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Ganzheitliche Reproduktion des Lebens als Gegengewicht zur totalisierten Vermarktung (II)

Ansatzpunkte emanzipatorischen Handelns

März 2005

Aus einer ganzheitlichen Sicht auf die Reproduktion des Lebens werden Ambivalenzen totalisierter Vermarktung der Lebenstätigkeiten deutlicher, besonders auch Ansatzpunkte für Herausforderungen und Möglichkeiten emanzipatorischen Handelns. Die Aneignung eigener Ressourcen durch patriarchal und klassenmäßig abhängige Bevölkerungsgruppen lässt sich auf dieser Grundlage als alternative emanzipatorische Herangehensweise diskutieren (vgl. den ersten Teil dieses Beitrags in Z 60).* Diese bildet aber letztendlich einen Ausgangspunkt weiterer - miteinander auf verschiedenste Weise vernetzter, rückgekoppelter – Veränderungen. Ohne diese Komplexität alternativer Wandlungen abbilden zu können und zu wollen, sollen Zusammenhänge zu einigen unmittelbar verbundenen Veränderungen diskutiert werden: Intensivierung der Lebenskräfte, Wandlungen in den Warenbeziehungen, emanzipatorisches Tun, Umorientierung der Produktion, alternative Bewertungen.

Intensivierung der Lebenskräfte

Eine Aneignung gesellschaftlicher Überschüsse führt zur Herausbildung zusätzlicher Ressourcen, wenn mit ihr eine Umorientierung auf die Entwicklung der Lebenskräfte – also auf das Sein anstelle das Haben – (Fromm) einhergeht. Unter dem Aspekt einer ganzheitlichen Reproduktion des Lebens bedeutet nämlich Intensivierung der Lebenskräfte, dass der Reichtum in den sozialen Beziehungen der Individuen selbst vermehrt wird und nicht mehr Produktions- bzw. Wirtschaftswachstum als faktischer Zweck erscheint.

Vorwiegend intensive Entwicklungen der Lebenskräfte gehören zu den wichtigsten Veränderungen, um allgemeine Reproduktionskrisen im Interesse einer Reproduktion des Lebens überwinden zu können, denn diese Reproduktionskrisen drücken eine zunehmende Erschöpfung der bisher noch immer vorwiegenden extensiven Entwicklungsquellen aus (vgl. auch: Duchrow/Hinkelam­mert: 174, die den Mangel an extensiven Entwicklungsmöglichkeiten allerdings der totalen Vermarktung zuschreiben und extensive Quellen wiedererlangen wollen). Je reichhaltiger - bei unterschiedlicher Ausprägung – und je dynamischer, mit einem Wort, je intensiver sich die Lebenskräfte aller Individuen und ihrer natürlichen Umwelt entwickeln, desto stärker kann Reproduktionskrisen und ihren Folgen begegnet werden.

Weltweit zu beobachtende Verschärfungen von Reproduktionskrisen (Wasserknappheit, Nahrungsgüterknappheit, Bodenerosion, Überschwemmungen, Entwurzelung von ethnischen Gruppen, Genozide u.a.m.) beruhen nicht zuletzt auf den Widersprüchen zwischen der herangereiften Notwendigkeit, menschliche und äußere natürliche Ressourcen vorwiegend intensiv zu entwickeln sowie zu nutzen und deren derzeitigem Eingebundensein in patriarchale und Profitmechanismen. Letztere intensivieren auf der einen Seite destruktiv bis zum „burning out“ und lassen auf der anderen Seite menschliche und natürliche Ressourcen ungenutzt. Die Erschöpfung vorwiegend extensiver Entwicklungsquellen nimmt im Gefolge tendenziell totaler Vermarktung tatsächlich eher noch zu. Profitorientierte Vermarktungen lassen bekanntlich eine stets erneute Ausschöpfung und Entwicklung vorwiegend intensiver Entwicklungsquellen nicht nachhaltig zu, weil sie auf Gratisdienste der unmittelbaren Lebenskräfte angewiesen sind, deren Aneignung wiederum die Ganzheitlichkeit der Reproduktion des Lebens zerstört. So entwickelt sich im Gefolge totalisierter Vermarktung Substanzverzehr durch Abnahme bisheriger Gratisdienste unbezahlter Arbeit und äußerer Natur, welcher die gesellschaftlichen Überschüsse aufzuzehren droht.[1] Eine einseitige und deformierte Intensivierung der Wachstumsfaktoren erzeugt derzeit verbreitet eine Polarisierung und für die Kapitalverwertung ständig Überflüssige. Die Überflüssigen werden marginalisiert und ihre staatsbürgerlichen Rechte noch stärker beschränkt als schon die der noch Integrierten. Sie werden in der Regel immer weniger gebildet, kompetent usw., obwohl eigentlich die Möglichkeiten gestaltbar wären, dass auch sie sich mehr Bildung aneignen. Dass eine Erschließung eigener Ressourcen eine Voraussetzung und einen Bestandteil emanzi­patorischer Veränderungen für alle, also auch für diese Bevölkerungsgruppen darstellt, müsste stärker zum Allgemeingut zivilgesellschaftlicher Positionen und damit zum Gegenstand gezielter Veränderungen werden.

