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Was heißt hier Prostitution?

Ansatz zu einer gesellschaftsgeschichtlichen Deutung der Institutionen Ehe und Prostitution

März 2007

Vorbemerkung: Der Umsatz im Wirtschaftsbereich „Sexuelle Dienstleistungen“ in der BRD ist offenbar nicht zu unterschätzen, und diese Branche bietet anscheinend einigen 100.000 Frauen Arbeit. Aber: „Während in anderen Branchen die Arbeitnehmerschaft um ihre Rechte kämpft, wird in der Prostitution über Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen noch nicht einmal gesprochen. Das will ver.di nun ändern.“ (Mitrović 2006a) Seit dem Inkrafttreten des so genannten Prostitutionsgesetzes Anfang 2002, welches mit grundlegenden grundgesetzlichen, zivil-, arbeits- und sozialrechtlichen Diskriminierungen der gewerblichen Sexarbeit Schluss machte, bemüht sich die Gewerkschaft ver.di (Fachbereich 13 Besondere Dienstleistungen) durch Studien, Konferenzen und gewerkschaftliche Organisationsarbeit um eine Aufhellung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in diesem Bereich. (Vgl. Mitrović 2004; Mitrović 2006b) Noch mehr als die Praxis hinkt die Theorie der Arbeiterbewegung dieser Herausforderung hinterher. Seit Friedrich Engels (1962, 62-69, zuerst 1884/1892) und August Bebel (1979, 142ff, zuerst 1879) die „monogame Ehe“ und die „Prostitution“ als zwei korrespondierende Institutionen in Klassengesellschaften dargestellt haben, hat sich die historisch-materialistische Theorie kaum mehr ernsthaft um das Thema Sexarbeit bemüht. Es ist an der Zeit, diesem Versäumnis ein wenig abzuhelfen.

1.

Ich beginne mit einigen allgemeinen historischen Anmerkungen zu den (gesamt)gesellschaftlichen Zusammenhängen, in denen Ehe und Prostitution – wie wir sie kennen – aufgekommen sind. Dazu müssen wir uns in Gedanken einige tausend Jahre zurückversetzen, in den Zeitraum, als in Südwestasien Landnutzung und Tierhaltung und anschließend im Süden Mesopotamiens die ersten Stadtstaaten sich ausbildeten. Wenn wir Klarheit über die Prostitution gewinnen wollen, sollten wir die Ehe in die Betrachtung miteinbeziehen. Denn die eine Institution würde ohne die andere nicht existieren (können). Beide wurzeln nicht nur – historisch wie aktuell gesehen – in denselben gesellschaftlichen Verhältnissen. Sie teilen auch dieselbe gesellschaftliche Funktion: sie sind patriarchal-verfügungsgewaltliche Einrichtungen, und sie dienen in erster Linie der sexuellen Bevormundung der Frau – jede auf ihre besondere Weise. Die die Ehe wie die Prostitution begründenden und sie bis heute konstituierenden gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse sind im gesellschaftlichen Bewusstsein der Gegenwart so gut wie nicht präsent. Sie entstehen historisch im Zusammenhang mit anderen Einrichtungen im Rahmen spezifischer sozialer Aktionsbereiche, die für die Reproduktion einer Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind: Im Bereich der Familie