Nicht die bekannteste, wohl aber die am häufigsten fehlinterpretierte Schrift von Karl Marx ist seine im Spätherbst 1843 im Pariser Exil geschriebene und im Frühjahr 1844 in den von ihm und Arnold Ruge herausgegebenen Deutsch-Französischen Jahrbüchern publizierte Doppelrezension „Zur Judenfrage“. Sie ist handschriftlich nicht überliefert, wurde aber häufig, auch annotiert, nachgedruckt.[1]
Vor allem wegen ihres letzten Satzes: „Die gesellschaftliche Emanzipation des Juden ist die Emanzipation der Gesellschaft vom Judentum“ ist in diese Abhandlung antisemitisches Gedankengut hineingedeutet worden, obwohl doch der verbrecherische „Antisemitismus“ (anders als der Antijudaismus) erst während Marxens letzten Lebensjahren konzipiert wurde, und obwohl Marx selbst, als ein Deutscher jüdischer Herkunft, mütterlicher- wie väterlicherseits Geschlechtern von Rabbinern entstammte, und obwohl doch, drittens, der inkriminierte Satz ohne Bedeutungsverkehrung auch hätte lauten können: Die gesellschaftliche Emanzipation des Christen ist die Emanzipation der Gesellschaft vom Christentum.[2]
Und wegen ihrer angeblichen Gesamttendenz hat Marxens „Zur Judenfrage“ außerdem als Beleg für die von Sachkunde nicht getrübte Unterstellung herhalten müssen, daß ihr Autor von Beginn an als Antipode von Bürger- und von Menschenrechten agiert habe. Ausgerechnet derjenige, über den wegen dieser Rezensionsabhandlung und seinen anderen beiden Beiträgen in den von Preußens Innenminister am 16. April 1844 für verbrecherisch erklärten Deutsch-Französischen Jahrbüchern eine Verhaftung unter Beschlagnahme seiner Papiere verfügt wurde (sofern man ihn denn erwischte), sollte sich in eben dieser Abhandlung verächtlich über die Bürgerrechte geäußert haben? Ausgerechnet einem von Preußens Permanenzzensur geknebelten, von Bürgerrechten ohnehin ausgeschlossenen politischen Flüchtling, einem nahezu lebenslänglich mittels steckbrieflicher Suchaktionen, Beschlagnahmungen, Überwachungen, Ausweisungen und Aufenthaltsverboten polizeilich und justiziell Verfolgten, einem zudem von einer seinem Genie gemäßen Universitätskarriere durch Gesetz und Recht ausgeschlossenen Juden,[3] sollte die Menschenrechtsidee fremd geblieben sein? Ausgerechnet derjenige, der von seinen frühesten Publikationen an so leidenschaftlich wie wortgewaltig für Pressefreiheit und Gesetzlichkeit, für Forschungs-, Lehr- und Bewegungsfreiheit, für Gewissens-, Religions- und Assoziationsfreiheit gestritten hatte, sollte ein Verächter eben dieser und der anderen Freiheitsrechte gewesen sein?
Lassen wir uns nicht täuschen: Anschuldigungen solcher Art und Güte sind kaum einer Unkenntnis von Quellentexten geschuldet; sie sind politisch motiviert. Unter dem Vorwand, Marx sei für den Gulag verantwortlich, möchte man die genuine Gegentheorie zum Kapitalismus entsorgen, diesem immer noch furchtbar-fruchtbaren Schoß. Interessen widerlegen indes Erkenntnisse nicht, wie sie auch keine zu beweisen vermögen.
Der Kerngedanke der „Judenfrage“
Die Entstehungs- und die Wirkungs- (einschließlich der Interpretations-) Geschichte der Deutsch-Französischen Jahrbücher, in denen der fünfundzwanzigjährige Marx erstmals unter seinem eigenen Namen publizierte, ist vielfach erörtert worden.[4] Daher soll hier lediglich der Kerngedanke seiner „Judenfrage“ herausgeschält werden, um dann dessen ungebrochene Gegenwartsbedeutung zu belegen. Dabei handelt es sich mitnichten um die Judenfrage im religiösen oder ethnischen Sinne des Wortes, sondern um eine Befreiungstheorie fundamentalerer Art: die evolutionären und revolutionären, die politischen und die sozialen Emanzipationsbewegungen in der Neuzeit (in die auch die „Judenfrage“ eingebettet ist). Da zu den wesentlichen Momenten dieses Fortschrittswegs der Menschheit dessen rechtliche Reflektion und Konstitution gehört, hatte Marx juristische Texte in den Kontext der Geschichte zu stellen. Man könnte von einer – dank Hegel – dialektischen, aber auch von einer – dank Feuerbach – materialistischen Hermeneutik sprechen, die Marx sich da aufgebürdet hat. Die heutigen Hermeneutiker mit ihren Vorurteilselogen haben für derlei Vorgänge weder Interesse noch ein Organ.
Als normatives Material für seine Argumentation dienten Marx die Menschen- und Bürgerrechtserklärungen aus den Verfassungen der beiden Neuenglandstaaten (der späteren USA) Pennsylvania und New Hampshire von 1776 bzw. 1784 sowie aus den drei Revolutionsverfassungen Frankreichs von 1791, 1793 und 1795, die er allesamt aus einer in seinem Besitz befindlichen französischsprachigen Kollektion von 1821 zitierte.[5] Während ihrem Selbstverständnis, jedenfalls ihrem Wortlaut nach die „Rights of the Inhabitants of the State of Pennsylvania“ von 1776 ebenso wie die „Droits de l’homme et du citoyen du peuple français“ von 1789 als allen Menschen seit je angeborene, unveränderliche, unveräußerliche, ja heilige Rechte auf Gleichheit, Freiheit, Sicherheit und Eigentum firmierten, deren Unkenntnis oder Mißachtung die Ungerechtigkeiten in der Welt verursacht hätten, bestand mit seinen Vordenkern Marx darauf, daß égalité, liberté, sûreté und propriété keine Geschenke Gottes oder der Natur seien, keine Mitgift der bisherigen Geschichte an die heute Lebenden. Sie seien durch opferreiche Kämpfe der Unteren gegen die Oberen erkämpft worden, und fortdauernd gefährdet seien sie überdies.
