Profitklemme“ und die zunehmenden destabilisierenden Faktoren des modernen Welt-Systems mögen teilweise existieren, stellen jedoch kein unüberwindbares Hindernis für eine kapitalistische Produktionsweise dar (Brenner, 2009). Vieles spricht für die These, dass der Sozialwissenschaft in der aktuellen Krise – auch wenn sie das moderne Welt-System nicht, wie Wallerstein behauptet, in seinen Grundfesten erschüttert hat – eine wichtige Aufgabe bei der Analyse der aktuellen Situation und der Erarbeitung von Handlungsvorschlägen für eine egalitärere und demokratischere Gesellschaft zukommt. Es wird sich zeigen, ob Sozialwissenschaftler diese Aufgabe wahrzunehmen vermögen. Wallerstein hat in seinen neueren Veröffentlichungen erste Schritte in diese Richtung getan und sich für eine Sozialwissenschaft ausgesprochen, die sich an sozialen Kämpfen beteiligt. Er konnte dabei zeigen, dass Wissenschaftlichkeit und politisches Engagement keine Gegensätze darstellen, da gerade effektives politisches Engagement eine nüchterne, realistische Analyse und Einschätzung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation erfordert.
Wallersteins Einschätzung in Bezug auf die aktuellen Möglichkeiten der Veränderung des Welt-Systems ist, dass eine Regenbogen-Koalition vieler sozialer Bewegungen und Organisationen am ehesten in der Lage sein wird, in den kommenden 40 Jahren bedeutende Veränderungen in Richtung einer demokratischeren und egalitäreren Gesellschaft durchzusetzen (Wallerstein, 2008: 101). Durch diese Koalition von Menschen, die zwar in verschiedenen Organisationen und Bewegungen aktiv sind und mit unterschiedlichen Methoden arbeiten, aber über die Richtung des angestrebten gesellschaftlichen Wandels übereinstimmen, kann ein größerer Einfluss auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung ausgeübt und die Gefahr verringert werden, dass sich die eben genannten Akteure gegenseitig aufreiben und ihre Kraft gleichsam wie entgegen gesetzte Vektoren neutralisieren.
Es ist fraglich, ob es möglich sein wird, die Gräben zwischen den verschiedenen sozialen Bewegungen und Organisationen zu überbrücken und die Kräfte zu bündeln. Es ist jedoch die aussichtsreichste Strategie, da von ihnen noch am ehesten erwartet werden kann, dass sie sich nachhaltig für ein demokratischeres und egalitäreres Welt-System einsetzen, ohne schon nach kurzer Zeit korrumpiert zu werden und sich selbst in eine Stütze der Herrschaft und Ungleichheit zu verwandeln. Deshalb ist der praxisorientierte Vorschlag Wallersteins wertvoll, auch wenn die Umsetzung eine große Herausforderung darstellt und neue, unerwartete Probleme auftreten können. Wenn sich seine Einschätzung und Empfehlung innerhalb der sozialen Bewegungen und Organisationen verbreiten, besteht die Chance, dass sie tatsächlich einen bedeutenden Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung der nächsten 40 Jahre nehmen können.
Literatur
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[Letzter Aufruf: 29.8.2009]
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Hardt, Michael/Negri, Antonio, 2002: Empire – Die neue Weltordnung, Frankfurt am Main
Hartmann, Michael, 2007: Eliten und Macht in Europa – Ein internationaler Vergleich, Frankfurt/Main
Martíınez-Andrade, Luís, 2008: La reconfiguración de la colonialidad del poder y la construcción del Estado-Nacion en America Latina. In: Les Cahiers/ ALHIM. /Amérique Latine Histoire et Memoire/, no. 15, France, Université́ Paris 8, 2008, pp.15-28.
Moebius, Stephan, 2006: Gift - Marcel Mauss’ Kulturtheorie der Gabe, Wiesbaden
Paech, Niko, 2009: Die neue Bescheidenheit. In: Die Zeit Nr.22 vom 20.5.2009
Peter, Lothar, 2004: Pierre Bourdieus Theorie der symbolischen Gewalt. In: Steinrücke, Margareta (Hrsg.): Pierre Bourdieu – Politisches Forschen, Denken und Eingreifen, Hamburg
Schwarzer, Alice, 2005: Wer verbrennt wen?. FAZ, 17.11.2005
Silver, Beverly, 2005: Forces of Labor – Arbeiterbewegungen und Globalisierung seit 1870, Berlin, Hamburg
Sinn, Hans-Werner, 2009: Kasino-Kapitalismus – Wie es zur Finanzkrise kam, und was jetzt zu tun ist, Berlin
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Wallerstein, Immanuel, 1974: The Modern World-System I: Capitalist Agriculture and the Origins of the European World-Economy in the Sixteenth Century, New York
Wallerstein, Immanuel, 2004b: Absturz oder Sinkflug des Adlers? Der Niedergang der amerikanischen Macht, Hamburg
Wallerstein, Immanuel, 2006: European Universalism: The Rhetoric of Power, New York
Wallerstein, Immanuel, 2008: Utopistik - Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts, Wien
Wallerstein, Immanuel, 2009: Capitalism’s Demise?. In:
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Wehler, Hans-Ulrich, 2010: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1949 – 1990, Bonn
* Die Weltsystemtheorie Immanuel Wallersteins hat seit vielen Jahren eine große Bedeutung in den Debatten der am Marxismus orientierten Ökonomen. Die entsprechende Analyse versucht, die Grenzen zwischen den sozialwissenschaftlichen Disziplinen aufzuheben und durch die Integration von Soziologie, Geschichte und Ökonomie zu einem umfassenderen Verständnis der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Situation beizutragen. Dem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass das moderne Welt-System nur als ganzes erforscht und verstanden werden kann. Deshalb ist der Ansatz sehr makrostrukturell geprägt. Der Begriff „Welt-System“ bezeichnet vor allem die Welt-Wirtschaft und die mit ihr zusammenhängenden Institutionen und Akteure. Sie grenzt sich von modernisierungstheoretischen Ansätzen ab, die die ungleiche ökonomische Entwicklung in den verschiedenen Regionen der Erde vor allem auf kulturelle Unterschiede zurückführen. Die Welt-System Analyse betont dagegen die ökonomischen Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse bei der Erklärung der globalen Ungleichheiten. (Red.)
[1] In der deutschen Literatur wird meist der Begriff der “Profitklemme” für „profit-squeeze“ verwendet.
[2] Seitdem die neue Weltwirtschaftskrise die Widersprüche des Kapitalismus offen gelegt hat, wettern viele, die vormals ideologische Vorkämpfer der Deregulierung der Finanzmärkte waren, gegen den „Casino-Kapitalismus” ohne dabei ihre früheren Positionen einer kritischen Prüfung zu unterziehen (Sinn, 2009). Wallerstein muss zugute gehalten werden, dass er die These vom Zusammenbruch des kapitalistischen Welt-Systems bereits Ende der 1990er und Anfang des 21. Jahrhunderts formulierte, also zu einer Zeit, als der Kapitalismus in zahlreichen G7 Staaten noch prosperierte, der Triumph über den Sowjet-Kommunismus gefeiert wurde und sich kaum jemand traute, ein baldiges Ende des Kapitalismus zu prognostizieren.