Kampfplatz Betrieb – Anpassung oder Widerstand?

Arbeit, Interessenvertretung und Gewerkschaften in der Informations- und Telekommunikations Industrie

März 2005

Noch vor wenigen Jahren hat der Diskurs um eine New Economy nicht nur ökonomische Prosperitätshoffnungen geweckt, sondern auch einen radikalen Wandel des deutschen Modells der Arbeitsregulierung angekündigt. Neue, flexible Formen der Unternehmensorganisation, innovative Arbeitskulturen, Unternehmensbeteiligungen und eine zunehmende Selbstbestimmung ließen den hochqualifizierten Beschäftigten (HQA) die Relevanz kollektiver Interessenvertretung als Relikt einer sogenannten industriellen „Old Economy“ erscheinen. Demnach herrschte in den (meist) jungen New Economy-Unternehmen eine partnerschaftliche Unternehmenskultur vor, in der individuelle Interessen problemlos in lockeren Face to face-Gesprächen mit der Unternehmensleitung oder mit dem direkten Vorgesetzen vertreten werden konnten. Somit hat die „kulturelle Revolution“ (Meschnig/Stuhr 2001) der New Economy eine Arbeitsidentität der WissensarbeiterInnen geprägt, die auf der Überwindung des Interessengegensatzes in den Unternehmen und eine Zurückweisung kollektiven Interessenhandelns beruht.

Mittlerweile hat der Zusammenbruch des sogenannten Neuen Marktes und die damit einhergehende Krise der New Economy einige dieser kulturellen Selbstverständlichkeiten zwar grundsätzlich in Frage gestellt, aber gerade die Ablehnung kollektiver Formen der Interessenvertretung zählt weiterhin zum Selbstverständnis vieler WissensarbeiterInnen. Daran hat auch der Abschluss einiger Haustarifverträge und die Gründung von Betriebsräten in einigen Vorzeigeunternehmen kaum etwas geändert, da neue Formen der Unternehmens- und Arbeitsorganisation für die Regulierung der Arbeitsbeziehungen neue Rahmenbedingungen setzen. In den industriesoziologischen Studien gibt es verschiedene Einschätzungen über die Zukunft des „deutschen Modells der industriellen Beziehungen“, die sich entweder in einer „Heterogenität der Regulationsmuster“ (Menez/Töpsch 2003), einem „Formwandel der Arbeitsbeziehungen“ (Boes/Trinks 2004) oder einer tiefgreifenden „Transformation der betrieblichen Arbeitsbeziehungen“ (Dörre 2002) ausdrückt.

In diesem Beitrag soll in einem ersten Schritt eine differenzierte Branchenanalyse der gesamten Informations- und Telekommunikations-Industrie (ITK) vorgenommen werden, die sich nicht nur auf das kleine Segment der börsennotierten, mittelständisch geprägten Unternehmen (Ittermann/Niewierth 2004) der sogenannten New Economy konzentriert (2.). Trotz der notwendigen Konsolidierungsphase gilt die ITK-Branche weiterhin „als Lernort grundlegender Veränderung der Produktions- und Arbeitsbeziehungen“ (Hickel 2001, 101), da in diesem Feld – gerade durch die Restrukturierungsprozesse nach der Krise – die Ausprägungen eines „marktzentrierten Produktionsmodells“ (Dörre 2003) deutlich hervortreten (3.).Obwohl es sich bei der ITK-Branche nicht um eine „mitbestimmungsfreie Zone“ handelt, evoziert das neue Produktionsmodell einen Wandel der Arbeitsbeziehungen (4.).Die zukünftige Ausgestaltung der Arbeitsbeziehungen ist ein noch umkämpftes Feld und erfordert von den Gewerkschaften sowohl neue organisationspolitische Konzepte, als auch die Wiedergewinnung von Deutungsmacht bezüglich der Regulierung der neuen Arbeitsformen (5.).Etwas eindringlicher formuliert bedeutet dies:

„Die Beurteilung des künftigen Bestands des bekannten Systems der Arbeitsregulierung und die Beantwortung der Frage nach dem Überleben der Gewerkschaftsbewegung wird sich deshalb in erster Linie an der Fähigkeit der Gewerkschaften entscheiden, in diesem Wirtschaftssegment Fuß zu fassen.“ (Schmierl 2003, 654)

Branchensskizze der ITK-Industrie

Innerhalb der arbeitssoziologischen Diskussion ist die Ausdifferenzierung einer kohärenten ITK-Branche sehr umstritten, da eine eindeutige Abgrenzung durchaus einige Probleme mit sich bringt. Auf der einen Seite handelt es sich bei den ITK-Technologien „um Querschnittstechnologien mit einer branchenübergreifenden Entwicklungsdynamik“ (Wassermann 1999), die in ganz verschiedenen Branchen den traditionellen Arbeitsprozess verändern. Dies bedeutet u.a., dass IT-Fachkräfte in anderen Branchen beschäftigt sind und Unternehmen der verschiedensten Wirtschaftszweige in den neuen IT-Berufen ausbilden. Andererseits wird eine Definition der Branche durch ihre dynamische Struktur erschwert, indem durch technische Innovationen und die damit verbundene Erweiterung des Produkt- und Dienstleistungsangebots neue Branchensegmente hinzukommen.

