Abschließender Kommentar zur Debatte zwischen Lietz/Schwarz und Heinrich:

In der Debatte zwischen Heinrich und L/S geht es vor allem um zwei Punkte. Erstens ist es darum zu tun, ob der Wert bei Marx eine bloße Folge der Produktion darstellt oder nicht. L/S fassen ihn als ein reines Resultat der Produktion. Demgegenüber billigt Heinrich auch der Zirkulation eine wertbildende Bedeutung zu. Zweitens geht es im Hinblick auf die werttheoretische Position, die Heinrich vertritt, darum, ob in ihrem Rahmen der Zirkulation die alleinige wertbildende Bedeutung zukommt oder nicht. Für die alleinige Bedeutung sprechen sich L/S aus, während Heinrich beansprucht, auch der Produktion eine wertbildende Rolle zuzuweisen.

Wenn wir uns zunächst mit dem ersten Streitpunkt beschäftigen, kann festgestellt werden, dass L/S zu ihrer Auffassung kommen, weil sie davon ausgehen, dass Marx mit dem Wert die Menge Arbeit meint, die zur Herstellung der Waren im Durchschnitt erforderlich ist. Von daher ist es für sie selbstverständlich, dass der Wert ausschließlich aus der Produktion entspringt. Heinrich versteht dagegen unter dem Wert nicht die vergegenständlichte Durchschnittsarbeit, sondern den realisierten Tauschwert und damit letztlich die Geldmenge, die beim Verkauf der Waren erzielt werden kann. Von daher ist es auch für ihn selbstverständlich, dass der Wert kein reines Resultat der Produktion sein kann.

Auf dieser Grundlage versteht sich von selbst, dass für die Beantwortung der Frage, wer Marx richtig interpretiert, entscheidend ist, was Marx unter dem Wert versteht. Wenn wir uns diesem Punkt zuwenden, bekommen wir es mit der Situation zu tun, dass sich bei Marx Stellen finden lassen, die sowohl für L/S als auch für Heinrich sprechen. Deswegen muss man entscheiden, welche Stellen ausschlaggebend sind. Diesbezüglich kann man zum einen rein quantitativ vorgehen und sich für die Position aussprechen, für die die meisten Zitate sprechen. Zum anderen kann man einen eher qualitativen Weg beschreiten und die Frage auf Basis der Gesamttheorie entscheiden, die aus den Ausführungen von Marx herausgelesen werden kann.

Wenn wir uns zunächst die quantitative Seite vornehmen, dann muss man sich eindeutig für die Sichtweise von L/S aussprechen. Auch wenn man die Stelle aus dem Fetischkapital, die Heinrich für sich anführt, trotz des Umstandes für ihn gelten lässt, dass sie auch anders interpretiert werden kann, und auch akzeptiert, dass die Stelle aus den Ergänzungen und Veränderungen, die Heinrich immer wieder für sich reklamiert, trotz der Tatsache für ihn spricht, dass Marx die entsprechenden Überlegungen gar nicht in die zweite Auflage des Kapitals eingearbeitet hat, ist nämlich klar, dass es viel mehr Stellen gibt, die glasklar von L/S für ihre Interpretation in Anspruch genommen werden können. Es ist daher nicht zu verstehen, wie Heinrich trotz des Umstandes, dass seine Belegstellen klar in der Minderheit sind, zu der Auffassung kommen kann, er würde Marx richtig interpretieren.

Wenn wir nun zur qualitativen Seite kommen, ist die Situation noch eindeutiger. Zum einen ist nicht nur klar, dass Marx den Tauschwert aus dem Wert erklären will, sondern das auch für den Zuwachs an Geld gilt, der aus der Zirkulation des Kapitals G – W – G‘ als ∆G herauskommt. Beides ist nur möglich, wenn man mit der vergegenständlichten Durchschnittsarbeit bzw. der Mehrarbeit einen Grund nennen kann, der unabhängig von seiner Folge bestimmt werden kann. Dazu ist Heinrich aber gerade nicht fähig. Zum anderen sei auf Folgendes verwiesen: Während man bei der Lektüre des I. Bandes von ‚Das Kapital‘ noch den Eindruck bekommen kann, dass im Rahmen der Marxschen Theorie der als vergegenständlichte Durchschnittsarbeit zu verstehende Wert als direkter Grund des Tauschwerts oder der Preise fungiert, wird bezogen auf alle drei Bänder von ‚Das Kapital‘ nämlich klar, dass der Wert die Tauschwerte oder Preise nur auf indirekte, über den Produktionspreis vermittelte Weise erklärt. Es gibt damit einen systematischen Unterschied zwischen den Werten und den Tauschwerten oder Preisen der Waren. Und mit diesem Unterschied kann man auf Basis der Heinrichschen Interpretation nicht das Geringste anfangen kann. Denn in ihrem Rahmen gibt es im Allgemeinen eine Identität zwischen Wert und Tauschwert/Preis.