Doch nicht in solchen Erkenntnissen besteht das eigentliche Verdienst von Marx. Seine Unterscheidung zwischen den Bürger- und den Menschenrechten weist nämlich in eine andere Dimension: Während seiner Meinung nach die droits du citoyen die Rechtsstellung des vom Untertanen zum Staatsbürger Avancierten, also die politische, die bloß partielle Emanzipation normierten, prätendierten zwar die droits de l’homme, die menschliche, die universale Emanzipation festzuschreiben, tatsächlich aber fixierten sie nur die Rechtsstellung des Mitglieds der bürgerlichen Gesellschaft; diese bürgerliche Gesellschaft aber sei weniger ein Miteinander denn ein Gegeneinander, sei als Kampf aller gegen alle keine Gemeinschaft, und daher konstituierten und reflektierten diese droits de l’homme ungeachtet ihres entgegengesetzten Anspruchs keine menschenwürdige, sondern nur eine bourgeoiswürdige, eben eine bürgerliche Gesellschaft. In dieser vom Eigentum an den Produktionsmitteln dominierten Gesellschaft aber sei die praktische Nutzanwendung des Menschenrechtes der Freiheit nichts anderes als das Menschenrecht des Privateigentums. Die Anerkennung der droits de l’homme durch den modernen Staat entspreche der Anerkennung der Sklaverei durch den antiken Staat. Und so wie die Naturbasis des antiken Staates die Sklaverei ist, so sei die Naturbasis des modernen Staates die auf dem Privateigentum beruhende und nur durch die eigennützigen Privatinteressen ihrer Mitglieder zusammengehaltene bürgerliche Gesellschaft. Ebenso wie die apostolische Verheißung, daß, wer als Sklave berufen ist im Herrn, ein Freigelassener im Herrn sei (Korinther VII, 22), oder wie der schillernde Überschwang von dem auch als Sklave frei geborenen Menschen, sei auch die hehre Idee, daß die Beachtung der droits de l’homme auch in der bürgerlichen, der Bourgeois-Gesellschaft eines jeden Menschen vollumfängliche Freiheit garantiere, spiritualistischer Natur; denn diese Gesellschaft lasse doch jeden Menschen im anderen Menschen nicht die Verwirklichung seiner Freiheit, sondern nur deren Schranke finden. Da insofern die bürgerliche Gesellschaft die Karikatur eines wirklichen Gemeinwesens ist, seien auch die grundlegenden Rechte der Mitglieder dieser Gesellschaft nur sogenannte Menschenrechte. [6]
Der Unmißverständlichkeit halber: Marx war zu keiner Zeit ein Gegner von Menschenrechten, wohl aber zu jeder Zeit dagegen, mit dem Verfassungsvokabular der bürgerlichen Gesellschaft einen der Natur dieser Gesellschaft widersprechenden Regelungsgehalt vorzutäuschen. Die guten Absichten der Revolutionäre von 1776 und 1789 halten den Einsichten des Ideologiekritikers nicht stand. Aufklärer, wie Marx einer ist, sind nun einmal keine Verklärer.
Marxens Fundamentalkritik
Seine Fundamentalkritik an den Menschen- und Bürgerrechtserklärungen aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zielte in zweierlei Richtung:
Zum einen proklamierte sie das Scheitern jener durch die Revolutionspraxis in Nordamerika und Frankreich Gestalt gewordenen Aufklärungstheorie von einem durch die übereinstimmenden Interessen aller Menschen ermöglichten covenant of every man with every man, das den bellum omnium contra omnes des Naturzustandes in einen als Gemeinwesen erlebbaren Gesellschaftszustand überführen werde.[7] Als ein in diesem Sinne Common-Wealth erwies sich die civil society nicht! Anfangend mit Artikel 1 der Virginia Bill of Rights von 1776 und Artikel 17 von Frankreichs Déclaration des droits de l’homme et du citoyen von 1789 gehört nämlich zum Paragraphenbestand der für die bürgerliche Gesellschaft charakteristischen Menschen- und Bürgerrechtserklärungen die Garantie privatisierter Eigentumsverhältnisse. Die Vergesellschaftung der ökonomischen Macht findet sich auf der Traktandenliste bürgerlicher Staatsverfassungen nicht. Und damit sind auch der Vergesellschaftung der politischen wie der medialen Macht grundlegende Grenzen gesetzt. Vergesellschaftung ist übrigens nur ein anderes Wort für Demokratisierung!
Zum anderen wollte Marx mit seiner Kritik die frühe Arbeiterbewegung desillusionieren. Wie sich aus den jeweiligen Artikeln 3 der Statuten des „Bundes der Geächteten“ von 1834 und des „Bundes der Gerechten“ von 1838 ergibt, waren nämlich die Vorläufer des späteren „Bundes der Kommunisten“ der Ansicht, daß die bürgerlich-revolutionären Menschenrechtserklärungen bereits das genuine Programm für einen Sozialismus, einen Kommunismus gar, enthalte. Dieser seines Erachtens Fehlorientierung setzte Marx nun die Erkenntnis entgegen, daß es unmöglich sei, die Gesellschaft auf einer Basis revolutionieren zu wollen, die selbst nur der verschönerte Schatten dieser Gesellschaft ist.[8] Um mit der Ausbeutung, Unterdrückung und Verdummung des Menschen durch den Menschen radikal zu brechen, mit dessen Unterordnung unter ihm unbekannte Sachgesetzlichkeiten, bedürfe es einer allseitig menschlichen, d.h. einer nicht nur politischen, sondern auch sozialen und geistigen Emanzipation. Ihre gestaltende Kraft aber finde die ihrer – so im gewollten Anklang an eine Formulierung Hegels – „Entmenschung bewußte und darum sich selbst aufhebende Entmenschung“ im Proletariat.[9] – Übrigens: während Marx die in der Gleichsetzung von menschlicher Emanzipation und Aufhebung des Privateigentums gipfelnden Unterscheidung zwischen den Menschen- und den Bürgerrechten konzipierte, nahm er an den Versammlungen der deutschen und französischen Arbeiter in Paris teil und wohnte in der Rue Vaneau, Faubourg Saint-Germain, im gleichen Haus wie das Mitglied des „Bundes der Gerechten“, der Lehrer und Schriftsteller German Mäurer (1815-1885), der später auch für den „Bund der Kommunisten“ wirkte.[10]
Mit seiner von ihm 1844 publizierten Unterscheidung zwischen den Bürgerrechten und den Menschenrechten, zwischen der politischen und der menschlichen Emanzipation hatte Marx den Grundstein für alle seine späteren Erörterungen zu dieser Thematik gelegt. Und diese Marxsche Menschenrechtskonzeption hat sich bis in die Gegenwart als richtig erwiesen, auch wenn sie in ihren historischen Einzelheiten zum Teil überholt sein mag.[11]
Privilegien vererben sich von Generation auf Generation; des Menschen Freiheiten aber nicht; nur derjenige verdient sie sich, der sie täglich neu erobert, heißt es. Gefährdet sind sie eigentlich immer. Grenzen doch die Menschen- und Bürgerrechte die individuelle und die öffentliche Gewalt voneinander ab. Sie limitieren (und negieren insofern!) das Gewaltmonopol des Staates. Und umstritten waren sie von Anfang an auch. Ihre Parteigänger hatten sie mit aufgeklärtem Enthusiasmus als „principles of reason in contradiction to the maxims of oppression“ gefeiert, als Legitimationsgrundlage einer gerechten Gesellschaftsordnung.[12] Die Apologeten der Machthaber hingegen hatten gewarnt: ein Staat, der jene aus den Gedankensystemen der Philosophen geformten Menschen- und Bürgerrechte als verbindlich deklariere, bewaffne die Untertanen gegen sich selbst, denn längst habe der Pöbel aus ihnen Mordgewehre geschmiedet.[13]
Die Illusionäre wie die Reaktionäre haben sich geirrt. Nüchtern gesehen gibt es nämlich gar keine Rechte, die einem/einer jeden an allen Orten und zu allen Zeiten zugestanden haben, zustehen und zustehen werden. Im genetischen Code des Menschen sind sie nicht vorgesehen. Sie sind das Produkt der Gesellschaft auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung. Wie der Inhalt der Menschenrechtserklärungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts nicht ohne Aufklärungsphilosophie denkbar ist, so ist ohne die revolutionären Ereignisse in Nordamerika und Frankreich ihre Verbindlichkeit nicht erklärbar. Und ohne den grundlegenden Widerspruch zwischen der politischen Macht und ökonomischen Ohnmacht des Adels auf der einen Seite und auf der anderen Seite der ökonomischen Macht und politischen Ohnmacht des Bürgertums hätte der ganze Gesellschaftsfortschritt samt Menschen- und Bürgerrechten gar nicht stattgefunden. Verabsolutiert aber, im Raum- und Zeitlosen angesiedelt, sind Menschen- und Bürgerrechte im günstigeren Falle Selbstbetrug, sonst aber Fremdbetrug.
