Zur aktuellen Verbreitung und Nutzung digitaler Arbeitsmittel

von André Leisewitz
September 2015

André Leisewitz

Zur aktuellen Verbreitung und Nutzung digitaler Arbeitsmittel

Die zahlreichen Veröffentlichungen zur Digitalisierung der Arbeit nehmen kaum auf den heutigen Stand der Verwendung digitaler Arbeitsmittel Bezug. Nachstehend werden daher einige Daten zusammengetragen, die der letzten Erhebung des Statistischen Bundesamtes zu IuK-Technologien in Unternehmen (2014) und der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung (2012) entnommen sind.

Verbreitung und Nutzung von Computern in Unternehmen

Vor etwas mehr als zehn Jahren, 2002, setzten in der Bundesrepublik noch weniger als drei Viertel der Unternehmen (71 Prozent) Computer ein, 62 Prozent nutzten das Internet (Boes 2005); heute sind dies jeweils rund 90 Prozent. Aus den Erhebungen des Stat. BA ergibt sich, dass deutlich über 50 Prozent der in den Unternehmen Beschäftigten internetfähige Computer beruflich nutzen. (Tab. 1)

Tab. 1: Einsatz von Computern in Unternehmen 2011-2014

Tabelle siehe PDF!

Quelle: Stat. BA 2014, S. 8, 10, 33. * Aus methodischen Gründen nur bedingt vergleichbar.

Bei der generellen Verfügbarkeit von Computer- und Internetzugang sind die Unterschiede nach Branchen und Unternehmensgrößenklassen nicht sehr ausgeprägt. Die Intensität ihrer Nutzung (Zahl der Beschäftigten mit beruflichem Internetzugang im Unternehmen) variiert dagegen deutlich: Sie reicht von 31 Prozent im Gastgewerbe bis zu 93 Prozent im Bereich „Information und Kommunikation“[1]

Zwischen einem Viertel und der Hälfte der Unternehmen mit Computernutzung verwenden Computer und Internetzugang gegenwärtig für: Steuerung von Planung, Beschaffung, Vertrieb, Marketing etc. (36 Prozent); Erfassung und Auswertung von Kundendaten (42 bzw. 24 Prozent); Datenaustausch mit Kredit- und Finanzinstitutionen (51 Prozent) und Behörden (45 Prozent); Abstimmung mit Zulieferern (24 Prozent); Rechnungsstellung (69 Prozent). Dazu kommen Einkauf und Absatz über das Internet, was für einzelne Branchen (und Großunternehmen) beachtliche Bedeutung hat, beim Absatz aber nur 17 Prozent der Unternehmen betrifft (Tab. 1). All das hat mit den umlaufenden Prognosen über die zukünftig umstürzende Bedeutung der Digitalisierung der Arbeit jedoch relativ wenig zu tun.

RFID[2] dagegen ist eine Schlüsseltechnologie für das „Internet der Dinge“. Sie ermöglicht die automatisierte und berührungslose Identifikation von Objekten und das Auslesen von Informationen, die ihnen auf einem Chip beigegeben sind, eine Voraussetzung für die „Kommunikation“ zwischen Maschinen und Werkstücken. RFID wird seit langem genutzt. 2014 setzten sie 14 Prozent aller Unternehmen ein (Großunternehmen: 44 Prozent) – aber in erster Linie für Zugangs- und Personenkontrollen und nur am Rande (4 Prozent der Unternehmen; Großunternehmen: 11 Prozent) auch für Produktions- und Dienstleistungsabwicklung (Warenfluss-/Lagerhaltungsmanagement). Auch bei dieser Schlüsseltechnologie für die „Digitale Fabrik“ zeigt sich also zumindest gegenwärtig keine besondere Dynamik.

Wer arbeitet wo mit digitalen Arbeitsmitteln?

Bei der letzten der alle sechs Jahre erfolgenden BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung, die einen wichtigen und nach eigener Auskunft statistisch repräsentativen Monitor für die betrieblichen Arbeitsbelastungen darstellt, wurde erstmals auch nach dem „wichtigsten Arbeitsmittel“ gefragt.[3]

Tab. 2: Womit wird gearbeitet? Das wichtigste Arbeitsmittel 2012

Tabelle siehe PDF!

Quelle: BAuA 2015; eig. Ber.

Annähernd 45 Prozent aller Befragten bezeichnen stationäre und portable (Büro) Computer als ihr wichtigstes Arbeitsmittel. Computergesteuerte Maschinen und Anlagen sind dies dagegen nur für 1-2 Prozent der Beschäftigten. Diese Angabe liegt auch in der Größenordnung der Erhebung des Stat. BA (Tab. 1, 54 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen an einem Rechner mit Internetzugang tätig).

Von den 2012 erfassten Beschäftigten, die elektronische und DV-gestützte Geräte, Maschinen und Anlagen als ihr wichtigstes Arbeitsmittel angaben, arbeiten etwa 4 bis 5 Prozent als Arbeiter an entsprechenden Maschinen und Anlagen. Sie sind im Wesentlichen im verarbeitenden Gewerbe tätig. Für über 90 Prozent der Beschäftigten mit IKT-Geräten als wichtigstem Arbeitsmittel sind dies stationäre oder portable Büro- und Personalcomputer. Etwa ein Viertel dieser Angestellten ist im verarbeitenden Gewerbe tätig. Zahlenmäßig größere Gruppen entfallen auf Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz (7,4 Prozent), insbesondere aber auf den öffentlichen Sektor (öffentliche Verwaltungen/Sozialversicherungen/Militär, zus. 12,5 Prozent) und Erziehungs- sowie Sozial-/Gesundheitsberufe (13,2 Prozent). Tätigkeitsschwerpunkte sind des Weiteren das Finanz- und Versicherungswesen, der Bereich „Information und Kommunikation“) (jeweils 7 Prozent) sowie mit fast 10 Prozent „freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen“ (BAuA 2015).[4]