Wandlungen in den Warenbeziehungen

Eine Aneignung eigener Ressourcen nebst einer Umbewertung und Umorientierung der Tätigkeiten aus Sicht der ganzheitlichen Reproduktion des Lebens beginnt in vielfältiger Hinsicht, die Wirksamkeit von Warenbeziehungen einzuschränken. So bilden o.a. Ambivalenzen zwischen den Reproduktionserfordernissen des Lebens und den reduzierten, deformierten Reproduktionsmöglichkeiten einen Hintergrund für das Bewusstwerden über einen notwendigen allmählichen Ausstieg aus Warenverhältnissen, wenn Lebensgrundlagen doch noch erhalten werden sollen. Zugleich sind Warenbeziehungen selbst im Wandel begriffen, höhlen sich mit ihrer Ausbreitung auf unmittelbare Reproduktionsbereiche – die ihnen nicht adäquat sind – selber aus. Nicht mehr primär die aufgewandte Zeit, sondern die allgemein frei verfügbare Zeit und der Grad ihrer Ausfüllung mit allgemein freiheitlichen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten werden zunehmend wichtiger für eine nachhaltige Reproduktion des Lebens. Vor allem wächst der Einfluss der von den Individuen ausgeübten unmittelbaren Lebenstätigkeiten, die mit Hilfe von Mitteln zum Leben bestimmen, wie Fähigkeiten erhalten, allseitig neu gebildet und in der notwendigen sowie freiheitlichen Reproduktion des Lebens angewendet werden. Fähigkeiten bilden ein Element der Lebenskräfte, d.h. der unmittelbaren Lebenskräfte und der Produktivkräfte, wobei ihre primäre Herausbildung in der unmittelbaren Reproduktion des Lebens erfolgt. Sie erweitern die Lebenskräfte, wenn je Einheit der unmittelbaren Reproduktionszeit zusätzliche Fähigkeiten entwickelt werden. Auf Grundlage dieser Veränderungen in den Reproduktionsbedingungen des Lebens beginnen sich gewissermaßen „Umschaltpotenziale“ von Warenbeziehungen zu Nichtwarenbeziehungen zu entwickeln, von „Waren“ (und Wirtschaftswachstum) zu Mitteln zum Leben und vom „Haben“ zum „Sein“ (wie heute bereits innerhalb von Netzwerken, wenn deren Wirksamkeit weniger vom Kapital oder Vermögen, sondern hauptsächlich von den Tätigkeiten ihrer Mitglieder abhängig ist, wie beim bürgerschaftlichen Engagement).[2] Wobei Übergangspotenziale sowohl in emanzipatorische Beziehungen als auch in diktatorische münden können.

Trotz unübersehbarer Veränderungen sehen viele Menschen gegenüber der tendenziell totalen Vermarktung keine Alternative. Dem entsprechen pragmatische Forderungen nach einer gesellschaftlichen Kontrolle der entfesselten Märkte oder nach Wiederherstellung einer „sozialen Marktwirtschaft“ (Dahrendorf, 143,145). Diese gehen jedoch am Problem vorbei, weil mit der tendenziell totalen Vermarktung Bedingungen dafür bereits weggebrochen sind und weiter wegbrechen. Die Vermarktung vor allem unmittelbarer Reproduktionsbereiche entzieht ja gerade diejenigen Mittel, welche für soziale Zwecke ehemals verfügbar waren und erfordert ständig neue Finanzierungen durch ihre „Kunden“ (vgl. hpts. Belastung von Patienten durch die „Gesundheitsreform“, vor allem der AltersrentnerInnen mit niedrigem Einkommen). Zwischenmenschliche Beziehungen erscheinen unter dem Einfluss des Warenfetischismus (Marx) jetzt nicht mehr nur in bestimmten Bereichen – wie im klassischen Industriekapitalismus –, sondern in der Regel als sachliche, d.h. als Warenbeziehungen. Das fördert gewiss den Glauben an eine Übermacht und Alternativlosigkeit der Warenbeziehungen; alternativlos ist diese Entwicklung aber nur auf den ersten Blick. Denn im Gegensatz zu materiellen Gebrauchswerten (wie Konsumgüter, Ausrüstungen, Energieträger und Rohstoffe) verkörpern sich unmittelbare Lebenskräfte (wie „allgemeine Arbeit“ und äußere Natur) sowie Arbeitskräfte eben nur in „fiktiven Waren“,[3] d.h., dass sich selbst unter patriarchal kapitalistischen Verhältnissen in „persönlichen Diensten“ Waren- und Nichtwarenbeziehungen kombinieren müssten, wenn den Reproduktionserfordernissen der Lebenskräfte Rechnung getragen werden soll. Totalisierte Vermarktung aber verdrängt Nicht-Warenbeziehungen in marginalisierte Bereiche.