mit der Institution des Patriarchats als Domäne der väterlichen Gewalt über die Kinder, im Bereich der Politik mit der Institution des Staats als Domäne der herrschaftlichen Kommandogewalt über die Staatsbürger und im Bereich der Subsistenz mit der Institution des Wirtschaftsbetriebs als Domäne der eigentümerischen Gewalt über die Subsistenzmittel. Die frühgeschichtlichen Vorgänge der Konstituierung dieser drei Institutionen, in denen je spezifische Bündelungen von Verfügungsgewalten zusammentreffen, sind noch längst nicht geklärt. Allerdings ist aus archäologischen Befunden über die Entwicklung von festen Wohnsiedlungen, agrarischen Subsistenzstrategien, familialen Lebensformen und politischen Verfahrensweisen im neolithischen Südwestasien zu erschließen, dass sie im Zusammenhang stehen mit der dauerhaften Okkupation eines Lebensraumes, der Inbeschlagnahme von Böden und Gewässern und der Indienstnahme von pflanzlichen und tierlichen Lebewesen (auch der eigenen Spezies) für Zwecke einer landwirtschaftlichen Subsistenzstrategie. So sind z.B. in den Städten Mesopotamiens zur Zeit der so genannten frühen Hochkultur im 3. Jt. v.u.Z., bisherigen Befunden aus archäologischen und schriftlichen Quellen zufolge, das Patriarchat, der Staat und der Wirtschaftsbetrieb sowie die Ehe und die Prostitution institutionell voll ausgebildet. Mit diesen Institutionen waren gesellschaftliche Machtpositionen entstanden, die mit Machtmitteln und Herrschaftsgewalten ausgestattet waren und deren Inhaber Männer waren. Unter den Gesellschaftsmitgliedern hatten sich vielfältige soziale Ungleichheiten in familialer, politischer und subsistenzieller Hinsicht ausgebildet. Es waren kurzum Ungleichheitsgesellschaften entstanden. (Vgl. Lamberg-Karlovsky 1976; Lambrecht u.a. 1998, 132-153, 190-233) Ungeachtet einiger Erklärungsversuche harrt noch vieles, was die Konstituierung der genannten verfügungsgewaltlichen gesellschaftlichen Institutionen betrifft, der Aufklärung: Wie es dazu kam, dass Väter sich der Kinder bemächtigten und zu Patriarchen aufstiegen, dass erwachsene Männer eine politische Führerschaft beanspruchten und sich zu Staatmännern erhoben und dass sie sich zu Eigentümern erklärten und anfingen, Ökonomie, d.h. eine rationell-technisch orientierte Güterwirtschaft, zu treiben – und dass dabei die Frauen ihrer hergebrachten subsistenziellen Autonomie verlustig gingen und auseinander dividiert wurden, die einen zu Ehefrauen und die anderen zu Prostituierten gemacht wurden. (Vgl. z.B. Lerner 1986; Engels 1962) Dies alles ist nur durch Untersuchungen je gegebener konkreter historisch-geographischer Konstellationen zu klären. Gleichwohl lassen sich über die einmal errichteten Institutionen, jedenfalls die des westlich-europäischen, auf die frühen südwestasiatischen Hochkulturen zurückweisenden Entwicklungsstrangs der Gesellschaftsgeschichte, auf der Basis der vorhandenen Befunde auch einige allgemeine Aussagen treffen.

