Euro-Krise und Alternativen der Linken

Regulierter Finanzsektor?

Fünf Jahre nach Ausbruch der großen Krise

von Joachim Bischoff / Norbert Weber
September 2012

Fünf Jahre sind seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 vergangen und die Globalökonomie und das internationale Finanzsystem haben – trotz etlicher Regulierungen der Finanzmarktarchitektur – noch immer nicht aus dem Teufelskreis herausgefunden. Im Gegenteil: Die Ungleichgewichte sind im Sommer 2012 größer als je zuvor, da die miteinander verknüpften Schwachstellen sich weiter gegenseitig verstärken. Die Ziele einer Rückkehr zu beschleunigter Kapitalakkumulation und entsprechendem Wirtschaftswachstum, einer zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik und eines stabilen Finanzsystems liegen nach wie vor in weiter Ferne. Und obwohl auf internationaler Ebene Fortschritte bei der Regulierung erzielt worden sind, bedroht der Zustand des Finanzsektors noch immer die Stabilität der Globalökonomie und der Euro-Zone.

In den zurückliegenden Jahren ist an der Finanzmarktregulierung etliches verbessert worden.[1] Warum konstatiert dann die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, gleichsam die globale Notenbank aller Zentralbanken, im Juni 2012 doch eine massiv zugespitzte Situation? Nach der Krise war der internationale Finanz- und Bankensektor mit kurz- und langfristigen Herausforderungen konfrontiert. Auf kurze Sicht mussten die Banken in ihren Bilanzen ihre Kreditvergabepraxis sanieren. Das hieß: Abschreibung notleidender Aktiva (= Verluste für die Anspruchsgruppen) und Rekapitalisierung (was mit öffentlichen Mitteln erleichtert werden konnte). Diese Sanierung ist bis heute nicht abgeschlossen, weil das Platzen der großen Vermögenspreisblase (vor allem im Bereich der Immobilienpreise) anhält und immer weitere notleidende Aktiva produziert. Sind die Bilanzen saniert, werden die Banken besser imstande sein, ihre Liquiditätspositionen sowohl national als auch international zu stärken, indem sie sich auf traditionelle Finanzierungsquellen stützen. Auf lange Sicht müssen die Banken über eine ausreichende Finanzkraft verfügen, damit sie ihre wesentliche Aufgabe ohne staatliche Unterstützung erfüllen können. Und da die neuen regulatorischen Rahmenbedingungen auf ihre Gewinne drücken werden, müssen sie sich stärker auf die Steigerung ihrer Kosteneffizienz konzentrieren als bisher.

Diese umfassenden Veränderungen sind mit der Notwendigkeit einer Reduktion des gesellschaftlichen Gewichts der gesamten Finanzsphäre verbunden, die sich infolge der vermögensgetriebenen Kapitalakkumulation herausgebildet hatte und deren Schrumpfung unvermeidlich ist. Sicherlich kann die Frage aufgeworfen werden, ob eine Aufhebung der Fehlentwicklung überhaupt erfolgreich sein kann. Aber auch unter dem Blickwinkel systemimmanenter Reformen kann nicht davon gesprochen werden, dass die Redimensionierung der Sphäre des Geld- und Finanzkapitals abgeschlossen ist, was nachfolgend entwickelt werden soll.

Systemimmanente Regulierungsanforderungen

Die Finanzkrise legt klare Schlussfolgerungen für die Regulierungsinstanzen nahe, die für die Wiederherstellung und Sicherung der Finanzstabilität zuständig sind. Es geht um folgende Bausteine:

· Erhöhung der Eigenkapitalausstattung der Banken und Verbesserung von Haftungs- und Kontrollstrukturen.

· Deutliche Verbesserung der Einlagenversicherungen und deren Einbindung in ein europäisches System; dazu gehören auch Insolvenzrecht und entsprechende Abwicklungsfonds, die von den Finanzinstituten selbst aufgebaut werden müssen.

· Schattenbanken und Ratingagenturen müssen strikten gesellschaftlichen Regeln und Kontrollen unterworfen werden.

· Schließlich sind die bisherigen Aufsichtssysteme auszubauen und auf europäischer Ebene zu installieren.

Diese Bausteine sind auch in einem Strategiepapier zum EU-Gipfel Ende Juni 2012 skizziert, das EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und EZB-Präsident Mario Draghi vorlegten, in dem eine „eine Verständigung auf den weiteren Weg für die Eurozone“ vorgeschlagen wird. Als Zwischenschritt forderten die Spitzenpolitiker die Einführung einer Banken-Union und Gemeinschaftsanleihen (siehe hierzu ausführlicher Bischoff/Detje 2012).

Stabilisierung der Banken

Eine zentrale Botschaft der Krise lautet, dass die Banken ihre Liquiditätspositionen – die inländischen wie die internationalen – fehlgesteuert und es versäumt hatten, für risikoarme und damit sichere sowie diversifizierte Ertragsquellen zu sorgen und die Kosten unter Kontrolle zu halten. Eine weitere Botschaft war, dass undurchsichtige Bilanzen die Risikoanalyse erheblich erschwerten und so verhinderten, dass die Schwäche der Eigenkapitalpolster der Banken rechtzeitig bemerkt wurde. Das Hauptproblem bestand in dem hohen Abschreibungsbedarf notleidender Aktiva, vor allem aus dem Hypothekarbereich.

Die Schlussfolgerungen für die Finanzinstitute waren: Verschärfung der Bilanzierungsvorschriften, Erhöhung des Eigenkapitals und Ausbau der regulatorischen Aufsicht. Verlustabsorbierendes Eigenkapital erhöht die Widerstandskraft der Banken und stellt sicher, dass sie stets Zugang zu den Finanzierungsmärkten haben. Aus den diversen Stresstests wurden Auflagen zur Erhöhung des Eigenkapitals abgeleitet und auf den Weg gebracht, aber die Zeit reichte nicht aus, zu einer hinreichenden Erhöhung zu kommen.