Gescheitertes Gesellschaftsprogramm
Um es aus der ernüchternden Sicht von heute auf den Punkt zu bringen: Das den Menschen- und Bürgerrechtserklärungen des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts immanente Gesellschaftsprogramm einer über die politische Emanzipation hinausgehenden universalen Emanzipation ist gescheitert! Die Voraussage von Thomas Paine, daß „by the simple operation of constructing Government on the principles of human rights every difficulty retires, and all the parts [of society] are brought into cordial union; there the poor are not oppressed and the rich are not priviledged”,[14] hat sich als Illusion erwiesen. So ist auch die bürgerliche Weltgesellschaft von heute nicht der Ort menschenwürdiger Verhältnisse. Wo er recht hat, hat Adorno recht: wie es kein richtiges Leben im falschen Leben (es sei denn in der Opposition zu diesem! – HK) gibt, gibt es keine individuelle Emanzipation ohne die der Gesellschaft.[15] Ungeachtet ihrer partiellen Progressivität ist allen Menschen- und Bürgerrechtserklärungen bis hin zu deren neuester Variante in dem am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichneten – glücklicher Weise bisher Entwurf gebliebenen – Vertrag über eine Verfassung für Europa (Teil II, Art. 61-114: „Die Charta der Grundrechte der Union“) ein normativer Etikettenschwindel eingewoben.[16]
Damit ist nicht etwa einer Relativierung der Bürgerrechte das Wort geredet. Eher im Gegenteil. Allerdings wird vor trügerischen Hoffnungen gewarnt, die sich noch immer an die Deklarierung der Bürgerrechte als Menschenrechte knüpften, und es werden deren permanente Gefährdungen auf ihre Ursachen befragt. Man weiß doch seit Machiavelli, daß zugrunde geht, wer unter unmoralisch handelnden Menschen moralisch handelt.[17] Wer aber geht zugrunde, wenn die Herrschenden amoralisch handeln? Wenn die sich als christlich bezeichnenden Regierungen unchristlich regieren? Wenn die sich als sozialdemokratisch ausgebenden Mitregierenden unsozial agieren? Wenn die sich gegen Kernkraftanlagen aufplusternden Grünen die Atomwaffen im eigenen Lande tolerieren? (Zu den Linken komme ich noch.)
Wer geht, weiter gefragt, zugrunde, wenn die seit fünfzehn Jahren einzige Supermacht den Lebensraum aller anderen Völker in den übrigen 192 Staaten dieser Erde für ihre Homeland-Security beansprucht und Präventivkriege zu führen als ihr ureigenes, auf dem ganzen Globus geltendes, dem Völkerrecht übergeordnetes US-Recht? Und wer, wenn sich an diesen Staatsterrorismen „unsere“ BRD als mehr oder weniger williger Vasall direkt und indirekt beteiligt? Es bleiben neben den durch das Militär in anderen Ländern Ermordeten, zumeist Zivilisten, auch die Bürgerrechte im eigenen Land auf der Strecke. Deren Verletzungen und partielle Außerkraftsetzung drohen als innerstaatliche Kollateralschäden zwischenstaatlicher Kriegführung in Kauf genommen zu werden, als Peanuts der Rechts- und Unrechtsgeschichte.
Sechs Wochen nach den im September 2001 von keinem anderen Staat aus, sondern innerhalb der USA selbst gestarteten Terrorflügen in die Zwillingstürme von Manhattan billigte der USA-Kongreß mit überwältigender Mehrheit doch nahezu ohne Debatte und in verbreiteter Unkenntnis der juristischen Details das insgeheim vom Justizministerium vorbereitete Patrioten-Gesetz, ein 342-Seiten-Dokument von mehr als eintausend Paragraphen, mit dem auch und vor allem die Bürgerrechte und Bürgerfreiheiten der USA-Verfassung eingeschränkt wurden.[18] Noam Chomsky zitierte in diesem Zusammenhang Benjamin Franklin: „Diejenigen, die wesentliche Freiheiten aufgeben, um sich damit vorübergehend ein wenig Sicherheit zu erkaufen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit.“
Staatsterrorismus versus Völkerrecht
Nun ist der diesem Patriot Act zugrunde liegende Global War on Terror (GWOT), der die Bürger der USA bisher mehr als dreihundert Milliarden Dollar und an die zweitausend Tote (ungezählt Tausenden Afghanen und Irakern das Leben) gekostet hat und mit dessen Hilfe die Welt als Empire der USA in Haft genommen wird, ein von George Dabbeljuh unerklärter Krieg. Denn einen Krieg zu erklären, ist laut Artikel 1 Abschnitt 8 der USA-Verfassung nämlich nur der Kongreß (also Senat plus Repräsentantenhaus) berechtigt. Aber der von 2001 bis 2003 im Justizministerium arbeitende, nun in Berkeley lehrende Juristenprofessor John Yoo hat gelehrte Abhilfe geschaffen: Zwar dürfe der USA-Präsident keinen Krieg erklären, aber beginnen dürfe er ihn aus eigenem Entschluß („to declare war“ sei schließlich etwas anderes als „to commence a war“). Und in einem begonnenen Krieg habe der Präsident im Interesse der USA absolute Handlungsfreiheit: er allein verfüge über die einseitige Amtsgewalt, völkerrechtliche Verträge und Abkommen zu interpretieren, zu kündigen und nach Belieben zu verletzen [„to violate international treaties at will“!]; auch wenn die USA einen Vertrag unterzeichnet und ratifiziert haben, der das Foltern unter allen Umständen verbietet, und der Kongreß ein jenem Vertrag gemäßes Gesetz verabschiedet hat, wonach das Foltern ohne jede Ausnahme verboten ist, könne weder das Verfassungs- noch das Völkerrecht den Präsidenten daran hindern, in Kriegszeiten Folterungen anzuordnen.[19] Ist es unter solchen Rahmenbedingungen ein Wunder, wenn von durchaus ernst zu nehmender Seite das Völkerrecht nicht als ein möglicher Gegenpol zu Gewalt und Imperialismus, sondern bloß als deren Reflex und Instrument begriffen, und der Rechtsstaat von heute mit der „chaotic and bloody world around us“ gleichgesetzt und daher nur noch verachtet und verrissen wird?[20]
Gegen einen Staatspräsidenten, der die von ihm geführten Angriffskriege, in deren Verlauf sich das Foltern in Guantánamo, Abu Ghraib und sonstwo als Geschäftsgrundlage weltweiter Präventivkriege „gegen das Böse“ herausstellt, mit einem pauschalen „we are a nation under God“ rechtfertigt, richten religiöse Argumente nichts aus: Glauben widerlegt Glauben nicht. Auch dürfte es zwar richtig, doch ziemlich risiko- und folgenlos, also billig sein, von Deutschland aus auf die Völkerrechtswidrigkeit der USA-Politiker zu verweisen, für ihren eigenen Staat den Rang einer Weltregierung zu beanspruchen.[21] Global domination und global leadership sind nur verschiedene Ausdrücke ein und derselben Anmaßung. Als deutscher Staatsbürger ist man aber zuallererst verpflichtet, gegen des eigenen Staates Mitläufertum, also Mitschuld zu protestieren. Wurde wenigstens von der BRD die Amtsenthebung des Außenkommissars der EU, des Herrn Solana, betrieben, als der aber auch gar nichts gegen die völkerrechtswidrige Kriegsbeteiligung von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Großbritannien, Italien und Polen im Irak unternahm? Wo sind denn „unserer“ Regierung Sanktionen gegen die von der USA betriebenen Substitution des Rule of law durch eine Shoot-to-kill-policy oder der gerichtsförmigen Strafverfolgungen durch jahrelange Käfighaltung (incommunicado!) Verdächtiger, geblieben? „We appreciate the US leadership“ ließ Deutschlands gewesener Außenminister vernehmen; sein eigentlich auf die Landesverteidigung vereidigter Kollege rechtfertigte auf Kosten der steuerzahlenden Bürger ein militantes Engagement der mit achthundert Milliarden € Schulden eigentlich konkursreifen Bundesrepublik zwar nicht von der Maas bis an die Memel, wohl aber bis zum Hindukusch; der jetzige Innenminister rechtfertigte die gesetzwidrige Verwertung der aus Verdächtigen herausgefolterten Aussagen durch deutsche Gerichte, womit er diesen das moralische Niveau von CIA-Folterknechten zumutete; die Bundeskanzlerin gar fühlt sich bemüßigt, mit dem völkerrechtswidrigen Einsatz atomarer Waffen zu drohen.