2.

Wenn ich nun versuche, einige gesellschaftstheoretische Erörterungen über die Institutionen Ehe und Prostitution anzustellen, dann kann es nur darum gehen, einige generelle Aussagen zu formulieren, die als theoretische Verallgemeinerungen aus an anderer Stelle (s. Das Argument 263) referierten historischen Befunden plausibel sind. Im Folgenden werde ich zunächst die beiden Institutionen gesondert betrachten, danach werde ich den Zusammenhang beider und ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Stellung der Frau in Augenschein nehmen.

Die frühen Formen der Ehe in Mesopotamien und in Rom deuten darauf hin, dass diese Institution aus der väterlichen Gewalt oder Patria Potestas hervorgeht. Diese selbst ist, wie die Geschichte Roms zeigt, Ausdruck einer gesellschaftlichen Vormachtstellung von erwachsenen Männern als Vätern innerhalb wie außerhalb der Familie. Wie eingangs festgehalten, bündeln sie Verfügungsgewalten in ihren Händen, kraft deren sie Herrschaftsgewalt in der eigenen Familie und in darüber hinausgehenden gesellschaftlichen Angelegenheiten entfalten und als Kollektiv auch allgemeinverbindliche Rechtssetzungen vornehmen können. Die Ehe nun ist von nicht geringer Bedeutung für die väterliche Verfügungsgewalt, ist sie doch eine Einrichtung, vermittels deren diese Gewalt über Personen und Sachen auf den mannbaren Sohn vererbt werden kann. Aufgrund dieser Genese eine verfügungsgewaltliche Institution, ist sie dies bis in die bürgerliche Epoche geblieben. Nicht von ungefähr kann daher Sabine Berghahn, bezogen auf die Rechtssetzung der BRD zu den „ehelichen“ und so genannten eheähnlichen Lebensgemeinschaften, feststellen: „In beiden Rechtsformen werden Männer und Frauen durch Unterhalts- und Einstandspflichten zwangsweise vergemeinschaftet, was die Gefahr von persönlicher Abhängigkeit und mittelbarer Diskriminierung von Frauen mit sich bringt.“ (Berghahn 2004, 128) Dem zwangsvergemeinschafteten Paar sind, in den Frühzeiten der Ehe deutlicher wahrgenommen als heute, je nach Geschlecht besondere Aufgaben gestellt: der Ehemann muss seine Ehefrau „begatten“, um sich als eigenständiger Kindsvater zu erweisen und die Patria Potestas zu erlangen, und die Ehefrau muss ihrem Ehemann Zugang zu ihrem Gebärvermögen lassen, um ihm Kinder zu bescheren und sie großzuziehen. Die Erfüllung dieser Aufgaben ist die raison d'être der Institution bis heute. Den Ehemännern war dabei die eheherrliche Gewalt, ein Ableger der Patria Potestas, behilflich. Während diese Gewaltform, die meist auch rechtlich verbürgt war, in Deutschland vor kurzem abgeschafft wurde, besteht die Patria Potestas fort, wenngleich ihre Erscheinungsformen und juristischen Spiegelungen Veränderungen erfahren haben: zu erinnern ist an die gleichberechtigte Teilhabe der Mutter an der väterlichen Gewalt, die Umbenennung dieser in elterliche Sorge und die verfassungsgerichtliche Anerkennung „Minderjährige[r] als Rechtssubjekte“. (Münder u.a. 1991, 40) Was heißt eheliche Zwangsgemeinschaft für die Frau heute? Es heißt, dass die Frau durch die Ehe genötigt wird, sich in eine Position persönlicher und ökonomischer dienstbarkeitlicher Abhängigkeit zu begeben: einerseits mit ihrem Gebärvermögen dem Ehemann direkt, der Staatsgewalt indirekt zu Diensten zu sein und andererseits, hinsichtlich des Lebensunterhalts, ihre eigene Person und die Kinder, die sie zur Welt bringt, in die Abhängigkeit von diesen beiden Instanzen zu geben. Hinzu kommt weiterhin die offizielle Nötigung, zur Komplizin in der Ausübung patriarchaler Verfügungsgewalt zu werden. Wahrlich keine schönen Sachen. Nur schade, dass die Frauen dies alles meist gar nicht wahrhaben wollen, weil sie Angst vor der eigenen Courage haben und ihre Köpfe mit verschleiernden Illusionen vollgetrichtert sind.

