Peripherie und Imperialismus

Zur imperialismustheoretischen Leistung Karl Kautskys

Juni 2005

An der Ausarbeitung der Imperialismustheorie, wie wir sie seit Lenins Arbeiten kennen, waren viele Autoren in einer langen wissenschaftlichen Diskussion seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg beteiligt. Diese Diskussion fand vor allem in der deutschen und österreichischen Sozialdemokratie statt; sie wurde in einer Vielzahl von Artikeln vor allem in den theoretischen Organen der beiden Parteien – „Die Neue Zeit“, Berlin und „Der Kampf“, Wien – veröffentlicht. Hier sind solche Autoren zu nennen wie Karl Kautsky, Rudolf Hilferding, Rosa Luxemburg, Heinrich Cunow, Friedrich Adler, Max Adler, Otto Bauer, Karl Renner, Nikolai Bucharin u.a. Besondere Bedeutung kam dem Buch „Das Finanzkapital“ von Rudolf Hilferding zu, das im Jahre 1910 erschien und als erste grundlegende marxistische Arbeit über die neuen Entwicklungstendenzen des Kapitalismus seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts galt.

Die Imperialismus-Diskussion vor dem Ersten Weltkrieg

Kautsky leistete seinen Beitrag vornehmlich durch eine Vielzahl von Artikeln in der „Neuen Zeit“, und er ging auch in seinen größeren theoretischen Schriften wie z.B. „Das Erfurter Programm“ (1892), „Die soziale Revolution“ (1902) und „Der Weg zur Macht“ (1909) bis zu seinem „Alterswerk“ „Die materialistische Geschichtsauffassung“ (1927) auf die neue Entwicklungsstufe des Kapitalismus und das Imperialismus-Problem ein.

Es waren in erster Linie folgende, eng miteinander verknüpfte Fragenkomplexe, um die sich die theoretischen Auseinandersetzungen drehten: Inwiefern kann man von einer neuen Entwicklungsperiode des Kapitalismus sprechen, was sind deren Merkmale und Kriterien? Welche Rolle kommt dem Imperialismus in dieser neuen Entwicklungsphase des Kapitalismus zu, ist er deren „notwendiger“ Bestandteil oder gar Hauptmerkmal? Oder handelt es sich beim Imperialismus „nur“ um eine besondere, d.h. imperialistische Form der Politik? Welche Position soll die Sozialdemokratie einnehmen, wenn er eine „notwendige“ Phase des Kapitalismus darstellt? Welche Verbindungen bestehen zwischen Imperialismus und Krieg?

In Anknüpfung an Friedrich Engels (besonders an dessen Ausführungen im III. Band des „Kapital“ und im „Anti-Dühring“) hat Kautsky schon frühzeitig auf wesentliche Momente der neuen Entwicklungsphase des Kapitalismus hingewiesen. In konsequenter Anwendung der Marxschen Formationstheorie setzte Kautsky seine Betrachtungen bei den Veränderungen in der kapitalistischen Produktionsweise, vor allem bei den Produktionsverhältnissen an. So behandelt er bei seiner Schrift zum Erfurter Programm (1892) eingehend die in ihrer Form und in ihrem Ausmaß neuartigen Prozesse der Konzentration und Zentralisation des Kapitals als entscheidende Kriterien. „Wo mehrere Verkäufer mit Waren derselben Art auf dem Markt auftreten, können sie künstlich ein Monopol schaffen dadurch, daß sie miteinander sich verbinden, so daß sie zusammen einen einzigen Verkäufer bilden. Eine solche Vereinigung, ein Kartell oder Ring, Trust, Syndikat usw. ist natürlich um so eher möglich, je geringer die Zahl der Konkurrenten, deren widersprechende Interessen unter einen Hut zu bringen sind. […] Wo es zu Kartellierung kommt, da bilden die verschiedenen Betriebe, die sich verbinden, tatsächlich nur einen Betrieb unter einer Leitung, sehr oft werden sie auch formell einer einheitlichen Leitung unterstellt. […] Fassen wir alles das zusammen: das Anwachsen der Größe der Betriebe, das rasche Anschwellen der großen Vermögen; die Verminderung der Zahl der Betriebe, die zunehmende Zusammenfassung mehrerer Betriebe in einer Hand, dann wird es klar, daß die Tendenz der kapitalistischen Produktionsweise dahin geht, die Produktionsmittel, welche das Monopol der Kapitalistenklasse geworden sind, in immer weniger Händen zu vereinigen. […] Das wirtschaftliche Getriebe wird bei den kapitalistischen Nationen heute schon in letzter Linie von einigen wenigen Riesenkapitalisten beherrscht und ausgebeutet. Dessen Zusammenfassung unter einige wenige Firmen ist fast nur noch Formsache.“[1]