Wenn die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufgehoben werden, wird „ganz nebenbei“ die grundgesetzlich gebotene Trennung von polizeilichen und militärischen Aufgaben verabschiedet. So hat das am 15. Januar 2005 in Kraft getretene Luftsicherheitsgesetz in seinem § 14 Absatz 3 dem Bundesverteidigungsminister die Befugnis zum finalen Rettungsabschuß eines Flugzeuges erteilt, sofern er annimmt, daß dieses Flugzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll. Damit mutiert das Recht des Bürgers auf „Leben und körperliche Unversehrtheit“ (Grundgesetz, Art. 2) zur Pflicht des Bürgers, sein eigenes Leben zu opfern, wenn es der Verteidigungsminister so will.[22]
Daß die innerstaatliche wie die zwischenstaatliche Gewaltanwendung nicht auf einer Selbstmandatierung der Gewaltanwender beruhen, sondern nur nach dem Maß geltender Rechtsnormen erfolgen darf, gehört zum harten Kern jeder Rechtsstaatlichkeit und jedes Rule-of-law-Reglements. Selbstmandatierung von Gewalt, Faustrecht also, ist nicht Recht, sondern Bruch des Rechts. Wie die innerstaatliche, so läßt sich auch die zwischenstaatliche Lynchjustiz nur als Unrecht universalisieren, als Verbrechen oder Kriegsverbrechen.
Foltern im Rechtsstaat?
Zu der Frage, ob der Staat als Gewalthaber mutmaßliche Terroristen mit terroristischen Methoden bekämpfen, ob er anstelle eines rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens durch sein Militär eine Shoot-to-kill-policy betreiben, durch seine Justiz die Todesstrafe verhängen oder durch seine Polizei die Folter anwenden dürfe (oder unter bestimmten Voraussetzungen sogar müsse), hat fast jeder eine zuweilen mit Inbrunst vertretene, von Medien gefütterte und – machen wir uns nichts vor – durch deren konzertiertes Vorgehen nahezu beliebig zu lenkende Meinung. Mußte doch sogar der spätere Fraktionsvorsitzende der Linken Bundestagsfraktion von der Humanistischen Union gerüffelt werden, weil er in einem konkreten Fall die strikte Beachtung des Folterverbots für formal, weil unsittlich erklärt hatte.[23] Von einem Juristen wird man allerdings ein von Vorurteilen freies Urteil, eine weniger auf seinem Rechtsgefühl als auf seinem Rechtswissen beruhende Antwort erwarten dürfen. Denn daß die Grenzen zwischen demagogischer Rhetorik und argumentierender Rede fließend sind, wenn man das Gerechtigkeitsgefühl als Begründung für Behauptungen und Forderungen gelten läßt, ist kaum zu bestreiten. Freilich auch, daß Vorurteile gegen Urteile resistenter zu sein pflegen, als es den Aufklärern lieb ist.
Jedenfalls wird sich der einem aufgetretenem Rechtsproblem befragte Jurist als Jurist (und nicht bloß als homo politicus) zunächst der einschlägigen Gesetzeslage und Judikatur vergewissern. Was, um hier darauf abzustellen, die Frage anlangt, ob die Androhung der Folter durch einen Polizeibeamten gegen einen Entführer als mögliches Mittel zur Aussageerzwingung über das Versteck des Entführten rechtmäßig ist, wird er also zu Rate ziehen: die Universal Declaration of Human Rights der Vereinten Nationen von 1948 (Art. 5: Niemand darf der Folter oder grausamer oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden); Grundgesetz der BRD von 1949 (Art. 2: Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit); [Europäische] Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 (Art. 3, 15: Unter keinen Umständen darf jemand gefoltert werden); Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 (Art. 7: Niemand darf der Folter unterworfen werden) [Internationales] Übereinkommen gegen Folter von 1984 (Art. 2: Selbst außergewöhnliche Umstände dürfen nicht als Rechtfertigung für Foltern geltend gemacht werden); [Deutsche] Strafprozeßordnung von1877/1987 (§ 136a: Die Mißhandlung eines Beschuldigten oder deren Androhung zählt zu den verbotenen Vernehmungsmethoden); [Deutsches] Strafgesetzbuch von 1971/1998 (§ 343: Wer als Amtsträger zur Mitwirkung an einem Strafverfahren berufen ist und gegen einen anderen Gewalt anwendet, ihm Gewalt androht oder ihn seelisch quält, um ihn zu nötigen, in dem Verfahren etwas auszusagen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft).