Emanzipatorisches Tun

Ein anderes Tätigwerden/Tun verwandelt aus konkret utopischer Sicht o.a. Übergangspotenziale in Nichtwarenverhältnisse.[4] Mit der emanzipatorischen Aneignung gesellschaftlicher Überschüsse werden die Produktion und der Austausch von Waren allmählich durch den unmittelbaren Austausch von Tätigkeiten abgelöst. Dabei tritt an die Stelle der Reziprozität der Warenwerte diejenige der unmittelbaren Reproduktionszeit[5] und damit das Sein anstelle des Habens. Schlüssel dafür ist der durch und durch ambivalente Doppelcharakter der (fiktive) Waren produzierenden unmittelbaren Reproduktionsarbeit, die unter Bedingungen einer tendenziell totalen Vermarktung der Lebenstätigkeiten zugleich (fiktive) Warenwerte hervorbringen soll und unmittelbare Reproduktionsbedürfnisse befriedigt (bzw. befriedigen soll). Diese Ambivalenz gewann seit etwa den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Entstehung eines Überschusses der tatsächlichen Produktion über die gesellschaftlich notwendigen Mittel zum Leben an Bedeutung. Emanzipatorisches Tun trägt dazu bei, diesen gesellschaftlichen Überschuss zum Zwecke einer an den Lebenskräften orientierten unmittelbaren Reproduktion des Lebens anzueignen und damit o. a. Ambivalenz aufzulösen.

Emanzipatorisches „Tun“ beginnt sich also auf Basis der Reproduktionserfordernisse des Lebens außerhalb von Erwerbsarbeit und unter schrittweiser Abstreifung patriarchaler Abhängigkeiten zu entwickeln und wird dabei durch o. g. Ambivalenzen motiviert. Es stützt sich hierbei auf – z. T. verdeckte – „Überschüsse“, welche von Produktions- und ReproduktionsarbeiterInnen selbst hervorgebracht werden, wie Arbeitszeitverkürzung, Entwicklung von Kompetenz und flexibel einsetzbaren Fähigkeiten, nachholende Allgemein- und berufliche Bildung. Damit entstehende Potenziale bilden eine wichtige Grundlage, damit sich global und regional, problembezogen, pluralistisch, selbstorganisiert und selbstbestimmt Netzwerke der unmittelbaren und schließlich der ganzheitlichen Reproduktion des Lebens (also einschließlich einer umorientierten Produktion) organisieren, welche alternative Systemlösungen entwickeln. Letztere erfordern pluralistische Beziehungen, um ganzheitliche Reproduktionserfordernisse der verschiedenen fiktiven Waren (unmittelbare Lebenskraft, Arbeitskraft, äußere Natur) und der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in unterschiedlichen Regionen einzufangen. Ein pluralistisches Verhalten und Handeln schließt wiederum die Entstehung und weitere Ausgestaltung allgemein freiheitlicher zivilgesellschaftlicher Beziehungen ein, damit auf allgemeiner Kompetenz und allgemeiner freier Zeit für diese Tätigkeiten aufgebaut werden kann.