Was ist davon in den letzten Jahren umgesetzt worden? Banken in aller Welt haben in den letzten Jahren ihre Eigenkapitalbasis verstärkt. Im Zeitraum von 2008 bis 2011 erhöhten große europäische Banken ihre Kernkapitalquote um 20 Prozent, große US-Banken um 33 Prozent und große japanische Banken um 15 Prozent. Bei einer Basisquote von 4-6 Prozent bezogen auf die Bilanzsumme sind diese Erhöhungen noch deutlich zu gering![2]

Die Faktoren hinter diesem Anstieg der Eigenkapitalquote waren in jedem Bankensystem andere. Zum Beispiel erhöhten japanische Banken im genannten Zeitraum ihre Eigenkapitalquote, indem sie ihr Kernkapital um 60 Prozent aufstockten; gleichzeitig weiteten sie ihre Bilanzen erheblich – um 20 Prozent – aus. Bei US-Banken dagegen wuchsen sowohl das Eigenkapital als auch die Bilanzsummen langsamer, und bei den europäischen Banken ging ein langsameres Wachstum des Eigenkapitals einher mit schrumpfenden Bilanzsummen. Obwohl diese Bilanzentwicklungen die globale Konjunkturerholung eher bremsen, entsprechen sie auch einer auf lange Sicht wünschenswerten Konsolidierung des Bankensektors. In der Summe haben sich die bisherigen Ansätze der Erhöhung des haftenden Eigenkapitals als unzureichend erwiesen.

Neu ist, dass mit der vorgesehenen Einführung des Basel-III-Abkommens Kapitalpolster eingeführt werden, auf die Banken zurückgreifen können, ohne ihre Solvenz zu gefährden. Ebenfalls neu sind Aufschläge auf das regulatorische Eigenkapital, die dem systemischen Risiko einzelner Banken Rechnung tragen. Erstens soll ein Kapitalerhaltungspolster dazu beitragen, den Geschäftsbetrieb der Bank fortzuführen, wenn ihre Eigenkapitalquote sinkt, indem z.B. Dividenden oder Bonuszahlungen eingeschränkt werden. Zweitens soll ein antizyklisches Kapitalpolster dazu beitragen, Banken vor Risiken zu schützen, die über den Finanzzyklus hinweg entstehen. Dieses Kapitalpolster wird in guten Zeiten aufgebaut und kann in angespannten Zeiten aufgelöst werden. Drittens schließlich gilt für systemrelevante Finanzinstitute (SIFI) oder für Banken, die besonders groß, global vernetzt und komplex sind, eine zusätzliche Eigenkapitalanforderung, um Risikokonzentrationen einzudämmen. Diese internationalen Standards stellen Mindestanforderungen für die Regulierung dar. Einige Länder konnten sich dafür entscheiden, höhere Standards einzuführen, um besonderen nationalen Risiken Rechnung zu tragen.

Unsere erste Schlussfolgerung lautet daher:

· Banken in die Verantwortung nehmen, Maximalgrößen definieren, Geschäftsbanken riskante Eigengeschäfte untersagen.

Banken müssen bereit sein, Verantwortung für ihre Geschäftstätigkeiten zu übernehmen. Hierzu gehört auch die persönliche Haftung der handelnden Bankvorstände. Es kann nicht sein, dass, immer mit dem KO-Argument „Systemrelevanz“, Steuergelder zur Rettung bereitgestellt werden müssen. Auch der Ruf nach immer kräftigeren Eigenkapitalausstattungen der Banken ist wenig zielführend zur Bekämpfung der Ursachen, da dieses Eigenkapital ebenfalls aus öffentlichen Töpfen bereitgestellt werden muss. Private Investoren sind erst wieder dabei, wenn es lukrativ wird. Banken dürfen niemals wieder Bilanzsummen erreichen, die schon allein aufgrund ihrer Dimension eine Institutsinsolvenz nicht zulassen. Zudem müssen riskante Eigengeschäftsfelder aus den Banken herausgelöst, diese aus den Haftungsverbünden der Geschäftsbanken ausgeschlossen werden und ausschließlich zu Lasten der handelnden Personen gehen.

Eine zweite Schlussfolgerung heißt:

· Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in die Schranken verweisen.

Seit Jahren verdienen sich einige wenige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eine goldene Nase. Wenn es den Banken gut geht, sind sie dabei, wenn es den Banken schlecht geht, sind sie auch wieder dabei. Zudem spielen sie sich als unabhängige Gutachter auf, verdienen hieran auch wieder, tätigen sogar eigene Geschäfte und verfolgen Eigeninteressen über Tochterunternehmen und Beteiligungen. Als Beispiele seien an dieser Stelle KPMG und PwC genannt: Beide Wirtschaftsprüfungsgesellschaften begutachten im Auftrag der Bundesregierung einen Großteil derjenigen Unternehmen, die staatliche Hilfen aus dem 480 Milliarden schweren Bankenrettungsfonds oder aus dem 115 Milliarden budgetierten Wirtschaftsfonds Deutschland haben wollen. Zusätzlich beurteilt PwC seit Jahren im Auftrage der Bundesregierung die Anträge auf Hermes-Bürgschaften. Auch ist diesen Gesellschaften mittlerweile ein nicht unerheblicher Einfluss auf die Gestaltung von Gesetzen gestattet worden.

Drittens:

· Eine mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattete Kontrollinstanz schaffen.

An dieser Stelle hat die Politik bisher weitgehend versagt. Anstatt endlich eine funktionierende und mit Kompetenzen ausgestattete Kontrollinstanz zu schaffen, sind tatsächlich Tendenzen erkennbar, dass man genau das Gegenteil erreichen will. Aktuell ist zudem in der Diskussion, diese Kontrollinstanzen auf EU-Ebene zu installieren.

Bankenaufsicht national

Im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung werden auch die auf den internationalen Konferenzen geforderten neuen Regulierungen für den Finanzsektor angesprochen. Es geht um höhere Kapitalanforderungen, die Überprüfung der Bilanzstandards, die Kontrolle der Ratingagenturen, bessere Boni- und Anreizstrukturen.