Neueren Entwicklungen zufolge scheint sich – insbesondere nach dem Ende der Boom-Phase – dennoch eine kohärente ITK-Branche herauszubilden. Hierauf verweisen vor allem die (informations-)technischen Entwicklungen und die damit einhergehenden organisationalen Vernetzungen, die dazu beigetragen, „dass einstmals relativ getrennte Marktbereiche zunehmend zusammenwachsen und eine eigene, neue Wertschöpfungskette bilden“ (Nordhause-Janz/Rehfeld 1999, 9). Infolgedessen kann eine zunehmende Verflechtung der Informations- und Telekommunikationsunternehmen, die sich im Zuge der Durchsetzung des Internets, der Konvergenz bei den informationstechnischen Endgeräten und strategischer Unternehmensaufkäufe herausgebildet hat, konstatiert werden[1]: „Es verschmelzen nicht nur Technik- und Programmentwicklung, Produktion und Softwaredienstleistung. Vielmehr werden rund um die Informationssysteme, ihre Implementierung und Wartung weitere Dienstleistungen angesiedelt und neue Bedarfe geschaffen.“ (Ahlers/Trautwein-Kalms 2002, 12)

Dieses Zusammenwachsen der verschiedenen ITK-Unternehmen zu einer homogenen ITK-Branche und der damit einhergehende Bedeutungsverlust von Produktionstätigkeiten (IG Metall 2004) führt zu einer „Verschiebung der Perspektive vom sog. Verkäufer- zum Käufermarkt.“ (Ahlers/Trautwein-Kalms 2002, 12)

Auf diesen Branchenentwicklungen basierend, hat sich eine Branchendefinition durchgesetzt, die nicht nur zahlreichen Studien zugrunde liegt (u.a. Boes/Baukrowitz 2002; Ahlers/Trautwein-Kalms 2002; Töpsch/Menez/Ma­lanowski 2001), sondern auch von den wichtigsten Branchenverbänden – der IG Metall und dem Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) –, verwendet wird (Bitkom 2004; IG Metall 2004). Entsprechend der Definition von Nordhause/Janz (1999, 9) umfasst sie Unternehmen der Hardwareproduktion (Herstellung von Büromaschinen, Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen, elektronische Bauteile, Herstellung von nachrichtentechnischen Geräten und Einrichtungen, Herstellung von Rundfunk- und Fernsehgeräten sowie phono- und videotechnischen Geräten, Instandhaltung und Reparatur von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen) sowie Telekommunikations- und Softwareunternehmen (Hardwareberatung, Softwareberatung, Softwareentwicklung, Datenverarbeitungsdienste, Datenbanken, sonstige mit DV verbundene Tätigkeiten).

Aufgrund der vielschichtigen Entstehungsgeschichte der ITK-Branche muss das oberflächliche Bild einer von jungen, risikokapitalfinanzierten New Economy-Unternehmen dominierten Branchenzusammensetzung revidiert werden. Im Gegenteil, sowohl ITK-Unternehmen, die aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen – beispielsweise der Telekommunikations-, der Büromaschinen- oder der Elektrotechnikindustrie – stammen als auch ehemalige Start-up-Unternehmen, fühlen sich der ITK-Branche zugehörig. Dementsprechend ist die unternehmensspezifische Zusammensetzung der ITK-Branche einerseits durch die Gruppe der „ehemals fordistischen Unternehmen“ (Boes/Baukrowitz 2002) geprägt, also reorganisierten, formalisierten Großorganisationen, die sich aus traditionellen Großunternehmen, jüngeren Hardware- sowie Ausgründungen aus fordistisch geprägten Industrieunternehmen anderer Branchen (vgl. ebd., 70) zusammensetzen. Auf der anderen Seite muss die herausragende Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben[2] hervorgehoben werden, die sich in Bezug auf die geringe Formalisierung von Unternehmensstrukturen und eine (meist) gemeinschaftliche Sozialordnung (vgl. Kotthoff/Reindl 1990) von den Großunternehmen unterscheiden. Diese Unterschiede zwischen den Unternehmenstypen erfordern eine differente Betrachtung hinsichtlich der Unternehmens-, Arbeits- und Partizipationsstrukturen.

Ein genaueres Verständnis der Heterogenität der ITK-Branche muss neben der Unterscheidung differenter Unternehmenstypen auch die unterschiedlichen Arbeitsformen in den verschiedenen Branchen- und Unternehmenssegmenten berücksichtigen. Im Zentrum der Qualifikationsstruktur steht die hochqualifizierte Wissensarbeit, die – je nach Arbeitsschwerpunkt – ein Studium oder zumindest eine IT-Ausbildung voraussetzt. Somit hängt die Akademisierung der strukturprägenden Arbeitsbereiche mit zwei sich bedingenden Entwicklungen zusammen: Erstens haben sich durch den krisenbedingten Beschäftigungsrückgang in den letzten Jahren die Chancen für „Quereinsteiger“ in den Wissensberufen deutlich verringert. Der Wandel der Qualifikationsstruktur hängt zweitens mit den sich verkürzenden Innovationszyklen und den veränderten Kundenanforderungen zusammen (vgl. Dorn/Hammer 2004), d.h. die WissensarbeiterInnen müssen über Basisqualifikationen verfügen, von denen aus sie ihr Know-how ständig den neuesten Erfordernissen anpassen können und sie müssen auch in der Lage sein, den Kunden eine umfassende Problemlösungskompetenz anzubieten.

Es kann zwar von einer „Akademisierung“ der Berufsbilder gesprochen werden, aber hierbei darf nicht vergessen werden, dass neben den hochqualifizierten WissensarbeiterInnen, weiterhin neotayloristische Arbeitsformen (z.B. in Callcentern), administrative Angestelltentätigkeiten sowie atypische Beschäftigungsverhältnisse (u.a. Leiharbeit, Scheinselbständigkeit) vorherrschen.[3] Gleichwohl erkennt Werner Dostal (2002, 342) auch unter den IT-Fachkräften eine zunehmende Polarisierung: „Jungen, gut qualifizierten IT-Fachleuten stehen alle Möglichkeiten offen, während ältere und schlechter qualifizierte aus der Beschäftigung hinausgedrängt werden.“ Somit muss einer Analyse der Arbeitsbeziehungen die „Pluralisierung von Beschäftigungsformen“ (Menez/Töpsch 2003) zu Grunde gelegt werden.