Ein gleiches Menschenrecht auf Leben und damit auf gleiche Möglichkeiten zur Entwicklung der Lebenskräfte verlangt konsequenterweise ein gleiches Recht auf Tun/Tätigwerden.[6] Dieses kann mit Hilfe der o. g. Aneignung eigener Ressourcen durch abhängige Bevölkerungsgruppen erkämpft werden. Diese Aneignung bedeutet somit faktisch, dass Potenzen befreit werden, die bisher über Kapitalverwertung und dazu notwendiger Erwerbsarbeit im „Reich der Notwendigkeit“ gebunden sind. Ressourcen werden dabei frei durch: Umorientierung von der Profiterzielung auf die ganzheitliche Reproduktion des Lebens und damit die Wandlung von Waren in unmittelbare Mittel zum Leben, durch reziproken Austausch von Tätigkeiten, durch die Ausschöpfung von Intensivierungsquellen der menschlichen Lebenskräfte und der äußeren Natur über allgemein gleichheitliche und freiheitliche Beziehungen zwischen den Individuen.[7] Die Aneignung eigener Ressourcen schließt sich erst, wenn Menschen ihre Fähigkeiten allseitig anwenden im Tun. Nicht arbeiten, um zu haben, sondern tun/tätig sein, um zu sein. Letzteres zielt auf ganzheitliche Reproduktion des Lebens. Wenn die eigenen Ressourcen der abhängigen Bevölkerungsgruppen schneller zunehmen als die unmittelbare Reproduktionszeit im Gefolge von Vermarktung abnimmt, wäre es möglich, die Abnahme der unmittelbaren Reproduktionszeit zu stoppen und damit irreversiblen Zerstörungen von Lebensgrundlagen Einhalt zu gebieten.

Eine emanzipatorische Aneignung gesellschaftlicher Überschüsse wäre demnach nur der Ausgangspunkt für die Herausbildung von Alternativen. Die im Gefolge von Vermarktung ausdifferenzierten und professionalisierten unmittelbaren Lebenskräfte können über gesellschaftliche Umorientierungen und -Organisation einen unmittelbaren Austausch von Tätigkeiten in der unmittelbaren Reproduktion des Lebens in Gang bringen – und aus Überlebensgründen müssten sie das auch. Mit einem unmittelbaren Austausch von Tätigkeiten[8] entwickelten sich in der unmittelbaren Reproduktion des Lebens Orientierungen, Bedingungen, Triebkräfte, miteinander verflochtene Netzwerke, innovative Systemlösungen, Intensivierungspotenziale zugunsten einer sich mehr oder weniger gleichzeitig (in Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen) umorientierenden Produktion von Mitteln zum Leben. Der mittelbare Austausch von Tätigkeiten in der Produktion von Mitteln zum Leben empfinge auf diese Weise Orientierungen, Triebkräfte und Impulse von den unmittelbaren Lebenserfordernissen, was seine Produktionsergebnisse der Warenform – als gesellschaftliches Verhältnis im Marxschen Sinne – entzöge. „Nichtmarktwirtschaftlich“ also im Sinne eines Aufbaus allgemeiner emanzipatorischer Tätigkeitsstrukturen und einer alternativen gesellschaftlichen Arbeitsteilung, d.h.[9] nicht nur bezogen auf das Produktionsergebnis, das allein durch informelle, genossenschaftliche oder Naturalwirtschaft noch längst keinen emanzipatorischen Inhalt erhält.

Ein unmittelbarer Austausch von Tätigkeiten kann in dem Maße motivieren und mobilisieren, in dem alle, die Leistungen erbringen und nutzen, daran teilnehmen (gegen das soziale Ausgeschlossensein). Es geht um den „freien Zugang“ aller zu diesen Leistungen auf reziproker Basis. Befreite Überschüsse werden zu freiem Zugang, indem alle als Gleichgestellte mit ihrer Hilfe tätig werden und auf reziproker Grundlage Leistungen in Anspruch nehmen. Gleichheitliche Beiträge wären deshalb ganzheitlich auf die Reproduktion des Lebens zu beziehen, d.h. sowohl auf Produktion von Mitteln zum Leben als auch auf notwendige unmittelbare Reproduktion des Lebens. Feministinnen haben dies vorbereitet, u.a. durch das Konzept der Gesamtarbeit (Möller, Notz u.a.), der Betreuungsarbeit (Gilligan).