Ohne tiefergehende Analyse und Diskussion ist eine Neuregelung der Bankenaufsicht in Deutschland vereinbart worden: Bisher sind sowohl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als auch die Bundesbank an der laufenden Überwachung der Finanzinstitute beteiligt. Dabei hat die Bundesbank eine eher technische Aufgabe. Sie ist für die Aufdeckung von Fehlentwicklungen zuständig, über deren Konsequenzen, etwa die Schließung einer Bank, dann die BaFin entscheidet.

Neben der Sicherung von Geldwertstabilität, einem stabilen Finanz- und Währungssystem, einem sicheren Zahlungsverkehr, der Bankenaufsicht u.a. gehört es auch zu den Aufgaben der Bundesbank, im Auftrage der „Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH“ und für Rechnung des Bundes Auktionen (so genannte Tenderverfahren) von Einmalemissionen des Bundes (unverzinsliche Schatzanweisungen, Bundesschatzanweisungen, Bundesobligationen, Bundesanleihen) durchzuführen. Aktuell gibt es hierbei eine Neuausrichtung, die sich nahtlos an eine Kette von folgenschweren Fehlentscheidungen der derzeitigen Bundesregierung anschließt.

Für Privatanleger wird es keine neu aufgelegten Bundesschatzbriefe und Finanzierungsschätze des Bundes mehr geben. Vorteil dieser Anlageformen waren nicht nur die kostenlosen Möglichkeiten der Kontoführung direkt bei der Bundesfinanzagentur, sondern gleichzeitig auch die Anlage- sowie Mündelsicherheit. Ausweichen müssten demnächst Anleger auf Bundesanleihen, die jedoch ein kostenpflichtiges Depotkonto bei einer normalen Bank erfordern und Kursabschläge bei vorzeitiger Liquidierung bedeuten können. Der Bund hätte bei der folgenschweren Entscheidung nicht nur betriebswirtschaftliche Gründe in den Vordergrund stellen dürfen, sondern sich gleichzeitig an seine politische Verantwortung erinnern müssen. Er beraubt sich damit eines wichtigen volkswirtschaftlichen Steuerungsinstrumentes. Die Entscheidung bedeutet auch, dass zukünftig private anlagesuchende Sparer von den beratenden Banken in eigentlich ungewollte spekulative Anlageformen gedrängt werden können.

Bei der Bankenaufsicht arbeitet die Bundesbank derzeit noch mit der BaFin zusammen und ist maßgeblich beteiligt

· am Erlassen allgemeiner Regeln (z.B. Grundsätze und Verordnungen);

· bei der laufenden Aufsicht. Ausgenommen sind (hoheitliche) Einzelmaßnahmen gegenüber Instituten, die der Bundesanstalt (BaFin) vorbehalten sind;

· an den bankenaufsichtlichen Prüfungen sowie

· an der internationale Kooperation / Koordination auf dem Gebiet der Aufsicht.

· Darüber hinaus ist sie beim Krisenmanagement eingebunden.

Die Aufgaben der BaFin sind nicht auf die Zulassung, Überwachung und – falls erforderlich – Schließung einzelner Institute beschränkt. Sie kann auch durch allgemeine Anordnungen Regeln für die Durchführung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen sowie zur Begrenzung von Risiken festlegen. Hiervon kann sie durch den Erlass von Grundsätzen und Rechtsverordnungen Gebrauch machen. Darüber hinaus hat die BaFin auch Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, die die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.

Die Aufsicht der Institute soll künftig unter dem Dach der Deutschen Bundesbank gebündelt werden. Um gleichwohl die Unabhängigkeit der Bundesbank zu erhalten und nicht eine Unterstellung unter das Finanzministerium in Kauf nehmen zu müssen, soll die Abteilung Bankenaufsicht von den übrigen Bereichen der Bundesbank abgegrenzt werden. Außerdem soll die Entscheidung, ob eine systemrelevante Bank geschlossen werden soll, künftig weiterhin das Finanzministerium verantworten. Das heißt aber, dass dort ebenfalls ein entsprechender Prüfungsapparat aufgebaut werden muss.

Wird diese Neuregelung die Gefahr von Bankenkrisen vermindern und eine wirksame gesellschaftliche Kontrolle darstellen? Verfolgt man das politische Gezerre um die Verbesserung der Bankenaufsicht, dann sind weder eine härtere Regulierung noch eine nachhaltige Kontrolle in Sicht. Wenn nicht gegengesteuert wird, wird die Bundesbank demnächst allein für die Kontrolle zuständig sein und muss sich die BaFin auf die Wertpapier- und Versicherungsaufsicht beschränken. Dieses wäre jedoch genau die falsche Konsequenz aus dem Desaster auf den Finanzmärkten.

Der Grund, weshalb die BaFin im Ergebnis der schweren Finanzkrise eher zurückgestuft als gestärkt werden soll, liegt auf der Hand. Entscheidend für die Vermeidung von künftigen Finanzkrisen ist nicht die Kontrolle, sondern die Beschneidung des Geschäftes der Bankinstitute: Um Finanzkrisen zu verhindern, muss den Finanzunternehmen untersagt werden, Risiken aus den von ihnen vergebenen Krediten komplett weiterzuverkaufen. Es spricht viel für den Vorschlag, den Banken, die im Rahmen von Verbriefungen Forderungen verkaufen, zwingend vorzuschreiben, einen erheblichen Teil der Kreditrisiken in den eigenen Büchern zu behalten. Genau das aber wollen die Banken nicht.

In diesem Zusammenhang müsste auch das Strafrecht präzisiert werden. Das unverantwortliche Zocken mit fremdem Geld und ohne persönliches Risiko ist Betrug und Veruntreuung in einem besonders schweren Fall. Reine Rückgriffsforderungen an das Management wird die Bank über Managerpolicen abdecken, die Prämien hierfür trägt sie sowieso. Deren Inanspruchnahme würde wieder zu Lasten der Versicherten-Solidaritätsgemeinschaft gehen und trifft damit nicht die für die Katastrophe verantwortlichen Manager persönlich!