Kommen wir nun zum zweitgenannten Streitpunkt: Heinrich ist entgegen der Meinung von L/S der Auffassung, dass bei ihm nicht nur die Zirkulation über den von ihm sogenannten Wert entscheidet, sondern auch die Produktion eine Rolle spielt. Diesbezüglich ist zum einen zuzugestehen, dass die Produktion bei Heinrich nicht ohne jede Bedeutung ist. Das zeigt sein Verweis auf den unbebauten Boden, der wohl einen Tauschwert oder Preis, aber keinen Wert haben kann. Wenn man versucht sich klarzumachen, welche Bedeutung die Produktion bei Heinrich hat, dann bekommt man den Eindruck, dass die Produktion mit den Arbeitsprodukten eine Voraussetzung seines mit dem Tauschwert zusammenfallenden Werts schafft. Diese Voraussetzung darf aber nicht so verstanden werden, dass mit den Arbeitsprodukten auch schon das vorhanden ist, was den Wert/Tauschwert quantitativ begründet. Ganz im Gegenteil sind die Arbeitsprodukte als solche in dieser Hinsicht vollkommen unbestimmt. Denn sie stellen nur das dar, was im Rahmen des Tausches erst seine wertmäßige Bestimmung erfährt. Obwohl Heinrich der Auffassung ist, dass das beweist, dass die Produktion bei ihm eine wertbildende Rolle spielt, kommt man auf Basis dieser Vorstellung zu einem gegenteiligen Urteil. Weil die Rolle, die die Produktion spielt, die Bereitstellung einer wertmäßig Unbekannten X ist, die erst noch bewertet werden muss, was nur durch die Zirkulation geschehen kann, geht die Rolle der Produktion gegen Null. Ist es daher nicht verwunderlich, dass L/S der Auffassung sind, dass man diese Rolle vernachlässigen kann und der von Heinrich vertretene und mit dem Tauschwert zusammenfallende Wert ganz auf die Zirkulation zurückgeht.

Bezogen auf beide Streitpunkte kommen wir also zu dem Ergebnis, dass L/S insgesamt gesehen, Recht zu geben ist. Dieses Urteil wird nur durch Stellen relativiert, in denen sich L/S selbst widersprechen. Diesbezüglich ist zum einen darauf hinzuweisen, dass sich im Austausch ihrer Meinung nach nur zeigt, „ob sich der Wert realisieren lässt“. Diese Aussage ist zumindest ungenau. Im Tausch wird nämlich nur deutlich, ob sich der Wert als Tauschwert realisieren kann. Wenn das nicht der Fall wäre und sich die Realisierung auch auf den Wert als Wert beziehen würde, dann könnte der Wert nicht als reines Resultat der Produktion verstanden werden. Zum anderen sei auf die Aussage eingegangen, dass es „keinen Wert ohne Wertform“ geben können soll. Wenn die Wertform und damit der Tauschwert tatsächlich zu den unverzichtbaren Eigenschaften des Werts gehören würde, dann wäre auch hier zu folgern, dass er kein reines Resultat der Produktion sein kann.

Um die Kritik an Heinrich abzurunden, sei noch kurz auf folgende Punkte eingegangen:

Erstens kritisiert Heinrich, die von L/S vertretene „Produktionstheorie“ des Werts mit dem Hinweis, dass nicht nur produziert, sondern für andere produziert wird. Es werden mit anderen Worten nicht nur Produkte, sondern Waren hergestellt, die die Bestimmung, die sie mitbringen, erst noch dadurch zu realisieren haben, dass die Waren sich als austauschbar erweisen. Denn die bloße Absicht der Produzenten, Dinge für den Austausch herzustellen, genügt nicht, um einen fertigen Tauschwert zu erreichen. Diese Absicht muss vielmehr verwirklichbar sein. Dieses Argument wäre stichhaltig, wenn L/S den Heinrichschen Wertbegriff teilen würden, der eben vom Austausch abhängig ist. Das ist aber gar nicht der Fall. Wenn man von ihren Inkonsequenzen absieht, vertreten L/S vielmehr einen Wertbegriff der als bestimmte Menge Durchschnittsarbeit ausschließlich von der Produktion abhängig ist und deshalb auch dann nicht angefochten wird, wenn sich die Ware nicht als Ware realisieren kann.