Einige Jahre später (1897/98) – in seiner Artikelserie in der „Neuen Zeit“ über „Ältere und neue Kolonialpolitik“ – erweitert Kautsky seine ökonomische Analyse der neuen Phase des Kapitalismus um die Merkmale „Finanzkapital“ und „Kapitalexport“ und stellt wohl als erster den Zusammenhang zwischen den neuen ökonomischen Prozessen und einer imperialistischen Politik her. Er zeigte, daß „[...] die neue Art der Reichspolitik oder Weltpolitik eine Folge der Entwicklung des industriellen Kapitals sei, der Zunahme der Bedeutung der hohen Finanz, des Kapitalexports.“[2] In späteren Beiträgen in den Jahren 1907/10 ist Kautsky immer wieder auf die Bedeutung des Finanzkapitals, […] die zunehmende Verschmelzung des industriellen Kapitals mit dem Geldkapital, der hohen Finanz“[3] eingegangen. Oder an anderer Stelle: „Der Gegensatz von Finanz und Industrie hört aber immer mehr auf, denn mit dem Fortschreiten der Kapitalskonzentration bemächtigt sich die Finanz immer mehr und mehr der Industrie. Ein wichtiges Mittel dabei ist die fortschreitende Verdrängung des privaten Unternehmers durch die Aktiengesellschaften.“[4] Die Folgen sind eine zunehmende „Gewalttätigkeit“ des Kapitals und eine „Verschärfung des sozialen Gegensatzes“.[5] Er verweist nun auch immer wieder auf den Zusammenhang zwischen der neuen Wirtschaftsphase des Kapitalismus und der „Politik des Imperialismus“[6] bzw. der „Kolonialpolitik oder des Imperialismus.“[7]

Ein eindeutiges Kennzeichen der neuen Phase des Kapitalismus ist für Kautsky wie auch für andere führende Sozialdemokraten die gewaltige Zunahme der Rüstung verbunden mit einer wachsenden Kriegsgefahr. So heißt es in seinem Buch „Der Weg zur Macht“: „Jeder Regierung werden die fortgesetzten, sich überstürzenden Rüstungen immer unerträglicher, aber keine der herrschenden Klassen sucht die Schuld daran in der Weltpolitik, die sie treiben. Sie dürfen sie dort nicht sehen, weil dort die letzte Zuflucht des Kapitalismus liegt. So sucht jeder die Schuld nur beim andern. […] Alle werden dadurch nervöser und argwöhnischer, was aber nur eine neue Aufstachlung bildet, die Rüstungen mit vermehrter Hast fortzusetzen, bis es schließlich heißt: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. […] Es ist die steigende Kraft des Proletariats, die seit drei Jahrzehnten jeden europäischen Krieg verhindert. ... Aber die Mächte treiben einem Zustand entgegen, in dem schließlich die Gewehre von selbst losgehen.“[8]

Soweit ein kurzer Überblick über die Entwicklung der theoretischen Position Kautskys zum Imperialismusproblem bis zum Ersten Weltkrieg. Es gibt in dieser Zeit eine große Anzahl von Artikeln aus Kautskys Feder, jedoch keine umfassende, geschlossene Darstellung der neuen Entwicklungsphase des Kapitalismus. Diese lieferte – wie erwähnt – Rudolf Hilferding mit seinem hervorragenden Werk „Das Finanzkapital“, mit dessen Erkenntnissen Kautsky völlig übereinstimmte. Die besondere Rolle Kautskys bei der Ausarbeitung einer marxistischen Imperialismustheorie bestand über die eigenen Beiträge hinaus darin, die Diskussion immer wieder aufs Neue anzuregen und zu organisieren, wobei er die „Neue Zeit“ als verantwortlicher Redakteur wirkungsvoll zu nutzen verstand. Es läßt sich feststellen, daß bereits vor dem Ersten Weltkrieg die theoretische Grundeinschätzung der neuen Entwicklungsetappe des Kapitalismus aus marxistischer Sicht in wesentlichen Elementen herausgearbeitet worden war. Lenin waren diese Ergebnisse bekannt; er konnte auf ihnen aufbauen.

Die Imperialismus-Diskussion zu Beginn des Ersten
Weltkriegs

Zu einem neuen Schub der Imperialismus-Diskussion kam es zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Der Kriegsausbruch, der Zusammenbruch der II. Internationale, die sich abzeichnenden gewaltigen ökonomischen, politischen und sozialen Erschütterungen gaben den Anstoß für einen weiteren Klärungsprozeß in der theoretischen Einschätzung des Kapitalismus. Hierbei traten tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Vertretern der deutschen Sozialdemokratie auf, deren Austragung zu einer Präzisierung und zugleich Verfestigung der unterschiedlichen theoretischen Positionen führte. An dieser Diskussion war Kautsky entscheidend beteiligt. Hier bildete sich sein Imperialismuskonzept weiter heraus, das Lenin später mit aller Schärfe angreifen sollte. Worum ging es?