Alternative gesellschaftliche Beziehungen befriedigten auf diese Weise schließlich ein gesellschaftliches Entwicklungsbedürfnis (wie es derzeit gleiche Menschenrechte für alle darstellen) und installierten damit zugleich neue Wege zur Befriedigung herangereifter Bedürfnisse. Etwas Neues kann nur aus den vorhandenen Verhältnissen heraus wachsen, es bleibt zunächst marginal; wenn es Lösungsmöglichkeiten für Konflikte bietet, gestaltet es sich dementsprechend weiter aus und entwickelt sich. Die derzeit verbreitete Inakzeptanz alternativer Aktivitäten hängt gewiss mit der noch zu geringen Reife solcher Systemlösungen zusammen, welche zu wenig gesellschaftlich neue Entwicklungsspielräume hervorbringen. Alternative Basisaktivitäten selbst beweisen schon heute eine fast unerschöpfliche Entwicklungsfähigkeit, auch bei feministischen Ansätzen (u.a. Mertens/Möller/Peters/Vellay). Insofern wäre es wichtig, auch die Inhalte emanzipatorischer Politik zu durchdenken.

Umorientierung der Produktion

Aus Sicht der Reproduktion des Lebens gehorcht selbst im klassischen patriarchal kapitalistischen Rahmen die unmittelbare Reproduktion anderen Entwicklungskriterien als die Produktion von Mitteln zum Leben, deren profitorientierte Kriterien derzeit massenhaft auf die unmittelbare Reproduktion des Lebens übertragen werden. Um lebensfördernden Kriterien wieder Raum zu verschaffen, müsste deshalb die Dominanz der (profitorientierten) Produktion von Mitteln zum Leben überwunden und die Beziehungen zwischen beiden großen Reproduktionsbereichen umgekehrt werden. Dementsprechende Umorientierungen der Produktion setzen Veränderungen zugunsten der ganzheitlichen Reproduktion des Lebens in der unmittelbaren Reproduktion voraus, damit aus dieser Sicht Forderungen an Volumen, Struktur und Qualität des Endprodukts (sowie der absolut freigesetzten Zeitfonds) gestellt werden können. Diesen lägen die Reproduktionserfordernisse der Lebenskräfte zugrunde, die derzeit als fiktive Waren deformiert reproduziert werden.[10] Ohne alternative Veränderungen in den unmittelbaren Reproduktionsbereichen könnte die Produktion nicht umorientiert werden. Zugleich bestehen insofern (wechselseitige) Abhängigkeiten, weil ohne eine Umorientierung der Produktion auf Dauer alternative Beziehungen in der unmittelbaren Reproduktion nicht reproduzierbar wären.

Umorientierungen bedeuten letztlich ein „anderes Tun“, das die Anstrengungen zur Entspannung und Lösung von Reproduktionskrisen unmittelbar vergesellschaftet. Sie kombinieren sich wahrscheinlich über längere Zeit mit den verbleibenden Regelungen des Sozialstaats, mit gemeinnützigen Sektoren u.a.m. Dabei führen differenzierte Wohlfahrtssysteme in unterschiedlicher Weise an Umorientierungen heran, bereiten diese vor oder hemmen sie wohl auch. Ausgehend von Esping-Andersons (1990) Klassifizierung nach Gerechtigkeitskonzepten, welche einem bestimmten Wohlfahrtsregime entsprechen, sind hierbei Leistungsgerechtigkeit (das vorwiegend auf Marktmechanismen beruhende liberale Wohlfahrtsregime), Bedarfsgerechtigkeit (entsprechend dem konservativen Regime, das vor allem auf Gemeinschaften setzt, wie Familien und Nation), Verteilungsgerechtigkeit (sozialdemokratisches Wohlfahrtsregime, das sich auf den Staat stützt) und Teilhabegerechtigkeit (die eine Antwort auf Diskurse zu Menschenrechten und Grundrechten bildet) hervorzuheben. Laut Opielka (ND v. 29./30. Nov. 2003) gehe es um die Verknüpfung dieser vier Gerechtigkeitsprinzipien, wobei es in Deutschland an der Teilhabegerechtigkeit mangele. Jedoch wäre m.E. selbst eine Verknüpfung nicht in der Lage, die aufgestauten Reproduktionskrisen zu entspannen, weil sich die vier Prinzipien z.T. entgegenstehen, vor allem aber, weil sie Bedürftige zwar als Wohlfahrtsobjekte, nicht aber als gleichgestellte soziale Subjekte betrachten. Dabei reicht vor allem die „Teilhabegerechtigkeit“ insofern an eine Umorientierung heran, als sie auf bestimmten Gebieten (wie Bafög) einigen – wenngleich nicht allen – bisher ausgeschlossenen Bevölkerungsgruppen hoffentlich auch zukünftig Möglichkeiten zur teilhabenden Tätigkeit (hier: Studium) eröffnet. Zugleich werden jedoch auch hierbei die Grenzen sozialer Wohlfahrt nicht überschritten, indem höhere Bildung auf diese Weise dennoch nicht allgemein wird und AbsolventInnen zudem auf die Grenzen des Arbeitsmarktes stoßen und nicht wenigen von ihnen eine qualifikationsgerechte Anwendung der erworbenen Fähigkeiten versperrt ist. Bei Projekten einer sozialen Grundsicherung/eines Grundeinkommens wird der Wohlfahrtsaspekt („Wohlstand für alle“) auf einem minimalen Niveau realisiert, eine soziale Gleichstellung hinsichtlich des Tätigseins aber nicht, sodass emanzipatorische Folgewirkungen (wie sie u.a. Gorz, Gubitzer/Heintel erhoffen) zufällig und Wunschvorstellungen bleiben.