Konturen der neuen Organisations- und Arbeitsstrukturen

In den ITK-Unternehmen hat sich nach der überstandenen Branchenkrise und durch die wachsenden Flexibilitätsanforderungen gegenüber den Marktentwicklungen – Stichwort Kundenorientierung – ein grundlegender Wandel der Organisations- und Arbeitsstrukturen vollzogen. Unterstützt werden die Reorganisationsprozesse durch einen tiefgreifenden Strukturwandel der ITK-Branche, der sich vor allem auf das dynamischste Segment, nämlich die Software und Dienstleistungsproduktion (vgl. Boes 2004) bezieht. Dieser Veränderungsprozess ist in der öffentlichen Diskussion als „Offshoring“ (u.a. Scheitor et al. 2004; Boes 2004) bekannt und kann abstrakt als „Industrialisierungs- und Internationalisierungsschub“ (vgl. Boes 2004, 133) der ITK-Branche angesehen werden. Der Zusammenhang von Industrialisierung und Internationalisierung besteht darin, dass die Auslagerung von Tätigkeiten eine Standardisierung der Arbeitsabläufe voraussetzt, da diese nur so aus der Produktionskette abgetrennt und reintegriert werden können. Konkret ist mit dem Begriff des „Offshoring“ die räumliche Verlagerung von Produktionskapazitäten in sogenannte „Billiglohnländer“ gemeint, wobei sich die auslagernden Unternehmen „komparative Kostenvorteile“ durch die Nutzung der Ressourcen des Weltarbeitsmarktes erhoffen. Insbesondere wegen der leichten Transferierbarkeit immaterieller Produkte und Dienstleistungen durch die neuen IuK-Technologien ist die ITK-Branche gerade zu prädestiniert für die Auslagerung sowohl einfacher, als auch hochqualifizierter Tätigkeiten. Obwohl die ökonomische Bewertung dieser Auslagerungsstrategie umstritten ist, entfaltet der Druck zum „Offshoring“ seine Wirkung auf die Beschäftigten. Damit bewirkt die „Offshoring“-Option eine Erweiterung des Handlungsrepertoires des Managements und verbessert im „concession bargaining“ dessen Position gegenüber den Beschäftigten (vgl. Schwemmle 2004, 145). Außerdem bewirkt die Diskussion um „Offshoring“ auch, dass die realen Auslagerungsaktivitäten zunehmen, die mit einer Neuzusammensetzung der organisationalen Wertschöpfungskette verbunden werden.

Somit steht die ITK-Branche paradigmatisch[4] für die Herausbildung eines „flexibel-marktgetriebenen Produktionsmodells“ (Dörre 2003), das auf der Unternehmensebene – dies gilt für die formalisierten Großunternehmen – neben einer zunehmenden „Shareholder-value-Fixierung“ durch „verschiedene Formen externer (Beschränkung aufs Kerngeschäft, Verringerung der Fertigungstiefe, Verkäufe von Geschäftszweigen, Werkspaltungen, Ausgründungen) wie interner Flexibilisierung (Centerbildung)“ (ebd., 18) gekennzeichnet ist. Dementsprechend zielen die organisatorische Dezentralisierung und die „Vermarktlichung unternehmensinterner Beziehungen“ (Sauer 2001, 30), zusammen mit unternehmensübergreifenden Vernetzungsprozessen, darauf ab, neben einer strategische Neuordnung der Geschäftsfelder, auch einen neuen Kontrollmodus zu realisieren. Konstitutiv für den neuen Kontrollmodus ist, dass die „ökonomische Dezentralisierung“ (Moldaschl/Sauer 2000, 207) der Unternehmenseinheiten mit einer Re-Zentralisierung der Konzernführung einhergeht, die durch Kontextsteuerung die „zentrifugalen Kräfte“ der Subeinheiten (Cost- und Profitcenter) reguliert (vgl. Funder 1999).

Diese neue Form der Binnensteuerung bestimmt die Arbeitsorganisation in den verschiedenen Unternehmenseinheiten, indem die jeweiligen Zielvorgaben der Unternehmenseinheiten kaskadenförmig auf die verschiedenen Projektgruppen oder Teams heruntergebrochen werden: „Mit Hilfe neuer Steuerungsinstrumente sucht man dezentralisierte Kompetenzen an die Unternehmensziele rückzubinden und Denken in ökonomischen Kategorien bei den Beschäftigten zu verankern. Das Management nutzt daher in ITK-Unternehmen verstärkt auch auf den mittleren und unteren Hierarchieebenen das Führen mit Zielen (Management by Objektives), das einzelne Beschäftigte und Teams in größerem Maße (als in traditionellen bürokratisch organisierten Betrieben) den Weg zur Zielerreichung selbst überlässt (Ergebnisorientierung)“ (Kalkowski/Mickler 2002, 129). Auf diese Weise findet die Koordinierung von Arbeitsaufgaben nicht mehr direkt über den Vorgesetzten, sondern ergebnisorientiert bzw. als „indirekte Steuerung“ (Peters/Glissmann 2001) statt. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass bei den Beschäftigten – abhängig von den individuellen Machtressourcen – durchaus direkte Partizipationsmöglichkeiten bei der Definition der Zielvorgaben bestehen.[5]

Im Gegensatz zu den (ehemals fordistischen) Großunternehmen haben die Klein- und Mittelbetriebe sich hauptsächlich durch die Informalität der Unternehmensstrukturen ausgezeichnet, die in den meisten Unternehmen in eine gemeinschaftliche Sozialordnung eingebettet waren (vgl. Kotthoff/Reindl 1990). Gerade das Selbstverständnis einer New Economy mit den Maximen „Arbeit als Spaß“, „Mitarbeiter als Rohstoff“ und „Flache Hierarchien“ (vgl. Meschnig/Stuhr 2001) hat die Arbeitskultur deutlich bestimmt. Gleichwohl führte die veränderte Marktdynamik auch in den kleinen und mittleren Unternehmen zu einer zunehmenden Ökonomisierung der organisationsinternen Prozesse. Beispielsweise haben Städler/Feseker/Lange (vgl. 2004, 151 f.) in ihrer Untersuchung von Internetunternehmen festgestellt, dass neben einer Formalisierung der Unternehmensstrukturen (Professionalisierung des betriebswirtschaftlichen Controlling, Berichtswesen, Personalmanagement) auch ein Festhalten an der gemeinschaftlichen, durch kurze Kommunikationswege bestimmten, Unternehmenskultur intendiert wird. Der Kontrollmodus in den Klein- und Mittelbetrieben gründet sich also weiterhin auf personale Vertrauensbeziehungen, wobei sich eine Ergänzung dieser Mechanismen des „sozialen Tauschs“ (vgl. Kotthoff 1997) durch ökonomische Kennziffern ausbreitet.