Europäische Bankenaufsicht

Die Europäische Banken-Aufsichtsbehörde EBA (European Banking Authority) wurde im November 2010 in Folge der weltweiten Bankenkrise gegründet. Offiziell nahm sie zum 1. Januar 2011 ihre Arbeit auf. Oberstes Ziel der EBA ist die Verhinderung von Finanzkrisen. Um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen, führt die EBA die so genannten Stresstests bei europäischen Banken durch. Getestet wird dabei, wie gut die einzelnen Institute mögliche wirtschaftliche Krisen überstehen würden.

Die Führungsriege der Behörde setzt sich aus den Chefs der nationalen Bankenaufsichtsbehörden zusammen. Die EBA arbeitet eng mit den nationalen Aufsichtsbehörden zusammen, hat aber in Streitfällen das letzte Wort. Zusammen mit ihnen und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Frankfurt/Main) sowie der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (Paris) soll sie eine möglichst einheitliche Finanzaufsicht in Europa garantieren und nationale Alleingänge verhindern.

Das Ziel der EBA besteht darin, die Stabilität und Effektivität des Bankensektors zu schützen. Dabei legt sie den Schwerpunkt insbesondere auf die Risiken, die von Finanzinstituten ausgehen, deren Zusammenbruch Auswirkungen auf das Finanzsystem oder die Realwirtschaft haben kann. Im Kontext der anhaltenden Bankenkrise soll jetzt die EBA zu einem wirksamen Instrument mit einem eigenständigen Kontroll- und Sanktionsapparat weiterentwickelt werden.

Ob eine Bankenunion gut oder schlecht ist, darüber gehen die Meinungen innerhalb der systemimmanenten Politik auseinander. Während der Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Jaime Caruana, die europäische Führung zur Einleitung einer europäischen Bankenunion drängt, treten die deutschen Banken und Sparkassen auf die Bremse. Auf dem Gipfel der Regierungs- und Staatschef im Juni 2012 wurde ein Arbeitsauftrag erteilt, zu prüfen, wie die europäische Bankenaufsicht verbessert werden könne. Der Banken-Stresstest habe gezeigt, dass das System der europäischen Bankenaufsicht weiterentwickelt werden müsse. In der Diskussion ist, der Europäischen Zentralbank Kompetenzen in der Aufsicht zu geben. Die Einzelheiten eines effektiveren Modells als das der nationalen Aufseher und der Europäischen Bankenaufsicht EBA sind erst noch zu klären und werden frühestens im nächsten Jahr feststehen.

Bankenfonds/Einlagensicherung

Banken haben das Platzen der riesigen Vermögensblase 2007 nicht verhindern können, sondern mit zeitlicher Verzögerung weltweit die größte Finanzkrise seit der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts ausgelöst. Ganze Volkswirtschaften sind bei den Versuchen, ihren Banken zur Seite zu stehen, in Schieflage gekommen. Die Krise, die seit 2007 weltweit den Finanzsektor beschäftigt, ist noch lange nicht ausgestanden. Das Gegenteil ist der Fall.

Seit 2007 wird mit der Bezeichnung „Bankenabgabe“ eine Abgabe entwickelt, die nach dem Verursacherprinzip die Finanzinstitute als Auslöser der Krise wirtschaftlich an den Rettungsaktionen beteiligen soll. In Deutschland ist im Dezember 2010 ein solcher Fonds auf den Weg gebracht worden. Mit dem Restrukturierungsgesetz wurden das Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (KredReorgG) und das Restrukturierungsfondsgesetz (RStruktFG) eingeführt. Diese Maßnahmen sind der Versuch, risikobehaftete Bankgeschäfte zu regulieren sowie die Bankengemeinschaft an möglicherweise erneut notwendigen Rettungen einzelner Banken zu beteiligen.

Im Gesetz ist eine Zielgröße von 70 Milliarden Euro festgehalten. Zusätzlich wird der Fonds ermächtigt, Garantien zu übernehmen. Die maximale Größe ist das 20fache der angesammelten Mittel, maximal jedoch bis zu 100 Milliarden Euro. Darüber hinaus dürfte der Fonds bis zu 20 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen und Sonderumlagen bis zum 3fachen des jeweiligen Jahresbeitrages von den Banken einsammeln. Obwohl die Bildung eines solchen Fonds grundsätzlich zu begrüßen ist, ist Kritik unerlässlich:

· Die Dimension ist viel zu gering bemessen. Der SoFFin (Sonderfonds Finanzmarkstabilisierung) beispielsweise war und ist nach der erneuten Einsetzung bereits mit über 500 Milliarden Euro ausgestattet, hinzu kamen die Kapitaleinschüsse des Bundes und der Länder. Bereits eine einzige Bankenschieflage könnte die Dimension des Fondsvolumens sprengen.

· Das Zielvolumen wird erst in einigen Jahren angespart sein, und das auch noch unter der Voraussetzung, dass zwischenzeitlich keine Bank saniert werden muss.

· Es gibt im Gesetz zu viele „Kann“-Vorschriften, die Ermessensspielräume zugunsten der Banken gehen viel zu weit. In einem erneuten Ernstfall würde wieder hauptsächlich der Steuerzahler Hilfe leisten müssen.

· Es mangelt an ernsthaftem Willen nach Transparenz. Die Banken dürfen beispielsweise gesammelt über ihren Verband ihre Jahresbeiträge abführen und müssen die Höhe ihrer Abgaben nicht offenlegen.

· Eine nationale Regel endet immer an der Grenze des Territoriums. Solange sich Europa nicht auf eine gemeinsame Regel einigen kann, wird die Wirkung eines solchen Gesetzes gering sein.

· Obwohl es wieder an allen Ecken und Enden brennt, sieht der Fonds keine Sofortumlage vor.

Die Macht der Ratingagenturen beschneiden

Den weltweiten „Markt“ der Ratingagenturen haben sich maßgeblich drei amerikanische Unternehmen aufgeteilt, nämlich Moody´s, Fitch und Standard und Poor´s (S&P). Diese drei Unternehmen haben nicht unerheblich zur Eskalierung der Finanzkrise beigetragen. Die Schwachpunkte der zugrunde liegenden Konstruktion:

· Auftraggeber sind die zu bewertenden (also zu „ratenden“) Banken; wenn nicht erstklassig bewertet wird kündigt die Bank den Auftrag.