Um sich anstauende Reproduktionskrisen im Interesse einer Erhaltung von Lebensgrundlagen zu entspannen und schließlich zu lösen, geht es darum, dass die abhängigen Bevölkerungsgruppen nicht nur eigene Ressourcen entwickeln, sondern diese bis hin zur Umorientierung auf eine ganzheitliche Reproduktion des Lebens und zur Überwindung der Dominanz der profitorientierten Produktion von Waren nutzen. Wenn eine weitere Vermarktung des unmittelbaren Lebens verhindert und wieder reduziert werden soll, müssten also auch alternative Bewertungen entwickelt werden.

Alternative Bewertungen

Bisher wurde deutlich, dass eine Umkehrung bisheriger Betrachtungs- und Existenzweisen in Bezug auf die beiden großen Bereiche der Reproduktion des Lebens (MEW, Bd. 3, 20, 28-30; Bd. 21, 27f.) eine wichtige Voraussetzung darstellt, um den Blick für die Befreiung und Aneignung eigener Ressourcen durch (patriarchal und klassenmäßig) abhängige Bevölkerungsgruppen zu schärfen. Dazu gehört ein Nachdenken über Kriterien, in denen sich emanzipatorische Veränderungen ausdrücken und die dazu beitragen, die entsprechenden Zusammenhänge zu beleuchten. Im Folgenden wird deshalb versucht, zusammenfassend Elemente zu benennen, welche für die ganzheitliche Reproduktion des Lebens von Bedeutung sind und an denen sich Entwicklungen von Alternativen erkennen lassen. Soweit zunächst die unmittelbare Reproduktion des Lebens betrachtet wird, erfolgt diese in der unmittelbaren Reproduktionszeit mit Hilfe der unmittelbaren Reproduktionstätigkeiten, die von allen Individuen unterschiedslos verausgabt werden müssten und die dabei arbeitsteilig ihre Fähigkeiten sowie äußere Naturkräfte und -ressourcen anwenden und mit Mitteln zum Leben ausgestattet sind. Der Effekt ihres Zusammenwirkens zeigt sich in unmittelbaren reproduktiven Leistungen, vor allem im Erhalt und in der Erweiterung der unmittelbaren Lebenskräfte (der Individuen und ihrer natürlichen Umwelt). Diese drücken sich individuell gesehen in der allseitigen Entwicklung der Fähigkeiten aus. Inwieweit tatsächlich umorientiert wird, zeigt sich letztendlich daran, wie alternative Netzwerke die Entwicklung der unmittelbaren Reproduktionszeit und in dieser Zeit die allgemeine und allseitige Entfaltung der Fähigkeiten beeinflussen. Denn diese Zeit charakterisiert in komprimierter Form nichts weniger als die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten von Individuen, von Bevölkerungsgruppen und -gesamtheiten.

Der Effekt von Tätigkeiten in dieser Zeit bezieht sich also auf alle Leistungen, welche laut Marx in den Menschen selbst und seine gesellschaftlichen Verhältnisse eingehen (Marx, Grundrisse, 216). Infolge gleicher Möglichkeiten für alle, ihre Fähigkeiten allseitig zu entwickeln und anzuwenden, würden unmittelbare reproduktive Leistungen erreichbar, welche nicht nur die Lebenskräfte erhalten und quantitativ erweitern (notwendige Reproduktion), sondern darüber hinaus Spielraum lassen für allgemein freiheitliche zivilgesellschaftliche Betätigungen.