Insgesamt gesehen, leitet die ergebnisorientierte bzw. indirekte Steuerung bei den Beschäftigten der Groß- wie auch der Klein- und Mittelunternehmen einen Umbruch der Normalarbeit ein, den Kratzer (2003) als „Entgrenzung von Arbeit“ bezeichnet. Folglich unterminieren die Veränderungen der Unternehmens- und Arbeitsorganisation durch Flexibilisierung und Selbstorganisation konstitutive Merkmale tayloristisch-fordischer Grenzziehungen: Die Flexibilisierung von Arbeit verändert das fordistische Regulationsmodell dahingehend, dass die Beschäftigten innerhalb des kontextgesteuerten Rahmens der Zielvorgaben ihrer Projektarbeit über die zeitliche und räumliche Nutzung ihrer Arbeitskraft mitentscheiden können. Auf diese Weise richtet sich die individuelle Arbeitsverausgabung nicht mehr ausschließlich nach den vertraglich festgelegten Arbeitszeitnormen, sondern hängt von der vereinbarten Aufgabenerfüllung ab. Den Beschäftigten wird es hierbei überlassen, ihr Arbeitsvermögen selbstorganisiert – entsprechend den Zielvorgaben – in Arbeitsleistung zu transformieren (vgl. Kratzer/Sauer 2003).

Daher sind die Entgrenzungsprozesse durch die „Subjektivierung von Arbeit“ in zweifacher Hinsicht gekennzeichnet: „Die Verwertung subjektiver Potentiale und Ressourcen wird unmittelbar zum Bezugspunkt der Rationalisierung, und dem Subjekt wird dabei eine wesentliche Steuerungsfunktionalität zugesprochen“ (Kratzer 2003, 224). Entscheidend ist hierbei, dass der Zugriff auf die Subjektivität der Beschäftigten auch den „Subjektivierungsansprüchen der Beschäftigten“ entspricht, indem die „spezifische Erlebnisqualität kooperativer Arbeitsprozesse“ (vgl. Pongratz/Voß 2003) und die individuelle Autonomie bei der problemlösenden Wissensarbeit zu einer hohen Identifikation mit den Arbeitsaufgaben führen. Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen subjektbezogener Rationalisierungsstrategie und individueller Autonomie in der Arbeit entsteht für eine kollektive Interessenvertretung das Problem, dass die Ausweitung der Arbeitszeit, die Steigerung der Arbeitsintensität und der wachsende Arbeitsdruck von den Beschäftigten zwar als Problem wahrgenommen werden kann, aber nicht muss. Zudem bietet die indirekte Steuerung gerade WissensarbeiterInnen erhebliche individuelle Spielräume bei der Einhaltung der Zielvorgaben, da es bei spezialisierten, nur kooperativ zu bearbeitenden Aufgaben keine direkte Kontrollinstanz gibt. Da den hochqualifizierten Beschäftigten ein immenses „Primärmachtpotential“[6] (Jürgens 1984) zum individuellen Interessenhandeln zufällt, spielt für dieses Beschäftigtensegment die gesetzliche Interessenvertretung – ähnlich wie in anderen Studien zu HQA festgestellt (u.a. Kothoff 1997) – nur eine geringe Rolle.

Interessenvertretung in der ITK-Branche – Erosion oder Hybridisierung?

Obwohl die Zukunft der kollektiven Interessenvertretung in der ITK-Branche unterschiedlich bewertet wird, besteht dahingehend Einigkeit, dass sich eine „Gleichzeitigkeit von Stabilität und Umbruch“ (Schmierl 2003, 651) der industriellen Beziehungen herausbildet. Um die Bedeutung der verschiedenen interdependenten Regelungsebenen ermessen zu können, sollen in einem ersten Schritt anhand des Arenenkonzepts von Müller-Jentsch (1997) generelle Entwicklungslinien der industriellen Beziehungen in der ITK-Branche nachgezeichnet werden. Eine differenziertere Analyse erfolgt in einem zweiten Schritt, indem die Unternehmensmitbestimmung noch einmal differenziert nach Großunternehmen sowie Klein- und Mittelbetrieben betrachtet wird.

Arena der Tarifautonomie

Die Ergebnisse der WSI-Betriebsrätebefragung zeigen eindeutig, dass die Geltung von Flächentarifen eine weniger wichtige Rolle, als in der Gesamtwirtschaft spielt. Demnach ist knapp jeder dritte ITK-Betrieb an einen Branchen- oder Verbandstarif angeschlossen (Ahlers/Trautwein-Kalms 2002, 37). Weiterhin besteht bei 23 Prozent der befragten Unternehmen ein Firmen- oder Haustarifvertrag, d.h. diese Form des Tarifvertrages ist in der ITK-Branche wesentlich weiter verbreitet, als in der restlichen Privatwirtschaft, in der lediglich elf Prozent der Unternehmen ihre Arbeitsregulation auf diese Weise organisiert haben (vgl. ebd.). Insgesamt 44 Prozent der Unternehmen mit Betriebsrat sind nicht tarifvertraglich gebunden. Mögliche Erklärungsansätze für die Unterschiede zur Gesamtwirtschaft wären neben den branchenspezifischen Abwehrmechanismen gegen kollektivvertragliche Regelungen – vor allem bei den Kleinst- und Kleinunternehmen – das Fehlen von Tarifvertragsparteien in der ITK-Branche, die in der Lage sind, Tarifverhandlungen zu führen. Perspektivisch könnte sich hierbei mit der zunehmenden Organisierung der Unternehmen im Bitkom etwas verändern. Auf Seiten der Gewerkschaften findet eine – in der Praxis nicht unproblematische – Unterteilung der ITK-Branche zwischen IG Metall und ver.di statt.[7] Festzuhalten bleibt auf dieser Ebene, dass Tarifverträge eine wichtige Rolle bei der unternehmensübergreifenden Regelung der Arbeitsbeziehungen spielen und gerade in den Großunternehmen für viele ArbeitnehmerInnen solche Regelungen bestehen. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass in den tarifgebundenen Unternehmen ein nicht unwesentliches Segment an Angestellten mit außertariflichen Arbeitsverträgen vorhanden ist. In den meisten Klein- und Mittelunternehmen gelten dagegen statt tarifvertraglicher Normen unternehmensbezogene Regelungsformen, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass die zahlreichen Klein- und Mittelbetriebe ohne Betriebsrat in der WSI-Betriebsrätebefragung nicht repräsentiert sind.