· Um Aufträge zu bekommen, besteht immer die Gefahr, dass Ratingagenturen die Banken besser bewerten bzw. „raten“, als es die tatsächlich vorgefundene Ist-Situation in den Bankhäusern ergibt.

· Die Ratingagenturen mischen darüber hinaus mit, indem sie für die „andere Seite“ des Marktes auch noch beratend tätig sein dürfen und es auch sind.

Eine systemimmanente Reform müsste vor allem sicherstellen, dass die in Deutschland zugelassenen Ratingagenturen als vereidigte Sachverständige aufgestellt sind, die wirklich unabhängig arbeiten und für ihre Ergebnisse in vollem Umfang haften.

Landesbanken, die hiesigen Sorgenkinder

Die Krise bei den Banken ist insgesamt noch lange nicht ausgestanden, insbesondere die Deutschen Landesbanken kommen aus den roten Zahlen nicht heraus. Unter den bilanzsummenmäßig größten haben es die WestLB, die BayernLB, die Landesbank Baden Württemberg (LBBW) sowie die HSH Nordbank nicht geschafft, aus eigener Wirtschaftskraft und ohne staatliche Hilfe wieder auf die Beine zu kommen und sind außerstande, ausgeglichene Ergebnisse vorzulegen. Faktisch sind die Tage der deutschen Landesbanken in den derzeitigen Konstruktionen gezählt. Wir nennen hier nur die WestLB, die eigentliche „Vorreiterin“ der Expansionspolitik, die die deutschen Landesbanken so schutzlos und naiv dem internationalen Finanzkrisenstrudel ausgeliefert hatte,[3] die mittlerweile bereits Geschichte ist und zum 1.7.2012 zerschlagen wurde. Die Abwicklungskosten werden derzeit auf 18 Mrd. Euro beziffert.

Die notleidenden Landesbanken verkaufen – teilweise stillschweigend – profitable Tochterunternehmen und vereinnahmen die hieraus erzielten Erlöse als Deckungsbeitrag zum maroden Geschäftsbetrieb. Dieses ist für die mit Steuergeldern am Leben gehaltenen Institute nicht hinnehmbar. Die Erlöse müssen als Gegenleistung für die Stützungsmaßnahmen dienen, entweder durch Kaufpreishinterlegung bei Treuhändern (bei der HSH z.B. bei der HSH Finanzfonds AöR) oder durch Ausgabe von entsprechenden Aktienpaketen, und zwar zum Nominalwert.

Es sind bereits gewaltige Beträge in die Landesbanken gesteckt worden, ohne dass eine Besserung in Aussicht ist. Das darf so nicht weitergeführt werden. Selbst wenn die Landesbanken eine Regelung mit ihren Sparkassen hinbekommen würden, wie man am regionalen Markt (Mittelstand, regionale Wirtschaft, Begleitung von Immobilienfinanzierungen und -Investitionen, und somit ein nachhaltiges, regional verankertes Geschäftsmodell) einen Weg eines Miteinander und nicht eines Gegeneinander finden würde, zeigt die Historie der Landesbanken, dass sie sich nie an gemeinsame Spielregeln gehalten haben.

Wie könnten stattdessen Schritte für eine andere Lösung aussehen und welche Ziele können für diese definiert werden? Erforderlich und möglich wären:

· Der Rückbezug auf die regionalen Ursprünge und Kernsegmente (Auslandsaktivitäten nurmehr in Form von Kooperationen mit im Ausland ansässigen Banken). Dieses wäre eine Grundvoraussetzung für ein – wie auch immer konstruiertes – Weiterbestehen eines „übergeordneten Sparkassen-Zentralinstitutes“ auch auf regionaler bundeslandbezogener Ebene. Das Problem hierbei sind sicherlich die Sparkassen selbst, die eine derartige hauseigene Konkurrenz nicht dulden werden. Über viele Jahre hinweg haben die Sparkassen erfolgreich alles getan, um diese Konkurrenz zu verhindern.

· Die Schaffung eines schnell greifenden, effizienten Insolvenzrechts für Banken. Ein solches Insolvenzrecht muss die Möglichkeit einer konsolidierten „Gesundung“ und somit erneute Marktfähigkeit als alternatives Ziel zu einer geordneten Abwicklung benennen dürfen. Dieses würde jedenfalls Skrupel bzw. zögerliche Entscheidungswege der entscheidenden Aufsichtsbehörde minimieren, zügig und effizient ein Insolvenzverfahren zu eröffnen.

· Die Ausweitung und Konkretisierung der Kompetenzen der BaFin als Aufsichtsbehörde.

· Die Korrektur der viel zu weit auslegbaren internationalen Bilanzierungsregeln ISRF durch zusätzliche nationale Regelungen und die Schaffung einer kompetenten Kontrollkommission (z.B. der BaFin unterstellt).

· Die Kontrolle von Aktiengesellschaften, die gegen diese Regeln verstoßen, durch Veröffentlichung von „Schwarzen Listen“ und die Einführung von Sanktionen, z.B. durch Handelsverbot an deutschen Börsenplätzen.

· Der Entzug der Bankleiterlizenz für Bankvorstände, die gegen die Regeln verstoßen – ohne Ausgleichsansprüche beim Ausscheiden.

· Die Deckelung der Gehälter und Einkommen und die Schaffung von permanenter Transparenz.

· Das Geltendmachen politischer und auch finanzieller Verantwortung der Verursacher der hausgemachten Situationen der Banken – dazu gehören Vorstände, Aufsichtsräte und auch Politiker.