Der Nichtjurist wird sich angesichts der so eindeutig wie nur möglich scheinenden Gesetzeslage wundern, daß gleichwohl auch unter deutschen Juristen ein Meinungsstreit über die Rechtmäßigkeit des Folterns durch Amtsträger des bundesdeutschen Staates ausgebrochen ist. Einige der durch den (inzwischen gerichtlich entschiedenen) Fall des Frankfurter Ex-Polizeivizepräsidenten Daschner, der im Oktober 2002 den einer Entführung Verdächtigen mit Schmerzen, die er noch nie zuvor gespürt habe sowie mit sexuellem Mißbrauch durch zwei Neger (!) bedrohen ließ, um den Aufenthaltsort des Entführten zu erfahren,[24] motivierten Universitätsprofessoren für Rechtsphilosophie, Verfassungs- und Strafrecht haben das staatliche Foltern (§ 340 StGB: Körperverletzung im Amt!) zumindest dann für gerechtfertigt erklärt, wenn es sich um eine lebensrettende Aussagenerzwingung handelt. In solchen Fällen dürfe der Staat foltern, er müsse es sogar tun, und darauf hätten die Opfer einen Rechtsanspruch; solch eine Relativierung der national wie international absoluten, sogar notstandsfest und mit der Unveränderbarkeitsgarantie von Art. 79 Absatz 3 des Grundgesetzes versehenen Folterverbote könne entweder explizit durch Gesetzesänderung oder implizit durch Gesetzesinterpretation erreicht werden.[25]
Bei solch einem kaum kaschierten Tabubruch hätte man schon erwarten dürfen, daß die Rechtsgelehrten Fragen folgender Art wenigstens aufgeworfen hätten: Welches sind die gesellschaftlichen Ursachen und Folgen der Folterpraktiken in der Welt von heute? Wer sollte torture warrants erteilen dürfen? In welch festgelegter Reihenfolge und bis an welche Grenze müßte die polizeiliche Schmerzzufügung gesetzlich angedroht werden, damit sie noch als rechtsstaatlich gilt? Ob Frauen nur von Frauen gefoltert werden dürfen, Muslime nur von Muslimen, Christen nur von Christen, und sollte ein Geistlicher dabei sein? Sind die Lehrbücher zu veröffentlichen, nach denen die Foltervollzugsbeamten der deutschen Polizei ausgebildet werden? Genügte eine Neuauflage jener der Constitutio Criminalis Theresiana von 1768 beigegebenen schaurig-schönen Kupfertafeln als bebildert-penible Gebrauchsanweisung zur fachgerechten territio realis? Womit sollten die irrtümlich (vielleicht sogar wahnsinnig gewordenen) Gefolterten entschädigt werden: Auge um Auge, Zahn um Zahn?
Als argumentatives Einfallstor für die Relativierung des Absoluten in Gestalt der limitierten Legitimierung staatlichen Folterns dient ausgerechnet der einer (unverbindlichen) Präambel folgende Anfangssatz des höchstverbindlichen deutschen Gesetzes, des BRD-Grundgesetzes, der da lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Dieses „pathetische Postulat“ findet sich auch in der Universal Declaration of Human Rights von 1948 (Art. 1), im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 (Art. 10), im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom gleichen Jahr (Art. 13), ebenso wie in der Amerikanischen Menschenrechtskonvention von 1969 (Art. 11), sowie in den Präambeln der Afrikanischen Charta der Menschenrechte von 1981 und der Arabischen Charta der Menschenrechte von 1994.
Je fundamentaler aber ein Rechtsbegriff ist – und die Menschenwürde beansprucht, der allerhöchste Wert zu sein – desto weniger ergiebig ist seine dogmatische Deutung. Und desto aussichtsloser ist es, ihn gegen seine Begründungs- und Wirkungszusammenhänge zu immunisieren, in die er gestellt und von denen her er zu interpretieren ist. Dem werden selbst jene Hermeneutiker kaum widersprechen, die in der Kunst bewandert sind, wie man aus Texten das herausliest, was gar nicht drinsteht. Auch begnadete Philologen mögen noch so belesen an den Vokabeln herumdeuteln – ohne eine Berücksichtigung auch philosophischer und soziologischer Fragestellungen lassen sich die verfassungsrechtlich relevanten sogenannten hard cases, die unter interpretierenden und judizierenden Juristen heiß umstrittenen Individual- und Sozialkonflikte, nicht klären. Wie eben das Ge- oder Verbot der Folter, oder, um die Praxisrelevanz des Würde-Begriffs auszuweiten, die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des reproduktiven Klonens, der Abtreibung einer Leibesfrucht, der Gentherapie, der Gentechnologie, der heterologen Insemination, der Präimplantationsdiagnostik, der In-vitro-Fertilisation, des Embryotransfers, der Zwangssterilisation oder der aktiven Sterbehilfe. Bei der Erörterung und Beantwortung solcher und vergleichbarer Probleme im Rahmen von Gesetzgebung und Rechtsprechung spielt das Menschenwürde-Argument die rechtsrelevante letzte Rolle.[26]
Unantastbarkeit der Menschenwürde
Die Bedeutung der Unantastbarkeitsbehauptung der Menschenwürde ist allerdings unter Juristen extrem umstritten. Im Ergebnis sorgfältigster Textanalysen verfassungsrechtlicher Judikatur ist sogar die Meinung vertreten worden, daß es sinnlos sei, aus der grundgesetzlichen Unantastbarkeitsbehauptung der Menschenwürde (der immerhin zugestanden wird, daß sie sich durch „rhetorische Musikalität“ auszeichne) mittels logischer Regeln andere Sätze von normativer Qualität ableiten zu wollen.[27] Nach welchen Regeln sonst? Nach unlogischen? Unlogik und Irrationalismus haben ihre gemeinsame Heimat nicht im Wissens-, sondern im Nichtwissens-, im Offenbarungsbereich, dort also, wo das credo quia absurdum seine Zeloten findet und Vorurteile sich gegenüber Urteilen als widerlegungsfest erweisen. Ein Vorverständnis, das nicht bereit ist, dem Verständnis Platz zu machen, hört auf, eine Phase auf dem argen Weg menschlicher Erkenntnis zu sein; sie ist zu deren Hemmnis geworden.
Andere, nicht weniger respektable Juristen haben den Satz, daß die Würde des Menschen unantastbar sei, allerdings in entgegengesetzter Richtung gedeutet. Er sei zwar deskriptiv formuliert, aber präskriptiv gemeint, und seine Grundlage finde er im Christentum.[28] Bedenkt man den Stellenwert der Folterpraxis des offiziellen Christentums im Mittelalter,[29] kommt man über das Verdrängungspotential redlicher Juristenprofessoren ins Grübeln. Vor allem aber: Wenn der fundamentalste Satz des BRD-Grundgesetzes nur christlich begründbar wäre, dann hätte das demokratienegierende Konsequenzen. Die alleinige Fundierung der Menschenwürde im Christentum zu respektieren oder zu negieren, ist in einem Staat, in dem viele Millionen seiner Bürger keine Christen sind, nicht nur von theologischer und philosophiehistorischer, sondern auch von politischer Bedeutung. Mit einem ins Verfassungsrecht zielenden Alleinseligmachungsanspruch der einen Religion wird eine Unterwerfung der an andere (oder keine) Religionen Glaubenden erwartet. Es wird Intoleranz gesät. Man diskreditiert nicht gesellschaftlich folgenlos eine Minderheit, sei sie ethnisch, weltanschaulich oder religiös definiert. Wäre nämlich in Deutschland die Menschenwürde wirklich ein Säkularisat christlicher Glaubenssätze, dann gäbe es für die hier als Bürger oder Bewohner lebenden Juden, Muslime, Buddhisten oder gar Atheisten keinen von ihnen als verpflichtend empfundenen Zugang zu den wichtigsten ihrer Rechte, denn – so das Bundesverfassungsgericht in Entscheidungen aus den Jahren 1970 und 1995 – „die Menschenwürde [ist die] Wurzel aller Grundrechte“ und gehört zu den „tragenden Konstitutionsprinzipien, die alle Bestimmungen des Grundgesetzes durchdringen“.[30] Die Nichtchristen wären dann auch ungeeignet, an der Entscheidung mitzuwirken, ob in einem umstrittenen Fall die Würde eines Menschen verletzt wurde oder worin die Tätigkeit des Staates zu bestehen habe, um die Menschenwürde der Bürger und Bewohner des Staates zu sichern.