Zum einen meldeten sich einige Diskussionsteilnehmer, die die neue Entwicklungsphase einschließlich ihrer imperialistischen Politik als „notwendige“, d.h. objektiv unvermeidbare Entwicklungsstufe ansahen und daraus für die Sozialdemokratie die Schlußfolgerung zogen, daß sie sich damit abzufinden habe und nicht gegen den „Imperialismus“ ankämpfen könne. So äußerte sich Heinrich Cunow, ein Vertreter dieser Auffassung, folgendermaßen: „Ist aber der Imperialismus nichts Zufälliges, sondern eine notwendige Etappe auf dem zum Sozialismus führenden kapitalistischen Entwicklungswege, dann ist die Forderung: ‚wir dürfen den Imperialismus nicht aufkommen lassen; wir müssen ihn entwurzeln!’ genau solche Albernheit, wie wenn man in der Anfangszeit der maschinellen Großindustrie gesagt hätte: ‚Keine Maschine darf geduldet werden, zerstören wir sie und schreiben wir vor, daß fortan nur handwerksmäßig produziert werden darf.’“[9] Solche Auffassungen wurden von den meisten Diskussionsteilnehmern mit aller Schärfe zurückgewiesen, an ihrer Spitze Kautsky.[10] In der Auseinandersetzung über diese Frage stellte sich aber sehr schnell heraus, daß weit mehr Klärungsbedarf in der Imperialismusfrage bestand als nur hinsichtlich der „Notwendigkeit des Imperialismus“. Die Hauptfrage war: Wodurch wird die neue Entwicklungsetappe des Kapitalismus gekennzeichnet, worin bestehen ihre objektiven Grundlagen und ist dies alles ausreichend mit dem Begriff „Imperialismus“ zu erfassen?

Kautsky und auch Hilferding setzten in ihrer Einschätzung bei den qualitativ neuen Merkmalen in der ökonomischen Entwicklung des Kapitalismus seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts an. Hierzu rechneten sie die neue Stufe der Konzentration der Produktion, die gewaltige Zunahme der Zentralisation des Kapitals, die Herausbildung der Großunternehmen und monopolistischen Vereinigungen in Gestalt von Trusts, Kartellen und Syndikaten, die Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital zum Finanzkapital, die neue Rolle der Kapitalausfuhr. Deshalb sei es gerechtfertigt von einer neuen Stufe der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise zu sprechen, die man am besten als „neue Wirtschaftsphase“ oder „Ära des Finanzkapitals“ kennzeichnen könnte; denn sie „(erwächst) […] aus der Konzentration des industriellen Kapitals und seiner Verschmelzung mit dem Geldkapital […].“[11] Für sie handelte es sich hierbei um eine objektive ökonomische Kategorie, die deutlich vom „Imperialismus“, einer Erscheinung der Politik zu unterscheiden sei. „Imperialismus“ sei – so Kautsky – eine „besondere Art der Politik“, „die vom Finanzkapital bevorzugte Politik“. Er trat entschieden dafür ein, „an dieser Unterscheidung von Finanzkapital als Ursache und Imperialismus als Wirkung festzuhalten.“[12] Die Verwendung des gleichen Namens für zwei verschiedene Erscheinungen würde nur Verwirrung stiften. Und: Diese Unterscheidung sei auch deshalb besonders notwendig, weil man nur hinsichtlich des Eintritts des Kapitalismus in eine neue Wirtschaftsphase von einer „Notwendigkeit“ kapitalistischer Entwicklung sprechen könne, während der Imperialismus als „ein besonderes System der Politik“ nicht als unvermeidbar hinzunehmen und von dem Proletariat entschieden zu bekämpfen sei.[13]

So überzeugend diese Argumentation Kautskys hinsichtlich des Verhältnisses von „neuer Wirtschaftsphase“ und „Imperialismus“ war, so stieß zugleich seine Interpretation imperialistischer Politik bei einigen Diskussionsteilnehmern auf Widerspruch. Dies galt für seine Kennzeichnung des Imperialismus als „Kolonialpolitik“, als „Streben nach einem großen Kolonialreich“[14] wie auch für die Definition: „Der Imperialismus ist ein Produkt des hochentwickelten industriellen Kapitalismus. Er besteht in dem Drange jeder industriellen kapitalistischen Nation, sich immer größeres agrarisches Gebiet zu unterwerfen und anzugliedern, ohne Rücksicht darauf, von welchen Nationen es bewohnt wird.“ [15] In der Diskussion wurde Kautsky entgegengehalten, daß eine solche Definition des Imperialismus zu eng gefaßt sei, denn das „Verwertungsstreben und Ausdehnungsbedürfnis“ des Finanzkapitals erstrecke sich „nicht nur auf Kolonien und fremde Gebiete, sondern auch auf das eigene Staatsgebiet“ und werde auch dort „neue wirtschaftliche Erscheinungen hervorrufen.“ Deshalb „... sei die ganze, sich aus den Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Finanzkapitalismus ergebende Politik ‚imperialistisch’“.[16]

Kautskys Imperialismusbegriff

An dieser Stelle möchte ich etwas ausführlicher auf den Imperialismus-Begriff Kautskys eingehen, weil dieser zu einem Hauptstreitpunkt mit Lenin geworden ist und zugleich zu manchen Mißdeutungen der Kautskyschen Position zum Imperialismus Anlaß gegeben hat.