Schattenbanken

Mit „Schattenbankgeschäften“ werden Finanzgeschäfte bezeichnet, die von Nichtbankfinanzinstituten ausgeführt werden, die mit Fremdkapitalhebeln arbeiten und/oder Fristen- und Liquiditätstransformation betreiben. Schattenbanken und traditionelle Banken arbeiten nebeneinander, wenn auch in unterschiedlichen Regulierungsrahmen. Schattenbanken existieren, weil historische und institutionelle Faktoren sowie rasante Finanzinnovation und Spezialisierung es attraktiver gemacht haben, bestimmte Finanzgeschäfte außerhalb traditioneller Bankenstrukturen auszuführen. Unter normalen Umständen stärkt das Schattenbankensystem die Widerstandskraft des Finanzsystems insgesamt, indem es spezielle Finanzprodukte anbietet sowie eine Palette von Möglichkeiten zur Steuerung von Kredit-, Liquiditäts- und Laufzeitrisiken verfügbar macht. Doch das Schattenbankensystem schafft auch Risiken, die ohne regulatorische Vorkehrungen die Finanzstabilität gefährden können. Und Schattenbankgeschäfte können Finanzzyklen verstärken, da sie tendenziell in Boomphasen wachsen und im darauf folgenden Einbruch schrumpfen. Sie liegen außerhalb der Reichweite staatlicher Instrumente wie Einlagensicherung, Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen sowie der Bereitstellung von Zentralbankmitteln.

Daten des Financial Stability Board (FSB) für eine Stichprobe fortgeschrittener Volkswirtschaften zeigen (siehe FSB 2011 und 2012): Von 2002 bis Ende 2007 stiegen die von „sonstigen Finanzintermediären“ gehaltenen finanziellen Vermögenswerte von schätzungsweise $ 23 Bio. – oder rund 23 Prozent der Gesamtaktiva des Finanzsystems – auf über $ 50 Bio. (oder 27 Prozent). Das Wachstum der von sonstigen Finanzintermediären gehaltenen Aktiva verlangsamte sich zwar während der weltweiten Krise, weil die Verbriefungs- und Repo-Märkte[4] einbrachen. Der Bestand dieser Aktiva ist jedoch immer noch beträchtlich. Ende 2010 entfiel rund ein Drittel der Bestände auf strukturierte Anlagevehikel, Finanzgesellschaften, Wertpapierhändler und -broker sowie Geldmarktfonds, ein weiteres Drittel auf sonstige Investmentfonds. Angesichts der Größe des Schattenbankensystems und des rasanten Tempos der Finanzinnovation konzentrierten sich jüngste Regulierungsinitiativen darauf, basierend auf breit gefassten Grundsätzen eine regelmäßige Überwachung zu gewährleisten und gezielte Interventionen vorzunehmen. Hinter diesen Initiativen steht die Notwendigkeit, den Aufbau von Verschuldung sowie von Fristen- und Liquiditätsinkongruenzen zu verhindern, die die Finanzstabilität untergraben könnten. Letztlich müsste dieser Sektor trocken gelegt und die Institute in das für Banken geltende Regulationssystem einbezogen werden.

Zentrale Notenbanken

Das Handeln der Zentralbanken während der globalen Finanzkrise trug vermutlich maßgeblich dazu bei, dass sich die Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre nicht wiederholten. Dies ist die erste vorläufige Schlussfolgerung aus einem Vergleich der aktuellen Krisendynamik mit jener der 1930er Jahre.

Schon vor Ausbruch der Finanzkrise waren die öffentlichen Finanzen vieler kapitalistischer Länder nicht mehr langfristig tragfähig. Infolge der Krise spitzte sich die Lage noch zu, als Haushaltsdefizite anschwollen und die Verschuldung zunahm. Die Finanzmärkte und die Ratingagenturen reagierten darauf mit einer Neubewertung des Kreditrisikos staatlicher Schuldner. Schulden- und Defizitstände, die vor der Krise hingenommen worden waren, wurden nun als nicht mehr tragbar eingestuft.

Dies führte dazu, dass sich einerseits die Spreads von Credit-Default-Swaps (CDS)[5] auf Staatsschulden ausweiteten und andererseits vermehrt Ratingherabstufungen vorgenommen wurden, allen voran für Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien. Ein ähnliches Schicksal wurde allerdings auch Ländern zuteil, deren Status als risikofreie Schuldner kaum in Frage gestellt wird, wie z.B. den USA und Japan, und das obwohl ihre Finanzierungskosten dank der starken Nachfrage nach sicheren Anlagen gesunken waren (siehe hierzu ausführlicher Bischoff 2012b).

Das weckte die Besorgnis, dass Staaten ihren Status als ausfallsichere Schuldner verlieren und ihre Verbindlichkeiten damit einem nicht zu vernachlässigenden Kreditrisiko unterliegen würden. Als vollends risikofrei bewertet zu werden entspricht allerdings, selbst aus dieser engen Perspektive heraus, mehr einem erstrebenswerten Ideal als einem wirklich greifbaren Ziel. Umgekehrt kann es verheerende Folgen haben, wenn ein Vermögenswert fälschlicherweise als risikofrei bewertet wird. Das war vor der jüngsten Krise für zahlreiche Staaten der Fall und trifft für einige Länder nach wie vor zu. Das Gebot der Stunde lautet daher: Rückkehr zu tragfähigen öffentlichen Finanzen im Rahmen einer Strategie des Wirtschaftswachstums.