Arena Betriebs- und Arbeitsverfassung:

Der relative Bedeutungsverlust der überbetrieblichen Regulierungsformen schließt eine „Verbetrieblichung“ und Heterogenisierung der Interessenvertretungsstrukturen ein. Hierbei war u.a. in den Unternehmen der New Economy von alternativen Formen der Mitbestimmung (u.a. Round Tables, Coach, Moderator, Vertrauensperson etc.) die Rede, in denen eine individuellere, diskursive Interessenartikulation der Beschäftigten möglich sein sollte (Beispiele: siehe Bertelsmann/Böckler 2002). Erste Untersuchungen, wie die Polit-digital-Studie (2001), scheinen diese Tendenz zu bestätigen. Demnach verfügen 61 Prozent der Unternehmen über keine organisierte Interessenvertretung, 26 Prozent über einen Betriebsrat, elf Prozent über ein alternatives Gremium und zwei Prozent über Vertrauenspersonen (Polit-digital 2001, 6). Ittermann/Niewerth (2004, 56 f.) kamen in ihrer repräsentativen Befragung der (damaligen) NEMAX-Unternehmen bei dieser Thematik zu folgenden Ergebnissen (Mehrfachnennungen waren möglich): 40 Prozent der Unternehmen gaben an, über einen Betriebsrat zu verfügen, 28 Prozent hatten eine alternative Form der kollektiven Interessenvertretung und in einem Drittel aller Unternehmen wurden Selbstvertretungsformen praktiziert. Für die gesamte ITK-Industrie schätzen Ahlers/Trautwein-Kalms (2002), dass 32 Prozent der Unternehmen einen Betriebsrat haben und Boes/Kratzer/Marrs (2003), dass 50 Prozent der Beschäftigten in einem Unternehmen mit Betriebsrat arbeiten. Somit erweist sich die gesetzliche Interessenvertretung auch in der ITK-Industrie als ein wichtiger Regulationsmodus, dessen „Stabilisierung und flächendeckende Verbreitung“ weiter kontrovers diskutiert wird (Abel/Ittermann 2004).

Als das eigentlich „Neue“ an den Interessenvertretungsstrukturen der ITK-Unternehmen wird einstimmig die konstitutive Bedeutung der Selbstvertretung oder der „individualisierten Arbeitsregulation“ (Töpsch/Menez/Malanowski 2001) genannt. Entsprechend der zuvor analysierten Unternehmens- und Arbeitsstrukturen und der damit einhergehenden Subjektivierung von Arbeit haben sich neugeschaffene Institutionen zur individualisierten Regulation der Arbeit entwickelt (vgl. Boes/Baukrowitz, 282), die auf der Grundlage von Verhandlungsbeziehungen funktionieren. Aufgrund der hohen Primärmachtpotentiale der WissensarbeiterInnen – vor allem während der Boom-Phase der ITK-Industrie – hat sich die Individualisierung der Konfliktstrukturen als das „dominierende Muster der Arbeitsbeziehungen“ (Abel/Ittermann 2004, 11) durchgesetzt. Dies geht mit einer „Veränderung der inneren Funktionslogik des institutionellen Systems der Interessenvertretung“ (Boes/Trinks 2004, 20 f.) einher, die sich in den Großunternehmen sowie den Klein- und Mittelbetrieben verschieden auswirkt.

Die Umstrukturierungen der Großunternehmen haben auf der Ebene der Arbeitsorganisation und der Ebene des individuellen Arbeitsvertrags – insbesondere bei den HQA – zu einer Aufwertung der individuellen Selbstvertretung gegenüber den Vorgesetzten geführt. Mit der Dezentralisierung und Vermarktlichung der Unternehmensstrukturen erhöht sich der Spielraum der Beschäftigten sowohl bei der Aushandlung von Zielvereinbarungen, als auch bei der konkreten Projektarbeit. Trotz dieses Autonomiegewinns sind diese direkten Beteiligungsformen unter dem Aspekt der zunehmenden Vermarktlichung (vgl. Dörre 2002) zu betrachten, was die Reichweite dieser Beteiligungsformen sehr einschränkt. Des weiteren bestehen für die außertariflich Beschäftigten weitere Partizipationsmöglichkeiten bei der Ausgestaltung des individuellen Arbeitsvertrags (u.a. Gratifikationen, Arbeitszeit); aber auch den tarifgebundenen Beschäftigten bleibt bei Eingruppierungsfragen und zusätzlichen Vergünstigungen ein gewisser Spielraum. Meistens finden diese individuellen Verhandlungen bei Unternehmen mit Betriebsrat innerhalb von Rahmenregelungen statt, die durch Betriebsvereinbarungen festgelegt wurden.