In Kautskys Schriften finden sich verschiedene Definitionen des Imperialismus als imperialistischer Politik. Sie unterscheiden sich nicht in der Kernaussage – Kolonialpolitik, Inbesitznahme agrarischer Gebiete –, sondern in der Breite der ökonomischen Fragestellung. So heißt es z.B. in einer späteren Imperialismusdefinition (1917): „[…] Kolonialpolitik, die Angliederung agrarischer Gebiete als direkte Kolonien oder als Vasallenstaaten an den Industriestaat und Monopolisierung dieser Länder als Absatzgebiete, Rohstoffquellen und Anlagestätten für exportiertes Kapital. Diese Politik bezeichnet man als die des Imperialismus.“[17] Und Kautsky setzt an anderer Stelle seines Beitrages fort: „Wie der Kapitalismus und das Profitstreben, ist auch der Imperialismus seinem Wesen nach maßlos. […] Das Streben nach Weltherrschaft ist im Wesen des Imperialismus begründet.“[18] Er sieht also durchaus weitergehende Zusammenhänge imperialistischer Politik als „nur“ die Angliederung agrarischer Gebiete; aber im letzteren liegt eben die Besonderheit, die Spezifik dieser Form der Politik des Finanzkapitals, des Imperialismus.[19]

Im Verständnis von Kautsky gibt es auch noch andere Formen der Machtpolitik des Finanzkapitals wie z.B. Schutzzölle, Subventionen, Steuerprivilegien. Imperialismus = imperialistische Politik umfaßt also nicht alle „äußeren“ Formen finanzkapitalistischen Machtstrebens und erst recht nicht die Formen der Unterdrückung „nach innen“. Diese verschiedenen Formen finanzkapitalistischer Machtausübung und Unterdrückung werden von Kautsky gleichwohl erkannt und untersucht; sie fallen aber gemäß seinem Imperialismusver-ständnis begrifflich nicht unter die Formen imperialistischer Politik. Man kann nun Kautsky kritisieren, daß bei ihm imperialistische Politik = Imperialismus begrifflich zu eng gefaßt ist, man kann dies aber nicht mit dem inhaltlichen Vorwurf verbinden, Kautsky habe die über seinen Imperialismusbegriff hinausgehenden verschiedenen Formen finanzkapitalistischer Machtausübung nicht erkannt und untersucht. Dies trifft – wie wir gesehen haben – nicht zu. Allerdings hat Kautsky selbst durch zu einseitige und enge Formulierungen seines Imperialismusbegriffs eine gewisse Verwirrung in die Diskussion hineingetragen und damit zur Kritik herausgefordert.

Eine zweite, anders geartete Problematik des Imperialismusbegriffs war – wie wir gesehen haben – die Frage nach der Kennzeichnung der neuen Entwicklungsphase des Kapitalismus.

Hier setzte sich in der deutschen und österreichischen Sozialdemokratie in den ersten Kriegsjahren die Auffassung durch, daß der Kapitalismus seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in eine neue „Wirtschaftsära“ (oder „Ära des Finanzkapitals“) eingetreten sei, die formationstheoretisch als eine qualitativ neue Entwicklungsstufe der kapitalistischen Produktionsweise zu bewerten sei. Aus diesen Veränderungen in der Ökonomie erwachse die imperialistische Politik (der Imperialismus) der kapitalistischen Mächte einschließlich der Kriegspolitik. Man müsse auch begrifflich zwischen den objektiven Prozessen der neuen Wirtschaftsphase und der aus ihnen resultierenden imperialistischen Politik unterscheiden; denn allein der Begriff „Imperialismus“ tauge nicht zur Kennzeichnung der Ökonomie und Politik in der neuen Entwicklungsphase des Kapitalismus. An der Klärung dieser Fragen war Kautsky führend beteiligt.

Hier nun greift Lenin mit einigen Artikeln, vor allem aber mit seiner berühmten Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ (1916/1917) in die Diskussion ein.

Lenins Kritik an Kautskys Position

Lenin hat wohl als einziger – soweit ich das überblicke – den Begriff „Imperialismus“ allumfassend und unterschiedslos zur Kennzeichnung des neuen Stadiums der kapitalistischen Entwicklung, der ökonomischen Basis wie auch der Politik des Kapitalismus in diesem Stadium gebraucht. Zunächst sah auch er „Imperialismus“ eher als eine Erscheinung der Politik. In Schriften vor dem Ersten Weltkrieg spricht er häufig von „der imperialistischen Politik“ der Großmächte oder von der „Politik des Imperialismus“.[20] Erst später wird „Imperialismus“ zum Gesamtbegriff. Dabei hebt er zwar immer wieder hervor: Ökonomisch ist der Imperialismus Monopolkapitalismus, ohne allerdings letzteren konsequent zum Gattungsbegriff für die neue Phase des Kapitalismus zu machen. Lenin kritisiert mit großer Schärfe die Interpretation der imperialistischen Politik durch Kautsky – und damit zugleich dessen Imperialismus-Definition.[21] Dabei nimmt er Kautskys unvollkommene Definition der imperialistischen Politik zum Kriterium einer Beurteilung von dessen Gesamtkonzept über das neue Stadium des Kapitalismus, was – wie wir gesehen haben – unzutreffend ist. Und hinsichtlich der Einschätzung einer „neuen Wirtschaftsphase“ bzw. „Ära des Finanzkapitals“ gibt es ja weitgehende Übereinstimmung zwischen Lenin und Kautsky. Aber: Bei der Auseinandersetzung über den Imperialismus-Begriff geht es nicht einfach nur um einen Streit um Worte. Vielmehr geht es vor allem um ein unterschiedliches Verständnis von der Rolle der Politik im „Imperialismus“ = „Ära des Finanzkapitals“, von der Möglichkeit, politisch auf die imperialistische Politik einzuwirken.