Nun könnte man gegen die behauptete Belanglosigkeit der Warenform einwenden, dass sie zwar für den Wert als Wert zutrifft, aber nicht für ihn als Grund des Tauschwerts. Denn dieser ist selbstverständlich davon abhängig ist, dass die Waren zu einem Tauschwert oder Preis ausgetauscht werden können, der den Wert bestätigt. Deshalb sei darauf hingewiesen, dass das richtig ist. Marx geht im I. Band aber nicht nur davon aus, dass die Waren Durchschnittsexemplare ihrer Art sind, sondern auch davon, dass Angebot und Nachfrage sich entsprechen. Auf dieser Grundlage ist aber sichergestellt, dass die Waren nicht nur grundsätzlich austauschbar sind, sondern durchgängig nach Maßgabe ihres Werts ausgetauscht werden können.

Es könnte aber auch bezweifelt werden, dass es die beiden Bedingungen gibt. Bezogen auf die erste Bedingung ist das deshalb kein Problem, weil von einem Durchschnitt auch dann gesprochen werden kann, wenn die einzelnen Waren ihn nicht direkt enthalten. Der Unterschied besteht auf dieser Grundlage nur darin, dass man ihn nicht der einzelnen Ware direkt entnehmen kann, sondern aus den Arbeitsmengen, die in den verschiedenen Waren einer Art enthalten sind, einen Durchschnitt errechnen muss. Bezogen auf die zweite Bedingung scheint die Sache problematischer. Denn dort besteht die Folge von unausgeglichenen Nachfrage-Angebots-Verhältnissen darin, dass Tauschwerte erzielt werden können, die von den Werten abweichen. Das bedeutet aber nicht, dass der Wert als Grund des Tauschwerts verabschiedet werden muss. Denn Marx geht in der einen Hälfte seiner Überlegungen davon aus, dass auf dieser vom Wert abweichenden Tauschwerte mit einer Ausweitung oder Einschränkung der Produktion reagiert wird, was zu Tauschwerten führt, die um die entsprechenden Werte schwanken. Damit bekommen wir es mit Verhältnissen zu tun, in denen der Wert zwar nicht bezogen auf die einzelnen Austauschaktionen als Grund des Tauschwerts bestätigt wird, aber bezogen auf ihre Gesamtheit. Mit anderen Worten wird der Wert als Grund zwar nicht in der Form einer abstrakten Identität, aber als Negation der Negation Recht gegeben.

Nun könnte aber auch noch geltend gemacht werden, dass der Wert als Grund des Tauschwerts auch nicht von den durchschnittlichen Tauschwerten bestätigt wird, weil das Schwankungszentrum der Tauschwerte oder Geldpreise nicht der Wert, sondern der Produktionspreis darstellt, wie Marx in der zweiten Hälfte seiner diesbezüglichen Überlegungen zu erkennen gibt. Da dieser Produktionspreis in aller Regel vom Wert abweicht, könnte man meinen, dass der Wert als Grund des Tauschwerts endgültig verabschiedet werden muss. Deshalb sei darauf hingewiesen, dass das nicht stimmt. Denn der Unterschied zwischen Werten und Produktionspreisen ändert nichts daran, dass es eine Identität zwischen der Gesamtsumme der Werte und der Gesamtsumme der Produktionspreise gibt und es in diesem Sinne dabei bleibt, dass der Wert der allgemeine Grund des Tauschwerts ist. Der Unterschied besteht auf dieser Grundlage nur darin, dass das Begründungsverhältnis nicht mehr direkt ist, sondern indirekt verläuft. Und das ist alles andere als damit identisch, dass der Wert als Grund des Tauschwerts aufgegeben wird.

Zweitens kritisiert Heinrich L/S für ihre Aussage: „Antizipation des Geldes setzt den Wert bereits voraus.“ Diese Aussage hält Heinrich unabhängig davon für falsch, ob der Wert bereits in der Produktion bestimmt wird oder nicht. Denn die Antizipation des Geldes setzt so, wie sie im Kopf der Austauschenden vorkommt, seiner Meinung nach nur eine Vorstellung des Werts im Sinne des Geldbetrages voraus, den man beim Warenverkauf erzielen will. Den Wert selbst bzw. die ihn bildende Durchschnittsarbeit braucht man dagegen nicht zu kennen. Dazu ist zum einen zu sagen, dass Heinrich so tut, als würden L/S davon reden, dass der Wert gewusst wird und in diesem Sinne eine subjektive Existenz hat. Ob das stimmt, ist aber zweifelhaft. Denn es kann sein, dass L/S nicht von dieser subjektiven Existenz des Werts sprechen, sondern – wie auch Marx am Anfang des I. Bandes – nur von seiner objektiven Gegebenheit. Allerdings kann man auf dieser Grundlage einwenden, dass nicht absehbar ist, wie es ohne die Bekanntschaft des Werts zumindest auf längere Frist zu Tauschwerten kommen kann, die die Werte bestätigen. Weil das auf ein Wunder hinausliefe, kann hier festgehalten werden, dass die Unbekanntheit des aus einer bestimmten Menge durchschnittlicher Arbeit bestehenden Werts nur damit vereinbar ist, dass der Wert nur der indirekte Grund des Tauschwerts darstellt.