Die Notenbanken in aller Welt haben seit Ausbruch der Krise 2007 nicht nur über Zinssenkungen und hohe Liquiditätsspritzen versucht die Lage zu beruhigen, sondern auch durch den Ankauf von Wertpapieren. Im Falle der EZB sorgte etwa der Kauf von Staatsanleihen überschuldeter Euro-Länder für heftige Kritik: „Die von den Zentralbanken insgesamt gehaltenen Aktiva haben sich in den letzten vier Jahren mehr als verdoppelt und erreichten Ende 2011 rund 18 Billionen Dollar.“ (BIZ 2012) Das viele Geld führte unter anderem zu Kapitalflüssen aus den Industrie- in die Schwellenländer – mit teils schädlichen Nebenwirkungen für deren Exporte. Zudem besteht nach Ansicht der BIZ die große Gefahr, dass sich der Finanzsektor durch die enormen Liquiditätsmaßnahmen zu riskanten Wetten an den Börsen verleiten lässt – mit unabsehbaren Folgen. BIZ-Generaldirektor Caruana unterstreicht, dass die Bilanzen der fünf großen Notenbanken in den Industrieländern nun mehr als 9 Billionen Dollar oder 13 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung auf der Welt ausmachten. Vor der Finanzkrise kamen die Europäische Zentralbank (EZB), die amerikanische Federal Reserve, die Bank of Japan, die Bank of England und die Schweizerische Nationalbank zusammen auf eine Bilanzsumme von 4 Billionen Dollar. Caruana verwies auch auf die drastisch veränderte Zusammensetzung der Bilanzen. Die Federal Reserve halte inzwischen 11 Prozent der insgesamt ausstehenden Staatsschulden der Vereinigten Staaten, die Bank of England mehr als 18 Prozent der britischen Staatsschulden. Diese aktuelle Geldpolitik führt nach Ansicht der BIZ zu zahlreichen Verzerrungen. Politiker könnten versucht sein, die notwendigen Haushaltssanierungen und Strukturreformen in ihren Staaten zu verzögern. Dabei müssten die Staaten im Gegenteil entschlossen daran arbeiten, wieder zu risikofreien Schuldnern zu werden, da Realwirtschaft und Finanzsystem auf die erstklassige Bonität von Staatspapieren angewiesen seien.

Perspektive der weiteren Regulierungen

Anfang Juli 2012 hat auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung unter der Überschrift „Nach dem EU-Gipfel: Zeit für langfristige Lösungen nutzen“ (Sachverständigenrat 2012) ein Sondergutachten veröffentlicht, in dem er den unzureichenden Regulierungsprozess und die entstandene Verschärfung der Krisenkonstellation bewertet. Er mahnt die verantwortlichen Politiker, die durch die aktuellen Beschlüsse gewonnene kurze Zeit zu nutzen, möglichst schnell umfassendere Lösungen zu finden, um die Krise in den Griff zu bekommen, denn insbesondere für Deutschland sei ein unkontrolliertes Auseinanderbrechen des Euro-Raumes mit hohen Risiken verbunden. „Nach einer zeitweisen Entspannung in den ersten Monaten des Jahres 2012 ist die Euro-Krise bis zur Jahresmitte erneut eskaliert.“ Die Bewertung der politischen Entscheidungen der europäischen Elite fällt durchaus ambivalent aus: „Trotz der jüngsten Zuspitzung der Lage sollte nicht übersehen werden, dass es der Politik auf der nationalen wie der europäischen Ebene in den vergangenen zwölf Monaten durchaus gelungen ist, mutige Schritte zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen einzuleiten.“

Der Sachverständigenrat war in den letzten Jahrzehnten nicht gerade zurückhaltend, wenn es um die Durchsetzung einer neoliberalen Politik ging, die auf die Entfesselung und Deregulierung des Finanzkapitals zielte. Das Scheitern der wirtschaftspolitischen Zukunftskonzeption eines vermögensgetriebenen Kapitalismus hätte daher auch Anlass einer selbstkritischen Überprüfung der zurückliegenden Beratungsleistungen sein können. Aber davon ist keine Spur erkennbar.

Die bisherigen Regulierungsschritte und die Beschlüsse des Juni 2012-Gipfels führen die Logik der letzten Jahre fort. Die Erwartungen vieler Finanzmarktakteure und Entscheider in der Politik, der Euro-Raum könne die Krise mit einer Art „Big Bang“ von Beschlüssen lösen, werden sich nicht erfüllen. Es wird weiter bei Trippelschritten bleiben. Die Probleme einer geplatzten Vermögens- und Kreditblase auf den Immobilien- und Hypothekenmärkten etlicher Länder können durch Fiskal- und Geldpolitik nur gelindert, aber nicht wirksam gelöst werden. Nur dadurch, dass die Vermögenstitel mit zweifelhafter Werthaltigkeit und der viel zu große Finanzsektor in eine Ausgleichungspolitik der Leistungsbilanzen eingebunden würden, kann die Krisenkaskade beendet werden. Im Euro-Raum muss endlich eine Alternative zur Politik der finanzpolitischen Disziplin und geldpolitischer Überbrückung entwickelt werden. Wenn unterschiedliche Länder einer Währungszone die Abwertungsmöglichkeit verloren haben und eine Politik der „internen Abwertung“ durch verteilungspolitische Rosskuren vermieden werden soll, dann muss eine wirtschaftspolitische Offensive erfolgen.

Die Krise wurde dadurch ausgelöst, „dass eine landesweite Preisblase platzt, so wie in Japan Anfang der Neunziger und in den USA und Europa 2008 nach dem Lehman-Schock. Was dann passiert, ist folgendes: Die Preise, etwa von Immobilien, brechen ein, aber die damit verbundenen Schulden bleiben bestehen. Unternehmen und Privathaushalte stecken plötzlich tief im Minus und versuchen um jeden Preis, ihre Schulden abzubauen, um ihre Bilanzen zu sanieren. Damit macht zwar jeder Einzelne für sich das Richtige, aber kollektiv ist das genau das Falsche. Regierungen „müssen in einer solchen Situation die Wirtschaft so lange durch hohe Staatsausgaben am Laufen halten, bis die Privatwirtschaft wieder zum Wachstum beiträgt“, schrieb zu Recht der japanische Ökonom Koo in der Frankfurter Rundschau vom 10.12.2011. Letztlich wird man eine entwickeltere Form der wirtschaftlichen Arbeitsteilung unter den beteiligten Ländern der Euro-Zone schaffen müssen.