Aber ist die Würde des Menschen wirklich unantastbar? Wenn das so sein würde („würde“ ist ein Modus der Irrealität, wenn auch der Potentialität), dann wäre die ganze Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrechten und Menschenwürde überflüssig! Was unantastbar ist, braucht nicht vor Antastungen geschützt, vor ihnen braucht nicht einmal gewarnt zu werden. Auch hieran zeigt sich, wie sehr die Subordinierung der Grundrechte unter Grundwerte die Rechtssicherheit gefährdet. Weder ist die Klassengesellschaft eine Wertegemeinschaft noch sind die Vereinten Nationen eine Staatengemeinschaft. Für die einen ruhen alle Hoffnungen in den Widersprüchen, an deren Vertuschung die anderen interessiert sind. Überflüssig hier zu sagen, wer die einen und wer die anderen sind.
Generell ließe sich nicht sagen, unter welchen Umständen die Menschenwürde verletzt sei, räsonierte seinerzeit das mit partieller Gesetzgebungskompetenz versehene Bundesverfassungsgericht in einer seiner Entscheidungen.[31] Bisher hat dieses Gericht, um einen ganz anderen Anwendungsfall von verletzter Menschenwürde vorzubringen, die Arbeitslosigkeit nie als ein rechtsverletzendes Antasten der Menschenwürde gewertet. Dieser sei genüge getan, wenn der Staat seiner sich aus dem Sozialstaatsprinzip ergebenden Verpflichtung nachkomme, das „Existenzminimum“ zu gewährleisten; allerdings sei die Erkenntnis dessen, was das Gebot erfordert, die Menschenwürde jeweils zu achten, nicht von der historischen Entwicklung zu trennen, „da das Urteil darüber, was der Würde des Menschen entspricht, nur auf dem jetzigen Stande der Erkenntnis beruhen und keinen Anspruch auf zeitlose Gültigkeit erheben“ könne.[32] Offensichtlich kann sich ein als veränderungsfähig anerkannter Erkenntnisstand nicht nur auf ein sich veränderndes normatives Umfeld beziehen. Obwohl man zu fragen versucht ist, warum das höchste deutsche Gericht nicht einmal den rechtsrelevanten Sachverhalt in seine Überlegungen einbezogen hat, daß die BRD als Vertragsstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 das im Art. 6 enthaltene Recht auf Arbeit („right to work“) anerkannt und sich zu einer Politik der Vollbeschäftigung („policies to achieve full and productive employment“) verpflichtet hat? Und da § 1 des Sozialgesetzbuches I von 1975 dessen Aufgaben dahingehend festgelegt hat, daß es ein „menschenwürdiges Dasein“ sichern und „gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit“ schaffen solle, ist die Frage doch nicht abwegig, wieviel Jahre muß denn eigentlich ein perspektivlos Langzeitarbeitsloser sich mit seinem staatlich gewährten Existenzminimum begnügen, bis seine Würde als angetastet gilt, als angetastet von dem Staat, dessen Bürger er/sie ist, und der sich international verpflichte hat, eine Politik der Vollbeschäftigung mit dem Ziel zu betreiben, daß allen ein menschenwürdiges Dasein gesichert ist?
Das ist ja gerade die Crux der Weltgesellschaft von heute, daß die Mehrheit der Menschen in der Mehrheit der Staaten ausgebeutet, unterdrückt, erniedrigt, beleidigt und daran gehindert wird, ihre Menschenrechte zu verwirklichen. Oder wird die Würde der Verhungernden, der Gefolterten, der Obdach- und der Arbeitslosen, der von ethnischen Säuberungen Geopferten und jener Frauen, denen der Tschador oder die Circumcision aufgezwungen wird und jener Menschen die einem Bombenhagel oder targeted killings zum Opfer fallen, etwa nicht angetastet? Daß die Würde des Menschen nicht antastbar sei, ist eine Lüge, bei Gutmeinenden vielleicht eine fromme Lüge, aber das bessert’s auch nicht.
Das Modell einer grenzenlosen Freiheitsgewährung ist mit einem fundamentalen Geburtsfehler behaftet. Die Idee, daß sich auf dem „Marktplatz der Meinungen“ Wahrheit und Gerechtigkeit infolge der ihnen innewohnenden Überzeugungskraft zumindest iterativ durchsetzen, hat sich längst als Illusion erwiesen. Auf „herrschaftsfreie Dialoge“ als unerläßliche Voraussetzung von Demokratie setzen unter den Bedingungen einer realexistierenden Macht/Ohnmachtstruktur der Gesellschaft nur noch die Ideologen mit ihren interessebedingten Vorurteilen. Wo keine Zugangsgleichheit zu den Medien, geschweige denn eine Verfügungsgleichheit über sie besteht, gibt es keine „kommunikative Freiheit“ für jedermann. Auch möge man es einem Wissenschaftler nicht verdenken, wenn er sich weigert, den Sinn der Meinungsfreiheit in dem Recht eines jeden auf eine den Tatsachen widersprechende, eine frei erfundene oder gar eine erlogene Meinung zu interpretieren (wie das Recht auf Bildung als Recht auf Dummheit oder das Recht auf Arbeit als Recht auf Faulheit und das Recht auf Wohnung als Recht auf Obdachlosigkeit), obwohl es das alles im Grenzfall auch ist. Wer zum Kriterium von Freiheitsrechten das Recht auf Unfreiheit erklärt, hat schon begonnen, die Sklaverei zu tolerieren.[33]
Wenn die Reichen und Mächtigen dieser Erde die Globalisierung der American version of market capitalism dazu benutzen, die strukturellen Gewalten in der Weltgesellschaft von heute festzuschreiben, und damit die Ausbeutung der Armen und Machtlosen zu petrifizieren, könnten diese Armen und Machtlosen mit terroristischer Gegengewalt reagieren. Kein Zweifel, wer dafür die geschichtliche Verantwortung tragen würde. Wie heißt es doch bei dem bedeutendsten Marxisten deutscher Zunge des vorigen Jahrhunderts? „Wer den Hungernden kein Brot gibt / Der will die Gewalttat“.[34]
Sich an Emanzipationsbewegungen zu beteiligen, erfordert zuallererst, die Ursachen der bestehenden Macht/Ohnmacht-Struktur in der Welt von heute zu erkennen und das Verschleierungsvokabular realexistierender Ausbeutungs-, Unterdrückungs- und Manipulierungsvorgänge zu denunzieren. Wer hingegen die bürgerliche Gesellschaft nicht mehr als Struktur- und Entwicklungsform eines sich brutalisierenden Realkapitalismus zu erkennen wagt, der hat sich bereits zu ihrem Mitspieler gemausert.[35]
Libertäre und egalitäre Emanzipationsbewegungen nehmen ihren Ausgang von tatsächlichen Unfreiheiten, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Von Interessen und nicht von deren geistigem Reflex, den Werten oder irgendwelchen neuen Ideen. Die Gebresten der bürgerlichen Gesellschaft verstehen diejenigen nicht, der sie bloß als deren Entgleisungen begreifen. Die Armut rottet man nicht aus, wenn man den Armen lediglich hilft, etwas weniger arm zu sein; zumeist auf Kosten der noch Ärmeren, wenn nicht hier, dann in Übersee. Es gibt in der bürgerlichen Gesellschaft Formen einer sozialen Politik, deren Hintersinn darin besteht, einer unsozialen Gesellschaft das Fortexistieren zu ermöglichen.