Fazit

Noch Mitte der 1990er Jahre war das Internet für die Unternehmen weitestgehend bedeutungslos. Seitdem hat sich die Arbeitswelt ziemlich radikal verändert. Etwa die Hälfte aller Beschäftigten arbeitet heute mit elektronischen und DV-gestützten Geräten, die auch internet- und vernetzungsfähig sind. Nüchtern betrachtet verweisen Dynamik und aktueller Stand der Verbreitung und Nutzung digitaler Arbeitsmittel jedoch eher darauf, dass die angestrebte Vernetzung von virtueller Computerwelt und physischer Welt der materiellen Produktion („Digitale Fabrik“) eine Sache mit „allenfalls mittelfristiger“ Perspektive (Hirsch-Kreinsen 2014) ist.

Literatur

BAuA 2015: Peter Wittig, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, schriftl. Mitt. v. 02.06.2015 (Sonderauswertung der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012).

BIBB/BAuA 2012: Peter Wittig, Christoph Nöllenheidt, Simone Brennscheidt, Grundauswertung der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012, Dortmund/Dresden 2013.

Boes 2005: Andreas Boes, Informatisierung, in: M. Baethge u.a. (Hrsg.), Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland. Arbeit und Lebensweisen: erster Bericht, Wiesbaden, S. 211-244.

Bullinger/ten Hompel 2007: Hans-Jörg Bullinger, Michael ten Hompel, (Hrsg.), Internet der Dinge, Berlin.

Dickson 2001: Paul Dickson, Sputnik. The Shock of the Century, New York.

Hirsch-Kreinsen 2014: Hartmut Hirsch-Kreinsen, Wandel von Produktionsarbeit – Industrie 4.0, TU Dortmund, Soziologisches Arbeitspapier 38/2014.

Marx 1953: Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie [Rohentwurf] 1857-1858, Berlin.

Pirker 1962: Theo Pirker, Büro und Maschine. Basel und Tübingen.

Stat. BA 2013: Statistisches Bundesamt u.a. (Hrg.), Datenreport 2013, Bonn.

Stat. BA 2014: Statistisches Bundesamt, Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen 2014, Wiesbaden.

[1] Stat. BA 2014: 33; bei mobilem Internetzugang sind die Quoten niedriger. Hohe Werte finden sich jeweils bei Kleinunternehmen (bis zu 9 Beschäftigte) und bei Großbetrieben mit 250 und mehr Beschäftigten. Dies korreliert mit hohen Quoten bei „Information/Kommunikation“ oder „freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen“, also Domänen von Kleinunternehmen.

[2] Radio Frequency Identification; vgl. Bullinger/ten Hompel 2007. Eine Anmerkung am Rande: Wie fast alle digitalen Technologien (Computertechnologie, Internet) militärischen Ursprungs sind (das Internet: ein Kind des Kalten Krieges, des Sputnik-Schocks; Dickson 2001: 243ff.) und in ihrer Entwicklung in erster Linie öffentlich finanziert wurden, so auch die RFID-Technologie (vgl. z.B. http://www.rfid-journal.de/rfid-geschichte.html). Theo Pirker prägte beim Studium der Entwicklung der Computertechnologie und ihrer staatlichen Finanzierung in den USA vor, während und nach dem 2. Weltkrieg die Formel von der „Verbindung von bürokratisch-scientifistischer Zusammenarbeit und staatlich-monopolistischer Kooperation“ (Pirker 1962: 133). Das in diesem Rahmen als Produkt des „general intellect“ (Marx 1953: 594) entwickelte Wissen findet das private Kapital weitgehend ohne eigenes Zutun vor, eignet es sich an und unterwirft es seiner Kontrolle. Schon hier müsste sich auch für Gewerkschaften, die sich mit der Digitalisierung der Arbeit auseinandersetzen, die Frage stellen, wem eigentlich dieses ursprünglich öffentlich finanzierte, heute privat verwertete Wissen gehört und unter wessen Kontrolle es zu stellen wäre. Gegenüber der Pirker-Formel wäre zudem darauf zu verweisen, dass heute das Bemühen, die Gewerkschaften korporatistisch beim Prozess der Entwicklung und Implementierung der digitalen Technologien in die „staatlich-monopolistische Kooperation“ einzubeziehen, unübersehbar ist. Dies hängt eben damit zusammen, dass nicht die Technik selbst, sondern die Gestaltung der Arbeitsorganisation und die Qualifikation der Beschäftigten für die Ausschöpfung der Potentiale der neuen Technologien entscheidend sind. Hier liegt daher auch das Pfund, mit dem die Lohnabhängigen und ihre Gewerkschaften wuchern und Druck auf das Kapital ausüben können.

[3] Die Grundauswertung (BIBB/BAuA 2012) enthält diese Angaben nicht; sie wurden von der BAuA freundlicherweise zur Verfügung gestellt (BAuA 2015).

[4] In allen diesen Bereichen ist der Anteil von Beschäftigten mit digitalen Arbeitsmitteln überdurchschnittlich groß, wenn man ihn mit dem Erwerbstätigenanteil der jeweiligen Wirtschaftszweige vergleicht. Der Erwerbstätigen-Anteil des Verarbeitenden Gewerbes lag 2012 z.B. bei knapp 18 Prozent, der Anteil von „Information und Kommunikation“ bei 3 Prozent. (Stat BA 2013, S. 122).