Die notwendigen unmittelbaren Reproduktionstätigkeiten beziehen sich auf die Reproduktion der Gattung im weiteren Sinne, einschließlich des jeweiligen gesellschaftlich üblichen Niveaus einer gleichheitlichen Entfaltung allseitiger Fähigkeiten. Sie erfolgen in der unmittelbaren Reproduktionszeit und erhalten sowie erweitern diese zugleich. Mit der Maximierung der unmittelbaren Reproduktionszeit wäre damit ein Ziel der Ökonomisierung notwendiger Tätigkeiten angegeben. Damit allgemein freiheitliche zivilgesellschaftliche Beziehungen möglich werden, müsste tendenziell gleichheitliche unmittelbare Reproduktionszeit für Jede/n angestrebt werden, als Ergebnis ganzheitlicher notwendiger Tätigkeit. Hieraus lassen sich Anforderungen an die Produktion von Mitteln zum Leben ableiten: Jede/r müsste tendenziell gleiche Einsparungen an Produktionszeit zugunsten der unmittelbaren Reproduktionszeit hervorbringen plus dem für ihre Ausfüllung erforderlichen Endprodukt.

Aus der Gesamtsicht der Reproduktion des Lebens wären auf diese Weise alle Tätigkeiten auf die gleichheitliche und allgemein freiheitliche Entfaltung der Lebenskräfte (der unmittelbaren Lebenskräfte sowie der Produktivkräfte) orientiert, mit einer tendenziellen Erweiterung der für allgemein freiheitliche zivilgesellschaftliche Betätigungen verfügbaren Lebenskräfte.[11] Die Lebenskräfte von arbeitsteilig organisierten Individuen, die potenziell über allseitig entfaltete Fähigkeiten verfügen, realisierten sich in der unmittelbaren Reproduktions- und in der Produktionstätigkeit, welche ausgestattet mit Mitteln zum Leben und mit Produktionsmitteln in der unmittelbaren Reproduktions- und in der Produktionszeit erfolgt. Das Zusammenwirken der Produktions- und der unmittelbaren Reproduktionselemente vollzöge sich in miteinander verflochtenen Netzwerken, in einem beständigen Nach- und Nebeneinander, wobei die Entwicklung der Produktivkräfte, der Produktionsprozesse und ihrer Ergebnisse – charakterisiert durch die Endprodukte – als durch Erfordernisse der unmittelbaren Reproduktion des Lebens orientiert, behandelt werden. Dem entspricht eine Umkehrung bisher dominanter Betrachtungs- und Existenzweisen patriarchal organisierter Kapitalverwertung. Diese Umkehrung stützt sich auf die mit tendenziell totaler Vermarktung sich weit öffnende Schere zwischen den Reproduktionserfordernissen der Lebenskräfte, welche als fiktive Waren gehandelt, durch aktuelle Vermarktungstrends jedoch zunehmend auf tatsächliche Waren reduziert werden und den damit in der Tendenz verbundenen Substanzverlusten.

Zusammenfassend treten nach ersten Vorstellungen aus Sicht einer konkreten Utopie im Blochschen Sinne durch emanzipatorisches Tun an die Stelle patriarchaler und Warenbeziehungen allgemein freiheitliche und gleichheitliche Beziehungen mit dem Ziel einer Erweiterung der allgemeinen freiheitlichen Anteile an der unmittelbaren Reproduktionszeit. Diese ermöglichen eine Erhaltung der Lebensgrundlagen durch Intensivierung der Ressourcennutzung (Menschen und äußere Natur) auf der Grundlage der Erweiterung von allgemeiner Kompetenz, Teilnahme an Politik, Kunst, Wissenschaft usw., welche den general intellect zur allgemeinen freien unmittelbaren Lebenskraft machen. Kurz gesagt, ginge es um den gleichgestellten freien Zugang aller zur ganzheitlichen Reproduktion des Lebens. Nachhaltigkeit der Reproduktion des Lebens ist abhängig von der allgemeinen allseitigen Entwicklung der Fähigkeiten, die primär in der unmittelbaren Reproduktionszeit herausgebildet werden. Ihre Anwendung dient der weiteren allseitigen Entwicklung der Fähigkeiten dann am besten, wenn in der Produktionszeit Voraussetzungen für die Erweiterung der unmittelbaren Reproduktionszeit geschaffen werden und der Anteil allgemeiner freiheitlicher unmittelbarer Reproduktionszeit zunimmt.

Literatur

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Dahrendorf, R. (2003): Auf der Suche nach einer neuen Ordnung. Vorlesungen zur Politik der Freiheit im 21. Jahrhundert, 3. Aufl., München

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* Der vorliegende Beitrag von Anneliese Braun umfasst zwei Teile. Im folgenden zweiten Teil geht es um Ansatzpunkte emanzipatorischen Handelns. Der erste Teil, der sich mit Veränderungen in der unmittelbaren Reproduktion befasst erschien in Z 60 (Anm. d. Red.).