Bei Lenin gibt es einen direkten und vielfach sogar zwangsläufigen Zusammenhang zwischen der Entstehung der Monopole, des Finanzkapitals und der politischen Reaktion. „Der politische Überbau über der neuen Ökonomik, über dem monopolistischen Kapitalismus (Imperialismus ist monopolistischer Kapitalismus) ist die Wendung von der Demokratie zur politischen Reaktion. Der freien Konkurrenz entspricht die Demokratie. Dem Monopol entspricht die politische Reaktion.“[22] Politik ist im Imperialismus für Lenin vielfach ein direkter „Ausfluß“ der Ökonomie, so z.B., wenn er feststellt, der Imperialismus führe im Ergebnis der Herrschaft des Finanzkapitals und des internationalen Kampfes um die Aufteilung der Welt „zum geschlossenen Übergang aller besitzenden Klassen auf die Seite des Imperialismus“.[23] Später spricht Lenin sogar vom „Zusammenbruch der bürgerlichen Demokratie“ im Ergebnis des Weltkrieges.[24] Es gibt bei Lenin kaum eine Differenzierung in der Politik einzelner Schichten oder auch Gruppen des Kapitals und der herrschenden Eliten hinsichtlich der imperialistischen Politik. Damit findet sich bei ihm auch kaum Spielraum für die Eigenständigkeit politischer Prozesse und die Bekämpfung des Imperialismus = imperialistischer Politik innerhalb der bestehenden Gesellschaft. Mit aller Schärfe wendet sich Lenin gegen die Auffassung Kautskys, das Proletariat könne mit Erfolg gegen die imperialistische Politik angehen. Für ihn ist die Beseitigung der ökonomischen Grundlagen des Finanzkapitals Voraussetzung eines erfolgreichen Kampfes gegen den Imperialismus. „[…] denn ein ‚Kampf’ gegen die Politik der Trusts und Banken, der die ökonomischen Grundlagen der Trusts und Banken unangetastet läßt, läuft auf bürgerliche Reformen und Pazifismus hinaus, auf harmlose und fromme Wünsche. Sich über die bestehenden Widersprüche hinwegsetzen, die wichtigsten von ihnen vergessen, anstatt die Widersprüche in ihrer ganzen Tiefe aufzudecken – das ist Kautskys Theorie, die mit dem Marxismus nichts gemein hat.“[25]

Monopolkapitalismus – Imperialismus

Nun hat Lenin sicherlich in den damaligen Zeiten der Verschärfung der sozialen Konflikte und des möglichen Heranreifens einer revolutionären Situation im Ergebnis des Krieges nicht zu unrecht in mancher Hinsicht die Fragestellung nach der Rolle der imperialistischen Politik zugespitzt. Und Kautsky sah die imperialistische Politik zu eng. Aber die generelle Ablehnung eines Kampfes um Reformen ist sicher für die gesamte Periode des Imperialismus, erst recht unter heutigen Bedingungen nicht haltbar. Diese Position Lenins hängt ursächlich mit seinem Verständnis des Imperialismus als „einheitliches Ganzes“ – gewissermaßen als „Einheit von imperialistischer Ökonomie und Politik“ – zusammen, wodurch ohne Zweifel einseitige Betrachtungen in die theoretische Diskussion hineingetragen wurden.

Es besteht daher nach meiner Auffassung auch heute in mehrfacher Hinsicht Klärungsbedarf bei der Bestimmung des Begriffs „Imperialismus“. Zum einen geht es darum, die neue Stufe der kapitalistischen Entwicklung vor allem an Hand der Veränderungen in der ökonomischen Gesellschaftsformation zu kennzeichnen. Einer solchen formationstheoretischen Einordnung entspricht die Bezeichnung „monopolistischer Kapitalismus“ viel eher als der der Politik entlehnte Begriff „Imperialismus“. Damit befänden wir uns auch wieder in Übereinstimmung mit nahezu allen übrigen Teilnehmern an der historischen Debatte über den Imperialismus, die sich darin einig waren, daß es sich zuvörderst um eine neue Etappe oder Phase des Kapitalismus handelt, die am besten durch das Finanzkapital oder den Monopolkapitalismus und dessen Herrschaftsstrukturen zu kennzeichnen sei. Dieser Gesichtspunkt bewog auch Bucharin im Unterschied zu Lenin von einer „Epoche des Finanzkapitalismus“ und „vom Imperialismus, vor allem als von der Politik des Finanzkapitals“[26] zu sprechen. Eine solche Korrektur bei der Verwendung des Imperialismusbegriffs kann sich auch und gerade auf Lenin stützen; denn nach ihm bildet das Monopol, die Ablösung der freien Konkurrenz durch das Monopol, „das ökonomische Wesen des Imperialismus“, den entscheidenden Grundzug der neuen Etappe des Kapitalismus.[27] Eine solche Kennzeichnung als Monopolkapitalismus ist auch heute noch gültig; denn die Entwicklung zum staatsmonopolistischen Kapitalismus und dessen neue internationale Ausprägung seit den 80er Jahren sind weitere Entwicklungsstufen auf dieser monopolkapitalistischen Grundlage.