In dem bereits erwähnten Jahresbericht der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) heißt es: „Fünf Jahre sind seit dem Ausbruch der Finanzkrise (2007) vergangen, und noch immer hat die Weltwirtschaft ihr Gleichgewicht nicht wiedergefunden. Ganz im Gegenteil: Die Ungleichgewichte scheinen größer zu werden.“ Den entscheidenden Grund sehen die Wirtschaftsexperten der BIZ in der Realökonomie: „In den ersten Monaten 2011 schien es, als käme in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ein selbsttragender Aufschwung in Gang. Doch diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. 2012 wiederholt sich dieses Muster offenbar, denn erste Anzeichen einer Konjunkturbelebung lassen allmählich wieder nach.“

Die expansive Geld- und Fiskalpolitik hat einen historischen Kollaps der kapitalistischen Globalökonomie verhindert, aber die Sanierung zugleich verschleppt. Alle Sektoren – private Haushalte, Unternehmen, Finanzinstitute und der öffentliche Bereich – weisen einen massiven Schuldenüberhang auf. Im Kontext eines gesamtgesellschaftlichen Wachstumsprozesses müssten die privaten Haushalte ihre Bilanz „sanieren“. „Gebremst wird der Schuldenabbau der privaten Haushalte u.a. dadurch, dass der Finanz- und der öffentliche Sektor zur selben Zeit ihre Bilanzen sanieren und Schulden verringern müssen. Die Tatsache, dass sich der Schuldenabbau ungewöhnlich lange hinzieht und alle wichtigen Wirtschaftssektoren betrifft, erklärt teilweise, warum die Erholung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften bislang derart schwach war. Und angesichts der nach wie vor erforderlichen Verbesserung der Bilanzen werden jegliche Effekte einer expansiven Fiskalpolitik begrenzt sein: Überschuldete Akteure werden ein zusätzliches Einkommen eher einsetzen, um Schulden zu tilgen, nicht um zu konsumieren. Das Wachstum dürfte also weiterhin schwach sein.“

Damit ist der Kern der internationalen wirtschaftspolitischen Debatte getroffen. Die öffentlichen Akteure und die Finanzinstitute hätten sich auf die Rekonstruktion der Realökonomie konzentrieren sollen. Der Ansatz, zugleich auch die eigenen Bilanzen in Ordnung bringen zu wollen, führt zu einer Belastung des gesamten Entschuldungs- und Wachstumsprozesses. Es wird bei einer systemimmanenten Reform viele Jahre in Anspruch nehmen, aus diesem Teufelskreis herauszukommen.

Literatur

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2012): BIZ 82. Jahresbericht 2011/12. http://www.bis.org/publ/arpdf/ar2012_de.pdf

Bischoff, Joachim/Detje, Richard (2012): Krisenmanagement im Permanenz. Wo steht das Projekt Europa? in: transform!, Heft 10/2012

Bischoff, Joachim (2012a): Die Herrschaft der Finanzmärkte. Politische Ökonomie der Schuldenkrise, Hamburg

Bischoff, Joachim (2012b): Dauerzustand Schuldenkrise. Die endlose Kurzfrist-“Reparatur“ des Euro-Systems. Supplement der Zeitschrift Sozialismus 7-8/2012, Hamburg

Dullien, Sebastian (2012a): Finanzmarktreformen nach der Krise und Versprechungen der G20: Was wurde umgesetzt? In: spw, Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft, Nr. 190

Dullien, Sebastian (2012b): Anspruch und Wirklichkeit der Finanzmarktreform: Welche G20-Versprechen wurden umgesetzt? Bewertung der Politikmaßnahmen nach der Finanzkrise 2008/9, IMK Study 26/2012, Düsseldorf

Financial Stability Board (FSB) (2011), Policy Measures to Address Systemically Important Financial Institutions, 4. November 2011, www.financialstabilityboard.org/publications/r_111104bb.pdf

FSB (2012), About the FSB, Selbstdarstellung von der Webseite www.financialstabilityboard.org/

Liebert, Nicola/Ötsch, Rainald/Troost, Axel (2012): Der graue Markt der Schattenbanken, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 6/2012

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2012): Nach dem EU-Gipfel: Zeit für langfristige Lösungen nutzen. Sondergutachten v. 5.7.2012, www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/publikationen/sg2012.pdf

Troost, Axel/Hersel, Philipp (2012), Die Euro-Krise als Zäsur: Eine neue Finanz-, Geld-, und Wirtschaftspolitik in Europa, auf der Website von LUXEMBURG, Gesellschaftsanalyse und linke Praxis, www.zeitschrift-luxemburg.de/?p=2082

[1] Vgl. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2012); siehe auch Dullien (2012a und b). Auch die aktuellen Schwierigkeiten bei der Rekapitalisierung der spanischen Banken zeigen die Schwächen der Regulierung. Bereits die Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht einschließlich eines Abwicklungsregimes verlangt von den Euro-Staaten einen erheblichen Verzicht auf Souveränität zugunsten der Euro-Ebene.

[2] Über Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Kapitalerhöhung gibt die Auseinandersetzung in der EU Aufschluss: Die Europäische Union kann die neuen Eigenkapitalregeln für Banken kaum fristgerecht am 1. Januar 2013 einführen. In Brüssel mehren sich die Anzeichen, dass das Gesetzespaket zur Umsetzung der Basel-III-Eigenkapitalregelungen erst mit Verspätung in Kraft tritt. Grund für die Verzögerung ist, dass sich die drei gesetzgebenden EU-Institutionen Parlament, Finanzministerrat (Ecofin) und EU-Kommission nicht über die neue Capital Requirements Directive (CRD IV) und die dazugehörige Verordnung (CRR IV) einigen können. Die Verabschiedung im Europaparlament musste auf Herbst 2012 verschoben werden.

[3] Andere Landesbanken hatten sich die vermeintlich hocherfolgreiche WestLB-Entwicklung zum Vorbild gemacht und waren dem Geschäftsmodell gefolgt.

[4] Unter einem Repomarkt versteht man Finanzgeschäfte, bei denen Vermögenswerte im Rahmen einer Rückkaufsvereinbarung (Repo) erworben werden können. Der Käufer hat die Möglichkeit, den Vermögensgegenstand (z.B. Wertpapiere) von einem Verkäufer zu erwerben und ist verpflichtet, zu einem bestimmten Zeitpunkt diesen bzw. einen identischen Vermögenswert wieder zurück zu geben.

[5] Ein Credit Default Swap (CDS) ist eine spezielle Form von Kreditderivaten, die auf den Handel von Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen oder anderen Risikoaktiva spezialisiert sind.

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