Buchbesprechungen

Österreichische Krisenanalysen

von Philipp Fils zu Manfred Mugrauer
Dezember 2010

Mugrauer, Manfred (Hg.): Wirtschafts- und Finanzkrisen im Kapitalismus. Historische und aktuelle Aspekte. Alfred Klahr Gesellschaft, Wien 2010, Quellen & Studien, Sonderband 13, 178 Seiten, 10,– Euro

Als sich das Ansehen der staatsinterventionistischen Wirtschaftspolitik nach dem Ende des zweiten Weltkrieges auf seinem Höhepunkt befand, kritisierten zwei Ökonomen der so genannten Österreichischen Schule, Friedrich Hayek und Ludwig von Mises, sie aufs Schärfste. Mit diesem Sammelband der Alfred Klahr Gesellschaft werden nun Thesen zusammengestellt, welche wiederum die von der Österreichischen Schule maßgeblich mitgestaltete Laissez-faire Wirtschaftspolitik einer schonungslosen Analyse unterziehen. Von den acht Beiträgen konzentrieren sich sechs in erster Linie auf Krisen im österreichischen Kontext.

Der Band startet mit der bisher sowohl politisch als auch ökonomisch signifikantesten Krise der Geschichte, welche mit dem Börsencrash 1929 ihren Ausgang nahm. In den ersten beiden Aufsätzen „ Der Börsenkrach 1929 und seine Folgen in Österreich“ von Gerhard Senft und „Sonderfall Österreich“ von Fritz Weber wird in eher deskriptiver Weise auf die Konsequenzen der Krise von damals eingegangen. Interessante Parallelen können gezogen werden zwischen der „sozialistischen Ratlosigkeit“ der dreißiger Jahre in Österreich und der heutigen in Teilen der deutschen Linken: „Die dramatischen wirtschaftlichen Geschehnisse wurden zwar als bevorstehender Zusammenbruch des Kapitalismus interpretiert, es gelang aber nicht, adäquate Umgangsformen mit der Krise zu entwickeln.“ Beide Aufsätze führen noch einmal sehr deutlich vor Augen, welches Ausmaß die Krise von damals für die Menschen hatte und wie hilflos die Antwort der Politik blieb.

Keiner der beiden Artikel fasst dies jedoch so prägnant zusammen, wie die aus der ‘Rote Fahne’ geborgte Überschrift des nächsten Aufsatzes von Manfred Mugrauer: „Rothschild saniert – das Volk krepiert“. Auch hier ist der Fokus auf Österreich bzw. die Politik der KPÖ zur Zeit der Krise gerichtet. Der Artikel behandelt die verschiedenen Facetten der damaligen Anti-Krisen-Politik der KPÖ, von Betriebskämpfen über ein Arbeitslosen-Zentralkomitee bis hin zur Landagitation, und beeindruckt durch sein ausgiebiges Quellenverzeichnis. Wer sich intensiver mit der österreichischen Arbeitergeschichte jener Zeit auseinandersetzen möchte, wird hier mit Sicherheit fündig.

Der darauf folgende Aufsatz von Georg Fülberth fasst zwei in den anderen Artikeln angedeutete Tatsachen prägnant und anschaulich zusammen: Zum einen ist die soziale Situation nach der Krise von 2007ff nicht annähernd so prekär wie die von 1929ff und zum anderen führen Krisen nicht automatisch nach links sondern, im Gegenteil, oft nach rechts. Die den Hauptteil des Artikels darstellende Übersicht der bisherigen großen vier Krisen des Kapitalismus ist interessant, wenngleich wohl redaktionell bedingt äußerst kurz gefasst. Zwar zeichnet Fülberth für die zu erwartende Entwicklungen ein düsteres Bild, doch mit der „ Pink, Grey, Blue, Red Revolution“ setzt er ihr ein farbenfrohes und innovatives Konzept zur Krisenbekämpfung entgegen.

Die „ Marx’sche Krisentheorie und ihre Aktualität“ von Hans Hautmann enthält nicht viel Neues zur aktuellen Krise, ist jedoch ein gut dosierter Einstiegs- bzw. Auffrischungskurs zum Klassiker aller Krisentheorien.

„Gewinner, Verlierer und Triebkräfte der Krise“ von Gerald Oberansmayr behandelt als Pendant zu den ersten beiden Aufsätzen die heutige Krise, unter ausgiebigem Gebrauch von Grafischen Darstellungen, welche sich durchaus für anschauliche Kapitalismuskritik eignen.

Der Beitrag von Hannes Hofbauer „Westbanken in Osteuropa: Vom Boom zu Crash“ ist eine nüchterne Betrachtung des Raubzuges der OECD-Länder durch den ehemaligen „Ostblock“. Wie der wieder enthemmte Imperialismus nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion funktioniert, wird hier anhand der Aufteilung des Bankenmarktes im Bereich der ehemaligen osteuropäischen RGW-Länder aufgezeigt. Dass dieser Imperialismus Kriege nach sich zieht, ist nicht weiter verwunderlich; dass es dabei in aller Regel um Geld und Absatzmärkte für das Kapital geht, auch nicht. Wer hierfür noch ein anschauliches Beispiel brauchte, wird hier fündig. Nachdem der souveräne Staat Jugoslawien zerschlagen war, mussten die dort ansässigen unabhängigen Banken im Zuge des humanitären Einsatzes von SFOR-Truppen systematisch ausgeraubt werden, damit die westeuropäischen Banken ihr Filialnetz aufbauen konnten.

Am Ende des Sammelbandes finden sich noch eine kurze Betrachtung der aktuellen Politik der KPÖ von Franz Stephan Parteder und ein Aufruf der „Werkstatt Frieden & Solidarität“.

Insgesamt stellt das Buch eine gute und anhand des österreichischen Beispiels veranschaulichte Einführung in eine Krisenanalyse von Links dar.

Die Lehren der Österreichischen Schule füllen bis heute die Lehrpläne von Studierenden in Deutschland wie in Österreich. Wollen wir hoffen, dass die Lehren dieses Buches an deren Stelle bald Schule machen.

Philipp Fils