Auch was die Institution Prostitution angeht, kann die antike römische Gesellschaft Auskunft über deren frühe Form geben. In Rom wurden Frauen, die im Sexhandwerk tätig waren, u. a. als prostituta bezeichnet. Das Wort ist, grammatikalisch gesehen, die weibliche Form des Partizips Perfekt des Verbums prostituere, wobei zu beachten ist, dass dieses Partizip im Lateinischen nur bei der Passivform eines Verbs gebraucht wird. Ins Deutsche übersetzt heißt prostituta: eine, die preisgegeben worden ist. Preisgegeben worden sein kann jemand nur durch jemand anderen, der Verfügungsgewalt über sie/ihn hat. Ein solches Verhältnis bestand in Rom zwischen Sklavenhalter/in und Sklavin, und aus zahlreichen Quellen wissen wir, dass großenteils Sklavinnen im Sexhandwerk tätig waren. Sklavinnen, die zur so genannten Familia gehörten, konnten demnach von ihren Halter/inne/n zum Zweck der eigenen wirtschaftlichen Bereicherung aus der Sphäre der privaten Dienstleistung in die einer gewissermaßen öffentlichen überstellt werden. Dieser etymologischen Verwurzelung des Wortes Prostitution sollten wir Rechnung tragen und uns darüber klar sein, dass damit ein verfügungsgewaltliches Verhältnis bezeichnet ist, dem die Sexhandwerkerin unterworfen ist. Das Handwerk an sich ist eine ganz andere Sache. Dessen Betrachtung werde ich mich nun zuwenden und zunächst das kommerzielle Tauschgeschäft zwischen der Sexhandwerkerin und dem Kunden sowie den Arbeitsvorgang, den diese Dienstleistung umfasst, ins Auge fassen. Dabei gilt als Prämisse, dass diese Dienstleistung weder ein auf Gegenseitigkeit beruhender Austausch von sexuellen Belustigungen ist noch ein Ausleben von Promiskuität seitens der Dienstleisterin. Derlei Reden führen in die Irre. Der reale Tauschvorgang sieht so aus: Der Kunde möchte ein sexuelles Lusterlebnis kaufen, das er als Ergebnis einer Arbeitsleistung entgegennimmt, deren Preis er zahlt. Die Sexhandwerkerin möchte ein Produkt ihrer Arbeitsleistung verkaufen, um durch diese Veräußerung die (finanziellen) Mittel zu gewinnen, die sie für ihren Lebensunterhalt benötigt. Als selbstständig tätige Gewerbetreibende kann sie diesen Verkauf eigenständig vornehmen. Bei abhängiger Beschäftigung kommen Weisungsgebundenheit und Arbeitslohn ins Spiel. Anders als die Ehefrau ist die Sexhandwerkerin in beiden Fällen subsistenziell unabhängig. Was den realen Arbeitsvorgang der Dienstleistung betrifft, so setzt der Kunde seinen Körper einer zweckmäßigen Behandlung durch die Dienstleisterin aus, während diese ihre Arbeitskraft und Arbeitsmittel zweckmäßig zum Einsatz bringt und am Körper des Kunden das sexuelle Erlebnis hervorruft. Dabei werden meist, aber nicht zwangsläufig sexuelle bzw. erotische Potentiale des eigenen Körpers genutzt und eingesetzt sowie andere, dingliche Arbeitsmittel verwendet. Dieser Arbeitsvorgang und das mit ihm verbundene kommerzielle Tauschgeschäft sind per se keine Prostitution. Sie dienen dieser Institution jedoch als Substrat. Das sexuelle Dienstleistungshandwerk, in welcher unternehmerischen Form auch immer, wird erst dadurch zu einem prostituierten, dass es polizeilicher und/oder staatlicher Reglementierung, öffentlicher Diffamierung und Stigmatisierung oder gar rechtlicher Schutzlosstellung und Kriminalisierung – wie in der bürgerlichen Ära in Deutschland – unterworfen wird. Genauso verhält es sich mit der Sexhandwerkerin als solcher. Der Terminus Prostituierte („Preisgegebene“) ist im vollen Wortsinn als Passivform zu nehmen: Die sexuelle Dienstleisterin wird dadurch zu einer Prostituierten gemacht, dass ein Gewaltakt gesellschaftlicher Stigmatisierung und Brandmarkung an ihr vollzogen wird. Durch öffentliche politische Ächtung wird die Kategorie der prostituierten Erwerbsperson allererst geschaffen. Die gesellschaftliche Diskriminierung des sexuellen Dienstleistungshandwerks mittels der Institution Prostitution sowie die gesellschaftliche Aussonderung der Dienstleisterinnen mittels öffentlicher Ächtung und Reglementierung sind verantwortlich für die Verelendung, Ausbeutung und strafrechtlich verfolgte wie nicht verfolgte Gewalttätigkeit, die sich in diesem gewerblichen Sektor ausgebreitet haben. Hingewiesen sei hier auf die altbekannte Zuhälterei, die so genannte Beschaffungsprostitution Drogenabhängiger, die verbreitete Kinderprostitution, den Prostitutionstourismus, den weltweiten Frauenhandel internationaler Schleuserbanden. Selbstverständlich sind diese Phänomene nicht durch staatliche Gewalt allein verursacht. Zu deren Herausbildung tragen auch die verschiedenen Formen der global verbreiteten patriarchalen Familie sowie die globalisierten ökonomischen Ausbeutungsmuster des gegenwärtigen Kapitalismus ihren Teil bei.