Eine weitere Frage der Klärung des Imperialismusbegriffs wäre die begriffliche Unterscheidung zwischen der neuen Stufe der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaftsformation und einer bestimmten Politik des Imperialismus. Es macht durchaus Sinn, den Begriff „Imperialismus“ – seiner eigentlichen Herkunft und Bestimmung entsprechend – der Kennzeichnung einer bestimmten Machtpolitik der Staaten und des internationalen Finanzkapitals, der Aggression, der Beherrschung, Unterdrückung und Kolonialisierung vorzubehalten. Damit würde Imperialismus zwar weiter gefaßt als bei Kautsky, entspräche aber den heutigen Formen äußerer Expansion des Kapitalismus besser. Eine solche Machtpolitik sollte natürlich auch weiterhin als „Imperialismus“ gelten. Zugleich wäre aber auch eine differenziertere und damit wirksamere Anwendung des „Imperialismusbegriffs“ möglich, wie auch eine klarere Orientierung auf den Kampf zur Zurückdrängung einer solchen Politik.

Lenins Theorie ist unter dem Namen „Imperialismustheorie“ in die Geschichte eingegangen; und daran wird sich auch nichts ändern. Und es bleibt Lenins Verdienst, mit seinen Arbeiten grundlegende Erkenntnisse über den modernen Kapitalismus und Imperialismus vorgelegt zu haben. Ihm verdanken wir vor allem die Forschungsergebnisse zum Monopolkapitalismus. Nur sollte uns das heute nicht davon abhalten, den Imperialismusbegriff neu zu diskutieren und zu präzisieren – und dabei kann uns Kautsky helfen.

Ultraimperialismus

Nun komme ich noch zu einem letzten Problem des Kautskyschen Beitrages zur Imperialismustheorie – zur Frage des „Ultraimperialismus“.

Bei seiner Untersuchung der neuesten Entwicklungstendenzen des Kapitalismus am Beginn des Krieges (1914-1915) entwickelte Kautsky seine These von der Möglichkeit des Ultraimperialismus. „Der Rückgang der schutzzöllnerischen Bewegung in England, die Herabsetzung der Zölle in Amerika, die Bestrebungen nach Abrüstung, der rasche Rückgang des Kapitalexports aus Frankreich und Deutschland in den letzten Jahren vor dem Kriege, endlich die zunehmende internationale Verfilzung der verschiedenen Klüngel des Finanzkapitals veranlaßten mich, zu erwägen, ob es nicht möglich sei, daß die jetzige imperialistische Politik durch eine neue, ultraimperialistische verdrängt werde, die an Stelle des Kampfes der nationalen Finanzkapitale untereinander die gemeinsame Ausbeutung der Welt durch das international verbündete Finanzkapital setzte. Eine solche neue Phase des Kapitalismus ist jedenfalls denkbar. Ob auch realisierbar, das zu entscheiden fehlen noch die genügenden Voraussetzungen.“[28]

Lenin wandte sich gegen diese These vom Ultraimperialismus mit äußerster Schärfe. Er beschuldigte Kautsky, mit diesem Konzept „entschieden und unwiderruflich mit dem Marxismus zu brechen.“[29] Kautsky gehe dabei einseitig von seiner Vorstellung des Imperialismus als einer Form der Politik aus und lasse wesentliche ökonomische Prozesse außer acht, die zu ungleichmäßigen Veränderungen in der Stärke der imperialistischen Mächte und damit zur erneuten Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche, zu neuen bewaffneten Auseinandersetzungen und Kriegen zwischen ihnen führten. Abstrakt könne man sich zwar eine Phase des Ultraimperialismus denken, meinte Lenin, doch bevor es dazu komme, müsse der Imperialismus infolge der Widersprüche, Konflikte und Erschütterungen unweigerlich bersten, werde er in sein Gegenteil umschlagen.[30]

Auch aus heutiger Sicht ist der Kritik Lenins zuzustimmen, hat doch die Entwicklung des Kapitalismus zumindest bis nach dem Zweiten Weltkrieg einen völlig anderen Verlauf genommen als zu einem „Ultraimperialismus“. Eine erneute Zuspitzung der imperialistischen Gegensätze mit einem noch furchtbareren Weltkrieg waren die Haupttendenz der zwischenimperialistischen Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg. Aber man muß Kautsky auch Gerechtigkeit widerfahren lassen. So erwog er die Entwicklung zum Ultraimperialismus als eine Möglichkeit – die internationale Entwicklung des Kapitalismus nach dem Weltkrieg sah er als völlig offen an. In dem Beitrag, gegen den Lenin so scharf polemisiert, schreibt Kautsky: „Er (der Weltkrieg – H.H.) kann die schwachen Keime des Ultraimperialismus völlig zertreten, indem er den nationalen Haß auch der Finanzkapitalisten aufs höchste steigert, das Wettrüsten weiter treibt, einen zweiten Weltkrieg unvermeidlich macht. ... Aber der Krieg kann auch anders enden. Er kann in einer Weise ausgehen, die die schwachen Keime des Ultraimperialismus erstarken läßt.“[31] Darauf geht Lenin nicht ein. – In einer längeren Perspektive, bezogen auf die Periode nach dem Zweiten Weltkrieg, die allerdings in einem weder von Lenin noch von Kautsky vorhersehbaren Umfeld vonstatten ging, sind die Überlegungen zum „Ultraimperialismus“ von großer Aktualität. Die ökonomischen und politischen Verflechtungen zwischen den Industrieländern haben einen solchen Stand erreicht und die modernen Waffen haben eine solche Dimension erlangt, daß bewaffnete Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten sehr unwahrscheinlich geworden sind. Demgegenüber kann man bei der Einschätzung der heutigen Beziehungen zwischen der OECD-Welt auf der einen Seite und den Entwicklungsländern oder Schwellenländern und anderen „outsidern“ auf der anderen Seite mit Kautsky durchaus von „einer gemeinsamen Ausbeutung der Welt durch das international verbündete Finanzkapital“ sprechen. Die Tätigkeit von Weltbank, IWF, OECD, NATO und anderer internationaler Organe liefern hierfür ständig neue Beweise. So hat sich in langfristiger Perspektive die Voraussage Kautskys durchaus erfüllt.