Eine Partei, die sich mit den Bürgerrechten begnügt und die wirklichen Menschenrechte aus den Augen verliert, ist keine sozialistische, sie ist eine systemkonforme, dem Gesamtkapitalisten erklärter Weise nicht unwillkommene Partei. Wer sich in seinem Denken und Handeln innerhalb der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen von heute, den – um es offen zu sagen – Klassenkämpfen, auf die (natürlich höchsterforderliche) Wahrung der Bürgerrechte beschränkt, der verrät die Menschenrechte und läuft Gefahr, den Realkapitalismus zu perfektionieren, statt ihn zu unterminieren. Wenn eine linke Partei, statt ihre (natürlich höchsterforderliche) parlamentarische Oppositionstätigkeit in außerparlamentarische Oppositionsbewegungen einzubringen, sich auf ein Koalieren mit den für die gegenwärtige Macht/Ohnmachtstruktur der Gesellschaft verantwortlichen Regierungseliten kapriziert – als Juniorpartner, versteht sich –, dann läuft sie ungeachtet entgegengesetzter Beteuerungen Gefahr, den Realkapitalismus bloß noch als Helfershelfer zu komplettieren, anstatt die Durchkapitalisierung der Welt wohlverdienter Weise torpedieren zu helfen. Wer nicht nur die politisch-partielle, sondern die menschlich-universelle Emanzipation erreichen will, der darf die bürgerliche Gesellschaft nicht bloß reformieren wollen (und sie dadurch bloß zu perfektionieren helfen), vielmehr muß er sie revolutionieren!
In einer unjuristischen und unphilosophischen Sprache formuliert: Wenn die Machtlosen den Mächtigen nicht an den Kragen zu gehen wagen, werden sie machtlos bleiben!
[1] Vgl. Karl Marx, „Zur Judenfrage“, in: Deutsch-Französische Jahrbücher, herausgegeben von Arnold Ruge und Karl Marx, 1ste und 2te Lieferung (mehr nicht erschienen), Paris 1844, S. 182-214 (von Joachim Höppner annotierter Nachdruck: Leipzig 1981, S. 266-299); ebenfalls in: Franz Mehring (ed.), Aus dem literarischen Nachlass von Karl Marx und Friedrich Engels, Bd. 1, Stuttgart 1902, S. 399-431; Marx/Engels, Werke (MEW), Bd. 1, Berlin 1956, S. 347-377; Marx/Engels, Gesamtausgabe (MEGA), Bd. I/2, Berlin 1982, S. 141-169. – Vgl. auch die drei Kapitelchen „Zur Judenfrage“, in: Engels/Marx, Die heilige Familie, Frankfurt 1845, S. 129-135, 142-150, 163-185 (MEW, Bd. 2, S. 91-95, 99-104, 112-125).
[2] Vgl. Manfred Schöncke, Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister. Lebenszeugnisse – Briefe – Dokumente, Bonn 1993; Shlomo Avineri, „Marx and Jewish Emancipation”, in: Journal of the History of Ideas, Bd. 25, 1964, S. 445-450; Dieter Fricke (ed.), Lexikon zur Parteiengeschichte, Bd. 1, Leipzig 1983, S. 77-88; Wolfgang F. Haug (ed.), Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Bd. 1, Hamburg 1996, S. 356-364, Bd. 6, 2004, S. 1672-1694; H. Klenner „Über Marxens Religions- und Rechtskritik“, in: Deutscher Evangelischer Kirchentag Leipzig 1997. Dokumente, Gütersloh 1997, S. 286-292.
[3] Vgl. H. Klenner, „Preußisches zur Judengesetzgebung“, in: Eva J. Engel (ed.), Judentum: Wege zur geistigen Befreiung, Dessau 2002, S. 102-128 (mit umfangreichen Literaturangaben).
[4] Vgl. MEGA, Bd. I/2, S. 529-554, 648-667; Manuel Atienza, Marx y los derechos humanos, Madrid 1982; Auguste Cornu, Karl Marx und Friedrich Engels, Bd. 1, Berlin 1954, S. 462-480; Ralph Christensen, Freiheitsrechte und soziale Emanzipation, Berlin 1987, S. 44-77; Jacques Grandjonc, „Zu Marx’ Aufenthalt in Paris: 12. Oktober 1843 bis 1. Februar 1845“, in: Studien zu Marx’ erstem Paris-Aufenthalt, Trier 1990, S. 163-212; Richard N. Hunt, The Political Ideas of Marx and Engels, Bd. 2, London 1984, S. 162-211; Andrea Maihofer, Das Recht bei Marx, Baden-Baden 1992, S. 90-104; Christoph Schefold, Die Rechtsphilosophie des jungen Marx, München 1970, S. 219-237; Imre Szabó, Karl Marx und das Recht, Berlin 1981, S. 34-44.
[5] Vgl. Marx/Engels, Gesamtausgabe (MEGA), Bd. IV/32, Berlin 1999, S. 195 (Nr. 241). – Moderne Ausgaben: Bernard Schwartz (ed.), The Bill of Rights. A Documentary History, Bd.1-2, New York 1971; La conquête des droits de l’homme. Textes fondamentaux, Paris 1988. Übersetzungen ins Deutsche: Angela Adams (ed.), Die Entstehung der amerikanischen Verfassung. Dokumente 1754-1791, Münster 1995; Walter Grab (ed.), Die Französische Revolution. Eine Dokumentation, München 1989; Walter Markov, Revolution im Zeugenstand. Frankreich 1789-1799, Bd. 1-2, Leipzig 1985; H. Klenner, Marxismus und Menschenrechte, Berlin 1982, S. 205-485.
[6] Marx/Engels, Gesamtausgabe (MEGA), Bd. IV/2, Berlin 1981, S. 452; MEW 1/364-370, 2/99, 120.
[7] Vgl. Thomas Hobbes, Leviathan [1651], Cambridge 1994, S. 88, 120; deutsch: Hamburg 1996, S. 104, 145, sowie MEGA I/2, S. 150.
[8] Vgl. MEW 4/105, sowie Herwig Förder / M. Hundt / J. Kandel / S. Lewiowa (ed.), Der Bund der Kommunisten. Dokumente und Materialien, Bd. 1, Berlin 1983, S. 93, 975; Jacques Grandjonc, Communisme/Kommunismus/Communism. Origine et dévelopment international de la terminologie communautaire prémarxiste des utopistes aux néo-babouvoistes, Trier 1989, S. 417-519.
[9] MEW 2/37; vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts [1821], Berlin 1981, S. 37, 505.
[10] Vgl. Karl Marx. Chronik seines Lebens, Moskau 1934, S. 19; Maximilien Rubel, Marx-Chronik, München 1968, S. 18; Manfred Kliem, Karl Marx. Dokumente seines Lebens, Leipzig 1970, S. 153.