Wenn dem so ist, welchen Sinn haben dann all die historischen wie gegenwärtigen Szenarien gesellschaftlichen Prostitutionsreglements? Eine Antwort lässt sich finden, wenn die Prostitution nicht isoliert betrachtet, sondern mit der Ehe zusammen gesehen wird. Diese Sichtweise ist zwar nicht neu, fasst hier aber etwas anderes als üblicherweise ins Auge, nämlich die Gegensätzlichkeit der ökonomischen Positionen der diesen beiden Institutionen unterworfenen Frauen. Während die Ehe eine Position der Dienstbarkeit in persönlicher ökonomischer Abhängigkeit anbietet, ist die Position der Erwerbstätigen im sexuellen Dienstleistungshandwerk durch persönliche ökonomische Unabhängigkeit gekennzeichnet. So gesehen, ist dann wohl doch etwas Richtiges an der „These von der Stabilisierung der [Institution] Ehe“ durch die der Prostitution – eine These, die von Silke Laskowski abgewiesen wird. (Laskowski 1997, 100) Die gesellschaftliche Diskriminierung der gewerblichen sexuellen Dienstleistungstätigkeit gegenüber den anderen Gewerben wurde eingeführt, die Ideologie von der „ehrlosen Dirne“ (und wie die zahllosen Verleumdungen alle lauten mögen) wurde erfunden sowie die Institution Prostitution wurde errichtet, um – mit Blick auf die Frauen – die Institution der Ehe in einem vorteilhafteren Licht erscheinen zu lassen und – mit Blick auf die Männer – der Herausforderung zu begegnen, welche die ökonomische Selbständigkeit der Frau für die gesellschaftliche Vormachtstellung der Männer bedeutet. Die im sexuellen Dienstleistungshandwerk tätigen Frauen wurden reglementiert und zu Sündenböcken erklärt, um diese Vormachtstellung der Männer gegenüber den Frauen politisch „festzuklopfen“ und ideologisch „abzufedern“. Für die Frauen dagegen bedeutet die Einrichtung der Prostitution und die ideologische Aufspaltung eine Festigung ihrer gesellschaftlichen Dienstbarkeitsstellung. Während die Ehe die unmittelbare Hervorbringung der patriarchalen Gewalt(haber) ist, ist die Prostitution eine solche der politischen (staatlichen oder kirchlichen) Gewalt(haber). Beides sind in Willkür gründende verfügungsgewaltliche gesellschaftliche Einrichtungen, die zusammengenommen eine Nutzung der sexuellen Potentiale der Körper der Frauen, insbesondere des Gebärvermögens, als eine Ressource des Prozesses der Zivilisation bezwecken. Diese Institutionen bilden zusammengenommen auch den Nährboden für alle Arten sexueller (und auch anderer Arten körperlicher) Gewalt gegen Frauen und Kinder, die wir heute beklagen: angefangen bei offensichtlich gewalttätigen individuellen wie kollektiven Übergriffen, wie etwa der Vergewaltigung oder der Klitorisbeschneidung, und endend bei scheinbar nicht dazu gehörigen wissenschaftlichen und medizinischen Großtaten, wie etwa der Präimplantationsdiagnostik oder der Leihmutterschaft – ganz zu schweigen von der strafrechtlichen Verfolgung des Aborts durch den Staat. Dass Frauen einverständlich an solchen Gewaltszenarien aktiv und/oder passiv mitwirken, zeigt, wie weit das gegen Frauen gerichtete patriarchal-staatliche (einschließlich kirchliche) verfügungsgewaltliche Regime diesen selbst schon unter die Haut gegangen ist und ihr Selbstbewusstsein in Fesseln gelegt hat.

Literatur

Bebel, August, 1979: Die Frau und der Sozialismus, Frankfurt-M.

Berghahn, Sabine, 2004: Ist die Institution der Ehe eine Gleichstellungsbarriere im Geschlechterverhältnis in Deutschland? In: Maria Oppen, Dagmar Simon, (Hrsg.): Verharrender Wandel, Berlin, S. 99-138

Engels, Friedrich, 1962: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, Im Anschluß an Lewis H. Morgans Forschungen, MEW 21, Berlin (DDR)

Lamberg-Karlovski, C. C., 1976: The Economic World of Sumer. In: Denis Schmandt-Besserat: The Legacy of Sumer, Malibu (Bibliotheca Mesopotamica, vol. 4)

Lambrecht, Lars u.a., 1998: Gesellschaft von Olduvai bis Uruk. Soziologische Exkursionen, Kassel (Studien zu Subsistenz, Familie, Politik 1)

Laskowski, Silke Ruth, 1997: Die Ausübung der Prostitution, Frankfurt-M. etc.

Lerner, Gerda, 1986: Die Entstehung des Patriarchats, Frankfurt-M., New York

Mitrović, Emilija, 2004: Arbeitsplatz Prostitution, Bericht über die Ergebnisse der Feldstudie „Der gesellschaftliche Wandel im Umgang mit der Prostitution seit Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung am 1. 1. 2002“, Hrsg. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Fachbereich 13, Berlin

Mitrović, Emilija, 2006a: Sexarbeit in Würde. In: ver.di, die besonderen, Ausgabe 1/2006

Mitrović, Emilija, 2006b: Prostitution und Frauenhandel, Die Rechte von Sexarbeiterinnen stärken! Ausbeutung und Gewalt in Europa bekämpfen! Hamburg

Münder, Johannes u.a., 1991: Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum Kinder- und Jugendhilfegesetz, Münster

Tjaden-Steinhauer, Margarete, 2005: Gesellschaftliche Gewalt gegen Frauen: Ehe und Prostitution. In: Das Argument 263, 47. Jg., Heft 5/6 2005, S. 184-198