Eine Bilanz

Wenn wir nun Bilanz ziehen, worin Kautskys Beitrag zur Imperialismustheorie ( eigentlich eine unzutreffende Fragestellung, denn für Kausky gab es ja keine „Imperialismustheorie“) bestand, dann sehe ich vor allem folgende Gesichtspunkte:

- Sein konsequenter Ansatz bei den Veränderungen in den Produktionsverhältnissen.

- Seine Unterscheidung zwischen neuer ökonomischer Phase (Finanzkapital) und einer entsprechenden Politik, imperialistischer Politik.

- Sein Beitrag zur Klärung des Imperialismusbegriffs.

- Seine Voraussagen über die historische Tendenz der Internationalisierung des Kapitals und deren Auswirkungen auf die zwischenimperialistischen Beziehungen („Ultraimperialismus“).

Diese Fragestellungen sind für die heutige Kapitalismusanalyse von großer Aktualität.

Die heutige Imperialismusdiskussion leidet unter einer oberflächlichen Betrachtung des „Imperialismus“, d.h. sie geht vor allem auf die neuen Prozesse in den internationalen Kräfteverhältnissen, in der Hegemonialstellung der USA usw. ein, wendet sich aber völlig ungenügend den ökonomischen Grundfragen zu. Ein Schlüsselproblem sind die Veränderungen in der Struktur des Finanzkapitals und damit der Herrschaftsstruktur im heutigen Kapitalismus.

Kautskys Nekrolog auf Lenin

Zum Schluß noch eine versöhnliche Anmerkung zu dem Verhältnis Lenin-Kautsky.

Nach Lenins Tod wurde auch Kautsky vom sowjetischen Regierungsorgan „Iswestija“ eingeladen, einen Gedenkartikel für Lenin zu schreiben. Kautsky war sehr überrascht und zögerte zunächst angesichts der erbitterten Auseinandersetzungen und vielen persönlichen Kränkungen, die das Verhältnis zu Lenin in den letzten Jahren gekennzeichnet hatten. Aber, so entschied sich Kautsky: „Auch bei dem Gegner müssen wir seine Leistungen anerkennen, namentlich dann, wenn seine Persönlichkeit aus dem Kampf ausscheidet.“[32] Er machte sich also an die Arbeit und verfaßte einen Artikel, der in der „Iswestija“ mit einem Kommentar der Herausgeber veröffentlicht wurde, in dem diese anmerkten, daß selbst ein so offener Gegner des Leninismus wie Kautsky die Größe Lenins anerkennen mußte. Darüber ärgerte sich Kautsky, weil er sich für die Propagandazwecke der „Iswestija“ vereinnahmt fühlte.

Nun ist dieser Gedenkartikel in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen verschweigt Kautsky keineswegs seine tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten mit Lenin, vor allem mit dessen „Methoden“ der Herrschaftsausübung, wie er sich ausdrückt. Zugleich aber will er aus ehrlicher Überzeugung Lenins Größe und historische Bedeutung würdigen. „Wohl hege ich große Bedenken gegen die von Lenin in den letzten Jahren geübten politischen und ökonomischen Methoden; wohl wurde ich wegen unserer sachlichen Differenzen von ihm persönlich tief herabgesetzt, und noch schmerzlicher empfand ich die Verfolgung aller Elemente, auch sozialistischer, die im Machtbereich Lenins von seinen Anschauungen abwichen. Aber im Augenblick des Todes hat man den ganzen Mann zu würdigen, nicht bloß einige Jahre seines Lebens, nicht bloß einige Seiten seines Wirkens, und aller persönlicher Groll hat zu schweigen. Unsere Differenzen dürfen uns nicht blind machen für die Größe des Dahingeschiedenen. Er war eine Kolossalfigur, wie ihrer nur wenige in der Weltgeschichte zu finden sind.“[33] Und für die Würdigung Lenins wählt Kautsky nun einen typisch Kautskyschen Weg, nämlich einen Vergleich mit – Bismarck; denn unter den „Regenten der Großstaaten in unserer Zeit“ sei es nur er, der Lenin „an Wucht einigermaßen nahekommt.“[34]

Auch wenn ihre Ziele diametral verschieden gewesen seien, sich wie Feuer und Wasser zueinander verhielten, und Bismarcks Ziele im Vergleich zu Lenins ungeheuer großen Zielsetzungen klein ausfielen, so hätten doch beide auch vieles gemeinsam gehabt. Kautsky vergleicht die Vorzüge und Schwächen beider Persönlichkeiten miteinander, wobei Lenin besonders hervorgehoben wird. So würdigt Kautsky Lenin als einen Mann von zähester, unbeugsamster und kühnster Willenskraft, sein Erkennen der Bedeutung des Einsatzes der bewaffneten Macht in der Politik, sein diplomatisches Geschick und das erfolgreiche Ausmanövrieren seiner Gegner, sein großes Verständnis für die Theorie, seinen entschlossenen Kurswechsel zur NÖP, seine Uneigennützigkeit u.a.m.