Während sich in den Großbetrieben die Selbstvertretung zur basalen Form der Interessenartikulation von WissensarbeiterInnen entwickelt hat, sind die individuellen Gestaltungsspielräume nicht unabhängig von den bestehenden kollektiven Regelungen zu betrachten. Diese Interdependenz von Selbstvertretung und gesetzlicher Interessenvertretung hängt vor allem damit zusammen, dass die Restrukturierung der „ehemals fordistischen Unternehmen“ sowie die Ausgestaltung der neuen Partizipationsmöglichkeiten auf der Basis einer kooperativen Zusammenarbeit der Geschäftsführung und des (Gesamt-)Betriebsrats durchgeführt wurde. Insgesamt lässt sich die Betriebsratsarbeit in den Großunternehmen durch vier (verallgemeinerte) Merkmale charakterisieren: Der Betriebsrat bleibt – erstens – weiterhin ein wichtiger Akteur der Interessenvertretung und wird zweitens von der Unternehmensleitung als Verhandlungspartner anerkannt. Drittens geht die „bemerkenswerte Stabilität“ (Ittermann/Niewerth 2004, 14) der betrieblichen Mitbestimmung mit einem „inneren“ Wandel der Interaktionsmuster einher. Viele Betriebsräte haben aufgrund der kooperativen Restrukturierung der Unternehmen und der Schwächung der Verhandlungsmacht durch Verlagerungsdrohungen („Offshoring“) ein eher beteiligungsorientiertes Selbstverständnis entwickelt. Viertens bleibt die „Hegemonie der hochqualifizierten Angestellten“ nicht ohne Wirkung auf die Zusammensetzung des Betriebrats und auf die Anforderungen gegenüber den InteressenvertreterInnen, d.h. anstatt der Ausübung einer Schutzfunktion wird fachliche Kompetenz und die Übernahme von Beratungsfunktionen gefordert. Daraus resultiert für den Betriebsrat das Problem, die Pluralität der Mandatsgeber, von den HQA bis zum Arbeiterklientel, zu repräsentieren. Insbesondere die Verhandlung über kollektive Regelungen gestaltet sich in diesem Zusammenhang als sehr schwierig, da sich gemeinsame Interessen nur sehr schwer formulieren lassen. Trotz der Stabilität der betrieblichen Mitbestimmung führt die Dominanz der hochqualifizierten Beschäftigten auch zu neuen Herausforderungen bei den Gewerkschaften, die durchaus in einigen wichtigen Unternehmen dieses Segments erfolgreich agieren.

In den Klein- und Mittelbetrieben finden sich traditionell eher informelle Partizipationsformen (vgl. Hilbert/Sperling/Fretschner 1999) wieder, die in den ITK-Unternehmen häufig durch die Selbstvertretung der Beschäftigten in Mitarbeitergesprächen, einer Politik der „offenen Tür“ oder „Company-Meetings“ ermöglicht werden. Auch die Verhandlung des individuellen Arbeitsvertrags eröffnet, je nach Primärmachtpotenzial, Spielräume bei der Regelung von Arbeitszeit, Entgelt und Leistungserbringung. Entscheidend für die Arbeitsbeziehungen in den Klein- und Mittelbetrieben ist die feste Verankerung der Selbstvertretung in den Aushandlungsprozessen zwischen Beschäftigten und Geschäftsleitung: „Der individualisierte Aushandlungsmodus tritt in diesen Unternehmen in Reinform zutage. Er muss nicht eigens implementiert werden; Unternehmen und Betriebe sind bereits partizipative Arbeitskulturen“ (Dörre 2002, 179). Indem die Selbstvertretung konstitutiver Bestandteil des Interessenhandelns ist, besteht eine erhebliche Distanz zu kollektiven Formen der Interessenvertretung. Aus diesem Grund wurde in zahlreichen ITK-Unternehmen eine alternative Form der Mitbestimmung, entweder von der Geschäftsleitung oder den Beschäftigten, gegründet. Dadurch soll eine Interessenregulation gewährleistet werden, die dem individualistischen Selbstverständnis der Beschäftigten und den gemeinschaftlichen Sozialordnungen der Betriebe entgegenkommt. Wenn Betriebsräte existieren, dann müssen sie die individualistische Arbeitsidentität der HQA zu ihrem Ausgangspunkt machen: „Kollektive Regulationsformen nach dem Stellvertreterprinzip sind eher selten anzutreffen; sie sind für die Beschäftigten vordringlich ‚anlassbezogen’ und verbunden mit einem unternehmensweiten Fokus von Interesse bzw. werden dann interessant, wenn den HQA die Möglichkeit der persönlichen Einflussnahme und Verantwortungsnahme systematisch vorenthalten wird.“ (Städler/Feseker/Lange 2004, 160)

Auch die ITK-Krise hat nur partielle Veränderungen in Richtung einer Ausweitung der gesetzlichen Mitbestimmung mit sich gebracht, da zwar die Gemeinschaftlichkeit der Sozialordnungen in Widerspruch mit Restrukturierungsmaßnahmen geraten ist, dies aber nur in einzelnen Fällen zu einer Betriebsratsgründung geführt hat.[8] Die Gewerkschaften spielen in diesem Unternehmenssegment immer noch eine marginale Rolle.

Insgesamt kann die aufgezeigte Entwicklung der Interessenvertretungsstrukturen in der ITK-Branche mit der Hybridisierungsthese auf den Punkt gebracht werden, „wonach das System industrieller Beziehungen weniger einem umfassenden Strukturbruch unterworfen ist, als vielmehr von einem unübersichtlichen Nebeneinander der Erosion bekannter Interessenvertretungsformen, flexibler Restrukturierungsbemühungen der Kollektivakteure und der Etablierung neuer Muster der Interessenartikulation geprägt ist.“ (Schmierl 2003, 651) Die Unübersichtlichkeit der gegenwärtigen Regulationsstrukturen in der ITK-Branche impliziert zudem, dass ihre Ausgestaltung noch ein offener, umkämpfter Prozess ist. Auf diesem Terrain wird sich entscheiden, ob die Gewerkschaften organisationspolitische Konzepte entwickeln können, die ihnen die Handlungsfähigkeit unter erschwerten sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen sichern.