Drittens meint Heinrich, L/S darauf hinweisen zu müssen, dass es nach der Einführung des Geldes im Austausch nicht um die Realisierung des Werts geht, sondern nur noch um die Realisierung des Preises. Das ist merkwürdig, weil das nur richtig ist, wenn man den Heinrichschen Wertbegriff gerade nicht vertritt. Auf seiner Grundlage fällt die Realisierung der Preise nämlich zumindest dann mit der Realisierung der Werte zusammen, wenn es um Arbeitsprodukte geht. Anders ist es dagegen, wenn man den Wertbegriff von L/S vertritt. Dann kann im Rahmen des Austausches in der Tat nur von der Realisierung des Werts als Tauschwert gesprochen werden. Und das ist natürlich auch dann der Fall, wenn der Tauschwert die Form eines Geldpreises hat.

Viertens bemüht Heinrich auch in seiner Replik eine Privatperson, die mehr oder weniger zufällig auf die Idee kommt, einen Kuchen zu backen, um ihn auf dem Markt zu verkaufen. Damit macht er etwas zum Thema, was es vielleicht geben kann, was aber garantiert nicht zu den typischen Erscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft gehört. Es ist daher nicht abzusehen, was er damit glaubt, beweisen zu können.

Fünftens redet Heinrich davon, dass es verkehrt ist, die Zirkulation als bloßes „Anhängsel der Produktion“ zu betrachten, was man seiner Ansicht nach tut, wenn man davon ausgeht, dass im Vorhinein bekannt ist, zu welchem Preis die Waren verkauft werden können. Deshalb sei darauf hingewiesen, dass es dieses Wissen zwar auf der Basis geben müsste, von der Marx im I. Band redet. Im Rahmen der empirischen Verhältnisse gibt es dieses aber nicht gibt, was jedoch mit dem Wert als reines Resultat der Produktion unmittelbar rein gar nichts zu tun hat. Wie das mittelbare Erklärungsverhältnis zum Tauschwert/Preis zeigt, ist der Wert eine Wesenskategorie. Die mit der Warenzirkulation verbundenen Unsicherheiten sind dagegen ein Thema der Erscheinungen. Mit ihrer Hilfe kann nicht nur erklärt werden, warum die Unternehmer zu Kapitalisten werden müssen. Es kann auch gezeigt werden, dass sie dafür sorgen müssen, dass die Arbeit in einer Weise verausgabt wird, die durch die maximale Ausnutzung der Arbeitskraft geprägt ist und nur deswegen zum dem führt, was Marx Wert nennt.

Sechstens verweist Heinrich auf folgendes Zitat: „Kapital kann also nicht aus der Circulation entspringen und es kann eben so wenig aus der Circulation nicht entspringen. Es muss zugleich in ihr entspringen und nicht in ihr entspringen.“ Heinrich ist zwar der Meinung, dass diese Stelle für seinen tauschwerthaften Wertbegriff spricht. Näheres Hinsehen zeigt aber, dass das überhaupt nicht der Fall ist, weil die mit dieser Stelle verbundene Rede vom Kapital als „sich verwertenden Wert“ auf den Schein verweist, der in der richtig verstandenen Marxschen Theorie die Vermittlung zwischen dem Wesen und den Erscheinungen leistet.

Siebtens ist Heinrich der Auffassung, dass die Position von L/S dazu führt, dass man im Hinblick auf die Abschaffung der kapitalistischen Verhältnisse einen falschen Weg beschreitet. Anstatt das Ziel eines gesamtgesellschaftlichen Planes zu verfolgen, der von unten nach oben zu erstellen ist, verfolgt man eher die von oben nach unten aufgebaute technokratische Lösung eines von Computern errechneten Gesamtplanes. Deshalb der Hinweis, dass es den von Heinrich unterstellten Zusammenhang nicht gibt. Auch wenn man bezogen auf das Verständnis des Werts die Position von L/S vertritt und Marx damit richtig interpretiert, kann man die Lösung in dem Plan sehen, der von Heinrich befürwortet wird. In diesem Zusammenhang geht es um praktische Entscheidungen, die so oder anders ausfallen können.