[11] Vgl. „Marx und Engels über die Rechte des Menschen und des Bürgers – Eine Anthologie“, in: Schriften und Informationen des DDR-Komitees für Menschenrechte, Berlin 1983, Nr. 1, S. 5-25. Vgl. auch Jürgen Seifert, „Karl Marx und die Freiheitsrechte“, in: Ossip K. Flechtheim (ed.), Marx heute, Hamburg 1983, S. 203-219.
[12] Mary Wollstonecraft, Verteidigung der Menschenrechte [1790], Freiburg 1996, S. 202.
[13] Edmund Burke / Friedrich Gentz, Über die Französische Revolution [1793], Berlin 1991, S. 467 f., 697. Vgl. H. Klenner, „Die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen von 1789 und ihre Kritik von links und von rechts“, in: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, 3 G, Berlin 1990, S. 37-53.
[14] Thomas Paine, The Rights of Man [1792], London 1954, S: 161 (deutsch: Die Rechte des Menschen, Berlin 1983, S. 271).
[15] Theodor Adorno, Minima Moralia [1951], Berlin 2001, S. 59, 326.
[16] Die wichtigsten der gegenwärtig geltenden oder vorgeschlagenen Menschen- und Bürgerrechte finden sich in: Ian Brownlie (ed.), Basic Documents on Human Rights, Oxford 1981; Bruno Simma (ed.), Menschenrechte, München 1998; Albrecht Randelzhofer (ed.), Völkerrechtliche Verträge, München 2002; Claus Classen (ed.), Europa-Recht, München 2003; Vertrag über eine Verfassung für Europa [Entwurf], Luxemburg 2005; der Zugang zu den einschlägigen Rechtsquellen und Rechtsbegriffen erschließt sich am leichtesten über: Carl Creifelds (ed.), Rechtswörterbuch, München 2004.
[17] Niccolò Machiavelli, Gesammelte Schriften, Bd. 2, München 1925, S. 62 (Der Fürst, XV).
[18] USA Patriot Act “Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism”, in: www.lifeandliberty/gov/text of the patriot act; vgl. Walter Milton Brasch, America’s Unpatriot Acts: The Federal Government’s violation of Constitutional and Civil Rights, New York 2005.
[19] So: John Yoo, The Powers of War and Peace. The Constitution and Foreign Affairs After 9/11, Chicago 2005, wie referiert (und kritisiert) von David Cole, “What Bush Wants to Hear”, in: The New York Review of Books, Bd. 52, Nr. 18 (17. November 2005), S. 8-12. Vgl. auch: Peter Stein, „Scholar stands by Post-9/11 Writings on Torture, Domestic Eavesdropping“ in: Washington Post, 26. Dezember 2005, S. A 03, sowie Karen G. Greenberg (ed.), The Torture Papers: the Road to Abu Ghraib, Cambridge 2005 (1249 Seiten!).
[20] So: China Miéville, Between Equal Rights. A Marxist Theory of International Law, Boston 2005, S. 8, 319; dagegen meine Rezension in: Das Argument, Jg. 47, Nr. 262, 2005, S. 582-585.
[21] Vgl. Michael Mandelbaum, The Case for Goliath: How America Acts as the World’s Government in the 21st Century, New York 2005.
[22] Vgl. Martin Kutscha, „Eine Lizenz zum Töten Unschuldiger“, in: Till Müller-Heidelberg (u.a.), Grundrechte-Report 2004, Frankfurt 2004, S. 49-53.
[23] Vgl. „Oskar Lafontaines Äußerungen zur Folter. Offener Brief an die Parteivorstände von WASG und PDS“, in: Mitteilungen der Humanistischen Union, Nr. 190, September 2005, S. 7.
[24] Vgl. Urteil des Landgerichts Frankfurt gegen Daschner vom 20. 12. 2004, in: Neue Juristische Wochenschrift, 2005, S. 692, sowie Heiner Busch, „Rechtsstaat mit ein bißchen Folter“, in: Till Müller-Heidelberg (Anm. 22), Frankfurt 2005, S. 21-24; Frank Selbmann, „Die Rechtsfigur der Rettungsfolter und das Völkerrecht“, in: Neue Justiz, 59. Jg., 2005, S. 300-301.
[25] Vgl. vor allem: Winfried Brugger, Freiheit und Sicherheit, Baden-Baden 2004, S. 56-70 (mit umfangreichen Literaturnachweisen); Kristian Kühl, Strafgesetzbuch. Kommentar, München 2004, S. 223, 232; Matthias Herdegen, in: Theodor Maunz / Günter Dürig (ed.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. 1, zu Art.1 Absatz 1 des Grundgesetzes, Rd.-Nr. 45, Ergänzungslieferung 43, München 2004.
[26] Vgl. Jan C. Joerden, Menschenleben. Ethische Grund- und Grenzfragen des Medizinrechts, Stuttgart 2003, sowie das Embryonenschutzgesetz vom 13. 12. 1990, Bundesgesetzblatt (BGBl.) I, S. 2746.
[27] So: Waldemar Schreckenberger, Rhetorische Semiotik (Analyse von Texten des Grundgesetzes und von rhetorischen Grundstrukturen der Argumentationen des Bundesverfassungsgerichtes), Freiburg/München 1978, S. 87. Vgl. auch die auf S. 391 und 398 erfolgte Charakterisierung der „absoluten Werte“ im KPD-Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 5/85, 139).
[28] Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde / Robert Spaemann (ed.), Menschenrechte und Menschenwürde, Stuttgart 1987, bes. 295-313; Ernst Benda / Werner Maihofer / Hans-Jochen Vogel (ed.), Handbuch des Verfassungsrechts, Berlin 1994, S. 160-190; Horst Dreier (ed.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. 1, Tübingen 1996, S. 90-129; Joachim Perels, „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Entstehung und Gefährdung einer Verfassungsnorm“, in: Wolf-Rüdiger Bub (ed.), Zivilrecht im Sozialstaat, Baden-Baden 2005, S. 635-649.
[29] Vgl. Henry Charles Lea, Die Inquisition, Frankfurt 1992, S. 233-242; Horst Herrmann, Die Folter. Eine Enzyklopädie des Grauens, Frankfurt 2004.
[30] Dieter Grimm / Paul Kirchhof (ed.), Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Tübingen 1997, Bd. 1, S. 226; Bd. 2, S. 670 (BVerfGE 30/39; 93/293).
[31] Vgl. Grimm/Kirchhof (Anm. 30), Bd. 1, S. 219 (BVerfGE 30/25)
[32] Vgl. Grimm/Kirchhof (Anm. 30), Bd. 1, S. 450 (BVerfGE 45/228 f.)
[33] Vgl. H. Klenner, „Toleranzprobleme für das bundesdeutsche Verfassungsrecht“, in: Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät, Bd. 56, Berlin 2002, Nr. 5, S. 83.
[34] Bertolt Brecht, Werke (Große kommentierte Ausgabe), Bd. 14, Berlin/Weimar/Frankfurt 1993, S. 112.
[35] Vgl. H. Klenner, „Eine Linkspartei im gesamtdeutschen Interesse? Ansichten eines alten Juristen“, in: Ulrich Maurer/Hans Modrow, Überholt wird links. Was kann, was will, was soll die Linkspartei, Berlin 2005, S. 163.