Gewerkschaftliche Handlungsoptionen

Aus den vorangegangenen Ausführungen über die „neue Arbeitswelt“ und die Interessenvertretungsstrukturen in der ITK-Branche ergeben sich für die Gewerkschaften drei wesentliche Herausforderungen. Mit der Entgrenzung von Arbeit gehen wichtige „Basisstandards“ (Boes/Baukrowitz 2002) der kollektiven Interessenvertretung, wie die Regelung der Arbeitszeit und der Arbeitsleistung, verloren. An die Stelle kontrollierter Arbeitszeitregelungen und direkter Leistungsbeurteilung tritt eine ergebnisorientierte Steuerung des Arbeitsvollzuges, die zu einer Abkoppelung der Arbeitsrealität von den bestehen Regulierungsnormen führt. Einhergehend mit einem unternehmerischen Arbeitsverständnis lässt die Selbstrationalisierung der Beschäftigten die Einflussmöglichkeiten der kollektiven Interessenvertretung und der Gewerkschaften in diesem Bereich schwinden (vgl. Sauer et al. 2004, 166).

Zudem stellt die Heterogenisierung und Akademisierung der Beschäftigten hohe organisationspolitische Anforderungen an die Gewerkschaften. Denn die Anforderungen an die Gewerkschaftspolitik oszillieren zwischen dem Bedürfnis nach individueller Unterstützung und einer generellen Schutzfunktion. Nach Menez/Töpsch (vgl. 2003, 22) bringt die Akademisierung der Branche zwei Organisationsprobleme mit sich: Einerseits eine neuartige Beschäftigtenstruktur, die der gewerkschaftlichen Mitgliederstruktur nicht ansatzweise entspricht, andererseits das individualisierte Interessenhandeln der Beschäftigten, das eine Neuausrichtung bisheriger Interessenvertretungsstrukturen erforderlich macht. Folglich stehen die Gewerkschaften vor der Aufgabe, die Individualisierung des Interessenhandelns als zentrale Handlungsarena der Arbeitsbeziehungen anzuerkennen und auf dieser Ebene mit der Neuformierung von Handlungsfähigkeit anzusetzen. Demzufolge geht es darum, in den Betrieben mit der Demonstration von „Sachkompetenz“ (Dörre 2002, 334) bestehende Vorurteile über die Gewerkschaften abzubauen und „möglichst viele Beschäftigte aktiv in die Arbeit einzubeziehen“ (ebd., 333).

Allerdings stehen die Gewerkschaften diesen Dilemmata nicht hilflos gegenüber. So werden in den klassischen gewerkschaftlichen Politikfeldern mannigfaltige Versuche unternommen, die Entgrenzung von Arbeit wieder an Regelungsnormen zurückzubinden. Im Zentrum steht hierbei der Abschluss von Tarifverträgen, um für die Arbeitszeit- und Entlohnungsformen wieder Rahmenregelungen zu etablieren. Weiterhin gelingt es den Gewerkschaften – wie z.B. der IG Metall mit der Broschüre „Entgeld in der IT-Branche“ – in einigen Feldern durch eine gezielte Informationspolitik den Beschäftigten in nicht-tarifgebundenen Unternehmen eine wichtige Orientierungshilfe für ihre individuellen Arbeitsvertragsverhandlungen zu geben. Trotz dieser Maßnahmen sehen sich die Gewerkschaften in der ITK-Industrie immer noch mit einem niedrigen Organisationsgrad und einer deutlichen Ablehnung ihrer Positionen bei vielen WissensarbeiterInnen konfrontiert. Aus diesem Grunde müssen organisationspolitische Veränderungen eingeleitet werden, damit die Gewerkschaften in traditionell mitbestimmten ITK-Unternehmen und in mitbestimmungsfreien Klein- und Mittelunternehmen das Segment der WissensarbeiterInnen erreichen. Erste Modellprojekte von ver.di und der IG Metall, stellen durchaus deren organisationale Reform- und Lernfähigkeit unter Beweis:

Das ver.di-Projekt connexx.av hat sich zur Aufgabe gemacht, in den Unternehmen der (Neue-)Medien-Branche die gesetzliche Mitbestimmung zu fördern. Aufgrund der (meist) kleinbetrieblichen Strukturen und der Arbeitsidentität der (meist) hochqualifizierten Angestellten findet eine bewusste Abgrenzung von der traditionellen gewerkschaftlichen Arbeitsweise statt: „Gemeinsam mit den Medienschaffenden erarbeitet connexx.av neue, offene Organisationsangebote und neue gewerkschafts-, tarif- und betriebspolitische Zielsetzungen und Durchsetzungsstrukturen. Der von connexx.av moderierte Prozess des gegenseitigen Austausches ist eine Win-Win-Beziehung zwischen ver.di und der Medienszene.“ (www.connexx-av.de). Bisher kann diese neue Herangehensweise auf einige spektakuläre Betriebsratsgründungen (z.B. Pixelpark) und Aktionen (z.B. Ebay) verweisen.

Mit ver.di-innotec existiert ein Kooperationsprojekt, das vor allem Know-how für die Gewerkschaften, Interessenvertretungen und ArbeitnehmerInnen bereitstellt: „ver.di-innotec verfolgt den Zweck, Wissenschaft und Forschung sowie Bildung und Weiterbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie deren Interessenvertretungen auf dem Gebiet der modernen Technologie, insbesondere der Informationstechnologie unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Gestaltung des Wandels der Arbeitswelt zu fördern.“ (www.verdi-innotec.de)

Die IG Metall verfügt mit i-connection und dem Rhein-Main-Projekt auch über zwei innovative Projekte, wobei ersteres ein IT- bzw. Engineering-Netzwerk ist, das zur Unterstützung der Betriebsratsarbeit, betrieblicher Initiativen und wechselseitigem Informationsaustausch gegründet wurde. Auch das Rhein-Main-Projekt ist netzwerkförmig strukturiert und eine „Plattform für Weiterbildung und gegenseitigen Informationsaustausch für Betriebsräte und interessierte Beschäftigte aus den zahlreichen IT- und TK-Unternehmen der Region.“ (www2.igmetall.de/homepages/projekt-rhein-main/)