Der Vergleich zwischen Lenin und Bismarck bietet Kautsky somit die Gelegenheit, eine recht persönlich gehaltene Würdigung der Persönlichkeit Lenins zu formulieren und dabei auch Gemeinsamkeiten mit Lenin in Erinnerung zu rufen. Zum Schluß gibt Kautsky der Überzeugung Ausdruck, daß die russische Revolution noch nicht abgeschlossen, nicht mit Lenin zu Grabe getragen sei. Er schließt mit dem optimistischen Ausblick, daß sich in Rußland der Drang der arbeitenden Massen nach Selbständigkeit schließlich Bahn brechen werde. „Und dann werden alle die Früchte zur Reife gelangen, die die russische Revolution in größter Fülle in ihrem Schoße trägt.“[35]

[1] Karl Kautsky, Das Erfurter Programm, Berlin 1965, S. 84, 88 und 89.

[2] Karl Kautsky, Zwei Schriften zum Umlernen, in: Die Neue Zeit, Berlin, 33. Jahrg., 2. Band, 23.April 1915, S. 110. Kautsky verweist hier auf seine Artikel zur Kolonialpolitik von 1897-98.

[3] Karl Kautsky, Die soziale Revolution, 2. Aufl., Berlin 1907, S. 37.

[4] Ebenda, S. 38.

[5] Ebenda, S. 39.

[6] Karl Kautsky, Der Weg zur Macht, 2. Aufl., Berlin 1910, S. 96.

[7] Ebenda, S. 101.

[8] Karl Kautsky, Der Weg zur Macht, a.a.O. S. 100-101.

[9] Zitiert in: Karl Kautsky, Zwei Schriften zum Umlernen, a.a.O., S. 108.

[10] Ebenda, S. 109 ff..

[11] Ebenda, S. 111.

[12] Ebenda; siehe auch: Rudolf Hilferding, Historische Notwendigkeit und notwendige Politik in: Der Kampf, Wien, Jahrgang 8, Nr.5 vom 1.5.1915. Hier definiert Hilferding den Imperialismus als „die Wirtschaftspolitik des Finanzkapitals“ (S. 212).

[13] Karl Kautsky, Zwei Schriften zum Umlernen, a.a.O., S. 111.

[14] Siehe: Karl Kautsky, Der Weg zur Macht, a.a.O., S. 101; ders., Die Sozialdemokratie im Kriege, Die Neue Zeit, 33. Jahrg., 2. Band, 1915, S. 909.

[15] Karl Kautsky, Der Imperialismus, in: Die Neue Zeit, Berlin, 32. Jahrg., 2. Band, 11. September 1914, S.909.

[16] Heinrich Cunow, Illusionen-Kultus. Eine Entgegnung auf Kautskys Kritik meiner Broschüre „Partei-Zusammenbruch?“, in: Die Neue Zeit, Berlin, 33. Jahrgang, 2. Band, 14. Mai 1915, S. 201.

[17] Karl Kautsky, Der imperialistische Krieg, in: Die Neue Zeit, 35. Jahrg., 1. Band, Nr. 20, 16. Februar 1917, S. 477.

[18] Ebenda, S.482.

[19] Mit dieser Position befindet sich Kautsky in voller Übereinstimmung mit dem allgemeinen Imperialismusverständnis der Periode vor dem Ersten Weltkrieg, die als imperiales Zeitalter in die Geschichte eingegangen ist. Siehe hierzu die Einschätzung von Eric J. Hobsbawm in seinem Buch: Das imperiale Zeitalter 1875-1914, Frankfurt/New York 1989, S. 79 ff..

[20] W.I.Lenin, Werke, Band 18, S. 413 und 579.

[21] Siehe: W.I.Lenin, Werke, Band 22, S. 272 ff.

[22] W.I.Lenin, Werke, Band 23, S. 34.

[23] W.I.Lenin, Werke, Band 22, S. 290.

[24] W.I.Lenin, Werke, Band 35, S. 427.

[25] W.I.Lenin, Werke, Band 22, S. 275.

[26] Nikolai Bucharin, Imperialismus und Weltwirtschaft, Neuntes Kapitel, Der Imperialismus als historische Kategorie, unter: www.marxists.org/deutsch/archiv/bucharin/1917/imperial (6.5.2002).

[27] Siehe z.B: W.I.Lenin, Werke, Band 23, S. 34-35.

[28] Karl Kautsky, Zwei Schriften zum Umlernen, a.a.O., S. 144.

[29] Siehe: W.I.Lenin, Werke, Band 22, S. 104 und 303.

[30] Siehe: W.I.Lenin, Werke, Band 22, S. 106.

[31] Karl Kautsky, Zwei Schriften zum Umlernen, a.a.O., S. 145.

[32] Karl Kautsky, Ein Brief über Lenin, in: Der Kampf, Wien, Bd. 17, Nr. 5, Mai 1924, S. 176.

[33] Ebenda, S. 177.

[34] Ebenda, S. 177/78.

[35] Ebenda, S. 179.