[1] Die aber keinesfalls an sich selbst ersticken, sondern in ihren Deformationen noch lange fähig sind, sich zu erhalten.

[2] In Bereiche „jenseits des Marktes“ zu kommen, bedeutet andere Formen gesellschaftlicher Beziehungen hervorzubringen, die in diesem Beitrag als allgemein gleichheitliche im „Reich der Notwendigkeit“ und allgemein freiheitliche zivilgesellschaftliche Verhältnisse charakterisiert werden. Das sind von vornherein Fragen des Sich-Einbringens in „Gesellschaft“, nicht allein in „Gemeinschaft“ (letztere ist mehr oder weniger resistent gegen unterschiedliche gesellschaftliche Beziehungen, wie sich bei Klöstern, Genossenschaften u.a.m.zeigt, ist insofern natürlich auch Überlebensträger für humanitäre Ideen, Verhaltensweisen - oder auch für konservative). Gesellschaftliche Alternativen würden bedeuten, dass „Gemeinschaften“ sich in lebensfördernde Veränderungen gesellschaftlicher Verhältnisse einbringen.

[3] Als „fiktive Waren“ werden hier die Arbeitskraft, darunter die Verausgabung von „allgemeiner Arbeit“ im Marxschen Sinne und die Naturressourcen angesehen. Es handelt sich um Elemente der unmittelbaren Reproduktion des Lebens, deren Reproduktionserfordernisse durch den Warenwert nicht adäquat ausgedrückt werden können.

[4] In Abgrenzung zu Holloways „Tun“ wird dieses hierbei nicht nur – und auch nicht vordergründig – als „Negation des Existierenden“ (35), als „radikale Veränderung“ (Holloway, 39) verstanden, sondern als positive emanzipatorische Lösung von Entwicklungsproblemen, die zwar im bereits Existierenden beginnt, aber von vornherein darüber hinaus weist.

[5] Unmittelbare Reproduktionszeit (als laufende Zeit und den in ihr entfalteten Fähigkeiten sowie in ihrer Ausstattung mit Mitteln zum Leben) charakterisiert die jeweiligen Potenziale zur unmittelbaren Reproduktion des Lebens. Sie wäre Bezugsbasis für einen gleichgestellten freien Zugang aller zur ganzheitlichen Reproduktion des Lebens. Durch emanzipatorisches Tun entstünden allgemein freiheitliche und gleichheitliche Beziehungen mit dem Ziel einer Erweiterung der allgemein freiheitlichen Anteile an der unmittelbaren Reproduktionszeit.

[6] Das bedeutet keineswegs ein „Recht auf Arbeit“, denn Arbeit wäre ja aufzuheben und damit in Tun/Tätigwerden zu verwandeln. „Tun“ wird über einen reziproken Austausch der Tätigkeiten für sich selbst ausgeübt. Jede/r muss tun/tätig werden.

[7] Die Umorientierung der Produktion auf Grundlage einer Umbewertung in der unmittelbaren Reproduktion ergänzt faktisch Marx’ Position, der eine produktionszentrierte „Aufhebung des Gegensatzes zwischen freier Zeit und Arbeitszeit“ entwickelt: „Die Einsparung von Arbeitszeit gleich Vermehren der freien Zeit, d.h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums, die selbst wieder als die größte Produktivkraft zurückwirkt auf die Produktivkraft der Arbeit.“ (Marx, Grundrisse, 599.

[8] Marx wendete diesen Begriff in den Grundrissen an (Grundrisse, 20), wo er vom „Austausch von Tätigkeiten und Fähigkeiten, der in der Produktion selbst geschieht, ...“ sprach.

[9] D.h: Aufheben der tradierten gesellschaftlichen Arbeitsteilung – wie sie patriarchalen Klassengesellschaften adäquat war und in ihnen immer weiter ausgebaut, verfeinert und sozial festgeschrieben wurde.

[10] In einer produktionszentrierten politischen Ökonomie spielt die unmittelbare Reproduktion des Lebens folgerichtig lediglich eine Rolle als Konsumtionsbereich und als Reproduktion der Arbeitskraft. Überwindung eines produktionszentrierten Herangehens bildet eine der Voraussetzungen, um Spielräume für emanzipatorische Entwicklungen zu eröffnen.

[11] Lebenskräfte beziehen sich grundsätzlich auf Kräfte der Individuen im Einklang mit der äußeren Natur.