Ein weiteres bemerkenswertes Projekt ist die Kampagne „Meine Zeit ist mein Leben“, die in der Zusammenarbeit zwischen den Betriebsräten der IBM-Düsseldorf, externen Wissenschaftlern und der IG Metall entwickelt wurde. Der Ausgangspunkt bestand in der Etablierung der indirekten Steuerung als neuer Managementmethode, die zu einem „Arbeiten ohne Ende“ – einschließlich einem erhöhten Arbeits- und Leidensdruck – bei den Beschäftigten führte. Von den Betriebsräten wurde erkannt, dass die WissensarbeiterInnen das Spannungsverhältnis zwischen wachsender Autonomie in der Arbeit und den Nebenfolgen dieses Arbeitsarrangements individualisiert verarbeiteten. Somit konnte diese Problematik nicht durch kollektive (Schutz-)Regelungen eingedämmt werden: „Ich kann einen anderen Menschen nicht vor sich selber schützen! Jeder und jede einzelne muss selber lernen, sich vor sich selbst zu schützen“ (Glissmann 2001a, 120). Um die Individualisierung des Interessenhandelns zu überwinden, galt es, in einem ersten Schritt Verständigungsprozesse „von Individuum zu Individuum“ – unter Einsatz der neuen Kommunikationsmedien – durch die Betriebräte zu organisieren und zu moderieren. Außerdem sollte in einem zweiten Schritt, der Erfahrungsaustausch der Beschäftigten durch zahlreiche Aktionen und inhaltliche Veranstaltungen in ein Begreifen ihrer Situation überführt werden. Insgesamt resultierte die Schaffung von Kommunikationsräumen sowie die beteiligungsorientierte Betriebsratsarbeit darin, notwendige Leitbilder unter dem Motto „Meiner Arbeit ein Maß geben“ (Glissmann 2001b, 140) zu formulieren und der Betriebratsarbeit eine breite Basis zu sichern. Das Zusammenspiel zwischen der IG Metall und der IBM-Betriebsratsarbeit, ohne das eine solche Vorgehensweise niemals möglich gewesen wäre, bestand vor allem in der Unterstützung, der Dokumentation und der Verallgemeinerung der Kampagne.

Obwohl diese Beispiele eine adäquate Reaktion der Gewerkschaften auf die gegenwärtigen Veränderungen anzeigen, reicht die Gründung spezifischer Projekte sowie Unterstützung betrieblicher Kampagnen nicht aus, um eine dauerhafte Handlungsfähigkeit zu sichern. Die bessere Einbettung in die klassische gewerkschaftliche Arbeit und die gegenseitige Ergänzung dieser Modellprojekte müsste durch umfassende Organisationsreformen unterstützt werden. Hierbei könnte das Konzept der „Netzwerkgesellschaft“ von Helmut Martens (2000) ein Leitbild darstellen: „Sie (die Netzwerkgesellschaft, S.D.) müsste innerhalb aller Organisationsgliederungen und über sie hinweg ein möglichst hohes Maß an Kommunikation und wechselseitigem Lernen ermöglichen. Denn sie könnte nur mit in dieser Richtung weiterentwickelten Strukturen und mit hauptamtlichen Funktionären, die sie tragen und sich durch sie selbst weiterentwickeln, die heute geforderten politischen Dienstleistungen für ehrenamtliche Funktionäre und Mitglieder erbringen. Zugleich könnte sie nur so soziale Räume zur aktiven Beteiligung an den heute erforderlichen Findungsprozessen eröffnen und dabei den Versuch unternehmen, auch in den Regionen präsent und in einem möglichst hohen Maße offen und handlungsfähig in Bezug auf die arbeitspolitischen Prozesse in der Gesellschaft zu sein.“ Eine handlungsfähige Gewerkschaft könnte dann wieder in die gesellschaftlichen „Klassifizierungskämpfe“ (Bourdieu 2001, 55) um die Leitbilder einer humanen Arbeitsgestaltung eingreifen.

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[1] Eine genauere Darstellung der Entwicklung der ITK-Industrie von den Anfängen der Informationstechnikindustrie und der Telekommunikationsindustrie bis zu den gegenwärtigen Branchenentwicklungen findet sich bei Boes/Baukrowitz (2002).

[2] Als Klein- und Mittelunternehmen gelten Betriebe mit mehr als 50 MitarbeiterInnen und mit bis zu 500 Beschäftigten, die durch informelle Unternehmensstrukturen gekennzeichnet sind. Eine weitere Abgrenzung durch eine Umsatz-Obergrenze macht in der ITK-Branche m.E. keinen Sinn.

[3] In diesem Beitrag konzentriere ich mich in erster Linie auf die WissensarbeiterInnen bzw. die hochqualifizierten Angestellten als dem hegemonialen Arbeitnehmer-Typus der ITK-Branche, da eine vollständige Analyse der verschiedenen Beschäftigtensegmente, einschließlich ihres Interessenhandelns, den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würde.

[4] Die neuen Formen der Unternehmens- und Arbeitsorganisation setzen sich branchenübergreifend durch. Jedoch weisen zahlreiche Untersuchungen darauf hin, dass diese Veränderungen in der ITK-Industrie am weitesten fortgeschritten sind.

[5] Eine andere Bezeichnung für „indirekte Steuerung“, die diesen Verhandlungsaspekt betont, wäre die „diskursive Koordinierung“ (Braczyk/Schienstock 1996).

[6] Jürgens (1984, 61) unterscheidet zwischen zwei Machtpositionen im Betrieb. Unter Primärmacht „verstehe ich die originär aus der Art der Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den sozialen Parteien im Betrieb erwachsenen Machtpositionen für einzelne Beschäftigte bzw. Beschäftigtengruppen. Im Gegensatz dazu verstehe ich unter ‚Sekundärmacht’ solche, die auf bereits kollektiv erkämpften bzw. staatlich gesetzten Regelungen und Institutionen beruhen.“

[7] Nach dem sogenannten 2+2+2-Papier ist die „IG Metall im Wesentlichen für den Sektor Informationstechnologie (Hard- und Software) zuständig, ver.di für den Bereich Telekommunikation“ (Menez/Töpsch 2003, FN 28).

[8] Inwieweit die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes mit der Erleichterung einer Betriebsratsgründung in Unternehmen von 3-100 Beschäftigten zur Ausbreitung der gesetzlichen Interessenvertretung führt, wird die Zukunft zeigen.